E-Book, Deutsch, Band 2, 336 Seiten
Reihe: Kiranmalas Abenteuer
DasGupta Das Spiel der Dämonenjäger (Kiranmalas Abenteuer 2)
19001. Auflage 2019
ISBN: 978-3-646-92262-2
Verlag: Carlsen
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 2, 336 Seiten
Reihe: Kiranmalas Abenteuer
ISBN: 978-3-646-92262-2
Verlag: Carlsen
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Sayantani DasGupta wuchs mit Geschichten über mutige Prinzessinnen, blutrünstige Rakkhosh und fliegende Pakshiradsch-Pferde auf. Sie ist eigentlich Kinderärztin, lehrt aber an der Columbia University. Wenn sie nicht schreibt, schaut sie mit ihren Kindern Kochshows an und beschützt ihren schwarzen Labrador vor allem, was ihm Angst macht, z.B. Plastiktüten. Sie gehört der Gruppe »We Need Diverse Books« an. Mehr über sie gibt es auf www.sayantanidasgupta.com und auf Twitter @sayantani16.
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KAPITEL 1
Eine Dämonin in meinem Zimmer
Als die Dämonenkönigin zum ersten Mal in meinem Schlafzimmer auftauchte, versuchte ich, sie mit meiner Sonnensystem-Nachttischlampe zu enthaupten.
Ich schlief gerade tief und fest, wurde aber von einem irrsinnigen Summen geweckt. Dann nahm ich diesen ranzigen, rülpsigen, ätzenden Geruch wahr, den ich seit meinen Abenteuern im Königreich hinter den Sieben Ozeanen und Dreizehn Flüssen im vergangenen Herbst mit der Rakkhoshi in Verbindung brachte. Sowie ich die Augen aufmachte, sah ich ihre Umrisse: spitze Krone auf ihrem riesigen Kopf, scharfe Hörner, die aus ihren dunklen Haaren hervorlugten, und gemeine Krallen an ihren langen Händen. Und als ob das nicht schlimm genug wäre, hatte die Dämonin noch einige riesige, fies aussehende Bienen mitgebracht.
Ich fischte nach meinem magischen Köcher und Bogen unter dem Bett, aber als meine Hand ins Leere griff, fiel mir ein, dass ich beides in meinem Schließfach in der Schule gelassen hatte. Deshalb schob ich meine Finger durch die Ringe des Plastiksaturn, riss meine alte Nachttischlampe aus der Steckdose und schleuderte das gesamte Sonnensystem wie einen fliegenden Diskus voll gegen den Kopf der Rakkhoshi-Rani.
Leider schafften es die Sonne und die um sie kreisenden Planeten nicht, die Dämonenkönigin zu treffen. Zu meinem Entsetzen segelte das komplette Sonnensystem ganz einfach ungebremst durch ihren mit einem Sari bekleideten Leib, der irgendwie durchsichtig war, und landete krachend auf der Prinzessin-Pretty-Pants™-Kommode. Die war Teil des echt schlimmen Prinzessinnen-Schlafzimmers, das meine Eltern mir gekauft hatten, als ich so etwa sechs gewesen war.
»Mal ehrlich, Mondmädchen! Begrüßt man so die Mutter eines alten Freundes?« Die Fangzähne der Rakkhoshi funkelten im Mondlicht, das durch mein vorhangloses Fenster strömte. Während sie das sagte, flogen Bienen aus ihrem Mund. Es war, als ob die Insekten die Wörter auf ihren Flügeln trügen. Die Rakkhoshi streckte die Krallenhand zu der abgestürzten Nachttischlampe aus und ließ den Kunststoff mit einem Knall explodieren.
»Aufhören!« Ich sprang aus dem Bett und leerte das Glas Wasser von meinem Nachttisch über der Stelle aus, an der mein kaugummirosa Bettvorleger in Flammen stand. Aber das brachte kaum etwas. Ich wich superschnell zurück, als die Bienen, die den Kopf der Dämonin umschwirrten, ihre wirbelnden Flugmuster zu beschleunigen schienen.
»Du wirst noch das ganze Haus abfackeln!« Der Gestank von brennendem Kunststoff ließ mich würgen, während Merkur und Venus sich vor meinen Augen in Oobleck verwandelten.
