E-Book, Deutsch, 433 Seiten
Das Glücksarmband
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-98690-932-1
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Roman: Werden sie ihr Glück finden, wenn New York seinen Zauber entfaltet?
E-Book, Deutsch, 433 Seiten
ISBN: 978-3-98690-932-1
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Melissa Hill ist eine USA-Today-Bestsellerautorin aus dem irischen County Wicklow. Ihre Romane über Familie, Freundschaft und Liebe erschienen bislang in über 26 Sprachen. Ihr Roman »Ich schenk dir was von Tiffany's« wurde von Reese Witherspoons Produktionsfirma »hello sunshine« für Amazon Prime mit dem Titel »Weihnachtsgeschenke von Tiffany« verfilmt. Die Website der Autorin: www.melissahill.info Auf Facebook: www.facebook.com/melissahillbooks Auf Instagram: @melissahillbooks Bei dotbooks veröffentlichte die Autorin ihre gefühlvollen Romane »Ich schenk dir was von Tiffany's«, »Wiedersehen in Irland«, »Der Himmel über Castlegate«, »Die Schwestern von Killiney«, »Wiedersehen in Dublin«, »Das Glücksarmband«, »Briefe für ein ganzes Leben«, »Die Freundinnen von Glengarrah«, »Der Himmel über Dublin«, und »Das kleine Café von Lakeview«.
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Kapitel 1
Molly O’Neill fand, dass das Leben einer Schneekugel glich. Von außen wirkte es friedlich, bis man die Kugel schüttelte und drinnen alles durcheinanderwirbelte.
Als sie die Nase an die Fensterscheibe drückte, landete vor ihr eine zarte Schneeflocke auf dem Glas, die sich rasch in nichts auflöste.
Molly liebte den ersten Schnee im Winter. Er war ein Zeichen, dass Weihnachten nahte und es Zeit war, sich vor dem warmen Kaminfeuer in ihrer gemütlichen kleinen Wohnung einzukuscheln. Der Schnee kündigte Lichterfunkeln, Glühwein und rote Backen an, mitten im Trubel der Großstadt. Unter einer Schneedecke wirkte New York erst richtig romantisch.
Sie schloss die Augen und malte sich das allgemeine Wohlwollen aus, das sich hier in Manhattan stets wie von selbst zu entfalten schien, sobald die Temperaturen draußen sanken. Überall breiteten sich dann Fröhlichkeit und gute Laune aus. Die Vorfreude auf die Feiertage entlockte Molly ein Lächeln, und sie fragte sich, welche wunderbaren Dinge der Schnee wohl noch mit sich bringen würde.
»Mom! Ich kann meinen iPod nicht finden!«
Molly öffnete die Augen wieder und rief sich ins Hier und Jetzt zurück. Immer noch lächelnd wandte sie sich vom Fenster ab, als auch schon die Wohnzimmertür aufflog. Ein Zehnjähriger am Rande eines gerätetechnisch bedingten Nervenzusammenbruchs kam hereingestürzt.
»Ich weiß nicht, wo ich ihn hingelegt hab, und ich brauche ihn jetzt sofort. Ich habe gerade den neuen Song von Kanye West runtergeladen, den will ich Chris doch in der Schule vorspielen.« Vor ihr stand ihr Sohn Danny. Vor Bestürzung hatte er die blauen Augen weit aufgerissen, und das dunkelbraune Haar, das Molly vorhin sorgfältig mit Wasser geglättet hatte, stand wieder wild in alle Richtungen ab, so als wäre er eben erst aus dem Bett gesprungen.
»Danny, ganz ruhig – ich habe mir deinen iPod geliehen, da liegt er.« Molly deutete auf den antiken Beistelltisch aus Rosenholz, den sie in einem Trödlerladen in der Canal Street entdeckt und vor dem sicheren Verderben bewahrt hatte.
