Dark John Sinclair - Folge 0056
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-8387-2810-0
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Das Ungeheuer von Lorach Morar (1. Teil)
E-Book, Deutsch, Band 56, 64 Seiten
Reihe: John Sinclair
ISBN: 978-3-8387-2810-0
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Endlich als E-Book: Die Folgen der Kult-Serie John Sinclair aus den Jahren 1978 - 1979! Das Ungeheuer von Loch Morar. Schottland! Reiseziel zahlreicher Touristen. Ein Land von wilder Romantik und düsterer Schönheit. Mit reißenden Flüssen, glasklaren Bergseen, tiefen Wäldern, grünen Hügeln und vergessenen Dörfern. Aber auch ein Land der Geister und Dämonen. Uralt ist der Glaube an die Sagen und Legenden. Ebenso alt wie die Geister, die oft Hunderte von Jahren im Verborgenen lauern, doch wehe, wenn sie geweckt werden ... John Sinclair - der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung. Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit!
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Es grenzte schon an hellen Wahnsinn, was Bob McClure und Dan Dryer vorhatten. Sie wollten Loch Morar in einem Einbaum überqueren, wie es die Vorfahren schon getan hatten.
Ein Jux? Abenteuerlust und Risikobereitschaft der Jugend?
Vielleicht alles zusammen. Auf jeden Fall eine sportliche Leistung, falls sie es schafften.
Und das war gar nicht so einfach bei diesem wilden Gewässer. Überall auf dem See lauerten Strudel. Die galt es zu umschiffen, aber die beiden jungen Studenten machten sich deswegen keine Sorgen.
Den Einbaum hatten sie selbst gebaut. Sie hatten einen Baumstamm ausgehöhlt und abgeschmirgelt. Den Bug hatten sie etwas angespitzt, trotzdem wirkte er noch plump und unförmig. Zwei lange Stechpaddel lagen bereit, um den Einbaum bewegen zu können. Ferner hatten sich die jungen Abenteurer mit Schwimmwesten, Signalraketen und wetterfester Kleidung ausgerüstet.
Gerade die wurde gebraucht, denn im Spätfrühjahr tobten auch im westlichen Schottland noch die schweren Frühlingsstürme.
Einen Sonntagvormittag hatten sie sich als Starttermin ausgesucht. Der Himmel zeigte eine graue Farbe. Wolken führten bizarre Tänze auf. An den Bergen im Osten blieben sie oft hängen. Der Wind fiel dann wieder ab, brauste über den See und peitschte das Wasser zu Wellen, die dem Ufer entgegenliefen und nur langsam ausrollten.
Die beiden jungen Männer standen am Ostufer und schauten über die graugrüne Wasserfläche. Sie hatten ihr Ölzeug übergezogen, denn es sah nach Regen aus.
McBower, der alte Strandwächter, hielt sich bei ihnen auf. Sein faltiges, von Wind und Wetter gegerbtes Gesicht war nachdenklich geworden, als er die blaue Schiffermütze in den Nacken schob und fragte: »Wollt ihr nicht lieber noch warten, bis sich das Wetter gebessert hat?«
Bob McClure schüttelte den Kopf, dass seine hellblonden Haare flogen. »Auf keinen Fall. Was wir uns einmal vorgenommen haben, führen wir auch durch.«
Sein Freund Dan Dryer nickte bestätigend.
Da hob der Alte die Schultern und sagte: »Euch ist nicht zu helfen.«
Bob lachte. »Hilfst du uns wenigstens, den Einbaum zu Wasser zu bringen?«
»Natürlich.«
Die drei Männer schoben das primitive Boot über den Strandkies. Soweit, bis die anrollenden Wellen über den Bug leckten.
»Ich hätte ja noch ein Segel mitgenommen«, meinte der alte McBower.
Bob winkte ab. Er zeigte auf seine Oberarmmuskeln. »Damit schaffen wir es.«
»Hoffentlich, Boys, hoffentlich …« Der Alte machte ein nachdenkliches und besorgtes Gesicht.
