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E-Book, Deutsch, 240 Seiten
Cukrowski Sorry Tarzan, ich rette mich selbst!
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-451-84110-1
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Raus aus der Klischeefalle
E-Book, Deutsch, 240 Seiten
ISBN: 978-3-451-84110-1
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Gesine Cukrowski zählt zu den renommiertesten deutschen Schauspielerinnen in Film, Fernsehen und Theater. Im Jahr 2023 rief sie gemeinsam mit Silke Burmester (Palais F*luxx) die Initiative »Let's Change the Picture« ins Leben, die sich für eine stärkere Sichtbarkeit von Frauen ab 47 im deutschen Film und Fernsehen einsetzt. Für dieses wegweisende Engagement wurden sie 2023 mit dem Ehrenpreis »Inspiration« des Deutschen Schauspielpreises ausgezeichnet sowie mit dem Impact of Diversity Award in der Kategorie »Best Diversity Campaign«. Für ihr langjähriges frauen- und gleichstellungspolitisches Engagement wurde Gesine Cukrowski im März 2025 zudem mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt.
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Der Rote Teppich
Fast wäre dieses Buch nicht entstanden. Während ich darüber nachdachte, ob ich dem Verlag zusagen sollte, redete mein innerer Kritiker ununterbrochen auf mich ein: Warum solltest du das machen? Ein Buch ist viel zu riskant, bei kurzen Interviews und Statements kann man dich nicht so festnageln. Lass das lieber, das ganze Projekt wird wie eine einzige Beschwerde klingen. Du hast doch auch ganz viele Vorteile durch deinen Beruf und deine Bekanntheit. Wieso glaubst du allen Ernstes, dass das irgendjemanden interessiert? Es wird wahrscheinlich heißen: „Noch eine Schauspielerin, die schreibt? Kriegen die den Hals denn gar nicht voll?!“ Natürlich sind das einerseits meine persönlichen kleinen inneren Kritiker, aber es sind auch die Kommentare, die sich Frauen in aller Regel immer dann anhören dürfen, wenn sie auf Missstände aufmerksam machen wollen, weswegen sie sich zu oft dafür entscheiden, gar nicht erst damit anzufangen.
Als Silke Burmester und ich im März 2022 beschlossen, die Kampagne „Let’s Change the Picture“ zu starten, die auf die fehlende und unzeitgemäße Erzählung von Geschichten über Frauen 47 und aufwärts in Film und Fernsehen aufmerksam machen sollte, dachten wir, das müsste doch easy umzusetzen sein.
Silke – Gründerin der Online-Plattform Palais F*luxx – brachte als Journalistin Kontakte zu den wichtigen Zeitungen mit, ich kannte genügend Schauspielerinnen mit Schlagkraft, und Ideen hatten wir mehr als genug. Mit im Gepäck war außerdem Mirjam Knickriem, eine von allen Kolleginnen geschätzte Fotografin, Michael Ruppert mit seiner Expertise und seiner Social-Media-Agentur; dazu die tatkräftige Unterstützung von Silkes Palais-F*luxx-Team, die das Thema Sichtbarkeit von Frauen 47+ online bereits erfolgreich ausgeleuchtet hatte. Was sollte da schon schiefgehen?
Per Zoom standen wir ein knappes Jahr lang fast wöchentlich miteinander in Verbindung, um den bestmöglichen Plan für die Struktur und das Timing unserer Kampagne zu entwickeln. Wir wollten keinen weiteren kurzen Aufschrei in der Branche, der wieder nur kleine Schritte des Umdenkens mit sich bringt, um am Ende doch wieder alles beim Alten zu belassen. Unser Ziel war, dass man unseren Slogan „Let’s Change the Picture!“ nie wieder aus dem Kopf bekommen sollte. Irgendwann stand unser Konzept, Silke hatte die richtige Idee, dass die Berlinale 2023 der beste Ort und Zeitpunkt war, um die größtmögliche Wirkung für den ersten Aufschlag zu entfalten und den Ball so ins Rollen zu bringen.