Skeptisch zog der Junge die Augenbrauen hoch. »Du ... hast dir meinen iPod geliehen?« Er nahm das kleine Gerät an sich und schaltete es rasch ein, als wolle er sichergehen, dass seine technisch unterbelichtete Mutter nicht irgendetwas damit angestellt und es so in eine längst vergangene Epoche zurückkatapultiert hatte. »Ich dachte, du kannst damit gar nicht umgehen.«
»Also, dann muss ich dir sagen, dass ich das BlackBerry von Carole inzwischen richtig gut beherrsche.« Carole war Mollys Chefin und hatte mit diesem Geburtstagsgeschenk versucht, ihre Mitarbeiterin ins einundzwanzigste Jahrhundert hineinzuholen. Im Secret Wardrobe, Caroles Vintage-Laden in Greenwich Village, waren Kundenlisten, Lieferungen und andere Vorgänge zu verwalten, und Carole hatte gedacht, das BlackBerry könnte Molly diese Arbeiten erleichtern.
»Aber nur, weil ich es dir beigebracht habe, Mom«, sagte Danny lächelnd, während er seine Playlist runterscrollte. »Hä, wer ist denn Dean Martin?«, fragte er dann mit gerümpfter Nase, als hätte er etwas Widerliches gerochen.
In gespieltem Unglauben warf Molly die Arme hoch. »Mein Sohn weiß nicht, wer Dean Martin ist? When the moon hits your eye like a big pizza pie that's ... amore!«, sang sie. Danny verdrehte die Augen
»Ein Song über Pizza? Krass.«
Molly kicherte. »Da geht’s nicht um Pizza, sondern um Liebe! Hör dir das Lied mal an, ich hab es runtergeladen. Meine Platte muss wohl noch bei Nana sein, jedenfalls kann ich sie nicht finden.«
»Okay ich höre mir deinen Pizza-Song an, wenn du dir Kanye anhörst.«
»Hach, du verhandelst mal wieder, typisch.« Molly lachte. »Vielleicht heute Abend, mein Schatz, jetzt müssen wir los. Ich bin schon spät dran, und wir erwarten eine große Lieferung im Laden.«
Danny setzte sich auf Mollys gemachtes Bett, das hinter einem hübschen Seidenvorhang im Wohnzimmer verborgen war. Molly hatte ihrem Sohn das einzige Schlafzimmer gegeben, damit er für seine Sachen Platz hatte und sich zurückziehen konnte.
»Ich kapiere das nicht.«
»Was kapierst du nicht?«, fragte sie, während sie ihren Kleiderschrank durchstöberte. Sie suchte nach der Jacke von Dior, die sie im Secret Wardrobe ganz unten aus einem Stapel Second-Hand-Kleidung herausgezogen hatte. Allerdings hätte sie sich das schöne Kleidungsstück ohne ihren Mitarbeiterinnenrabatt niemals leisten können, schließlich musste sie ja auch die Miete bezahlen, und Danny brauchte dauernd neue Schuhe.
»Wieso wollen die Leute eigentlich das alte Zeugs von anderen kaufen?«
Molly seufzte. Dieses Gespräch hatten sie bereits viele Male geführt, und wie immer versuchte sie, ihrem Sohn zu erklären, worin der Reiz von Vintage-Kleidung lag, von Stücken mit Geschichte, die ihre Vorbesitzerinnen getragen hatten, wenn sie sich verliebt hatten, wenn sie geweint hatten und bei allen großen Abenteuern im Leben. Molly war überzeugt, dass jedes Kleidungsstück, das im Laden durch ihre Hände ging, auf seine Weise einzigartig war: Jedes einzelne besaß eine Persönlichkeit, jedes hatte gelebt.
Doch Danny war ein zehnjähriger Junge und liebte nur die neuen Nikes an seinen Füßen.
»Eines Tages wirst du das verstehen – oder nein, wahrscheinlich wirst du ein Mädchen kennenlernen, das das versteht.«
Danny verdrehte die Augen. Eine typische Reaktion, denn er war noch in dem Alter, in dem man Mädchen »ätzend« fand. Doch Molly war sich ziemlich sicher, dass er in einigen Jahren anders über sie denken würde.
