E-Book, Deutsch, Band 4, 576 Seiten
Reihe: Opcop-Gruppe
Dahl Hass
15001. Auflage 2015
ISBN: 978-3-492-96908-6
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Thriller
E-Book, Deutsch, Band 4, 576 Seiten
Reihe: Opcop-Gruppe
ISBN: 978-3-492-96908-6
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein Rachefeldzug gegen den Chefermittler oder die Verschwörung eines unsichtbaren Gegners? Erschüttert betrachtet Paul Hjelm die verzweifelte Videobotschaft zweier seiner Ermittler. Zeitgleich detoniert in der Wohnung seiner Kollegin Donatella Bruni eine heimtückische Paketbombe - ein tragischer Zufall? Nein, Paul Hjelm ist überzeugt davon, dass die Verbrechen ganz gezielt ausgeführt werden: Jemand muss ihn und seine geheime Opcop-Gruppe enttarnt haben. Wer aber könnte ein Motiv besitzen, sie zerschlagen zu wollen? Hjelm lässt in verdeckten Zweierteams rund um den Globus ermitteln und spürt ein schwedisches Biotech-Labor auf, das an der Manipulation des menschlichen Körpers Milliarden verdienen will.
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Gustaf Horn
Stockholm, 20. Juli
Man könnte meinen, dass die beiden Landspitzen der zwei größten Inseln von Stockholm sprachhistorisch miteinander verbunden wären. Zumal der äußere westliche Teil von Södermalm seit dem Mittelalter »Horn« genannt wurde. Der Name bezieht sich mit großer Wahrscheinlichkeit auf die spitze Form dieser westlichen Landzunge. Und als dort Mitte des 17. Jahrhunderts eine Zollstelle errichtet wurde, hieß sie selbstverständlich Hornstull. Die Namensgebung von Hornsberg auf Kungsholmen hingegen ging auf Gustaf Horn zurück, einen der bedeutendsten schwedischen Feldherren im Dreißigjährigen Krieg. Zeitgleich mit der Zollstelle Hornstull entstand auch Hornsberg auf Kungsholmen, eine Art Schloss, aber wohl eher ein Malmgård, die innerstädtische Variante der Herrenhäuser des 17. Jahrhunderts. In der Zeit der Großmächte im 17. Jahrhundert dämmerte bald auch dem kleinen Land Schweden, dass es zu internationaler Bedeutung aufgestiegen war. Und besagter Gustaf Horn war nicht nur der Held der Schlacht bei Breitenfeld gewesen, die den Dreißigjährigen Krieg zugunsten der Protestanten entschieden hatte, sondern war auch in Lützen zugegen, als der damalige König Gustaf II. Adolf auf dem Schlachtfeld im Nebel umkam. Nach dem Tod des Königs wurde Horn zum Oberbefehlshaber ernannt, wurde aber kurz darauf in der Schlacht bei Nördlingen gefangen genommen und saß dann acht Jahre in Bayern in Kriegsgefangenschaft. Als er nach Schweden zurückkehrte, hatte sein Schwiegervater, Axel Oxenstierna, sein Land fast ein Jahrzehnt lang mit eiserner Hand regiert. Während Gustaf Horn einen Feldzug im Krieg gegen Dänemark anführte – den man später »Horns Krieg« nannte –, wurde die Thronfolgerin endlich mündig. Das neue Staatsoberhaupt war tatsächlich eine Frau, und Königin Kristina bezog bei ihrem Amtsantritt gleich Position und verteilte staatliches Land an ihre Günstlinge. Gustaf Horn bekam ein großzügiges Stück Land im Westen von Kungsholmen. Dort ließ er sich einen eleganten Hof mit einem erlesenen Garten nach dem Vorbild des Riddarhuset errichten, das damals das Versammlungshaus des Adels in der Altstadt von Stockholm gewesen war. Das Anwesen wurde später nach seinem Besitzer Hornsberg genannt. Ein Problem stellte lediglich dar, dass Gustaf Horn viele solcher Anwesen besaß und bereits kurz nach der Fertigstellung von Hornsberg starb. Das Gebäude verfiel, und die Gartenanlage wurde anderweitig