E-Book, Deutsch, 340 Seiten
de la Fouqué / Neumann / Bernhardi Die Versuche und Hindernisse Karls
1. Auflage 2014
ISBN: 978-80-268-2732-0
Verlag: e-artnow
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein parodistischer Kollektivroman aus dem Kreise der Berliner Romantiker - Die Abenteuer eines tragischen Antihelden
E-Book, Deutsch, 340 Seiten
ISBN: 978-80-268-2732-0
Verlag: e-artnow
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Dieses eBook: 'Die Versuche und Hindernisse Karls' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Die Versuche und Hindernisse Karls ist eine Kollektivarbeit aus dem Kreise der Berliner Romantiker, eine Parodie auf den Dichter als historische Person (Jean Paul und Johann Heinrich Voß). Das gebildete Publikum dieser Zeit konnte viele Personen des öffentlichen Lebens im Roman wiedererkennen. Das Buch ist eine parodistische und romantische Geschichte des tragischen Antihelden Karls, seiner Herausforderungen, Abenteuer und Liebe. Friedrich de la Motte Fouqué (1777 - 1843) war einer der ersten deutschen Dichter der Romantik. Wilhelm Neumann, (1781-1834), war ein deutscher Lyriker, Erzähler, Kritiker, Herausgeber und Übersetzer sowie im Hauptberuf Beamter (Intendanturrat) im preußischen Kriegsministerium. August Ferdinand Bernhardi (1769-1820) war ein deutscher Sprachforscher und Schriftsteller. Karl August Varnhagen von Ense (1785-1858) war ein deutscher Chronist der Zeit der Romantik bis zur Revolution 1848 und zum anschließenden Jahrzehnt der Reaktion außerdem Erzähler, Biograph, Tagebuchschreiber und Diplomat.
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Fünfzehntes Kapitel
Die ersten Strahlen der Morgensonne drangen durch das nasse Laub und begrüßten lächelnd die Reisenden, als sie aus der Köhlerhütte traten. „Ein schöner Morgen nach einer stürmischen Nacht“, sagte Sophie, „so wie die ersten Frühlingstage nach dem trüben Winter, erfüllen mich immer mit froher Hoffnung für mein künftiges Leben, gleichsam als müßte sich mit der veränderten Gestalt der Natur auch das ängstliche Dunkel widriger Verhältnisse auflösen; und dieser freudigen Ahnung kann ich mich nie erwehren, so oft sie mich auch schon getäuscht hat.“
„Diesmal“, sagte Friedrich, „möchte ich dafür stehen, daß Sie nicht getäuscht werden, liebe Freundin; wenigstens so lange wir bei der Gräfin bleiben werden, wird der Dämon des Trübsinnes sicher von Ihnen verbannt bleiben. Einzig ist diese Frau darin, daß sie gleichsam einen Zauberkreis um sich her zieht, den keine Trauer, kein Verdruß überschreiten kann, und wer in diesem Kreise mit ihr lebt, ist eben so sicher vor solchen Anfechtungen, als sie selbst. Sie hat das herrliche Talent, allen, die sie umgeben, ihre frohe Laune mitzutheilen, und selbst die Bekümmertsten zwingt sie gleichsam mit Gewalt zur Fröhlichkeit. Unerschöpflich ist sie in der Erfindung neuer Feste, neuer Lustbarkeiten, neuer Späße, und sie findet so großen Gefallen an der Freude ihrer Gäste, daß sie sich freuen, schon um ihr zu gefallen.“
„Wie gern“, erwiederte Sophie, „möchte auch ich ihr diesen Gefallen thun; darum wünsche ich, daß wir den Stoff zur Trauer diesmal nicht selbst mit uns auf das Schloß führen, und besonders, daß die Wunden, die der arme Adolf davon getragen hat, nicht von Bedeutung sein mögen.“
Friedrich versicherte, daß sie dies gewiß nicht wären, und der Köhler bekräftigte es nochmals, worauf mit Hülfe des letztern die ganze Gesellschaft über den Bach ging. Die Damen und Friedrich setzten sich in den Wagen, der schon wieder in Bereitschaft war, und Franz begleitete sie auf seinem Rosse. So gelangten sie bald zu der Heerstraße, von der sie durch das Ausreißen der Pferde gestern abgekommen waren; hier ließen sie den Wagen zurück, und folgten dem Köhler auf einem kleinen Pfade zu seiner Hütte.
