Deffner | Psematákia | E-Book | www2.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 230 Seiten

Deffner Psematákia

Abenteuer, Alltag und Krise in Griechenland
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-347-65326-9
Verlag: tredition
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Abenteuer, Alltag und Krise in Griechenland

E-Book, Deutsch, 230 Seiten

ISBN: 978-3-347-65326-9
Verlag: tredition
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Griechenland von A-Z. Andreas Deffner nimmt die Leser mit auf eine Reise durch den Alltag der Griechen. Mit jedem Buch der Abenteuer, Alltag und Krise in Griechenland-Reihe vervollständigt sich das Gesamtbild. Land und Leute, das wahre Leben, abseits der Touristenpfade. Ein Buch für alle, die Griechenland lieben, entdecken und leben wollen.

Andreas Deffner wurde am 31. Januar 1974 in Gladbeck, im Ruhrgebiet geboren. Er hat lange Zeit im Rheinland gelebt und wohnt heute mit seiner Frau und seinen drei Söhnen in Potsdam. Seine "Zweite Heimat" aber ist Griechenland. Wann immer er Zeit hat, fährt er "nach Hause", nach Tolo. In dem kleinen Fischerdorf auf dem Peloponnes fühlt er sich ebenso heimisch wie in Potsdam, Gladbeck oder Berlin. Und "Oma Vangelio" hat immer gesagt: "Junge, du bist in Tolo groß geworden." Der Autor der erfolgreichen Reihe "Abenteuer, Alltag und Krise in Griechenland" ist außerdem leidenschaftlicher Koch und Favarista. Einige seiner Geheimnisse aus den Küchen der griechischen Tavernen verrät er in seinen Büchern. Und wenn dann noch Zeit bleibt, widmet er sich seinem monatlichen Podcast "Jurte-Gespräche".
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TIERZÄHLUNG AUF GRIECHISCH

Wenn es im Winter langweilig wird

»?????? µ??s?.«
Gr. Redewendung, vgl. mit:
»Jemandem einen Bären aufbinden.«
(wörtlich: ich verkaufe einen Bart)

Ultramarinblau zeichnet sich der Himmel an diesem Wintermorgen gezackt entlang der Hügelkette der Insel ab. Das dunkelste aller blauer Farben, ultramarin, hat seinen Namen erhalten, weil die Zutaten für die Pigmentherstellung einst „über das Meer“, ultra marin, herbeigeschafft werden mussten. Eine lange Reise für die ultimative Farbe, doch am Ende entsteht ein Farbton, der unbeschreiblich schön ist und anmutig leuchtet. Hier über der Insel, die ich am liebsten Ultramarinien taufen würde, zeigt sich das Blau wie von Götterhand an den ägäischen Himmel gemalt. Man hätte es auch einfach Ägäisblau nennen können, dann wäre jedem, der schon einmal in Griechenland war, sofort klar, wie genau dieser Farbton aussieht. Es ist wohl das besondere, einzigartige Licht in Hellas, in dem alles noch viel klarer scheint, das zum Träumen einlädt und das Ideen sprudeln lässt.

Für mich heißt es bald wieder Abschied nehmen. Ich war für einige Tage auf Ultramarinien unterwegs und bevor es nun zurück nach Deutschland geht, will ich meinem alten Freund Thanassis noch einen Besuch abstatten. An diesem frühen Sonntagmorgen ist wenig los. Auf meinem Weg in das winzige Bergdorf, das die höchstgelegene Siedlung der Insel ist, begegnet mir niemand. Ganz Ultramarinien scheint in einem Dornröschenschlaf verfallen. Eine eigenartige Einsamkeit liegt heute über der Insel, die ohnehin sehr abgelegen und touristisch kaum erschlossen ist. Im Winter ist es ohnehin noch sehr viel ruhiger, aber heute ist irgendetwas anders. Nicht einmal der Schäfer, der einem sonst fast jeden Morgen über den Weg läuft, ist mit seinen Schafen und Ziegen unterwegs. Geheimnisvoll!