genutzt. Carl von Linné studierte ihren Artenreichtum, und Carl Michael Bellman schrieb mehrere Lieder über Hornsberg, aber das Anwesen verrottete. Eine Textilfabrik wurde darauf errichtet, die später zu einer Zuckerraffinerie umfunktioniert wurde, und Ende des 19. Jahrhunderts wurden die verbleibenden Gebäude abgerissen. Nicht etwa, um Licht und Luft zu schaffen, vielmehr um der Großen Brauerei genügend Platz zu bieten. Bier war zum Hauptgetränk der Stadtbevölkerung geworden und wurde in beeindruckenden Mengen gebraut. Bei der Produktion entstanden Nebenerzeugnisse und Abfallprodukte, Vitamin B und Enzyme. Das war der Anfang der Veränderung von Hornsberg hin zu einem Standort für die Biotechnologie. Die Biotechnologie ist im Großen und Ganzen das Einzige, was erhalten blieb, als vor einigen Jahrzehnten dieses verfallene Industriegebiet rundum erneuert wurde. Heute ist Hornsberg ein herausgeputztes Stadtviertel für den jungen urbanen Mittelstand. Und in seinem Zentrum befinden sich mehrere biotechnologische Unternehmen. Eines davon ist die Bionovia AB. Und dort saß in den wegen der Sommerferien praktisch menschenleeren Büroräumen, mit Aussicht auf den Ulvsundasjön, ein junger Mann ganz allein in einem Computerraum mit zwanzig PCs und Monitoren. Dieser junge Mann, der sich von anderen jungen Männern in nichts unterschied, hieß Gustaf Horn. Aus Mangel an Arbeit hatte er im Internet eine Seite über seinen Namensvetter aus dem 17. Jahrhundert aufgerufen. Aber soweit er das bisher ermitteln konnte, bestand keinerlei Verwandtschaftsverhältnis zwischen ihm und dem Feldherrn. Als er sich um den Sommerjob beworben hatte, war er davon ausgegangen, dass er andauernd mit seinem Namen aufgezogen werden würde. Das Sonderbare war jedoch, dass niemand eine Bemerkung machte. Keiner seiner temporären Kollegen schien auch nur das Geringste über Gustaf Horn oder die Zeit der Großmächte zu wissen. Aber das störte ihn nicht weiter. Allerdings hätte er ganz gerne mit irgendjemandem gequatscht, doch nicht einmal der Abteilungsleiter hatte sich für etwas anderes interessiert als seinen Golfurlaub auf Ibiza. Gustaf Horn hatte gar nicht gewusst, dass es auf Ibiza Golfplätze gab. Für ihn war Ibiza vielmehr die Insel mit den weltweit meisten Geschlechtskrankheiten pro Kopf. Obwohl sich Golf und Geschlechtskrankheiten vielleicht gar nicht widersprachen. Aber Geschlechtskrankheiten waren in Gustaf Horns momentanem Leben nicht relevant. Er war zweiundzwanzig, hatte das erste Jahr seines Studiums zum Systemanalytiker an der Universität beendet, hatte Semesterferien und war Single. Der Sommerjob in der IT-Abteilung von Bionovia hatte sich wie ein Traumjob angehört, und in gewisser Hinsicht war er das auch. In seinem Lebenslauf würde er sich sehr gut machen. Aber der Posten war leider unendlich langweilig. Gustaf Horn hatte keine direkten Kollegen, saß allein in diesem Raum, und seine einzige Aufgabe bestand darin, »den Datenverkehr zu überwachen«. Die Instruktionen, wie das vonstattengehen sollte, waren allerdings alles andere als ausführlich gewesen. Dafür war er quasi allein verantwortlich. Die Bionovia AB war ein relativ junges Unternehmen im biotechnologischen Bereich, und ihr Sitz hatte sich in Lichtgeschwindigkeit von Räumen in einer Bürogemeinschaft zu einer eigenen Firmenzentrale in einem glänzenden Neubau am Hornsbergs strand gemausert. Die Firma war spezialisiert auf die Interaktion der verschiedenen Moleküle und Systeme in einer Zelle, sowohl in der