Friedrich, der vor Begierde brannte, Auskunft über den unverschämten Fremden zu erhalten, der sich gestern in ihre Reisegesellschaft eingedrängt hatte, eilte voran, sobald er die Köhlerhütte gewahr wurde, und drang mit Ungestüm in die Thüre. Das Geräusch, das er dadurch verursachte, erweckte Adolf aus einem sanften Schlummer. Niemand war außer ihm in der Hütte, als die Köhlerfrau, die auf Friedrichs ungestüme Fragen berichtete, daß die beiden andern Fremden schon vor Anbruch des Tages wach geworden wären, darauf den Verwundeten beleuchtet, und wie es schien, erkannt hätten, und endlich, nachdem sie einige Worte in fremder Sprache mit einander geredet, sehr eilfertig aufgebrochen wären.
Friedrich gerieth über die verschwundene Hoffnung, sich das Räthsel dieses widerwärtigen Vorfalls zu lösen, beinah in Verzweiflung. Indessen beruhigte ihn die übrige Gesellschaft, die mit dem Köhler hinzugekommen war, und sich um Adolf versammelt hatte. Dieser richtete sich langsam von seinem Lager auf, und blickte die eintretenden Freunde nach einander an. Er schien sich darauf zu besinnen, was mit ihm vorgegangen sei, nach einer Weile aber richtete er lebhafter und freudig seinen Blick auf Julien und streckte die Hand nach ihr aus. Sie näherte sich ihm mit Amanden, nahm seinen Kopf in ihren Schooß, und beide liebkosten ihn freundlich.
Die Freude, seine geliebte Braut und seine Schwester Amanda wieder zu sehen, die, wie er sich entsann, in so großer Gefahr von ihm getrennt worden waren, gaben ihm bald frische Kräfte; man verband seine Wunden, die nichts weniger als gefährlich waren, reichte ihm einige Herzstärkungen, die man aus dem Vorrathe im Wagen mitgebracht hatte, und erzählte ihm darauf den Verfolg der Begebenheiten dieser Nacht. Bald fühlte er sich gestärkt genug, an der Hand der beiden Freunde mit zu dem Wagen zu gehen; man half ihm hinein, und die Gesellschaft setzte nun, hocherfreut über die glückliche Auflösung so feindseliger Begebenheiten, ihre Reise nach dem Schlosse der Gräfin fort, wo Juliens und Adolfs Vermählung gefeiert werden sollte.
Indessen war der an sich schon schlechte Weg durch den anhaltenden Regen noch mehr verdorben; man kam daher nur langsam vorwärts, und da um Adolfs willen, der häufiger Erholung bedurfte, oft angehalten werden mußte, so erreichten sie erst gegen Abend einen Flecken, der von dem Schlosse noch mehrere Stunden entlegen war.
Die Nacht begann mit großer Dunkelheit zu nahen, das Wetter ward noch viel schlechter als der Weg; dagegen war der Gasthof bequem und einladend; man beschloß also, sich nicht zum zweitenmale den Gefahren einer Nachtreise auszusetzen, sondern bis an den Morgen hier auszuruhen, bis wohin auch Adolf sich ganz wieder würde erholen können.
In der That war er am Morgen auch fast ganz wieder hergestellt; seine Wunden waren beinahe völlig geheilt, und seine Kräfte fühlte er vollkommen ersetzt, so daß man in der größten Freude aus dem Gasthofe aufbrach und auf das Schloß zueilte. Nach einer raschen Fahrt von einigen Stunden erreichten die Reisenden einen reizenden Park, der das Schloß umgab, und nachdem sie in demselben eine kleine Strecke zurückgelegt hatten, entdeckten sie zur Seite des Weges im Gebüsche einen Mann, der trotz der ziemlich ansehnlichen Dicke und Größe seines Körpers sich die Mühe nicht verdrießen ließ, in ein Körbchen, das er mit sich führte, Erdbeeren zu sammeln, obgleich ihm das Bücken sehr beschwerlich zu sein schien, und der Schweiß stromweis von seiner breiten Stirn zur Erde lief.
