Czyzak | Gesichtskritische Episoden in Gruppenarbeitsphasen | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 361 Seiten

Reihe: Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik

Czyzak Gesichtskritische Episoden in Gruppenarbeitsphasen

Interaktionen unter Lernenden in einem aufgaben- und inhaltsbasierten DaF-Unterricht
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-8233-0468-5
Verlag: Narr Francke Attempto Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Interaktionen unter Lernenden in einem aufgaben- und inhaltsbasierten DaF-Unterricht

E-Book, Deutsch, 361 Seiten

Reihe: Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik

ISBN: 978-3-8233-0468-5
Verlag: Narr Francke Attempto Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Gruppenarbeit wird im modernen Fremdsprachenunterricht eingesetzt, um Lernenden die Gelegenheit zu bieten, ihre Fremdsprachenkenntnisse in einem kleinen Rahmen auszuprobieren und gemeinsam Aufgaben zu bearbeiten. Aus der Unterrichtspraxis ist jedoch bekannt, dass diese Arbeitsform zahlreiche Herausforderungen mit sich bringt und nicht immer das gesamte Potential ausgeschöpft werden kann. Im Fokus dieser qualitativen Studie steht die Rolle der Gesichtswahrung für die Gestaltung von Interaktionen unter Lernenden während kommunikativer Gruppenarbeitsphasen in einem universitären Deutsch-als-Fremdspracheunterricht in Japan. Anhand von Daten aus Interaktionen in Gruppenarbeitsphasen und Retrospektion der Lernenden auf diese Gruppenarbeit werden fremdsprachenunterrichtsspezifische Episoden nachgezeichnet, ihr gesichtskritisches Potential identifiziert und Strategien zum Umgang mit ihnen beschrieben.

Olga Czyzak ist Lektorin für Deutsch als Fremdsprache an der Reitaku Universität im Großraum Tokyo in Japan.

