Cussler Um Haaresbreite
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-641-15189-8
Verlag: Blanvalet
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Roman
E-Book, Deutsch, Band 5, 0 Seiten
Reihe: Dirk Pitt
ISBN: 978-3-641-15189-8
Verlag: Blanvalet
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Dirk Pitt ist der Einzige, der für diesen heiklen und ristkanten Auftrag in Frage kommt. Seine Abenteuer führen aus den schwarzen Tiefen des St.-Lorenz-Stroms in den wirbelnden Schlick des Hudson, von der Downing Street ins Weiße Haus, von einem algenüberzogenen Luxusdampfer zu einem Geisterzug – und aus einer kleinen Taucherkammer in das Bett der leidenschaftlichen Kommandantin der US Navy.
Seit er 1973 seinen ersten Helden Dirk Pitt erfand, ist jeder Roman von Clive Cussler ein »New York Times«-Bestseller. Auch auf der deutschen SPIEGEL-Bestsellerliste ist jeder seiner Romane vertreten. 1979 gründete er die reale NUMA, um das maritime Erbe durch die Entdeckung, Erforschung und Konservierung von Schiffswracks zu bewahren. Er lebte bis zu seinem Tod im Jahr 2020 in der Wüste von Arizona und in den Bergen Colorados.
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4
Februar 1989
Washington D.C.
Der lässig im Fond eines Ford Sedan sitzende Mann fiel niemandem auf, als der Wagen langsam durch die Straßen von Washington fuhr. Die Fußgänger, die an den Verkehrsampeln der Kreuzungen an ihm vorübereilten, hätten ihn für einen Zeitungsverkäufer halten können, der von seinem Neffen zur Arbeit gefahren wurde. Niemand nahm auch nur die leiseste Notiz vom Kennzeichen des Weißen Hauses auf dem Nummernschild.
Alan Mercier war plump, fast kahlköpfig und hatte ein joviales Falstaffgesicht, hinter dem sich ein scharfsichtiger, analytischer Verstand verbarg. Er legte keinen Wert auf gute Kleidung, trug stets verbeulte und zerknitterte billige Konfektionsanzüge, in deren äußerer Brusttasche ein schlecht gefaltetes weißes Leinentaschentuch steckte. Das war ein Erkennungszeichen, das die Karikaturisten mit heller Begeisterung zu übertreiben pflegten.
Mercier war kein Zeitungsverkäufer. Erst vor Kurzem zum Sicherheitsberater des neuen Präsidenten der Vereinigten Staaten ernannt, war er in der Öffentlichkeit noch nicht bekannt. Nur in akademischen Kreisen hatte er sich durch seine scharfsinnige Gabe, internationale Ereignisse vorauszusehen, einen gewissen Ruf aufgebaut. Zur Zeit, als der Präsident auf ihn aufmerksam wurde, war er der Direktor der Planungskommission für die Weltkrise gewesen.
Er setzte sich seine Drahtbrille auf die Knollennase, nahm eine Aktenmappe auf die Knie und öffnete sie. Die untere Klappe mit einem Displaygerät und einer Tastaturkonsole zwischen zwei Reihen farbiger Lichtknöpfe hing herab. Mercier tippte eine Zahlenkombination, wartete einen Augenblick, während das Signal durch Satelliten zu seinem Büro im Weißen Haus zurückgestrahlt wurde. Dort setzte sich ein von seinen Mitarbeitern programmierter Computer in Bewegung und begann, ihm seinen Arbeitsplan für den Tag zu übertragen.
Die nun eintreffenden Daten kamen im Code an, wurden in Tausendstelsekunden von dem mit Batterie betriebenen Mikroprozessor auf seinem Schoß elektronisch entschlüsselt, und dann erschien der Endtext in grüner Schrift auf dem Bildschirm.
Zuerst kam die Korrespondenz, gefolgt von einer Reihe von Memoranden seiner Mitarbeiter. Dann kamen die Tagesberichte verschiedener Regierungsstellen, der vereinigten Generalstäbe und des Direktors des CIA. Er nahm sie rasch in sein Gedächtnis auf, bevor er sie wieder von der Mikroprozessoreinheit löschte.
