Dark John Sinclair - Folge 0264
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-8387-3023-3
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Nachts, wenn der Wahnsinn kommt
E-Book, Deutsch, Band 264, 64 Seiten
Reihe: John Sinclair
ISBN: 978-3-8387-3023-3
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Endlich als E-Book: Die Folgen der Kult-Serie John Sinclair aus den Jahren 1980 - 1989!
Nachts wenn der Wahnsinn kommt.
Franca Mundi lebte in einem Internat auf Sizilien. Nicht freiwillig, es war der Wunsch ihrer Eltern. Und was sie sagten, war für die Kinder auf Sizilien verbindlich.
Dieses Internat glich eher einem Gefängnis als einer Schule. Oberall wachten Kameras über die Schülerinnen, Freizeit gab es so gut wie nie und zur Nacht bekamen die Mädchen ein starkes Schlafpulver. Diese strenge Ordnung wurde von der Propow aufrechterhalten, einer Anstaltsleiterin mit dämonischer Vergangenheit. Nachts geisterte sie als Monstervogel durch die Gänge, und wer sich nicht an ihre Gesetze hielt, der war verloren ...
John Sinclair - der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung. Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit!
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Nachts, wenn der Wahnsinn kommt
Von Anfang an war ihr das alte Haus unheimlich gewesen, aber ihre Eltern hatten darauf bestanden, dass sie die Schule besuchte, und Franca Mundl gehorchte, denn das Wort der Eltern galt noch etwas auf Sizilien. Die Angst war nicht nur geblieben, sie hatte sich noch verstärkt, je länger Franca in diesem Haus lebte, das so gar nichts von einer Schule an sich hatte, sondern eine kalte Stätte war, durch die ein morbider Atem wehte. Es stand auf einem kleinen Berg. Pinienhaine umgaben das Grundstück. Von der einzigen Straße her war es kaum einzusehen, aber es hielt sich das Gerücht, dass im Garten Kameras versteckt waren, die alles beobachteten. Die angeschlossenen Monitoren hatte Franca In dem Haus nie gefunden, denn es gab zahlreiche Zimmer, die von den Schülerinnen nicht betreten werden durften, und Franca hatte sich danach gerichtet.
In dieser Nacht war es besonders schlimm. Sie konnte die Angst nicht mehr unterdrücken, die wie eine Klammer ihr Herz umfasste …
Franca lag allein in ihrem Zimmer. Das gehörte zu ihren Privilegien, denn ihre Eltern hatten Geld und konnten das Einzelzimmer bezahlen, während andere Schülerinnen sich zu dritt ein Zimmer teilen mussten.
Sie war hellwach.
Das Fenster befand sich rechts von ihr. Die Vorhänge ließ sie immer offen. Deshalb konnte sie auch hinausschauen. Sie sah den dunklen Himmel, deren Farbe sie an tiefblaue Tinte erinnerte, und sie entdeckte hin und wieder ein gelbes Blitzen, wenn die Wolken weitergezogen waren und die Sterne nicht mehr verdeckten.
Franca atmete schwer und unregelmäßig.
Die dünne Decke bewegte sich ebenso wie das helle Nachthemd, das sie über ihren nackten Körper gestreift hatte. Franca bekam Herzschmerzen, ein Unding für ihre achtzehn Jahre. Zudem war sie austrainiert. Sie übte jeden Tag mehrere Stunden, um einmal perfekt tanzen zu können.
Weshalb die Angst? Womit hing sie zusammen? Vielleicht mit den alten Schauergeschichten, die man sich über diese Gegend erzählte, die verflucht sein sollte. Da war vor Jahren irgend etwas mit einem See im Stein passiert, ein Friedhof sollte auch eine Rolle gespielt haben, und die Schule war für mehrere Monate geschlossen gewesen. Gefunden hatte man nichts, und die ganze Sache war als Hirngespinst abgetan worden.
Franca war nicht abergläubisch, aber eine andere Erklärung für ihre Angst fand sie nicht.
Plötzlich zuckte sie zusammen.
Sie hatte Schritte gehört. Nicht im Zimmer, auch nicht vor dem Haus oder unten im Garten, sondern im Gang, an dem ihr Zimmer lag.