Dan Dryer saß bereits im Boot. Die Wellen hatten es schon erfasst. Der Einbaum schaukelte hin und her. Hastig sprang auch Bob McClure an Bord und griff nach seinem Paddel.
Der alte McBower winkte und rief den beiden Jungen alles Gute zu.
»Gott sei mit ihnen«, sagte er und dachte dabei auch an die alten Sagen und Legenden, die sich um den See rankten. Denn nicht nur Loch Ness hatte sein Ungeheuer. Auch über Loch Morar gab es Ähnliches zu berichten, nur war dieser See nicht so bekannt wie der andere. Und die Geschichten drangen deshalb nicht an die Öffentlichkeit, aber die Einheimischen wussten Bescheid.
An alte Sagen und Legenden glaubten die beiden Studenten sowieso nicht. Sie dachten nicht einmal daran, denn sie hatten jetzt ganz andere Sorgen.
Wellenberge hoben den Einbaum hoch, um ihn dann wieder in ein Tal hinabschießen zu lassen. Manchmal hüpfte das Boot wie ein Tennisball auf dem Wasser. Die beiden Männer hatten Mühe, es auf Kurs zu halten.
Sie knieten im Boot und stachen immer wieder ihre Paddel in die graugrüne See mit den blitzenden Wellenkämmen. Der Wind nahm zum Glück nicht zu, machte aber den beiden jungen Männern genug zu schaffen.
Bob McClure ruderte backbord, sein Freund Dan steuerbord. Sie waren die einzigen auf dem großen See, dessen Westufer noch gar nicht zu erkennen war, da die Gischt ihnen die Sicht nahm.
Die anlaufenden Wellen brachen sich am Bug des Einbaums. Die Gischt spritzte über und fuhr als feiner Regen über die Kleidung der beiden Studenten.
Sie hätten sich wirklich besseres Wetter aussuchen können, aber sie beschwerten sich nicht. Keiner wollte dem anderen seine Besorgnis zeigen.
Und besorgt waren beide, denn je mehr sie hinausruderten und sich der Mitte des Sees näherten, umso schlimmer traf sie der von den Bergen hinabstoßende Wind.
Er spielte mit dem Einbaum. Die beiden Männer wurden durchgeschaukelt. Manchmal hatten sie das Gefühl, ihre Mägen würden nach oben wandern, aber der Begriff Seekrankheit war für sie ein Fremdwort.
Der am Bug sitzende Dan Dryer wandte den Kopf. »Wie geht es dir?«, schrie er Bob zu.
McClure grinste verzerrt. »Habe mich noch nie besser gefühlt«, log er.
Dan lachte. Und weiter tauchte er das Paddel ein und zog es mit kraftvollen Bewegungen durch. Am Heck machte sein Freund das Gleiche. Die beiden Studenten ruderten synchron. Sie hatten lange genug geübt und waren ein gut aufeinander eingespieltes Team.
Etwas Bammel hatten sie vor dem Wasserschöpfen. Aber noch war nicht so viel über Bord geschwappt, als dass es einen Grund zur Besorgnis gegeben hätte.
Das Ufer, von dem aus sie gestartet waren, lag schon außerhalb des Sichtfeldes. Aber langsam schälten sich die Konturen des Westufers aus dem Gischtnebel.
Der See war nicht sehr breit, dafür jedoch lang. Die jungen Männer kannten seine Maße, die Tücken und Fallen. Sie rechneten auch mit gefährlichen Strudeln. Nicht zum ersten Mal wäre die See einem Schiff oder Boot zum Verhängnis geworden. Auf dem Grund des Sees sollten zahlreiche Wracks liegen. In den Jahrhunderten hatte der See sie regelrecht gefressen.
Am meisten wurde über die Sträflingsgaleere gesprochen, die vor fast siebenhundert Jahren gesunken war. Es fand sich nur dürftiges Material darüber in den Archiven, aber dafür wurden die Legenden mehr und mehr ausgewalzt.