Alle, außer zwei.
Bei ihnen verweilte er noch, als sein Wagen durch die westliche Einfahrt zum Weißen Haus einbog. In seinen Augen spiegelte sich bestürztes Erstaunen. Dann seufzte er, drückte auf den Ausschalteknopf und schloss die Mappe wieder.
Kaum war er in seinem Büro und hinter seinem Schreibtisch, da wählte er eine Privatnummer beim Departement für Energie. Eine Männerstimme antwortete beim ersten Klingelzeichen. »Büro Dr. Klein.«
»Hier spricht Alan Mercier. Ist Ron da?«
Eine kurze Pause, und dann ließ sich die Stimme Dr. Ronald Kleins, des Departementsdirektors, vernehmen.
»Guten Morgen, Alan. Was kann ich für Sie tun?«
»Kann ich Sie heute für ein paar Minuten sprechen?«
»Mein Zeitplan ist ziemlich ausgelastet …«
»Es ist wichtig, Ron. Sagen Sie mir, wann.«
Klein war es nicht gewohnt, gedrängt zu werden, aber der Ton in Merciers Stimme machte deutlich, dass der Sicherheitsberater sich nicht abweisen lassen würde. Klein legte die Hand auf die Sprechmuschel und beriet sich mit seinem Mitarbeiter.
»Wie wäre es zwischen halb drei und drei?«
»In Ordnung«, antwortete Mercier. »Ich habe eine Verabredung zum Lunch und komme auf dem Rückweg zu Ihnen.«
»Sie sagten, es sei wichtig?«
»Ich kann es auch anders ausdrücken«, erwiderte Mercier und hielt einen Augenblick inne, um seinen Worten die volle Wirkung zu geben. »Nachdem ich dem Präsidenten den Tag verdorben habe, werde ich auch den Ihren durcheinanderbringen.«
Der Präsident lehnte sich von seinem Schreibtisch im ovalen Zimmer des Weißen Hauses zurück und schloss die Augen. Auf diese Weise gestattete er seinen Gedanken, sich für ein oder zwei Minuten von den Dringlichkeiten des Tages abzuwenden. Für einen Mann, der erst vor wenigen Wochen das höchste Amt der Nation angetreten hatte, sah er übermäßig abgespannt und müde aus. Die Wahlkampagne war lang und anstrengend gewesen, und er hatte sich noch nicht davon erholt.
Er war klein von Gestalt, und sein etwas schütteres braunes Haar zeigte weiße Strähnen. Sein gewöhnlich von Lachfalten durchzogenes joviales Gesicht wirkte jetzt aufgesetzt und feierlich. Er öffnete wieder die Augen, als ein plötzlicher Winterregen gegen die großen Fenster schlug. Draußen auf der Pennsylvania Avenue verlangsamte sich der Verkehr zum Schneckentempo, als der Straßenbelag vereiste. Der Präsident sehnte sich nach dem warmen Klima seines heimatlichen New Mexico zurück. Wie schön wäre es, jetzt einen Campingausflug in die Sangre de Cristo-Berge bei Santa Fe zu machen.
Dieser Mann hatte sich nie erträumt, einmal Präsident zu sein. Er war nicht von blindem Ehrgeiz besessen, hatte zwanzig Jahre lang gewissenhaft im Senat gedient, und seine bisherigen Leistungen hatten kaum dazu beigetragen, ihm in der Öffentlichkeit einen Namen zu verschaffen.
Der Kongress seiner Partei hatte ihn zum Präsidentschaftskandidaten ernannt, weil man sich auf keinen anderen Namen einigen konnte; und er war dann mit überwältigender Mehrheit gewählt worden, nachdem ein Zeitungsreporter eine Reihe dunkler finanzieller Machenschaften aus der Vergangenheit seines Gegners ausgegraben hatte.
»Herr Präsident?«
Er blickte aus seinen Träumereien auf und wandte sich dem Sekretär zu.
»Ja?«
»Mr. Mercier ist hier, um Ihnen über die Sicherheitslage zu berichten.«
»Gut, schicken Sie ihn herein.«
Mercier trat ein und setzte sich an die andere Seite des Schreibtischs. Er schob dem Präsidenten ein schweres Aktenbündel zu.
