Dark John Sinclair - Folge 0522
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-8387-3292-3
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Er kam aus dem Todesschloß
E-Book, Deutsch, Band 522, 64 Seiten
Reihe: John Sinclair
ISBN: 978-3-8387-3292-3
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Endlich als E-Book: Die Folgen der Kult-Serie John Sinclair aus den Jahren 1980 - 1989! Er kam aus dem Todesschloss. Orrie, den sie den Zerstörer nannten, war wieder frei! Lange hatte er hinter dicken Mauern für seine Morde büßen müssen. War Orrie in den Jahren ein anderer geworden? Hatte er sich gebessert oder seine Taten bereut? Keine Spur! Kaum war er in Freiheit, kannte er nur ein Ziel. Für den Zwangsaufenthalt hinter Gittern wollte er sich bei den dafür Verantwortlichen auf seine Weise >>bedanken<< ... John Sinclair ist der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung. Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit.
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Er kam aus dem Todesschloß
Er wusste genau, dass die lange Zeit der Gefangenschaft vorbei war. Es hatte ihm niemand gesagt, er spürte es. In ihm war ein Prickeln, tausend Schmetterlinge breiteten sich in seinem Körper aus. Sie hatten ihn plötzlich überfallen und peitschten das Blut durch seine Adern. Bald würde er erlöst sein – bald. Dann gab es keine Mauern mehr, keine dicken Steine, keine Dunkelheit, keine Stimmen, die ihn quälten, obwohl sie ihn heilen sollten – endlich Licht, auch wenn es nur das des Mondes war. Orrie Wayne war wie von Sinnen. In seiner finsteren Zelle lief er auf und ab. Er benötigte kein Licht, denn er wusste genau, wann er abzustoppen hatte, um nicht gegen eine Wand zu rennen und sich an den unregelmäßig vorspringenden Steinen den Schädel einzuschlagen. Er lief auch dorthin, wo sich die Tür befand, stoppte ab, streckte beide Arme aus und ließ die Handflächen über das dicke Holz gleiten. Es war alt, aber sehr fest. An einen Ausbruch war überhaupt nicht zu denken. Er hätte schon eine Waffe haben müssen. Eine Waffe, das war es! Orrie trat zurück, als er an seine alte Waffe dachte. In seinen Augen begann es zu glänzen, das Blut lief jetzt noch schneller, und die Haare sträubten sich. Eine Waffe! Seine Waffe … Er atmete keuchend. In seinen Handflächen hatte sich der Schweiß gesammelt. Dann blickte er hoch zur Decke. Orrie wusste genau, wo sich die Luke befand, durch die sie ihn beobachteten und ihm auch die kargen Mahlzeiten reichten. Stand dort jemand? Etwas strich über sein Gesicht. Ein kühler Windhauch, fast wie eine Botschaft. Kam er frei? Über ihm blitzte es auf. Als hätte jemand einen Feuerwerkskörper hochgeworden, der in der Luft detonierte. Geräuschlos! Schwer atmend trat er zurück, bis er die Wand im Rücken spürte. Sie benutzte er als Startrampe. Er schoss noch einmal hoch, genau im richtigen Moment. Der rechte Arm schnellte in die Höhe, die Hand hatte sich zur Pranke geöffnet und wurde zielsicher an das Objekt herangeführt. Orrie Wayne packte zu. Er spürte den Widerstand im Innern seiner Faust, die noch schweißfeucht war und sich jetzt um das glatte und gleichzeitig griffige Holz spannte. Ja, das war sie, das war seine Waffe. Sie war wieder zu ihm zurückgekehrt, und Orrie zog sie zu sich herab. Er begann zu stöhnen und gleichzeitig zu lachen. Es waren unheimliche Laute, die da