Dort ging jemand!
Tapp … tapp, hörte sie. Eine Monotonie, die sie regelrecht erschreckte, gerade jetzt, wo es im Haus still war. Stumm blieb sie liegen, versuchte auch, den Atem unter Kontrolle zu bekommen, und lauschte nur noch.
Die Schritte wurden lauter. Sie näherten sich ihrer Tür. Würden sie stoppen? Oder …?
Franca dachte nicht mehr weiter, denn die Schritte verklangen tatsächlich.
Genau vor dem Zimmer!
Und dann bewegte sich die Klinke. Im Halbdunkel sah das Mädchen es. Die Klinke wurde nach unten gedrückt. Sie musste bald den Punkt erreicht haben, wo die Tür aufgedrückt werden konnte, und einen Lidschlag später schwang sie tatsächlich nach innen.
Das Mädchen bewegte sich nicht. Selbst sein Zittern hatte aufgehört, und Franca hörte nicht einmal ihren Herzschlag. Starr schaute sie auf die sich immer weiter öffnende Tür.
Der Spalt wurde größer.
Jetzt erschien ein Gesicht. Blass sah es in der Dunkelheit aus, wie das eines Toten. Der Teil einer Hand war ebenfalls zu erkennen. Die Finger krallten sich um die Türkante. Auf Franca wirkten sie wie die Krallen eines Raubvogels.
»Schläfst du schon?«
Es war die flüsternde, fast zischelnde Stimme der Schulleiterin, die Franca hörte. Natürlich hatte sie die Frau längst erkannt. Trotzdem war sie nicht beruhigt. Sie fürchtete die Frau namens Elena Propow, und sie war nicht die Einzige.
Alle Mädchen hatten vor ihr Angst, wobei es nicht einmal die Strenge war, die sie zu diesen Reaktionen veranlasste, sondern der Hauch, der die Frau umgab.
Elena Propow verbreitete keine Wärme. Sie schien überhaupt kein Gefühl zu besitzen. Wer sich in ihrer Nähe aufhielt, konnte meinen, neben einem Eisschrank zu stehen.
Dabei war sie eine hervorragende Tänzerin. In Russland hatte sie gelebt, war dann auf abenteuerliche Weise nach Italien gekommen, in Rom untergetaucht und hatte schließlich auf Sizilien eine Tanzschule eröffnet.
Eine Bilderbuch-Karriere zeichnete sich ab. Wer von den gutbürgerlichen Familien auf der Insel etwas auf sich hielt, schickte seine Töchter in das Tanz-Internat der Propow, und es waren zahlreiche Familien, die das Geld hatten, um die teure Ausbildung zu finanzieren. Manche Leute glaubten, dass die Mafia die wahre Besitzerin der Schule war, denn die Mädchen konnten beruhigt ihren Tätigkeiten nachgehen. Niemand traute sich in ihre Nähe. Nicht während der Tanzstunden, weder bei den schulischen Übungen noch in der Freizeit beim Spielen am Strand.
Sie blieben unter sich.
Einen Tag in der Woche hatten sie frei. Es war der Sonntag. Und da wurden sie zumeist von den Eltern besucht, die mit ihnen essen fuhren.
»Ich schlafe noch nicht, Signora«, antwortete Franca Mundi leise. »Es ist mir zu warm …«
»Du solltest jetzt schlafen, Kind. Es ist besser für dich. Die anderen sind nicht mehr wach. Ich habe in alle Zimmer geschaut. Die Mädchen schlafen alle fest.«
Wahrscheinlich durch Pillen oder Pülverchen, dachte Franca. Man hatte zwar nichts beweisen können, aber es hielt sich das Gerücht, dass durch heimlich verabreichte Schlafmittel nachgeholfen wurde. Zumeist während des Abendessens wurden sie gegeben. Hineingemixt in den Tee, man schmeckte ja nichts.
Franca hatte keinen Tee getrunken …
»Gute Nacht«, sagte die Propow. »Schließe jetzt deine Augen, dann kommt der Schlaf von allein. Es ist wirklich besser für dich, wirklich …« Sie sprach die letzten Worte zwar leise, dennoch mit eindringlicher Stimme, und Franca merkte dies genau.