»Wie geht es der Welt heute?«, fragte der Präsident mit schmalem Lächeln.
»Ziemlich schlecht, wie immer«, erwiderte Mercier. »Mein Stab hat den Bericht über die Energiereserven des Landes abgeschlossen. Die letzte Zeile ist nicht gerade ermutigend.«
»Da sagen Sie mir nichts, was ich nicht bereits wüsste. Wie sind denn heute die Aussichten?«
»Der CIA gibt dem Mittleren Osten noch etwa zwei Jahre, bis dort die Reserven erschöpft sind. Damit wäre dann die Weltnachfrage für Erdöl zu weniger als fünfzig Prozent gedeckt. Die Russen horten ihre Reserven, und die Ölvorkommen an der mexikanischen Küste entsprechen nicht den Erwartungen. Was unsere eigenen Chancen anbetrifft …«
»Ich habe die Zahlen gesehen«, unterbrach ihn der Präsident. »Die hektische Suche vor ein paar Jahren hat uns bestenfalls ein paar kleine Felder eingebracht.«
Mercier blätterte in einer Akte. »Sonnenenergie, elektrisch betriebene Autos. Windmühlen und so weiter sind eigentlich nur Teillösungen. Leider sind diese Technologien etwa noch im gleichen Stadium, wie es das Fernsehen in den Vierzigerjahren war.«
»Und schade, dass das synthetische Treibstoffprogramm sich so langsam anlässt.«
»Es wird bestimmt noch vier Jahre dauern, bis die Ölschieferraffinerien in der Lage sind, genügend zu liefern.«
»Aber gewiss zeichnet sich doch irgendein Hoffnungsschimmer am Horizont ab?«
»Da wäre James Bay.«
»Das kanadische Energieprojekt?«
Mercier nickte und leierte die statistischen Daten herunter. »Achtzehn Dämme, zwölf Kraftwerke, ein Arbeitseinsatz von fast neunzigtausend Menschen und die Umleitung zweier Flüsse von der Größe des Colorados. Wie es in den Veröffentlichungen der kanadischen Regierung heißt, ist es das größte und teuerste hydroelektrische Energieprojekt in der Geschichte der Menschheit.«
»Wer ist für den Bau zuständig?«
»Die Quebec Hydro, die provinzielle Energiebehörde. Sie haben neunzehnhundertvierundsiebzig mit den Arbeiten an dem Projekt begonnen. Die Rechnung ist auch entsprechend hoch. Sechsundzwanzig Milliarden Dollar, deren größter Anteil aus New Yorker Geldhäusern kommt.«
»Wie hoch ist die Leistung?«
»Mehr als eine Million Kilowatt, und das wird sich im Laufe der nächsten zwanzig Jahre noch verdoppeln.«
»Wie viel davon fließt über unsere Grenzen?«
»Genug, um fünfzehn Staaten mit Strom zu versorgen.«
Das Gesicht des Präsidenten verfinsterte sich. »Es gefällt mir nicht, mit der Stromversorgung in eine so große Abhängigkeit von Quebec zu geraten. Ich würde mich sicherer fühlen, wenn wir unsere Energie aus eigenen Atomkraftwerken beziehen könnten.«
Mercier schüttelte den Kopf. »Wir müssen uns mit der Tatsache abfinden, dass unsere Kernkraftwerke nicht einmal in der Lage sind, auch nur einem Drittel des Bedarfs nachzukommen.«
»Wie gewöhnlich haben wir das wieder einmal verbummelt«, bemerkte der Präsident.
»Die Verzögerung ist zum Teil den ständig steigenden Baukosten und den aufwendigen Veränderungsarbeiten zuzuschreiben«, erklärte Mercier. »Zum Teil auch, weil das Uran in Anbetracht der starken Nachfrage knapp geworden ist. Und dann gab es natürlich noch die Umweltschützer.«
Der Präsident versank in nachdenkliches Schweigen.
»Wir hatten mit unerschöpflichen Reserven gerechnet, die es nicht gibt«, fuhr Mercier fort. »Und während unser Staat sich mit der Hoffnung auf diese...




