Dark | John Sinclair - Folge 0042 | E-Book | www2.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 42, 64 Seiten

Reihe: John Sinclair

Dark John Sinclair - Folge 0042

Der Totenbeschwörer
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-8387-2796-7
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Der Totenbeschwörer

E-Book, Deutsch, Band 42, 64 Seiten

Reihe: John Sinclair

ISBN: 978-3-8387-2796-7
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Endlich als E-Book: Die Folgen der Kult-Serie John Sinclair aus den Jahren 1978 - 1979! Der Totenbeschwörer. Die Nachzehrer, eine Mischung aus Vampir und Ghoul, liegen in ihren Gräbern und locken auf Befehl des Totenbeschwörers die Lebenden an, um sie zu sich in die feuchte Erde zu holen. Sie keuchen und stöhnen, zerren an ihren Leichenhemden und finden keine Ruhe. Wer nachts, wenn es windstill und ruhig ist, über den Friedhof geht und diese schrecklichen Geräusche hört, kehrt nie wieder zurück... John Sinclair - der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung. Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit!

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Vom Friedhof aus war das Licht nur als winziger, verwaschener Fleck zu erkennen. Es schien in der Luft zu schweben, war mal fort und kam dann wieder, je nachdem, wie die Nebelschwaden vom Wind durcheinandergetrieben wurden.

Es war eine kalte Nacht. Die Temperaturen lagen weit unter dem Gefrierpunkt. Die obere Schicht der Friedhofserde war knochenhart gefroren.

Das junge Mädchen, das hinter dem erleuchteten Fenster stand, schaute in die Nacht.

Jill Hanson war nervös.

Die Unruhe hatte ihren gesamten Körper erfasst. Jill konnte nicht mehr still im Bett liegen bleiben. Immer wieder stand sie auf, trat ans Fenster und schaute zu dem Friedhof hinüber, der eine seltsame Faszination auf sie ausübte.

Aber war es überhaupt der Totenakker, der dieses Gefühl bei ihr hervorrief? Oder war es Jills Großvater? Seit drei Wochen lag er dort unter der kalten Erde.

Und genau vor drei Wochen hatte es begonnen.

Eines Nachts erwachte Jill Hanson schweißgebadet. Ein unerklärlicher Drang lockte sie zum Fenster, und sie glaubte, Stimmen zu hören. Leise, fordernde Stimmen, die sie zum Friedhof hinzogen.

›Komm doch, komm‹, hieß es immer wieder.

Jill konnte sich das nicht erklären. Sie glaubte an eine Einbildung, doch die Stimmen blieben.

Das Mädchen nahm Tabletten. Jetzt erst konnte sie wieder schlafen. Doch die Stimmen kamen wieder. Intensiver und fordernder. Sie lockten und flehten, füllten Jills Gehirn aus und nahmen ihr die Kraft, sich dagegen zu wehren.

Die Angst wurde stärker. Jill bekam einen regelrechten Horror vor der jeweils nächsten Nacht, aber so paradox es sich anhörte, gleichzeitig wartete sie darauf, die Stimmen zu hören.

Wie jetzt!

Noch nie zuvor waren sie so laut gewesen. Sie brausten in ihrem Kopf, Jill gelang es nicht, sich dagegen zu wehren. Und sie wollte auch nicht mehr. Die wusste, dass sie in dieser finsteren Nacht dem Drängen nachgeben würde.

»Ja«, flüsterte sie. »Ich komme. Ich muss es einfach tun. Wartet auf mich, bald bin ich bei euch.«

Die Stimmen verstummten. Sie hatten die Nachricht gehört und warteten auf das Mädchen.

Jill Hanson drehte sich um, ging zum Kleiderschrank und öffnete die rechte Tür.

Auf der Innenseite befand sich ein langer Spiegel. Jill sah sich selbst darin und erschrak.

Was war aus ihr geworden?

In den letzten drei Wochen hatte sie mindestens zehn Pfund an Gewicht verloren. Der Körper der Fünfundzwanzigjährigen, sonst fraulich gerundetet, bestand nur noch aus Haut und Knochen. Eingefallen war auch das Gesicht. Falten zeichneten die Haut. Die Augen lagen tief in den Höhlen. Die Ringe befanden sich wie dunkle, eingegrabene Halbmonde darunter. Die Lippen waren schmäler als früher. Aus der einst so blühenden Schönheit war eine hässliche Frau geworden.