Alles lief eigentlich auch wunderbar. Nur das Akquirieren der Schauspielerinnen, die die ersten Gesichter der Kampagne werden sollten, wurde für uns mehr und mehr zu einer echten Herausforderung. Nur einige wenige sagten großartigerweise sofort: „Da bin ich dabei!“
Es gab einige Kolleginnen, die sich bereits in den Jahren zuvor in Interviews zum Thema Altersdiskriminierung von Frauen in Film und Fernsehen geäußert hatten. Sie ernteten die oben genannten Reaktionen, die sich auch mein innerer Kritiker zu eigen gemacht hatte. Sie fanden es mutig, was wir vorhatten, wollten sich aber nicht erneut „in den Wind stellen“. Andere wollten sich grundsätzlich nicht äußern, ein paar wenige hielten die Kampagne für überflüssig, denn sie persönlich hatten gerade beruflich einen guten Lauf, wieder andere empfanden eine Aktion von Schauspielerinnen aufgrund ihrer als privilegiert wahrgenommenen Stellung in der Gesellschaft als besonders angreifbar. Eines hatten sie alle gemein: die Sorge vor den genannten Reaktionen und damit verbunden die existenzielle und leider reale Angst, „aussortiert“ zu werden. Stundenlang saß ich am Telefon oder beantwortete E-Mails in der Hoffnung, den Kolleginnen die Angst vor negativer Resonanz oder sogar beruflichen Repressionen nehmen zu können.
Dahinter steckt System. Der Vorgang „Eine Frau macht auf etwas aufmerksam“ wird nicht als solcher akzeptiert, sondern direkt übersetzt in: „Was jammert sie denn jetzt wieder rum?“ Dieser Automatismus ist so tief in uns verankert, dass selbst wir Frauen, die wir allesamt ja ebenfalls im Patriarchat sozialisiert wurden, so reagieren. Und nicht nur andere Frauen in diese Schublade stecken, die dazu da ist, möglichst geschlossen zu bleiben, sondern uns eigenhändig selbst da hineinpacken.
Und trotz dieser Augen öffnenden und intensiven Erfahrung der unzähligen Gespräche, in denen ich versucht hatte, Kolleginnen als Mitstreiterinnen für „Let’s Change the Picture“ zu gewinnen und ihnen genau diese Angst zu nehmen, ertappe ich mich nun bei der Entscheidungsfindung, ob ich ein Buch über das Thema schreiben soll, gerade selbst wieder dabei, in diese uns Frauen klein haltende Schublade hüpfen zu wollen.
Schluss damit!
„Altern ist nichts für Feiglinge!“ Diesen Satz hörte ich das erste Mal von einem Regisseur. Er war 60 Jahre alt, ich selbst zu dem Zeitpunkt 39. „Oh je“, antwortete ich, ohne dass ich irgendein Gefühl dazu hatte. Es war einfach zu abstrakt. Mir stand die 40 bevor, für Schauspielerinnen das erste große „Ablaufdatum“. So war es mir schon auf der Schauspielschule eingebläut worden, und mein berufliches Umfeld wurde nie müde, es immer und immer wieder zu betonen, ob Kolleg:innen, Regisseur:innen, Agent:innen – aber natürlich auch Journalist:innen oder Moderator:innen. Im Jahr vor meinem 40. Geburtstag nahm das absurde Ausmaße an. Permanent wurde ich gefragt: „Wie geht es dir?“, „Wie fühlst du dich?“, „Es muss sehr belastend für dich sein …“ Das einzig Belastende waren jedoch nur die ständigen Fragen und Mitleidsbekundungen.
