Dark John Sinclair - Folge 0598
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-8387-3378-4
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der Weg in den Schrecken
E-Book, Deutsch, Band 598, 64 Seiten
Reihe: John Sinclair
ISBN: 978-3-8387-3378-4
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Endlich als E-Book: Die Folgen der Kult-Serie John Sinclair aus den Jahren 1980 - 1989!
Der Weg in den Schrecken.
... ein verlassener Friedhof... stockdunkle Nächte ... wallende Nebel ... ferne Glockenschläge ... Mitternacht ? dann ein gellender Schrei! Das ist die Zeit der Geister und Dämonen, Werwölfe und Vampire. Aber auch die Stunde für John Sinclair, den Geisterjäger von Scotland Yard.
John Sinclair ist der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung. Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit.
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Der Weg in den Schrecken
Eric hatte nicht vergessen, was ihm befohlen worden war. Erst die Dunkelheit abwarten, dann aus dem Fenster klettern und zum anderen Haus hinübergehen.
Das lag hinter ihm. Mit klopfendem Herzen drückte sich der Zehnjährige in den Schatten der Hauswand. Bisher war alles glattgegangen, er hoffte, dass auch das Weitere klappte.
Eric wartete ab. Obwohl er es eilig hatte, riss er sich zusammen. Nur keine Panik, nichts überstürzen!
Er ging einen Schritt zurück, blieb auf dem gepflasterten Weg stehen, um einen besseren Blickwinkel zu bekommen. Er schaute hoch zu den zahlreichen Fenstern des Gebäudes. Dahinter lagen die Schlafräume, die Klassenzimmer und so weiter. Die meisten Vierecke waren dunkel. Sie schimmerten in einem matten Schwarz. Nur in einem spiegelte sich der Mond. Genau hinter dem Fenster lag Sharons Zimmer. Sie war Erics achtjährige Freundin und zudem seine kleine Cousine, das hatte man ihm gesagt.
Noch einmal schaute sich der dunkelblonde Junge um. Trotz seines geringen Alters reagierte er fast profihaft. Nicht umsonst hatte man ihm in diesem Camp eingeimpft, dass gewisse Anordnungen auch durchgeführt werden mussten.
Disziplin war alles, und dies machte sich jetzt bemerkbar. Eric stieß einen Pfiff aus.
Sharon kannte dieses Zeichen, und die Scheibe ihres Fensters war auch gekippt, im Gegensatz zu den anderen.
Kam sie?
Eric wurde nervös. Über dem Kragen des T-Shirts sammelte sich Schweiß auf der Nackenhaut. Wenn die blonde Sharon nicht erschien und er in der Nacht erwischt wurde, gab es Ärger.
Noch einmal unternahm er einen Versuch.
Und Sharon zeigte sich.
Wie mit weichen Farben gemalt, erschien hinter der Scheibe der Kopf eines Menschen. Er schmolz zusammen mit dem sich auf der Scheibe abzeichnenden Halbmond, dann bewegte sich das Glas. Im nächsten Augenblick hatte das Mädchen das Fenster geöffnet.
Eric winkte, damit er auch erkannt wurde.
Sharon nickte ihn zu. Es war für die Achtjährige nicht einfach, aus dem ersten Stock nach unten zu klettern, doch fast artistisch gewandt schob sie sich durch das Viereck, erreichte einen kleinen Vorsprung und balancierte dorthin, wo Efeu an der Wand hochwuchs. Hinter den Pflanzen versteckt stand eine Leiter.
Eingeweihte kannten das Versteck der Leiter. Sharon gehörte zu ihnen. Zielsicher fand sie die erste Sprosse. Das Laub des Efeus raschelte, als Sharon nach unten stieg.
Sie ging geschmeidig. Man musste schon sehr genau hinschauen, um sie überhaupt zu sehen, denn das meiste Laub deckte ihren Körper ab. Ihr Freund erwartete sie am Fuß der Leiter und hörte auch ihr erleichtertes Lachen.