Thanassis betreibt eine kleine, urige Taverne in seinem Heimatdorf. In den Wintermonaten verirrt sich selten ein Gast hierher, häufig macht er daher erst gar nicht auf, doch heute sitzt Thanassis gemütlich entspannt auf seiner Terrasse vor der Taverne und blickt über die saftig grüne Berglandschaft, die sich von hier aus in alle Richtungen sanft zu den Küsten des Eilands herabsenkt. Das tiefe Blau des Himmels und die kräftigen Grüntöne der Kiefern, Pinien und Kornelkirschbäume verzaubern mit anmutiger Strahlkraft. Hin und wieder hört man das Tschilpen eines Vogels und gelegentlich überfliegt ein Adler mit seinen kräftigen Schwingen die Bilderbuchlandschaft und wirft dabei einen mächtigen Schatten an Land. Mehr nicht. Die Welt scheint stillzustehen. Ganz so, als würde Zeus mit offenem Mund sprachlos der von ihm erschaffenen Schönheit der Natur huldigen.

»Kalimera Andreas!« Thanassis springt von seinem Korbstuhl. Voller Freude und mit weit ausgebreiteten Armen. Er scheint froh über die Abwechslung eines Besuchers. Da wir uns seit einigen Monaten nicht mehr gesehen hatten, ist die Freude auf beiden Seiten riesig.

»Thanassi, wie geht es dir?«, rufe ich meinem langjährigen Freund entgegen und nehme die wenigen Stufen hinauf zu seiner Terrasse fast schwebend. Ich freue mich sehr ihn wiederzusehen. Sein stets freundliches, spitzbübisches Lächeln lässt Thanassis deutlich jünger wirken. Er geht zwar auf die 50 zu und seine wallenden Lockenhaare zeigen Ansätze von Grau, doch in solchen Momenten wie heute sieht er aus, wie der kleine Junge aus der Nachbarschaft, der gerade einen Klingelstreich gespielt hat und sich dabei bereits die nächste Überraschung überlegt hat.

»Mir geht’s gut!«, sagt Thanassis, als wir uns zur Begrüßung in die Arme fallen. »Es ist zwar etwas langweilig im Winter, aber jetzt bist du ja da. Komm setz dich!«

Thanassis bietet mir Kaffee an. »Mokka oder Frappé?« Ich entscheide mich für den guten, traditionellen Mokka. Thanassis kocht ihn in aller Seelenruhe im langstieligen Kaffeetöpfchen, dem Briki, über einem kleinen Gaskocher. Je langsamer das Kaffeemehl mit dem Wasser zum Kochen gebracht wird, desto besser schmeckt der original griechische Kaffee. Früher wurde er traditionell im heißen Sand erhitzt, das dauerte. Doch auch die thanassische Gaskochervariante zaubert einen exzellenten Kaffee in die kleinen Mokkatässchen. Kein Vergleich zu dem Gebräu, den man immer häufiger in griechischen Touristenorten serviert bekommt, wo er blitzschnell mit der Milchaufschäumdüse der Espressomaschine zum Kochen gebracht wird. Auf Ultramarinien ist Zeit jedoch nicht knapp. Hiervon gibt es im Winter reichlich. Vielleicht sollte sich Thanassis einen ??ß??? (Chóvoli) zulegen. Ein Gerät, in dem man auch heute noch den Mokka in echtem Sand kochen kann.

»Erzähl, was gibt es Neues?«, frage ich Thanassis, während wir darauf warten, dass sich der Kaffeesatz auf den Boden der Tassen absetzt und der Mokka somit trinkfertig wird. Thanassis startet einen leisen, langen Dialog. Der Winter war lang, die meisten Arbeiten hat er erledigt, die Ernte eingefahren, einige Reparaturen am Haus erledigt und bereits einige neue Ideen für die nächsten Jahre entwickelt.

»Und trotz der vielen Arbeit wird es irgendwann auch mal langweilig.« Thanassis schaut gedankenverloren erst in Richtung Dorfstraße, dann auf seine Uhr. Erst jetzt wirkt er wieder etwas beruhigter und lehnt sich entspannt zurück und blickt in den tiefblauen Himmel. Eine Armbanduhr war mir bei Thanassis noch nie aufgefallen. Seltsam. Was hat das zu bedeuten? Es ist kurz nach zehn Uhr, Sonntagmorgen.