»Spielverderberin!«, sagte die Dämonenkönigin gelangweilt. Aber sie beugte sich vor, hauchte einen eisigen Windstoß auf die brennenden Planeten – einen winzigen Hagelschauer – und hinterließ dann ein verkohltes und stinkendes Sonnensystem auf meinem Schlafzimmerboden.
Also, im Film sieht es ja immer toll aus, wenn man zur Heldin wird. Es geht dann alles darum, deine innere Tapferkeit zu finden und dein Schicksal anzunehmen, gegen Monster zu kämpfen und die Unschuldigen zu retten. Wenn ihr Glück habt, bekommt ihr euren eigenen Titelsong, ein cooles, Sprüche klopfendes Hilfstier oder eine Clique aus heroischen Freunden, die euch bei euren umwerfenden Abenteuern zur Seite stehen. Aber bei mir lief es eben nicht so.
Beim letzten Halloween, als ich feststellte, dass ich nicht einfach eine normale Schülerin aus Parsippany, New Jersey, war, sondern eine interdimensionale indische Prinzessin mit dem Schicksal, Dämonen und Monster zu bekämpfen (wie meine Eltern es mein Leben lang angedeutet hatten), war ich kurz vor der Verzweiflung. Ich hatte immer schon eine Allergie gegen diese üblichen rosa Tutu-Prinzessinnen gehabt – die kotzsüße Prinzessin Pretty Pants™ war das beste Beispiel dafür –, aber es stellte sich heraus, dass ich durchaus damit leben konnte, eine Kriegerprinzessin zu sein. Ich hatte gedacht, dass ich mindestens einmal pro Woche zum Dämonen-in-den-Hintern-Treten antreten würde, zusammen mit meinem Hilfstier, dem sprechenden Vogel Tuntuni, und meinen neuen Freunden, also den Halbbrüdern Prinz Lal und Prinz Neel und meiner Adoptivkusine Mati. Es störte mich nicht einmal, dass ich keinen Titelsong hatte. Nicht sehr jedenfalls.
Aber als ich aus dem Königreich hinter den Sieben Ozeanen und Dreizehn Flüssen nach New Jersey zurückkam, gab es absolut keine heroischen Höhepunkte mehr. Ich musste mein wahres Ich geheim halten, eine Menge verpasste Hausarbeiten aufholen und in mein langweiliges Leben zurückkehren, was bedeutete, der Schultyrannin Jovi aus dem Weg zu gehen und die Bestände im Lebensmittelladen meiner Eltern zu inventarisieren. Es gab keinen Ruhm, keinen Fanclub, keine Actionfigur mit biegsamen Armen und Karatetritt-Beinen, die aussah wie ich. (Ich hatte wirklich auf eine Actionfigur mit biegsamen Armen und Karatetrittbeinen, die aussah wie ich, gehofft.) Und das Schlimmste war, dass meine neuen Freunde aus dem Königreich Dahinter mich eiskalt fallen ließen wie einen Dämon mit Mundgeruch. Ich weiß ja, dass die intergalaktische Telefonverbindung bestenfalls eine Katastrophe ist – aber meine Freunde hatten mich auch nicht besucht oder ein fliegendes Pferd mit einer Nachricht geschickt oder irgendwas. Seit Monaten!
Als nun also Neels Mutter, die Dämonenkönigin, anfing, mich im Schlaf heimzusuchen, nahm ich an, das sei meine Art, mit der Tatsache fertigzuwerden, dass meine Freunde mich aufgegeben hatten. Es war schließlich nur ein seltsamer, immer wiederkehrender Albtraum. Ein seltsamer, immer wiederkehrender Albtraum, in dem ich in einem Schlafzimmer in einem Vorort in New Jersey von einem fleischfressenden Rakkhosh-Monster und ihrem persönlichen Schwarm von giftigen Insekten heimgesucht wurde. Nicht der Rede wert.