aus seinem Mund drangen. Er konnte es nicht glauben und streichelte auch mit der anderen Hand über den Griff. Diesmal von unten nach oben, bis hoch zur Klinge. Eine Klinge, die sehr breit war, auch lang, zudem vorn noch spitz zulief. Trotzdem wurde dieses Werkzeug noch als Axt bezeichnet. Seine Axt, seine Waffe – die Mörderaxt! Orrie Wayne freute sich wie ein kleines Kind. Er wusste nicht, welchem guten Geist er den Besitz seiner Waffe zu verdanken hatte. Für ihn jedenfalls war es ein Glückstag. Dann übte er. In der Dunkelheit seiner Zelle schwang er die Axt auf und nieder. Seine Arme bewegten sich in einem immer schnelleren Rhythmus. Das dabei entstehende Pfeifen war Musik in seinen Ohren. Eine tödliche Musik. Er ließ den rechten Arm ausschwingen, dann hob er die Axt wieder an und bewegte den Kopf auf die Klinge zu. So nahe, dass er das Metall mit den Lippen berühren konnte. Es war ihm, als würde von dieser Axt ein Stromstoß ausgehen, der durch seinen Körper peitschte. Ein irre klingendes Gelächter drang aus seinem Mund. Orrie drehte sich, in ihm loderte die Flamme einer wilden, ungezügelten Freude, und er warf sich gegen die stabile Holztür. Diesmal mit einer Waffe. Die Axt war wunderbar. Selbst das dicke Holz hatte ihr nicht viel Widerstand entgegenzusetzen. Orrie drosch auf die Tür ein. Dass ihm die Splitter dabei um die Ohren flogen, nahm er hin. Es gehörte einfach dazu. Er arbeitete wie ein Berserker. Es dauerte noch einmal zwei Minuten, bis er ein so großes Loch geschlagen hatte, dass er hindurchklettern konnte. Ihn bremste nichts mehr, ihn würde auch nichts mehr bremsen, jetzt nicht mehr. Orrie Wayne war wieder frei! Wehe demjenigen, der ihm jetzt über den Weg lief … * Wir hatten ein Problem! Ich möchte es mal so beschreiben. Dieses Problem war blond, zehn oder elf Jahre alt, weiblich und besaß Kräfte, über die ein normaler Mensch nicht verfügte. Sogenannte Parakräfte. Das Mädchen konnte sie einsetzen und andere Menschen damit in den Wahnsinn treiben. Ob es nun Gegenstände bewegte oder Menschen manipulierte, das Mädchen war stets außergewöhlich. Einen Namen besaß es ebenfalls. Julie Gladstone! Wir hatten mit ihr einiges erlebt, und es war uns auch gelungen, sie aus den Klauen von Männern zu befreien, die dem libyschen Geheimdienst angehörten, aber Julie selbst als Problem blieb.1 Wohin mit ihr? Eltern besaß sie nicht mehr, ihre Großeltern waren auch tot, genau wie ihre Verwandten. Bei uns behalten konnten wir Julie jedoch nicht. Nicht nur die ausländischen Geheimdienste interessierten sich für das Mädchen, auch der englische wollte hinter das Geheimnis ihrer Parakräfte kommen, was mir allerdings überhaupt nicht gefiel. Ich fühlte mich ein wenig wie ein Schutzengel. Die Verwantwortung für das Mädchen übernahm jedoch Sir James, mein Chef, der sich mit den entsprechenden Stellen beim Geheimdienst in Verbindung gesetzt hatte und mir von dem neuen Beschluss berichtete. »Unser Schützling kommt in ein Sanatorium!« Ich schaute Sir James über seinen Schreibtisch hinweg an. »Was ist das denn für eine Umschreibung?« »Meine Güte, was wollen Sie, John? Sie wird dort gepflegt, unter Kontrolle gehalten.« »Genau das stört mich, Sir. Unter Kontrolle gehalten. Ist sie denn ein Tier?« »Nein.« »Na bitte.« »Ich kann Ihre Wut über diese Entscheidung verstehen, auch mir geht sie gegen den Strich, aber was soll ich tun?