Dankers / Baumgardt / SiStHa | Ein verflixter Valentinstag | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 248 Seiten

Dankers / Baumgardt / SiStHa Ein verflixter Valentinstag

Kurzgeschichten

E-Book, Deutsch, 248 Seiten

ISBN: 978-3-96000-269-7
Verlag: Elysion Books
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



26 unheilvolle Kurzgeschichten rund um den romantischsten Tag des Jahres Folgen Sie uns zu verfluchten Dates, seltsamen Treffen, Affären, Rachepläne und Liebschaften, die in den Tod führen oder solche, die auf Youtube zelebriert werden. Doch zwischen reumütigen Eheleuten und Stalkern gibt es auch Mörder, Serientäter und Killer in Ausbildung, Kannibalen, Verrückten und missverstandenen Verfluchten. Und Monster ... Mit Fell oder Tentakel ... Geister, Trolle und Dämonen ... Denn auch dieses Wesen sehnen sich nach Liebe. Und so ist es nicht verwunderlich, dass auch hier Misserfolge, Voodoo und Ghosting vorkommen. Genau wie Liebe, die über den Tod hinausgeht und echte, unsterbliche Liebe. Trinkt unsere Liebeszauber, trollt euch im Internet, kuschelt euch an euren heimischen Busen und wehrt unseren nachbarschaftlichen Verehrer ab. Es hilft alles nichts, die Katze ist sowieso immer der Täter.
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Mein Name ist Ungeheuer
Julia Dankers   Heute, Rosenmontag 2020 Aus den Lautsprechern an der Decke dröhnt irgendein Evergreen aus den Neunzigern, die schon lange vorbei sind, auch wenn sich das niemand über vierzig eingestehen möchte. Hastig trinke ich einen Schluck aus dem Flachmann, bevor ich ihn zurück in meine hintere Hosentasche stopfe. Drei pubertäre Mädchen in hautengen, pinkfarbenen Tops streiten sich um eine Vanillemilch, die einfach super zum billigsten Wodka der Hausmarke passen würde, wenn man der Rädelsführerin Glauben schenkte. Ihr leichter Silberblick fasziniert mich. Rot wie die eines Vampirs schimmern ihre Pupillen. Ich schätze, sie trägt diese fürchterlichen farbigen Kontaktlinsen, um hip zu wirken, ein bisschen cool, ein wenig unnahbar - und ziemlich doof. Vermutlich sehe ich ähnlich derangiert aus, wenn auch fetter und faltiger, weil ich die letzten drei Nächte kaum geschlafen habe und aus ihrer Sicht mindestens uralt bin. Vierzig sei das neue dreißig, behaupten Medienexperten. Ich hingegen fühle mich untot, was streng genommen das Gegenteil von lebendig ist. Am Milchregal halte ich einen Moment inne. Die Luft zwischen den sorgfältig drapierten Tetrapaks ist zum Zerschneiden dick. Gedankenverloren schnappe ich eines mit grünem Aufdruck, weil dies die Farbe der Hoffnung ist – und die stirbt fast immer zuletzt. Dumpf landet es im Einkaufswagen. Über der Fleischtheke hängt der Duft des Todes und ein wenig auch der vom Altdamenparfüm. Grauhaarige Gestalten mit schleppenden Schritten erinnern mich an Zombies. Rollatoren säumen den schmalen Gang zwischen Leben und Tod. Die Fleischereifachverkäuferin trägt neckische Grübchen und eine rotgesprenkelte Gummischürze. In ihren Mundwinkeln klebt roter Fleischsaft, als habe sie gerade hinter dem Tresen vom rohen Steak gekostet. Erschrocken weiche ich einen Schritt zurück, als sie mich anspricht, das Ausbeinmesser nonchalant aus dem Handgelenk schwingend. Dreißig Jahre lang bin ich Vegetarier gewesen, weniger aus Überzeugung als aus Schuldgefühl. Keine weitere Kreatur hat meinetwegen sterben sollen. Das Rattern der Wurstschneidemaschine zaubert eine Gänsehaut über meinen gesamten Körper. Ich trage lediglich ein Unterhemd und sehe in der Spiegelung der Tresenscheibe aus wie ein gerupfter Hahn. Drei Kilo Hackfleisch sollen es sein. Die robuste Dame nickt. Auf ihrem Oberarm beißen sich Schmetterlingstattoos gegenseitig in den Hintern und um ihren Kopf herum surren Fliegen. Zur Untermalung würde schräge Geigenmusik gut passen, anders als die Hits aus einem längst vergangenen Jahrzehnt, an das ich mich kaum erinnern kann. Wissend grinst die Blutwurst mich aus der Auslage an. Die mit Gesicht tut es nicht. Eher hochnäsig und etwas überlegen wie der Clown aus »Es« mustert sie mich, als wüsste sie, was ich getan habe. »Glotz nicht!