»Ist ja egal, Mom.«
»Du wirst schon sehen. In unseren Laden kommen viele Männer, die verzweifelt nach einer Handtasche, einem Tuch oder einem Kleid suchen, das ihre Freundin, Verlobte oder Ehefrau mal gesehen hat und ohne das sie einfach nicht leben kann. Eines Tages wirst du auch so ein Mann sein. Dann wirst du auf der Suche nach einer ganz bestimmten Handtasche ein Geschäft wie das Secret Wardrobe durchstöbern.«
»Niemals, Mom. Denkst du etwa, ich würde mal eine Tussi gut finden, die sich für Handtaschen interessiert? Wie bescheuert ist das denn?«
Molly fand die Jacke, die sie gesucht hatte, und drehte sich grinsend zu ihrem Sohn um. »Ach, genauso gut könntest du sagen, du magst nur Fische, die nicht schwimmen. Die gibt es einfach nicht.«
Danny zuckte die Achseln und räumte mit einem winzigen Lächeln ein: »Na gut, Hauptsache, sie zwingt mich nicht, Pizzamusik zu hören, dann kann ich vielleicht damit leben.«
Molly musste lachen. Sie schaute sich im Raum um »Okay, ich glaube, ich bin so weit.« Obwohl sie sich bemühte, gut organisiert zu sein, verließ sie die Wohnung morgens immer in großer Eile. »Wie sehe ich aus?«
Sie trug einen braunen Bleistiftrock, der ihre Figur betonte, eine weiße Rüschenbluse und darüber ein orangefarbenes Samtjäckchen. Kniehohe braune Knautschstiefel aus Leder vervollständigten ihr Outfit.
Molly war nicht groß, auf Strümpfen maß sie nur etwa eins dreiundsechzig, daher hielt sie es meistens für nötig, hohe Absätze zu tragen. Die Stiefel waren schick, mit ihren Zehn-Zentimeter-Absätzen wären sie jedoch für viele Frauen unpraktisch gewesen. Zum Glück trug Molly aber schon so lange hohe Schuhe, dass sie zur Expertin geworden war und sich darin bewegte, als wären es Laufschuhe. Sie war recht schlank, fand sich allerdings selbst nicht schlank genug. Dennoch machte sie nie eine Diät, sondern bemühte sich einfach, die Finger von Junk-Food zu lassen. Natürlich half es ihr auch, dass sie so viel zu Fuß ging. Weniger hilfreich dagegen war, dass sich ganz in der Nähe ihrer Wohnung mehrere Modelagenturen befanden.
Ihr kastanienrotes Haar trug Molly locker hochgesteckt, und ihre blitzenden smaragdgrünen Augen bildeten einen schönen Kontrast zu ihrer cremeweißen Haut. Aufgrund ihres Aussehens und des Nachnamens O’Neill nahmen alle an, sie habe irische Vorfahren. Doch Molly war zwar bei irischen Eltern aufgewachsen, war sich aber nicht sicher, ob sie tatsächlich irisches Blut in den Adern hatte. Seamus und Eileen O’Neill hatten sie nämlich adoptiert, als sie erst acht Monate alt gewesen war.
Zu diesem Zeitpunkt waren die beiden praktisch schon New Yorker gewesen. In jungen Jahren waren sie aus verschiedenen Regionen Irlands eingewandert und hier in Queens hatten sie sich kennengelernt und ineinander verliebt. Mollys Mutter lebte auch heute noch da. Ihr Vater war leider schon Vorjahren gestorben.
Danny begutachtete seine Mutter. »Ich glaube«, sagte er nachdenklich, »da fehlt noch was.« Er lächelte sie an und wedelte mit der Hand, um ihr zu helfen, selbst darauf zu kommen.
Stirnrunzelnd schaute Molly an sich hinunter. »Na, was könnte das denn ... Ach so!« Sie zog den rechten Ärmel zurück, sodass ihr Handgelenk zum Vorschein kam, an dem sie normalerweise ein ganz wichtiges Schmuckstück trug.
Ihr Sohn stand vom Bett auf, trat an ihre Kommode und kramte in einer kleinen Kristallschale, in der mehrere Schmuckstücke lagen. Als er das Gesuchte gefunden hatte, drehte er sich wieder zu seiner Mutter um.
» Hier.« Er legte ihr das silberne Bettelarmband in die Hand. »Fast hättest dus vergessen.«
Liebevoll lächelte Molly den Jungen an, der sie so gut kannte. Es stimmte, sie zog ihr Armband nur selten aus, aber gestern Abend hatte sie es abgelegt, bevor sie die Küchenecke geputzt hatte, denn sie hatte befürchtet, sie könnte es beschmutzen oder damit irgendwo hängen bleiben. Auch wenn ihr Sohn sie nicht daran erinnert hätte, hätte sie bald gemerkt, dass das Armband an ihrem Handgelenk fehlte. Sie bezeichnete es auch als ihr...