Czerny | Waldmädchensommer | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 234 Seiten

Czerny Waldmädchensommer


1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-7348-0203-4
Verlag: Magellan Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 234 Seiten

ISBN: 978-3-7348-0203-4
Verlag: Magellan Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



'Morgen wieder an der Lichtung.' So verabredet sich Alva jeden Tag mit ihrer neuen Freundin Toni im Wald. Dort verbringen die beiden ihre Sommerferien und erschaffen sich eine Fantasiewelt voller magischer Wesen. In der Vorstellung der Mädchen bevölkern Mooswichtel, Bellinen und Lichtfunken den Wald, aber es lauern auch Gefahren: Aurelia, die Hüterin des Waldes und des Lichts, wird von dunklen Mächten bedroht. Während Toni ihre gemeinsamen Streifzüge durch den Wald immer weiter ausdehnt, um Aurelia zu retten, schreckt Alva vor den oft waghalsigen Suchaktionen zurück. Warum ist Toni dieses Spiel bloß so wichtig? Hat es etwa damit zu tun, dass sie ein paar Tage ohne Erklärung verschwindet und danach viel in sich gekehrter wirkt? Als Alva schließlich begreift, worum es bei ihrem Abenteuer wirklich geht, muss sie ihrer neuen Freundin helfen, bevor es zu spät ist.

Mit Wörtern Welten bauen - das Geschichtenerzählen hat Theresa Czerny immer schon fasziniert: zuerst als Zuhörerin, dann als Leserin, jetzt als Autorin. Den Zauber, den sie beim ersten Satz, auf der ersten Seite einer neuen Geschichte empfindet, möchte sie auch in ihren eigenen Büchern für Kinder und Jugendliche erlebbar machen.
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3


Es war acht Uhr morgens und ich war schon unterwegs. Ich hatte nicht mehr schlafen können. Mein Zimmer ging nach Westen und hatte sich über die letzten Wochen so aufgeheizt, dass ich selbst am frühen Morgen noch fühlen konnte, wie die Wärme von den Wänden abstrahlte.

Hier draußen war es besser. Die Hitze der letzten Tage klebte noch in den Hausmauern und im Asphalt, aber in den Ecken, wo die Sonne noch nicht hinschien, kühlte die Luft meinen Nacken.

Heute überlegte ich gar nicht erst. Am Rand der Wiese entlang lief ich auf den Wald zu und trat zwischen die hohen Bäume, bevor mir Zweifel kommen konnten. Der Boden war weich, Lärchennadeln knisterten unter meinen Füßen.

Kurz blieb ich stehen und wartete, bis sich meine Augen an das plötzliche Zwielicht gewöhnt hatten, dann drehte ich mich einmal um mich selbst. Rechts neben mir ragte eine riesige Eiche auf, direkt vor mir fiel der Boden steil in eine Kuhle ab. Durch die Kuhle floss ein Bach. Wenn ich immer nur dem Bach folgte und mir merkte, wo die Eiche stand, konnte ich mich also nicht verlaufen. Zufrieden warf ich einen letzten Blick zurück zum Waldrand, bevor ich den Hang hinunterschlitterte.

Unten tappte ich um ein Haar ins Wasser, weil ich meinen Schwung unterschätzt hatte, aber meine Schuhe blieben trocken. Ich wandte mich nach links.

So war das also, allein im Wald zu sein. Anfangs hörte ich nur meine Schritte, raschelnde Blätter oder einen Zweig, der unter meinem Gewicht knackte, doch dann bemerkte ich die Geräusche des Waldes. Der Bach gluckerte und gurgelte, wenn sich das Wasser zwischen glatt geschliffenen Felsen hindurchzwängte, über meinem Kopf flüsterte der Wind in den Wipfeln, und irgendwo unter den Blaubeerbüschen machte sich ein kleines Tier davon. Die Vögel, die in den Baumkronen herumturnten und sich anscheinend ziemlich wichtiges Zeug zuzwitscherten, ließen sich von mir dagegen gar nicht stören.