Ich fühlte mich damals blendend und hatte nicht im Geringsten das Gefühl, dass Altern mich irgendetwas anging. Da ich für den Film, den ich gerade drehte, meine Ernährung umgestellt hatte und erstaunlich regelmäßig Sport trieb, war ich fitter und gesünder als je zuvor. Ich muss nicht betonen, dass mir das ganze Gewese, das um mein Alter gemacht wurde, schwer auf die Nerven ging. Neben der Tatsache, dass ich mich ausgesprochen wohl in meinem Körper fühlte, hatte ich auch gar keine Angst vor dieser Zahl. Viele meiner Freundinnen waren längst über 40 und ich fand sie alle fantastisch. Humorvoll, abenteuerlustig, erfahren und vor allem sehr unterschiedlich, waren sie Vorbilder für mich. Und sind das auch heute noch.
Doch unter uns Kolleginnen wurde der Ton merklich kühler. Denn eines bestätigte sich leider umgehend: Wie ein Fallbeil schlug die 40 zu und von einem auf den anderen Tag wurden die Anfragen weniger. Einige meiner beruflichen Wegbegleiterinnen hielten die endlose Warterei auf Engagements oder Rollenanfragen nicht mehr aus. Sie schulten um, suchten sich das berühmte zweite Standbein. Der Konkurrenzkampf in dieser Zeit nahm bizarre Ausmaße an. Alle Tricks wurden ausgepackt, um die wenigen Rollen, die es gab, zu ergattern. Wer richtig viel Geld hatte oder einen reichen Ehemann, versuchte, finanziell in Produktionen mit einzusteigen, um sich eine große Rolle darin zu sichern. Andere hatten das Glück und die Popularität und konnten vielleicht sogar familiäre Bande nutzen. Eine ältere Kollegin riet mir, ich solle selbst ein Drehbuch oder zumindest ein Exposé für einen Film- oder Serienstoff schreiben, mit einer für mich geeigneten Rolle darin. Sonst wäre ich raus … Uff.
Meine Freundin Leila, mit der ich ehrenamtlich in ihrem Projekt „Findelbaby“ zusammenarbeitete und die in Hamburg Geschäftsführerin eines familienbetriebenen Kitaträgers ist, fragte mich damals, ob ich nicht Lust und Zeit hätte, die Inneneinrichtung von einigen der Kitas neu zu gestalten. Ich hatte beides. Und so erhielt ich eine Festanstellung mit einem zwar kleinen, aber regelmäßigen Gehalt und konnte mich – jetzt deutlich entspannter – in psychologische Farbkonzepte einarbeiten, während mein Telefon weiter schwieg. Leila hatte mir damit nicht nur die Sicherheit eines festen Einkommens gegeben, sondern durch ein kleines bisschen Unabhängigkeit auch das notwendige Quäntchen Selbstbewusstsein, das man bei Branchenevents unbedingt benötigt, um wenigstens noch gegrüßt zu werden.
Apropos Branchenevents: Hier finden wir eines der wahrscheinlich größten Missverständnisse, den Beruf der Schauspielerin betreffend. Film- und Fernsehevents, von denen man im Nachhinein Fotos von Menschen auf Roten Teppichen, Preisverleihungen und Partys sieht, erschaffen eine Illusion, der die Realität nicht standhalten kann. Es tummeln sich Stars und Sternchen in teuren Kleidern, die, je kostspieliger und namhafter die Designer:innen, in den allermeisten Fällen nur ausgeliehen wurden. Im Grunde sind das reine Verkaufsveranstaltungen. Denn jeder möchte etwas verkaufen: Produzent:innen, Autor:innen und Regisseur:innen ihre Film- und Fernsehstoffe an Redakteur:innen oder Finanziers; Schauspielagent:innen ihre Schützlinge und wir Schauspieler:innen uns selbst. Wobei die Selbstvermarktung bei Frauen im Schauspielberuf in einer ganz anderen Dimension stattfindet als bei ihren männlichen Kollegen.
Am Anfang des Berufslebens mögen diese Events noch ein gewisses Flair und einen besonderen Reiz haben: Man ist noch voller Begeisterung für den Glanz, den ein High-Fashion-Outfit von einem unbezahlbaren Designer mit sich bringt, für die ausgeliehenen Diamantohrringe, die die eigene Augenfarbe tatsächlich in einem...