«, motze ich ungehalten. Die Fleischereifachverkäuferin weicht einen Schritt zurück. Zu Boden geht scheppernd das Messer, nach dem sie sich bückt. Ihr Dekolleté wirkt so einladend wie eine Gesamtschulabschlussfeier, eher ausladend also. »Sechs Pfund Hack sind eine ganze Menge«, stellt die rundliche Lady leise fest. Ihr Lächeln ist nicht echt, ebenso wie das auf der Max- und Moritzwurst am Rand der Auslage. Sie erinnert mich an Witwe Bolte, die keiner wollte. Ein Kopftuch würde auch der Verkäuferin gut stehen. Dann würden nicht so viele Haare im Kalbsbries landen, dunkelgrau und reglos wie sehr schlanke, kranke Würmer. »Ja«, murmele ich und senke den Kopf. »Das sind dreißig Buletten, wenn man sie großzügig formt.« Oder eine Zwischenmahlzeit für ein wirklich hungriges Ungeheuer. »Sie haben Glück, dass das Gehackte heute im Angebot ist.« Sie sieht nicht hübsch aus, wenn sie über den Preis von Fleischerzeugnissen philosophiert. Ich frage mich, wie ihr Mann sie sieht, falls sie einen hat. Vielleicht hat sie auch eine Frau - oder nur einen sehr üppigen Hund, den sie am Ende eines langen Tages mit Fleischresten mästet. Also den Hund – vielleicht auch den Mann oder die Frau. Herzinfarkte durch zu fette Ernährung sind in den Ländern der westlichen Welt immer noch eine sehr häufige Todesursache. Wie einfach es doch ist, jemanden um die Ecke zu bringen, wenn man ausreichend Zeit dafür hat. Klobige Hände mit Wurstfingern wühlen sich durch die Fleischmasse und pfeffern ihre Errungenschaften in die Waagschale. Mit dem Messer zerlegt die Dame von der Wursttheke den weichen Teig in drei unterschiedlich große Teile. Beim letzten Schnitt aber entgleitet ihr der Plastikgriff. Geräuschlos landet die Messerspitze in ihrem Handballen. Blut sprenkelt das blassrote Hack und sieht pittoresk aus. Augenblicklich beginnt mein Magen zu knurren. Von hinten rempelt mich ein älterer Herr an. Mitten in seinem Gesicht klemmt eine knallrote Plastiknase. Sein Atem streift meinen Nacken. Er riecht säuerlich nach zu viel Billigwein. Nach einer Wäsche dürstet sein schütteres Haar, ebenso wie das des klitzekleinen Pinschers zu seinen Füßen, der hungrig das Schnäuzchen krauszieht und bellt. »Mist!«, flucht die Verkäuferin, während sie ihre Hand anstelle des Hackfleischs in Frischhaltefolie einschlägt, um die Blutung zu stoppen. Kein Verbandszeug befindet sich in der Nähe und ihre Kollegin am Käsestand hat alle Hände voll zu tun, ihre eigene Kundschaft zu bedienen. Der alberne Schwarzwaldhut, den sie trägt, lässt sie wie eine russische Zarin aus einem drittklassigen Comic aussehen. Frischkäseflecken zieren ihre Schürze. Vor dem Chipsregal torkelt ein junger Mann und schwankt zwischen Erdnussflips und Salzgebäck. Unter seinem Arm trägt er einen abgetrennten Plastikkopf, dessen fieses Grinsen mich irritiert. An einem anderen Tag könnte er auf dem Weg zum Bolzplatz sein, den ledernen Ball locker gegen die Hüfte gestemmt, ebenso wie gerade den Kopf. Ich wünschte, es wäre ein anderer Tag und ich ein anderer als der, der über die Fleischtheke hechtet und die Hand der Angestellten packt, bevor sie die Augen verdreht und nahezu geräuschlos zu Boden fällt. Meine Schuhsohlen hinterlassen ein hübsches Muster in der groben Leberwurst. Hastig greife ich nach dem Ausbeinmesser. Sein Griff schmiegt sich glatt und kühl gegen meine Finger. Meine Sicht auf die Dinge ist plötzlich eine andere, mein Blick verschwommen und die Geräusche gedämpft. »Ihr Narren und Jecken, ihr Starren und Kecken«, skandiere ich. »Ich kann euch nicht leiden! Ich will euer Leiden!