Hier und da musste ich über Brombeerranken steigen, manchmal wuchsen die Farnwedel am Bachufer so hoch, dass ich lieber außen herumging, als mir einen Weg hindurchzubahnen. Trotzdem ging es gut voran. Wohin mich das Wasser führen würde, wusste ich nicht, aber zum ersten Mal seit Tagen fing ich nicht nach einer Minute an zu schwitzen, sobald ich mich bewegte. Ich kam mir ein bisschen albern vor, dass ich mich bisher nicht in den Wald getraut hatte.

Etwas klirrte und ich blieb wie angewurzelt stehen. Das Geräusch kannte ich. Es klang wie kleine gläserne Glöckchen, genau wie gestern oben am Waldrand.

Da war es wieder. Ganz zart wehte es herüber und langsam lief ich weiter, folgte dem Bach um die nächste Biegung.

Links stieg der Hang immer noch steil an, doch vor und rechts von mir öffnete sich jetzt eine Lichtung. Tau funkelte auf den Grashalmen und der Bach glitzerte in der Morgensonne. Und wieder war da dieses Klirren, so leise, als würde es aus einer anderen, einer Märchenwelt herüberklingen.

Schritt für Schritt tastete ich mich voran und suchte die Baumkronen ab, doch ich entdeckte nichts, was das Geräusch hätte hervorrufen können. Und trotzdem, immer wenn der Wind ein wenig auffrischte, schienen auch die Glöckchen wieder zu schlagen.

»Willkommen.«

Meine Nackenhaare stellten sich auf, und ich fuhr herum, aber hinter mir war nichts.

»Willkommen«, hörte ich wieder, und diesmal war es ausgeschlossen, dass ich mir das Raunen eingebildet hatte.

Meine Blicke schossen wie Pfeile umher, doch plötzlich war alles, was eben noch hell und freundlich gewesen war, ein undurchdringliches grünes Dickicht. Vorsichtig setzte ich einen Schritt zurück, dann den nächsten, dann noch einen, aber bevor ich die Bachbiegung erreichte, erkannte ich es ganz deutlich: Jemand kicherte.

Mein Kopf ruckte in meinen Nacken, doch erst nach ein paar Sekunden entdeckte ich zwischen den Blättern und Zweigen über mir ein Gesicht. Ein Mädchen grinste mich an, mit Augen so grün wie das Laub ringsherum und den wirrsten dunkelblonden Locken, die ich je gesehen hatte.

»Du hast also hergefunden«, sagte sie, und als würde dieser Satz irgendeinen Sinn ergeben, nickte sie mir zu und schwang sich mit ein paar geschickten Handgriffen aus den Ästen des Baums auf den Boden.

Da stand sie dann eine Weile und musterte mich. Ich überlegte, was sie sah und was sie daran so interessant finden könnte: Meine Haare reichten mir gerade mal bis über die Schultern und waren absolut unspektakulär, ganz anders als ihr Lockenschopf, in dem die Strähnen ein Eigenleben zu führen schienen. Meine Augen waren nicht blau und nicht grau, ich war fünf Zentimeter kleiner und ein gutes Stück breiter als sie und schon gar nicht hatte ich so meganiedliche Sommersprossen auf der Nase. Aber in all meiner Durchschnittlichkeit musste sie wohl irgendetwas entdecken, was sie zum Lächeln brachte, denn ihre weißen Zähne strahlten mich an.

»Wollen wir los?«, fragte sie mit einem Kopfnicken zum gegenüberliegenden Ufer des Baches. Ohne meine Antwort abzuwarten, nahm sie Anlauf und hüpfte auf die andere Seite. Und weil ich hundertprozentig wusste, dass sie den Wald kannte und jederzeit einen Weg hinausfinden würde, folgte ich ihr.