« »Wir hätten uns noch Zeit lassen können.« »Lehren Sie mich die Typen von der Abwehr oder was weiß ich kennen.« »Ja, Sir, das Problem kenne ich. Sie müssen auch mich verstehen. Irgendwie fühlte ich mich für das Kind verantwortlich, auch wenn es diese ungewöhnlichen Fähigkeiten besitzt.« »Das ist mir alles klar. Ich versichere Ihnen jedoch, dass Julie in diesem Sanatorium gut aufgehoben sein wird. Man wird ihr dort kein Haar krümmen. Sie ist abgeschottet und hat trotzdem alles, was sich ein Kind wünschen kann.« »Tatsächlich alles?«, fragte ich. »Ja.« »Nein, Sir.« Ich widersprach heftig. »Etwas fehlt, das kann man ihr nicht geben. Oder Fremde nicht, die nur daran interessiert sind, dass sie funktioniert. Ich rede von der Liebe, vom Verständnis, das Kinder benötigen.« Sir James senkte den Kopf. »Ja, Sie haben recht, John, aber ich kann nichts machen.« »Doch, das können Sie!« »Und was?« »Sagen Sie mir, wo ich dieses Sanatorium finde. Ich möchte Julie dort besuchen, wenn sie da ist.« »Natürlich – obwohl …« Sir James hob die Augenbrauen. »Ich dürfte es Ihnen eigentlich nicht sagen.« »Springen Sie trotzdem über Ihren eigenen Schatten, Sir. Ich bitte Sie!« Mein Chef lächelte. »Sie nennen es Liebesnest, John.« »Wie romantisch. Und wo finde ich das Liebesnest?« »Kennen Sie Norwich?« »Klar. Die Stadt im Nordwesten, nicht allzuweit von der Küste entfernt und südlich einer kleinen Hügelgruppe, die …« »Ja, gut, John, hervorragend. Nur befindet sich das Liebesnest nicht in Norwich. Sie müssen in Richtung Kakkenham fahren. Irgendwann erreichen Sie dann die Klinik. Sie soll, das habe ich mir sagen lassen, landschaftlich sehr schön liegen.« »Hat sie keinen offiziellen Namen?« »Man sagt einfach nur die Klinik.« Ich nickte. Bisher hatte sich alles normal angehört. Ob es auch so war, würde sich herausstellen. »Ich komme so einfach hinein?«, fragte ich leise. »Das glaube ich nicht.« »Der erste Haken also.« »Richtig. Diese Klinik ist ein Fremdkörper in unserem Land. Es gibt einige davon, wenn Sie verstehen. In diesen Kliniken werden Existenzen verlöschen, dafür bekommen Menschen neue Identitäten. Jede Regierung der Welt unterhält diese Inseln im eigenen Land.« »Und ist das Liebesnest auch eine Forschungsstätte?« »Natürlich.« »Womit beschäftigt man sich?« Sir James rückte seine Brille zurecht. »Ist das wichtig für Sie, John?« Ich spürte, dass wir uns einem Themenkomplex näherten, über den Sir James nicht gern sprach oder nicht sprechen durfte. »Nicht unbedingt für mich, Sir, aber für Julie. Erinnern Sie sich. Dieses Kind hat sich an mich gewandt und um Schutz gebeten, den ich ihm nicht geben konnte, weil Julie sich gewissermaßen selbstständig gemacht hat und die drei Hexen ausschalten wollte. Mit dem Auftauchen der Libyer haben wir nicht gerechnet. Okay, die Sache ist auch erledigt, jetzt aber fühle ich mich für das Mädchen verantwortlich. Ich will nicht, dass Julie in einer dieser Kliniken landet und womöglich für Jahre hinter diesen verdammten Betonmauern bleibt. Das kann ich einfach vor meinem Gewissen nicht verantworten. Sie, Sir James, haben mit mir über die Klinik gesprochen und trotzdem nicht viel gesagt. Wahrscheinlich dürfen Sie es nicht. Ich aber werde es nicht so einfach hinnehmen. Sie kennen mich, Sir. Es gibt eine gewisse Grenze, wird die überschritten, ist mir so gut wie alles egal. Ich bin jetzt schon davon...