Dann wurde die Tür wieder geschlossen. Sacht, kaum ein Geräusch war zu hören. Nur die Schritte auf dem Flur, die leiser wurden und allmählich verklangen.
Franca blieb liegen. Diesmal atmete sie tief durch. Seltsamerweise spürte sie auch die Angst nicht mehr so stark. Dieses Gefühl war einem anderen gewichen.
Der Neugierde!
Ja, die Worte der Schulleiterin hatten Franca neugierig gemacht. Sie wollte wissen, was hier geschah. Nicht umsonst schliefen die Mädchen jetzt schon. Da hatte man irgendetwas mit ihnen angestellt, dessen war sich Franca sicher.
Nur den Grund wusste sie nicht. Sie wollte ihn jedoch herausfinden. In dieser Schule stimmte einiges nicht, und Franca warf mit gezieltem Schwung die Bettdecke zur Seite.
Dann schwang sie ihren Körper herum und stand wenig später neben dem Bett.
Sie lauschte.
Nichts war mehr zu hören. Die Stille konnte man als absolut bezeichnen.
Gespenstisch auch …
Franca trat ans Fenster und schaute nach draußen. Dunkel lag der Garten zu ihren Füßen. Die Bäume, die im Sonnenlicht immer so kühlen Schatten boten, wirkten wie die drohenden Gestalten aus einer anderen Welt.
Eine Filmkulisse lag vor ihr. Geheimnisvoll, still, aber dennoch schien ein gewisses Leben in ihr zu lauern. Hinter dem Garten lag das Meer. Franca sah auch die hellen Kämme der gegen den Strand laufenden Wellen. Ansonsten bildete die See eine dunkle Fläche, die sich kaum vom Himmel abhob und fast mit ihm verschmolz.
Franca fürchtete sich plötzlich vor dem Wald, und sie zog sich hastig zurück. Das Mädchen tauchte in die Stille des Zimmers ein. Auch da fühlte es sich nicht wohl, und es verspürte den Drang, das Haus zu verlassen. Wenn dies geschah, gingen sicherlich auch ihre Ängste zurück, und das war das Wichtigste.
Sie wollte nicht mehr mit dieser Angst leben. Auf keinen Fall. Es war schlimm, denn sie hatte dabei immer das Gefühl, nicht mehr allein zu sein und einen Geist um sich herumflattern zu sehen.
War es nicht Wahnsinn, was sie vorhatte? Es würde Ärger geben, wenn sie das Haus mitten in der Nacht verließ. Signora Propow hatte ihr verboten, irgendwelche Extratouren zu unternehmen. Die Strenge der Schule wurde nicht nur während des Unterrichts praktiziert.
Und doch wollte sie raus. Die Neugierde ließ sich einfach nicht mehr zurückdrängen. Zudem hatte sie ihre Angst längst überflügelt. Und wenn sie auf leisen Sohlen ging, würde man nichts hören.
Franca reagierte bereits automatisch. Sie holte die Ballettschuhe mit den dünnen Sohlen unter dem Bett hervor und schlüpfte hinein. Wenn sie jetzt ging, hörte man sie nicht.
Ihre Schritte waren tatsächlich nicht zu vernehmen, als sie sich auf die Tür zubewegte. Es war verrückt, was sie tat, aber manchmal brach sie eben aus, da musste sie Dinge tun, die unüberlegt zu sein schienen.
Die anderen schliefen.
Seltsam, sehr seltsam, wie Franca fand. Das passte ihr überhaupt nicht in den Kram. Sie hatte das Gefühl, als wollte die Propow vor ihr einiges verbergen. Deshalb hatte sie auch nachgeschaut, ob alle Schülerinnen ruhig waren.
Ohne es sich richtig bewusst zu werden, fand sich Franca Mundi im Gang wieder. Sie hatte diese Kahlheit schon immer gehasst. In der Nacht aber, wo nur die kleinen Lampen der Notbeleuchtung brannten, wirkte er wie mit einem seltsamen Leben erfüllt.
Unbewusst hielt sich Franca in der Mitte des langen Korridors auf. Sie fürchtete sich vor den Wänden, die einmal in tiefer Dunkelheit...