»Du bist nicht echt«, sagte ich zu dem fleischfressenden Rakkhosh-Monster. »Du bist gar nicht wirklich hier.«
»Ach, ich hau dir gleich eine rein, du ungläubiger Holzkopf!« Die Dämonenkönigin rieb sich mit der Hand über die Brust und blies einige Bienen aus ihrer Nase. »Ich sag dir, was echt ist – dieses Sodbrennen! Dieser Speiseröhrenreflux! Ich würde meinen rechten Hauzahn für eine Kautablette gegen Magensäure geben!«
»Das hier passiert überhaupt nicht.« Ich blinzelte und versuchte, mich selbst aufzuwecken. »Ich bilde mir alles ein.«
Die Dämonin rülpste. Laut. Die Bienen summten noch lauter. »Du Mondkalb hast doch nie im Leben genug Fantasie, um dir so was auszudenken wie mich!«
In der Hoffnung, sie zu überrumpeln (nur für den Fall, dass das alles doch nicht nur ein Albtraum war), stürzte ich mich mit wildem Geheul auf die Rakkhoshi. Aber die gähnte bloß und ließ mich mitten durch ihre nebelhafte Gestalt fliegen.
Ich knallte auf die Kommode und ein Krönchen-Schubladenknauf bohrte sich in meine Stirn. »Ich hab gewusst, dass du nicht echt bist!«
»Ach, pfui über deinen unterentwickelten Schädel, du erbsenhirnige Baumziege!« Die Königin stocherte sich mit einem langen Fingernagel zwischen den Zähnen. »Hör mal, ich muss dir etwas Wichtiges sagen. Es ist eine Sache von Leben und Tod. Und es geht um …«
»Was?«, rief ich vom Boden her.
»Uff!« Die Dämonin machte ein Würgegeräusch und griff sich an die Kehle, als ob sie nicht genug Luft bekäme. »Uf! Iiisch!«
Ihr Bild flackerte, wie bei einem defekten Film. Die Bienen umwirbelten sie. Und dann waren sie allesamt verschwunden.
So ging es Nacht für Nacht. Die Rakkhoshi-Rani tauchte auf in ihrer stinkenden, aber durchsichtigen Gestalt, zusammen mit ihrer Leibgarde aus Insekten. Zuerst beleidigte sie mich, dann versuchte sie, mir etwas zu sagen, wurde aber von irgendeiner unsichtbaren Kraft daran gehindert. Und danach verschwand sie.
»Unterwasserfestung«, sagte sie eines Nachts.
»Geflügelter Schlüssel«, brachte sie beim nächsten Mal heraus.
»Nur ein Atemzug«, sagte sie ein weiteres Mal.
Bssss, Bssss, sagten die Bienen und wirbelten um die Lippen und die Haare der Dämonenkönigin herum. Und echt, sie machten mir die totale Gänsehaut. Und das sage ich als eine, die mal mit einer Bande fieser schleimiger Schlangen in einer unterseeischen Schlangenhöhle gefangen war.
Wenn die Dämonin tatsächlich real gewesen wäre, hätte ich angenommen, dass das alles irgendein Trick sein sollte. Aber da sie ja auf keinen Fall real sein konnte, hieß das wohl eher, dass ich vor dem Schlafengehen nicht mehr so viele unerlaubte Schokoplätzchen in mich reinstopfen sollte. Denn, Himmel, das war ein superkomischer Traum. Immer, wenn wir zu der Stelle kamen, wo sie mir ihr Geheimnis anvertrauen wollte, öffnete die Rakkhoshi den Mund und bewegte die Lippen. Sie griff sich an die Kehle. Ihr Mund klappte auf, aber es kamen nur Bienen heraus – kein Ton. Danach fing ihr Bild an zu flackern und verschwand schließlich ganz und gar.
In einer Nacht hat sie es immerhin geschafft, eine Art Rätselgedicht herauszuwürgen, allerdings eines, das beim ersten Hören nicht den geringsten Sinn ergab:
Elladin, Belladin, milchweißes Meer
Wo nimmst du Unsterblichkeit her?
Sterne, Ewigkeit, Edelsteine
Leben und Tod in Gleichgewicht vereine.
Mein Herz in Ketten, wo meine Seele singt
Ein Bienenflügel-Schlüssel die Freiheit bringt.
Die Hülle knackt des Vaters Zahn
Bescheidenheit steht dir wohl an.
Feuer, Wasser, Luft und Land
Rakkhosh-Wesen reichen dir die Hand
Ohne Dunkel versagt das...