Nanopartikel-Molekularforschung als auch in der Proteinforschung. Hier wurden unter anderem auf Plasmabasis hergestellte Proteinarzneimittel hergestellt. Das war Gustaf Horns Wissensstand, aber immer wenn er sich das in Erinnerung rief, klang es in seinen Ohren, als würde er es auswendig aufsagen. Eigentlich hatte er keine Ahnung, was das alles bedeutete. Er war ein echter Computernerd und stolz darauf. Es war Hochsommer. Er vermied den Blick auf das glitzernde Wasser, wo die Hausboote am anderen Ufer neben dem Strandrestaurant Pampas dümpelten. Aber mittlerweile langweilten ihn die Geschichten über die bewegte Vergangenheit von Hornsberg, seinen Namensvetter aus dem 17. Jahrhundert und Bellmans Gedichte. Er hatte versucht, im Tagebuch von Gustaf Horns Tochter Agneta zu lesen. Es galt als das wichtigste Zeugnis schwedischer autobiografischer Texte des 17. Jahrhunderts und hatte den umwerfenden Titel Die Beschreibung meiner bejammernswerten und äußerst abscheulichen Wanderjahre sowie aller meiner großen Unglücke und großen Herzenssorgen und Abscheulichkeiten, die mir derweil unzählige Male begegnet sind, von meiner frühsten Kindheit an, und wie Gott mir stets geholfen hat, mit viel Geduld alle diese Abscheulichkeiten zu überstehen. Aber nach einer Weile hatte ihn auch das gelangweilt. Und Computerspiele konnte er hier nicht öffnen, dafür hätte er sich einloggen müssen. Er starrte auf den Monitor. Zog die Maus an der verschlüsselten Liste nach oben und nach unten. Den Datenverkehr der vergangenen Woche hatte er bereits überprüft, und besonders viel Neues war seitdem ganz offensichtlich nicht geschehen. Es war Ende Juli, und da herrschte Flaute in der Biotechnologiebranche. In Ermangelung einer besseren Idee begann er, sich durch das vergangene halbe Jahr der Aufzeichnungen zu scrollen. Auch das war im höchsten Maße langweilig. Er würde diese Tätigkeit sofort gegen jede erdenkliche Geschlechtskrankheit tauschen. Natürlich nur unter der Bedingung, sich mit dieser Krankheit auch auf eine angemessene Weise angesteckt zu haben. Diese Listen bestanden hauptsächlich aus Posten. Jeder einzelne bezeichnete eine Cyberaktivität zwischen Bionovia und der Außenwelt. Die Reihen von Buchstaben und Ziffern verrieten, bis zu welchem Sicherheitsniveau der anfragende Computer vorgedrungen war, was wiederum – in Echtzeit oder im Nachhinein – mit verschiedenen Listen abgeglichen wurde, die aus zertifizierten und identifizierten Codes bestanden. Je höher das Sicherheitsniveau war, desto kürzer und umfangreicher wurde die Liste der Zugangsberechtigten. Um in das höchste Niveau zu kommen – das »Niveau acht« genannt wurde und in dem Bionovia seine vertraulichsten Unternehmensgeheimnisse versteckte –, war es erforderlich, einen lückenlos dokumentierten Suchpfad vorzulegen. Bereits auf Niveau fünf wurde schon bei der geringsten Unstimmigkeit der Alarm ausgelöst, dabei handelte es sich da meistens nur um einfache Formen von trojanischen Pferden und falsch benutzte Eingabemasken. Aber auch auf Niveau sechs und sieben kam es zu vereinzelten Versuchen, sich etwa über Tastaturspione Zugang zu verschaffen. Laut dem Abteilungsleiter – dem Ibiza-Golfer, an dessen Namen er sich nicht erinnern konnte – war der schwerwiegendste Angriff vonseiten einer neuen Sorte von Spyware gekommen, die vor etwa einem halben Jahr auf Niveau acht herumgeschnüffelt habe. Allerdings war damals jeder erdenkliche Alarm im Haus losgegangen und der Eindringling schnell identifiziert worden: ein...