Friedrich näherte sich dem Manne und sagte neckend: „Die Erdbeeren müssen wahrlich sehr süß sein, daß Sie es sich so sauer darum werden lassen.“
„Nicht eben mehr als andere“, sagte der Fremde, indem er sich aufrichtete, „aber dadurch werden sie es erst; und thut nicht unsere weise Mutter sehr wohl daran, daß sie die Him-, Brom- und Erdbeeren dieses Lebens so niedrig wachsen läßt, damit sie uns süßer werden durch die Mühe?“
„Sie kommen mir äußerst bekannt vor“, sagte Friedrich, „und doch kann ich mich durchaus nicht erinnern, Sie sonst schon irgendwo gesehen zu haben.“
„Ach, Freund“, erwiederte der Unbekannte, „das ist ja eben das hohe Vorrecht das jus imaginum der Edeln, daß sie gegenseitig ihre Bilder besitzen können, ohne sich jemals gesehen zu haben, und daß eine Bruderseele der andern die warme Liebeshand reichen kann über die weite grüne Erde hin; und muß nicht die Gans selbst das Ansatzstück dazu reichen, damit unsere Hände lang genug werden, sich zu begegnen? Rupfen wir nicht aus ihrem Flügel den Flügel, womit wir hinauffliegen auf die Zinnen und hinab in die Höhlen, um unsern Lieben und denen, die es werden sollen, die Thränenperlen aus dem trüben Auge zu fischen?“
„Jetzt kenne ich Sie“, sagte Friedrich, „oder ich müßte mich sehr irren: Aber wie kommen Sie hierher?“
„Weiß ich das selbst?“ versetzte jener; „nur das weiß ich, daß ich bei einer Zauberin lebe, die diese Frühlingsblumenduft- und Farbentriften mit ihrem Freudenthau benetzt und befeuchtet und belebt, und daß der berauschende Hauch aus soviel tausend Lustkelchen und Freudentöpfchen und Wonneflacons, die aus ihrem bezauberten Grund und Boden aufsprießen, mich so berauscht hat, daß ich in diesem bunten glänzenden Labyrinth herumtaumle und keinen Ausgang zu suchen, geschweige denn zu finden vermag, und daß ich immer wieder zurückschwanken muß zu jener Mausefalle und Fußangel und Fischreuse des Vergnügens, die da in der Mitte steht, und in die man immer wieder hineingezogen wird. Oder wird man etwa nicht glücklich, wenn man sie sieht, oder traurig, wenn man sie verläßt?“
„Sie sprechen von der Gräfin und ihrem Schlosse“, sagte Friedrich, „auch ich kenne sie und muß Ihnen vollkommen Recht geben. Aber kommen Sie, ich bin im Begriff, dorthin zu reisen, und meine Reisegesellschaft wird schon weit voraus sein.“ Hierauf ließ er sein Pferd in nicht eben langsamem Schritt hinter den Reisewagen hergehen und der Fremde lief keuchend und schwitzend, sein Körbchen unter dem Arm, neben ihm her.
So erreichten sie bald das Schloß der Gräfin, die ihnen schon im Hofe entgegentrat, um die Reisenden beim Aussteigen zu empfangen. Sie umarmte Julien, grüßte Adolf freundlich und wünschte darauf Beiden Glück zu ihrer bevorstehenden Verbindung. Dann führte sie die Gesellschaft hinauf in ein Zimmer, wo sie durch Erfrischungen und Ruhe sich von den Beschwerlichkeiten der Reise erholen konnten, während sie selbst durch muntere Gespräche sie zu heiterer Laune stimmte.
Die Gräfin war eine Frau von etwa dreißig Jahren; ihr Körper, sonst regelmäßig und schön gebildet, war nur durch eine, sogar bei Männern, ungewöhnliche Größe auffallend; allein ein einziger Blick auf ihr schönes Gesicht verwischte sogleich jeden ungefälligen Eindruck, den dies vielleicht hätte machen können. Ihre Züge waren von einer so regelmäßigen und reinen Schönheit, als wir sie an den besten Werken griechischer Kunst bewundern, die uns noch übrig sind, und so war auch die ganze Haltung und alle Bewegungen ihres Körpers gleichsam wie von dem Geiste jener schönen Zeiten von Hellas belebt, und so anmuthig, daß man glaubte, eine jener kunstreichen Bildungen des hellenischen Meißels habe sich in Fleisch verwandelt und trete lebend vor unsere Augen.
Doch noch viel größer waren...