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1Einleitung
Kooperative Arbeitsformen und interaktive Lernszenarien, in denen Fremdsprachenlernende sich gemeinsam mit inhaltlichen oder sprachlichen Fragen befassen und Aufgaben ohne eine leitende Lehrperson bearbeiten, gelten bereits seit Jahren als etablierte Bestandteile modernen Fremdsprachenunterrichts (vgl. u.a. Schramm 2010: 1183 f; Rösler 2012: 98). Neben fremdsprachendidaktischen Vorzügen wie der Erhöhung der Redeanteile der Lernenden in Kleingruppen oder in Paaren und der Schaffung eines entspannten Umfelds, in denen durch das Fehlen einer kontrollierenden Instanz Raum zum stressfreien Experimentieren mit den noch ungewohnten Redemitteln geschaffen wird, wird die Förderung kommunikativer und sozialer Kompetenzen als weiterer Vorteil von Gruppenarbeit gesehen. Im japanischen Bildungskontext, in dem die vorliegende Studie angesiedelt ist, wird der Einsatz aktiver und kollaborativer Lehrmethoden unter dem Schlagwort active learning zur Verbesserung der Qualität der Lehre an Universitäten und Oberschulen seit 2012 durch den Zentralrat für Bildung des japanischen Ministeriums für Bildung, Kultur, Sport, Wissenschaft und Technologie (MEXT 1) explizit gefordert, so dass auch in Japan vermehrt aktive Lehr- und Lernkonzepte Einzug halten (Sakai 2017: 23f). Oft herrscht jedoch sowohl bei Lehrenden als auch bei Lernenden Unklarheit darüber, wie genau Gruppenarbeit als Teil des Gesamtunterrichts zu integrieren ist und was innerhalb der Gruppe passieren sollte bzw. was tatsächlich passiert. Außerdem stellt die selbständige Bearbeitung von Aufgaben durch Lernende in kooperativen Sozialformen alle Beteiligten vor gewisse Herausforderungen. Lehrende fürchten einen Kontrollverlust über Lerninhalte und Lernprozesse, darüber hinaus werden problematische Gruppenzusammenstellungen oder Schwierigkeiten bei der Notenvergabe erwartet (u.a. Becker-Mrotzek & Vogt 2009: 115). Auch Lernende wünschen oftmals eine gezielte Anleitung durch die Lehrperson, erfahren Gruppenarbeitsprozesse als anstrengend oder sogar frustrierend und befürchten, nicht ihren Leistungen entsprechend benotet zu werden (u.a. Würffel 2007: 23). Eine Vielzahl möglicher Erklärungsansätze können für Komplikationen bei der Implementierung sozialer Lernformen herangezogen werden. So kann die Ursache u.a. darin liegen, dass sowohl Lernende als auch Lehrende wenig oder keine Erfahrung mit Gruppenarbeit haben (u.a. McDonough 2004: 222; Matsumoto 2008: 29), dass die gewählten Aufgabenformate nur bedingt zur Zusammenarbeit einladen (u.a. Müller-Hartmann & Schocker-von Ditfurth 2011: 63f) oder dass die Interaktionsmuster zwischen den Gruppenmitgliedern weniger von einem Miteinander als vielmehr von einem Gegeneinander gekennzeichnet sind (u.a. Storch 2002: 128; Feick 2016: 176). Bei den zuletzt genannten Interaktionsmustern steht das aufeinander bezogene Handeln der Gruppenmitglieder und seine Gestaltung durch die Lernenden im Fokus und rückt so das Verständnis der Gruppenarbeit als soziales Ereignis in den Mittelpunkt. Dieser Weg wird auch in der vorliegenden Studie eingeschlagen, in der weitere Facetten von Peer-Interaktionen beleuchtet werden. Es werden die Interaktionen unter Lernenden in Gruppenarbeitsphasen im Deutschunterricht an einer japanischen Universität in den Blick genommen und auf beziehungsrelevante Herausforderungen, denen sich die Gruppenmitglieder gegenübersehen, überprüft. In einem Großteil der Studien zur Interaktion unter Lernenden liegt das Augenmerk auf unmittelbar mit dem Fremdsprachenlernen verbundenen Aspekten, wie der Verständnissicherung, der gegenseitigen Hilfestellung bei fehlendem Wortschatz oder Korrekturen bei fehlerhaften Äußerungen (vgl. u.a. Swain & Lapkin 2000; Sato & Lyster 2012; Hoshii & Schumacher 2017; Mackey 2020). Vielen dieser Untersuchungen liegt das Verständnis zu Grunde, dass ein häufiges Vorkommen solcher Aushandlungen lernförderlich ist und ein Anzeichen für hohes Engagement darstellt. Werden hingegen wenig Rückfragen gestellt oder Fehler von Mitlernenden übergangen, wird dies als verpasste Lerngelegenheit interpretiert. Im hier dargestellten Forschungsprojekt wird die soziale Perspektive unter Rückgriff auf das Gesichtskonzept mit den dazugehörigen Überlegungen zur Gesichtswahrung (Brown & Levinson 1987) stärker in den Mittelpunkt gerückt. Werden Interaktionen unter Lernenden nicht lediglich als Chancen zur Erarbeitung von Lernzielen, sondern darüber hinaus als gesellschaftliches Ereignis betrachtet, in denen auch die Aushandlung des Gesichts der Einzelnen relevant ist, erscheinen diese verpassten Lerngelegenheiten in einem ganz anderen Licht. Sollte man als Gruppenmitglied die Fehler seiner Lernpartnerinnen und -partner offen ansprechen, nur Hinweise auf Korrekturen geben oder den Fauxpas ganz