Ihre Kollegen, Eltern und Geschwister hatten sie öfters auf ihr Aussehen hin angesprochen.

Jill Hanson hatte immer eine Ausrede gefunden. Liebeskummer, seelische und berufliche Krise – nur die Wahrheit hatte sie nie eingestanden. Sie hatte sehr an ihrem toten Großvater gehangen. Nächtelang wachte sie an seinem Sterbebett, und die Worte – es waren seine letzten – klangen ihr noch jetzt in den Ohren.

»Ihr werdet mir folgen«, hatte er mit rauer Stimme geflüstert. »Wartet es nur ab … bald kommt auch ihr an die Reihe. Der Friedhof lockt … die Gräber … sie werden auch für euch die Ruhestätten sein.«

Noch jetzt fühlte Jill den Schauer, der ihr bei diesen Worten über den Rücken gerieselt war.

Sie hatte die Sätze damals nicht ernst genommen, doch nun …

Ihre Gedanken wanderten. Sie dachte an die Eltern und Geschwister, die in ihren Betten lagen und schliefen und nichts davon ahnten, was bald geschehen würde.

Jill schaute auf ihre Uhr.

Eine halbe Stunde vor Mitternacht.

Sie musste sich beeilen, wenn sie pünktlich sein wollte. Denn Mitternacht war die Zeit der Toten. Dann trat die Tageswende ein, wurden die Geister der Verstorbenen wieder aktiv, so wie es beim alten Hanson war.

Jill griff in den Schrank hinein und zog ihren Wintermantel hervor. Er war von innen mit Pelz gefüttert. Jill hatte lange gespart, um sich diesen Mantel leisten zu können.

Sie streifte ihn über das lange wollene Nachthemd. Es schaute noch unter dem Mantel hervor, aber das störte Jill Hanson nicht. Sie ging ja nicht zu einer Modenschau.

Jill Hanson drückte die Schranktür wieder zu und lief zum Fenster.

»Ich komme«, raunte sie. »Jetzt …«

Das junge Mädchen verließ das Zimmer. Sie schlief im ersten Stock. Auf Zehenspitzen schlich sie über den Flur der Treppe zu, die nach unten führte.

Sie passierte dabei die Türen, hinter denen die Schlafzimmer ihrer Geschwister und Eltern lagen.

Sie verschwendete nicht einen Gedanken mehr an ihre nächsten Verwandten. Sie waren ihr auf einmal so gleichgültig geworden, wie auch die anderen Dinge in ihrem Leben.

Für sie zählte nur noch der Lockruf.

Jill schritt die Stufen hinab. Sie ging am Rand, damit das alte Holz nicht zu sehr knarrte. Bis auf das Summen der Heizung war es im Haus ruhig.

Das Mädchen schritt nicht zur Vordertür, sondern ging in Richtung Keller, wo auch der Hinterausgang lag. Diese Tür war meistens nicht abgeschlossen, und auch in dieser Nacht stand sie offen. Dafür hatte Jill gesorgt.

Vorsichtig öffnete sie die Tür. Als der Spalt groß genug war, schlüpfte sie hindurch.

Schnee lag auf dem Hof. Nur ein schmaler Pfad war geräumt worden. Dafür türmte sich die weiße Pracht an der Hauswand hoch.

Jill schritt durch den kleinen Garten, balancierte über festgefrorene Akkerfurchen und erreichte den hüfthohen Zaun, der das ziemlich große Grundstück einrahmte.

Rechts von ihr streckten die mit einer weißen Schicht bedeckten Obstbäume ihre Äste in den Nachthimmel. Sie wirkten manchmal wie die gespenstische Vision eines Malers.

Ein Wetterumschwung lag in der Luft. Die noch vorhandene Kälte drückte den Nebel zu Boden. Er war nur stellenweise vorhanden, und als Jill hindurchschritt, da sah es so aus, als würde sie über der Erde schweben.