Sharon blies eine Haarsträhne aus ihrer Stirn und fasste nach der Hand des Freundes. »War total leicht.«
»Ich habe Angst gehabt.«
»I wo, das haben wir geübt.« Sie zog den Jungen weg und schaute nicht einmal zurück. »Wo sollen wir jetzt hingehen?«
»Das weißt du nicht?«
»Doch – klar, ich meine, nehmen wir den direkten Weg, oder schlagen wir einen Bogen.«
»Nur das nicht.«
Sharon nickte. »Dann komm auch.« Sie senkte ihre Stimme. »Ich habe vorhin auf dem Flur Schritte gehört. Die schieben wieder Wache, glaube ich.«
»Na und?« Eric hob die Schultern. »Der Reverend1 steht hinter uns. Alles andere ist nicht wichtig.«
Sharon war schon vorgelaufen. Der Junge musste sich beeilen, um sie einzuholen. Sie rannte an der Mauer entlang, die nicht nur ziemlich hoch war, sondern auch noch von Stacheldraht »verziert« wurde.
Der Weg führte bergauf. Eine einsam stehende Laterne verstreute ihr Licht schleierartig über den Boden. Wenn sie nach vorn blickten, starrten sie in die Nacht.
Bei dem unebenen Untergrund mussten sie achtgeben, dass sie nicht stolperten, aber sie waren den Weg schon öfter gelaufen, so kannten sie die Strecke wie im Schlaf.
Vor dem Tor blieben sie stehen. Beide waren außer Atem. Sharon hob den Kopf, um ihrem jungen Freund ins Gesicht schauen zu können. »Was ist jetzt?«, fragte sie.
Eric griff in die Tasche. Er holte einen langen Schlüssel hervor. »Das ist es.«
»Dann hast du ihn doch«, staunte das Mädchen.
»Ja – weshalb nicht?«
Sie hob die schmalen Schultern und strich die feuchten Handflächen am Jeansrock trocken. »Bisher habe ich das nicht richtig glauben können. Ich hielt dich für einen Spinner.«
»Den hat mir der Reverend persönlich gegeben und hat gemeint, dass wir jetzt reif wären, um die Geheimnisse ergründen zu können. Ich habe seine Worte genau behalten.«
»So? Hat er das?«
»Ja.«
»Und die anderen?«
»Das ist nicht meine Sache, Sharon. Wir gehören jedenfalls zu den Auserwählten, die hingehen dürfen.« Eric schob den Schlüssel ins Schloss, es klappte wie am Schnürchen.
Er drehte ihn zweimal herum. Das leichte Knarren irritierte ihn, und Sharon schaute mit fieberndem Blick zurück, war beruhigt, dass niemand sie verfolgte. Sie schienen es wirklich geschafft zu haben, ungesehen wegzukommen.
Eric stieß das Gittertor nur so weit auf, dass beide hindurchschlüpfen konnten. Dann drückte er es wieder zu, ohne allerdings abzuschließen. Zitternd stand Sharon neben ihm und schaute zum fast schwarzen Himmel.
Es war nicht kalt. Dieser Sommer in England ließ die vielen schlechten der letzten Jahre vergessen. Am Himmel stand der Halbmond, umgeben von glitzernden Sternenhaufen. Der Wind wehte ihnen in die Gesichter. Er kam direkt aus den Felsen, die sich tagsüber aufgeheizt hatten und die Wärme jetzt wieder abgaben.
Eine warme, eine schwüle Nacht, in der die Temperaturen kaum gefallen waren. Eric spürte, wie Sharon ihre Hand in die seine schob.
»Ich habe Angst, Eric.«
»Das habe ich auch. Es kann aber nichts passieren, der Reverend hat es gesagt. Wenn wir da sind, werden wir sehen, dass die Träume wahr werden können.« Eric sprach wie ein Erwachsener und wiederholte dabei nur die Worte des Reverends.