Der Count of Ferryguard soll auf diese Weise seine gesamte Verwandtschaft ums Leben gebracht haben. Er war als grausamer Tyrann verschrien und soll sich der Schwarzen Magie verschrieben und einen Pakt mit den Druidenpriestern geschlossen haben. Aber das waren Legenden, doch hin und wieder lebten sie auf. Immer dann, wenn ein Schiff nicht mehr zurückkam. Angeblich sollen sich die Sträflinge, also die Verwandten des Counts, die Seelen der Menschen geholt haben.
Alte Geschichten gab es in Schottland genug. Jede Stadt, jedes Dorf und manchmal sogar jedes Haus hatte seine eigene Horror-Geschichte parat.
Wer daran glaubte, war durch nichts vom Gegenteil zu überzeugen, die jüngeren Menschen lachten oft darüber.
Wie auch Bob McClure und Dan Dryer.
Längst waren sie nass. Das Ölzeug glänzte wie mit Fett eingerieben, aber in ihren Gesichtern stand der ungebrochene Mut zu lesen, dass sie es packen wollten.
Was unsere Vorfahren konnten, das können wir auch. So lautete ihre Devise.
Immer wieder stachen sie die Paddel in die See. Sie trieben das Boot voran, ließen sich auch durch Rückschläge nicht irremachen und arbeiteten weiter.
Doch die Gefahr lauerte bereits auf die beiden jungen, mutigen Männer. Urplötzlich schlug sie zu, und von einer Sekunde zur anderen wurde die Bootsfahrt der Studenten zu einem Kampf auf Leben und Tod.
Der Einbaum geriet in einen Strudel …
»Pass auf!«, brüllte Dan Dryer noch, aber es war bereits zu spät.
Mit dem Bug tauchte der Einbaum ein. Wasser gischtete über, und gleichzeitig begann sich der Einbaum zu drehen. Wie ein Karussell wirbelte er um die eigene Achse.
Die beiden Studenten kämpften dagegen an. Sie stachen ihre Paddel in das kochende Wasser, versuchten, das Boot aus dem Strudel herauszubringen, doch ohne Erfolg.
Die Macht des Wassers war stärker.
Der Strudel wurde zu einem Wirbel, der sich rasend schnell drehte und dabei einen regelrechten Trichter bildete, der senkrecht in die Tiefe des Sees stieß.
Er drohte, den Einbaum zu verschlingen …
Dan Dryer brüllte etwas, doch sein Freund verstand nicht. Eine ungeheure Kraft presste ihn gegen die Bordwand. Er sah nur die graugrünen Wellen, den reißenden Strudel, wurde hineingerissen in die kochende Hölle und wunderte sich, dass sie noch nicht gesunken waren.
Das Boot schwamm.
Aber dann geschah es.
Bob McClure sah das Ungeheure zuerst. Dicht neben der Bootswand schob sich etwas aus dem Wasser.
Es war eine Hand.
Blitzschnell packte sie zu …
*
Entsetzt starrte McClure auf die Hand, deren Finger sich um die Bordwand klammerten.
Grüne Finger mit ebenfalls grünlich schimmernden, durchsichtigen Schwimmhäuten dazwischen.
Wem gehörte die Hand?
Einem Monster? Einem Menschen?
Bob McClure hielt den Atem an. Er wischte sich über die Augen, doch das Bild blieb.
Es war kein Traum. In der Tiefe musste irgendetwas Schreckliches lauern, das jetzt an die Oberfläche kam.
Vergessen war der mörderische Strudel, in dem sich Bob McClure und sein Freund befanden. Für den am Heck sitzenden jungen Mann zählte nur noch das Unheimliche, das dort aus der unergründlichen Tiefe des Loch Morar stieg.
Bob hatte sein Paddel verloren, ohne es zu merken. Es rutschte ins Wasser und wurde von dem Strudel verschluckt.
Aber die Hand blieb.
Es tauchte sogar noch eine Zweite auf.
Klatschend umklammerte sie die Bordwand des Einbaums.
Bobs Augen wurden groß. Das Grauen schnürte ihm die Kehle zu. Und als er jetzt noch die grünlich schimmernden Schultern sah, war es mit seiner Beherrschung vorbei.
»Daannn …!«, schrie er.
Sein Freund...