übergehen? Ist das Eingeständnis von Verständnisschwierigkeiten ein Anzeichen für die eigene mangelnde Sprachkompetenz oder die unzureichenden Erklärungen des Gegenübers? Möchten die anderen Gruppenmitglieder ihre Äußerungen lieber selbständig formulieren oder würden sie sich über unterstützende Vorschläge freuen? Solchen Fragen soll im Rahmen dieses Forschungsprojekts nachgegangen werden. Das Erkenntnisinteresse der vorliegenden Studie besteht darin, zu ermitteln, inwiefern sich gesichtsrelevante Überlegungen auf die Zusammenarbeit der Lernenden auswirken. Fremdsprachenlerntheoretische Erkenntnisse werden im Folgenden mit Erving Goffmans Gesichtskonzept (1967) verbunden und dienen als Grundlage zur Analyse und Interpretation unterrichtlicher Interaktionsdaten. Berücksichtigt werden sowohl beobachtbare sprachliche und nicht-sprachliche Handlungen aus der Gruppenarbeit als auch gedankliche Abläufe der Beteiligten aus retro- bzw. introspektiven Daten und zur Beantwortung der folgenden zentralen Forschungsfragen herangezogen: Welchen Gesichtsbedrohungen begegnen Lernende in der Gruppenarbeit? Wie gehen Lernende mit der Gesichtsbedrohung um? Wie wirken sich gesichtsrelevante Interaktionen auf die Gruppenarbeit aus? Durch ein multiperspektivisches Vorgehen soll die Gruppenarbeit als Bestandteil des Deutschunterrichts umfassend abgebildet werden und am Ende dieser Studie ein Beitrag zur Theoriebildung stehen. Ziel der Studie ist es, einen Erklärungsansatz für fremdsprachenunterrichtliche Gruppenarbeitsprozesse zu entwickeln, in dem die Interaktionen unter den Lernenden sowohl als lernorientierte als auch als soziale Handlungen beschrieben werden, um so eine weitere Perspektive auf kooperative Sozialformen anzubieten. Die Kapitel zwei bis fünf widmen sich den theoretischen Grundlagen, auf denen die vorliegende Studie aufbaut. In Kapitel zwei werden ausgehend von einer Eingrenzung des Begriffs Interaktion für den unterrichtlichen Kontext wichtige Studien zur Unterrichtsinteraktion skizziert und ihre Ergebnisse diskutiert. Eine Gegenüberstellung kognitivistischer und soziokultureller Ansätze und der jeweils daraus resultierenden Implikationen für die Untersuchung von Interaktionen dient der Positionierung im Forschungskontext. In diesem Zusammenhang werden konkrete für den hier dargestellten Untersuchungsgegenstand relevante Konzepte erläutert und anschließend bisherige Erkenntnisse im Bereich der Interaktion unter Lernenden dargestellt. Besondere Berücksichtigung finden hierbei Studien, deren Befunde durch die thematische Fokussierung auf soziale Aspekte der Interaktion oder durch die Ansiedlung im japanischen DaF-Kontext richtungsweisend für die vorliegende Untersuchung sind. Im dritten und vierten Kapitel wird die wissenschaftliche Rahmung weiter präzisiert. Da die zu untersuchenden Interaktionen in Gruppenarbeitsphasen eines aufgabenbasierten Deutschkurses stattfinden, bedarf es klarer Definitionen der Begriffe Gruppenarbeit und Aufgabe, wie sie der Studie zugrunde liegen. In Bezug auf erstere finden neben fremdsprachendidaktischen Aspekten auch psychologische und soziale Dimensionen Berücksichtigung, durch die erst eine Identifikation der einzelnen Personen als Gruppe entstehen kann und gemeinsames Handeln ermöglicht wird. Aufgaben wiederum dienen in zahlreichen Studien zur Unterrichtinteraktion – wie auch im vorliegenden Projekt – als Ausgangspunkt für den Austausch unter den Lernenden. Durch die Skizzierung grundlegender Prinzipien aufgabenbasierten Unterrichts werden die Gestaltungselemente des spezifischen Deutschkursprogramms, das den Rahmen für die Datenerhebung bildet, verdeutlicht und ihre Auswirkungen auf das Forschungsprojekt dargelegt. Im Zentrum des fünften Kapitels stehen Herleitung und Beschreibung des Gesichtskonzepts, wie es dann im Folgenden angewandt werden soll. Da in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem soziologischen Konstrukt Gesicht kein breiter Konsens darüber besteht, was sich genau hinter dem Begriff verbirgt, aus welchen Komponenten es sich zusammensetzt und inwiefern es als universell angenommen werden kann, wird anschließend der Versuch unternommen, die für den Fremdsprachenunterricht relevanten Aspekte zu explizieren und eine Arbeitsdefinition herauszuarbeiten. Allen vier Theoriekapiteln ist eine zusammenfassende Betrachtung angeschlossen, in der jeweils die zentralen Ansätze gebündelt und ihre konkrete Integration in der vorliegenden Studie verdeutlicht werden. Die methodologischen Überlegungen, die der Datenerhebung vorausgegangen sind und die den gesamten Forschungsprozess von der Pilotierung bis zur Datenanalyse begleitet haben, werden in Kapitel sechs dargelegt. Anhand der Forschungsfragen werden die Notwendigkeit der Kombination von...



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