»Wie du meinst.«
Sie gingen los. Zunächst noch über einen weichen Untergrund, der später allerdings von Felsgestein abgewechselt wurde, das buckelartig hervorwuchs und an einigen Stellen regelrechte Stolperfallen bildete. Bäume oder Sträucher verschwanden, vor den beiden Kindern lag allein die glatte und manchmal labyrinthartige Felsregion mit all ihren Spalten, Riffen, Einkerbungen und Höhlen, durch die der Wind heulte.
Das gefiel Sharon nicht. Sie zitterte, was auch ihr um zwei Jahre älterer Freund merkte. »Du brauchst keine Angst zu haben, Sharon. Es geht alles glatt, glaub mir.«
»Ja, ja …« Sie schluckte. »Das ist nur alles so komisch. Ich höre immer Stimmen.«
»Es ist der Wind, Sharon, nur der Wind. Er findet seinen Weg durch die Felsen.«
Das Mädchen hob die Schultern. Komisch war Sharon schon zumute, doch sie hatte einmal in den sauren Apfel gebissen und musste ihn auch jetzt aufessen.
Selbst in der Dunkelheit wirkten manche Felsstücke wie mit Wasser abgewaschen. Sie spiegelten sich fast, und das Gestein selbst wuchs immer höher.
Je weiter die beiden Kindern gingen, umso kleiner kamen sie sich vor. Die Umgebung bekam etwas Erdrückendes. In manche Ecken reichte kein Mondlicht mehr, dort tasteten sich die beiden Kinder wie Blinde vor.
Eric hielt Sharon an der linken Hand. Seine Rechte hatte er vorgestreckt, um Hindernisse zu ertasten.
Der schmale, mit Steinen übersäte Pfad wand sich immer höher. Manchmal traten die hohen Seitenwände zurück. Dann kamen die beiden sich vor, als würden sie durch eine Schüssel gehen, die sich immer mehr erweiterte und dafür sorgte, dass der Pfad nicht mehr anstieg, sondern eben weiterführte.
Beide schwitzten sie, waren außer Puste. »Ja«, sagte Eric, sich den Schweiß aus dem Gesicht wischend. »Ja, ich glaube, wir haben es geschafft.«
»Wo … wo ist denn die Höhle?«
Er lachte leise. »Der Reverend hat gesagt, dass wir immer weitergehen müssen. Wir bewegen uns darauf zu.«
»Ich weiß, dass er auch erzählt hat, dass wir sie erkennen können. Oder etwa nicht?«
»Schon.«
»Ich kann nichts sehen, Eric.«
»Das kommt noch«, flüsterte er, »das kommt bestimmt noch. Keine Angst, Sharon.«
Sie gingen weiter, jetzt wesentlich unbelasteter, da ihnen der Weg nicht mehr so viel Mühe bereitete. Einmal noch blieben sie stehen und schauten aus dieser Höhe zurück auf das Camp. Viel war nicht zu erkennen, denn die Bauten lagen im Dunklen. Wären nicht die beiden Laternen am Tor gewesen und die Lampen in der Mitte, so hätten die beiden wahrscheinlich überhaupt nichts sehen können.
Eric zog seine kleine Freundin herum. »Du sollst nicht zurückschauen, nur nach vorn.«
Das Mädchen hob die Schultern. »Ich weiß, aber ich habe Angst.«
»Es passiert nichts, verlass dich auf den Reverend.«
»Und wenn wir sterben?«, hauchte sie.
Nach dieser Frage war Eric zunächst einmal sprachlos. Dann schüttelte er den Kopf. »Sterben? Wie kommst du denn darauf, Sharon?«
»Ich weiß auch nicht so recht.«
»Unsinn, wir werden nicht sterben.«
»Aber die Höhle soll leben.«
»Das werden wir sehen.« Er gab ihr einen Schubs. »Komm jetzt und halte dich bei mir.« Wieder fassten die beiden sich an und gingen weiter ihrem Ziel entgegen. Sie kamen sich vor wie Gefangene in einem fremden Land. Sie hätten ebenso auf einem anderen Planeten sein können. Dunkelheit, die Mondgondel, ein paar Sterne – und dann das silbrig schimmernde Licht.
Sie sahen es zugleich, und sie blieben auch...