Viele Stunden später lagen Toni – Antonia, so hieß sie – und ich auf einem Streifen Sand am Ufer eines kleinen Weihers. Uns gegenüber plätscherte ein Wasserfall die Felswand herunter, und hin und wieder spritzte es, wenn ein Fisch aus dem klaren Wasser sprang und nach einer Mücke schnappte.

Aber Toni und ich achteten gar nicht darauf. Wir blickten in den Himmel, der langsam blasser wurde, und stellten uns vor, wie wir verreisen würden, wenn es keine Flugzeuge gäbe und stattdessen Magie. Ich überlegte mir, wie es wäre, auf einer flauschigen weißen Wolke dahinzugondeln und mir anzugucken, was unter mir passierte, wie unser Wald und unser Dorf von oben aussahen, ob die Wolke an die Berggipfel stieß und wie weit hinter den Horizont sich das Meer erstreckte.

Toni grinste, als ich das erzählte. »Das alles kannst du auch mit einem Heißluftballon machen«, sagte sie. »Aber stell dir vor, wenn du ein Surfbrett hättest, mit einem Segel so hoch wie der Baum da. Dann könntest du auf den Windströmen surfen und wärst schneller einmal um die Erde geflogen, als du ›Hoppla‹ sagen kannst.«

Sie lachte leise, während sie das Bein anzog und sich am Knöchel kratzte. Ich kniff die Augen zusammen oder vielleicht zog ich auch die Nase kraus, jedenfalls kam mir die Vorstellung nicht gerade verlockend vor. Mir wurde schon in der Achterbahn schlecht.

Doch Toni hatte sich gerade erst warmgedacht. »Und die Windströme würden dann in allen Farben leuchten, in Gelb und Grün und Rot, sodass du immer wüsstest, wohin du unterwegs bist. Und es gäbe natürlich auch eine Strömung, da hätte der Wind alle Farben gleichzeitig, wie ein Regenbogen, und darauf könntest du nicht surfen, nein, du müsstest umsteigen auf ein Einhorn.« Wieder lachte sie. »Es wäre natürlich keins von diesen kitschigen rosaroten, sondern ein cooles in Lila und Schwarz, mit Hufen aus Silber und einer Mähne so lang, dass es damit den Mond und die Sonne aus dem Meer fischen kann.«

Es hatte nur einen Vormittag und einen Nachmittag gedauert, bis ich kapiert hatte, dass Toni Geschichten erzählte wie niemand sonst. Ich war mir nicht immer sicher, ob ich ihr folgen konnte, aber ich gab mir Mühe, und sie beantwortete geduldig meine Fragen, wenn mir ein Gedankengang doch zu abenteuerlich vorkam.

Toni schwieg einen Moment, aber bevor ich die Geschichte weiterspinnen konnte, knurrte mein Magen, so laut, dass das Rascheln hinter uns im Unterholz kurz aufhörte. Wir mussten beide kichern.

»Und obwohl du die Hälfte von meinem Käsebrot zu Mittag hattest, hört das Einhorn, dass du Hunger hast.« Toni sah mich aus dem Augenwinkel an und zwinkerte.

Ich nahm die Herausforderung an. »Es galoppiert mit mir über den Regenbogen zum Haus von Frau Holle. Die backt gerade Kuchen.«

Toni rollte sich auf die Seite und stützte sich auf dem Ellbogen auf. »Aber der Kuchen ist noch nicht fertig, also schickt Frau Holle dich eine Straße weiter ins Schlaraffenland. Und da wirft das schwarze Einhorn dich ab und trollt sich auf die Wiese mit den vierblättrigen Kleeblättern, aber du fliegst schnurstracks in einen Apfelbaum. Nur dass da keine Äpfel dran wachsen, sondern Törtchen mit Schlagsahne …«

»… und Pfannkuchen mit Apfelmus«, schlug ich vor.

»… und Muffins mit Schokolade und Waffeln mit Kirschsoße.« Toni grinste zufrieden und drehte sich zurück auf den Rücken. »Da bist du in einer ziemlich guten Ecke vom Schlaraffenland gelandet.«

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