»Wie war die Olivenernte dieses Jahr?«, frage ich Thanassis und reiße ihn damit scheinbar aus einem Gedanken.

»Ziemlich gut, der Ertrag war reichlich und die Qualität ist super dieses Jahr. Ich kann mich nicht beklagen«, sagt Thanassis und wirkt stolz und zufrieden.

»Und dein Wein? Hast du schon welchen geerntet?«

Thanassis hatte vor einigen Jahren als Hobbywinzer angefangen, um irgendwann seinen Gästen eigenen Wein servieren zu können. Jetzt blickt er ernst und gar nicht mehr so kindisch-fröhlich.

»Der Wein ist hin. Diese verdammten Ziegen haben alles aufgefressen. Schon zweimal habe ich neue Reben gepflanzt. Erst kürzlich haben die Biester wieder alles Grüne verschlungen. Nichts bleibt an den Weinreben, wenn so eine Herde Schafe und Ziegen über dein Feld spaziert. Kahle Äste, keine Blätter, kein Wein. Ich gebe auf.«

Thanassis streckt die Hände gen Himmel. Kapitulation vor den Feta-Produzenten. Und während ich noch im Mitleid mit meinem Freund dem ehemaligen Weinbauern schwelge, wird es plötzlich munter im Dorf. Ein Hund kommt die Straße herabgelaufen, kurz dahinter folgt ein Hahn. Nur das Tappen der Pfoten und Krallen auf dem Asphalt ist zu hören. Doch wenig später wird es lauter. In einem Abstand von vielleicht einhundert Metern folgen zwei alte, gebrechliche Frauen. Eine von ihnen führt einen Esel an einer Leine, die andere eine Kuh am Halsband. Es folgen im Gänsemarsch zwei Ziegen, ein Schaf, einige Truthähne, etliche Hühner, weitere Hunde und diverse Katzen. Zudem sind einige kleine Schachteln und Kisten dem Esel auf den Rücken geschnallt. Was da wohl drin ist?

»Thanassi, was machen die Frauen?«, frage ich verwundert über deren seltsamen Sonntagsspaziergang.

Keine Antwort.

Stattdessen ein schneller Blick auf die Armbanduhr, und dann legt Thanassis flink einen Zeigefinger an den Mund und sieht mich ernst an. Ich solle leise sein, wird das wohl bedeuten. Er bleibt stumm. Aber warum?

Mit einer angedeuteten Kopfbewegung in Richtung der Alten bedeutet er mir nun, noch etwas innezuhalten. Konzentriert schaut er dem kuriosen Treck nach, während ich mich ungeduldig umsehe, wer oder was noch erscheinen würde. Doch das winzige Dorf scheint bereits komplett entleert. Und auch die beiden letzten verbliebenen, biegen gerade um die Straßenecke am Dorfausgang, und sind schon bald nicht mehr zu sehen. Eines der Hühner hatte den Anschluss verpasst und flattert aufgeregt hinterher. Nun ist auch es hinter der Kurve verschwunden.

»Puh!« Thanassis lässt sich auf einen seiner wackeligen Holzstühle plumpsen. Als würde eine schwere Last von ihm abfallen, doch dabei grinst er nun wie der Fernsehschelm Michel aus Lönneberga aus der gleichnamigen Kinderserie. Ich sehe ihn neugierig und fragend an.

»Mir war langweilig«, sagt der griechische Michel nun zu mir. Sein Grinsen ist einem breiten, über vier Backen reichendem Lachen, gewichen. Obwohl ich immer noch nicht weiß, was hier vor sich geht, muss ich unwillkürlich mitlachen.

»Alle Dorfbewohner haben sich auf den Weg gemacht. Ich kann es noch gar nicht glauben«, bringt Thanassis irgendwann Minuten später heraus, nachdem er sich halbwegs beruhigt hat, sich aber...



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