« Mit beiden Beinen im Leben sehe dem Tod ins Auge. Ein ganzes Schwein liegt auf dem Tisch im Zubereitungsraum der Fleischerei, in den ich durch die angelehnte Tür sehen kann. Mit toten Augen blickt es mich an. Seine Füße stecken kopfüber im Fleischwolf fest und sehen albern aus. Ein dicker Mann mit freiem Oberkörper, der in einer gestreiften Pyjamahose steckt, klatscht wiehernd Applaus. Obelix ist in den großen Topf mit Zaubertrank gefallen. Leider hat er dabei seine Perücke verloren. Wie Schäfchenwolle lockt sich sein lichtes Haar.   Vor dreißig Jahren Meine Mutter drückt mir einen Kuss auf die Stirn. Ihr Lippenstift hinterlässt zwei rote Streifen, schmal und leicht fettig wie die Brathähnchen vom Imbiss gegenüber. Verstohlen wische ich sie fort. »Pass auf dich auf und sei ein guter Junge«, raunt sie mir zu, während mein Vater mir drei Flaschen vom billigen Bier in den Rucksack steckt. Mit fast fünfzehn dürfe man auch einmal fünfe gerade sein lassen, behauptet er. Schließlich sei Karneval und so ziemlich alles erlaubt, ebenso wie im Krieg und in der Liebe. Auf der Straße herrscht reges Treiben. Meine Freunde, die Ninjaturtels, haben aus ihren sperrigen Schulranzen Schildkrötenpanzer gebastelt. Nicht sehr einfallsreich, wie ich finde, aber immer noch pfiffiger als Graf Zahl im abgewetzten Trenchcoat meiner Oma darzustellen, gerade weil ich in Mathe eine echte Niete bin. Bunte Gesellen begegnen uns und ein Mädchen, das leise lacht. Annabelle ist ihr Name, sie ist so schön wie das Leben nach dem zweiten Bier überhaupt. Mein Gang gleicht dem einer Ente, aber das ist ihr egal, als sie mich im Hauseingang gegenüber der Kirche küsst. Das Licht der Straßenlaterne zeichnet einen Heiligenschein über meinen Kopf. Das kann ich in der Spiegelung der Bushäuschenscheibe sehen, obwohl ich im Moment ganz sicher keinen verdient hätte. Bescheiden drückt sie ihre kleinen Brüste gegen meinen schmächtigen Oberkörper. Janne jault wie ein Wolf im Schafspelz. Dabei stellt er doch ein überdimensionales Reptil dar. Konzentriert wirft er achtlos abgestellte Bierflaschen auf die Straße, die ansonsten verlassen daliegt, weil die meisten Karnevalsverrückten schon im Bett liegen oder in der Kneipe an der Ecke weitertrinken. Urplötzlich wird mir klar, wie verschwenderisch das ist, was mein allerbester Freund dort macht. Stattdessen beschließe ich, die Reste zusammenzukippen, um sie gemeinsam zu vernichten. Annabelle kann eine Menge vertragen. Sie habe den Magen einer Kuh, die genaugenommen vier Mägen hat. Mit leuchtenden Augen stürzt sie eine halbe Flasche Sekt hinunter, der ihre klammen Küsse säuerlich schmecken lässt. Keine Brathähnchenflecken hinterlassen sie auf meinen Lippen, eher die Hitze eines ganzen Sommers und zugleich die Kälte der Nacht, die unter unsere Mäntel kriecht, immer dann, wenn wir voneinander lassen und uns für eine oder zwei Minuten nicht in den Armen halten. Nicht einen davon wische ich fort. In meinem Leib tobt ein Orkan. Ich habe nicht gewusst, dass die Liebe ein heiteres Gefühl ist, ähnlich wie der Suff - ein Rausch zwischen zwei Welten. Die Sterne tanzen...


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