Sie kletterte über den Zaun und schlug den Weg zum Friedhof ein.

Die Straße führte nicht am Totenakker vorbei und auch nicht am Haus der Hansons. Sie machte einen Bogen und tangierte die Nordseite des Friedhofs. Jill musste über freies Feld laufen.

Das machte ihr nichts aus. Sie hatte nur ein Ziel vor Augen, das sie unbedingt erreichen wollte.

Schneeinseln bedeckten den welligen Boden. Zum Teil war der Schnee getaut, doch der, der noch lag, trug eine Eisschicht auf der Oberfläche.

Der kühle Nordwestwind blies Jill ins Gesicht. Am Himmel trieben dicke Schneewolken auf die Küste zu.

Jill Hanson schritt über verfaultes Gras, trat in schmale Ackerfurchen und lief einige Meter parallel zu einem rostigen Stacheldrahtzaun, den ein Bauer gezogen hatte, bevor er sein Grundstück an den zuständigen Kreis verkaufte.

Das Feld sollte in einigen Jahren ebenfalls ein Friedhof werden. Die entsprechenden Pläne lagen bereit.

Das Haus blieb immer mehr zurück. Er verschwamm in der kalten Nebelsuppe. Jill Hanson verließ ein Stück Heimat, um einem ungewissen Schicksal entgegenzugehen.

Der Mantel hielt die Kälte ab. Der hochgestellte Kragen schützte Hals und Ohren.

Eine Mauer begrenzte den Friedhof. Allerdings nur an der Nordseite. Gegenüber, wo er erweitert werden sollte, hatte man die Mauer bereits abgerissen, sodass jedermann das Gelände ungehindert betreten konnte.

Jill ging den Weg nicht zum ersten Mal. Schon öfter hatte sie das Grab ihres Großvaters besucht und es mit frischen Blumen geschmückt. Sie hing sehr an dem alten Mann. Auch heute noch.

Ein plötzlicher Windstoß blähte den vorn nicht geschlossenen Mantel auf und ließ Jill Hanson aussehen wie eine große Fledermaus. Sie steckte ihre Hände in die Taschen und drückte den Mantel wieder zu.

Die Grasnarbe des Bodens verschwand. Jill schritt jetzt durch die tiefen Spuren, die noch von den Lastwagen des Abbruchunternehmens stammten. In manchen Kuhlen hatte sich Wasser gesammelt. Eine dünne Eisschicht bedeckte die Oberfläche, und sie knirschte, als Jill darüberschritt.

Trotz der Dunkelheit konnte sie bereits die ersten Grabsteine und Kreuze erkennen.

Die Zeugen der Vergänglichkeit standen auf dem alten Teil des Friedhofs. Kantige, schmucklose Steine, auf denen der Name des Verstorbenen eingraviert worden war. Auch die ehemals stolzen Holzkreuze hatte der Zahn der Zeit angefressen und sie im Laufe der Jahre weich und brüchig gemacht.

Es gab schmale Wege, die sich hin und wieder kreuzten und zu den einzelnen Gräbern führten. Blattlose Bäume breiteten ihre knorrigen Äste aus, als wollten sie die Gräber der Toten beschützen.

Der Nachtwind strich durch Hecken und Buschinseln. Er bewegte auch die alte Wetterfahne auf dem Leichenhaus, sodass sie einen Laut abgab, der an das gequälte Atmen einer gepeinigten Kreatur erinnerte.

Übergangslos erreichte Jill Hanson den Friedhof. Auch hier war die Erde gefroren. Die knochenharten Stellen bildeten Stolperfallen. Jill musste achtgeben, dass sie nicht umknickte und sich noch einen Knöchel verstauchte.

Wie ein Geist schritt sie zwischen den Grabreihen hindurch. Trockenes Laub und knorrige Zweige knackten unter ihren Schuhen. Sie schüttelte den Kopf, um die langen Haare aus der Stirn zu schleudern, die mit ihren Fransen fast die Augen verdeckten.

Der alte Hanson war auf dem neuen Teil des Friedhofes beerdigt worden. Breite Kieswege verbanden ihn mit der Leichenhalle. Trauergäste...



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