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E-Book

E-Book, Deutsch, 368 Seiten

Reihe: Ullstein eBooks

Crystal 65

Wo komm ich her? Wo geh ich hin? Und wo, verdammt, sind meine Schlüssel?
14001. Auflage 2014
ISBN: 978-3-8437-0708-4
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Wo komm ich her? Wo geh ich hin? Und wo, verdammt, sind meine Schlüssel?

E-Book, Deutsch, 368 Seiten

Reihe: Ullstein eBooks

ISBN: 978-3-8437-0708-4
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



'Mit 60 konnte ich noch dieselben Dinge tun wie mit 30 - sofern ich ich erinnern konnte, was das war. Mit 65 ändert sich das. Man hört etwa auf, 25-jährigen Frauen nachzuschauen. Das heißt, ich drehe ich schon nach ihnen um, aber sie sind unscharf, und bis ich die Brille gefunden habe, sind sie weg. ' Pointenreich und voller Selbstironie schildert Billy Crystal seine leidvollen Erfahrungen mit dem Älterwerden und erzählt von seiner Karriere als weltweit beliebter Entertainer und Hollywoodstar.

Billy Crystal wurde 1948 in Long Beach, New York, geboren und ist ein amerikanischer Komiker, Schauspieler und Regisseur. 1984 trat Crystal zum ersten Mal in der legendären Show Saturday Night Live auf; schon bald zählte er fest zum Ensemble. 1990 war Crystal erstmals Gastgeber der Oscar-Verleihung, die er bis 2012 noch mehrere Male moderierte. Zu Crystals wichtigsten Filmen zählen Harry und Sally (1989) und Reine Nervensache (1999). Er lebt mit seiner Frau in L.A.
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Ich bin besorgt


In meinem Leben gibt es eine Konstante: Ich gehe jeden Abend um elf Uhr schlafen. Wenn ich aufwache, bin ich erholt und voller Tatkraft. Ich schaue auf die Uhr – und es ist zehn nach eins. In der Nacht.

Hallo, mein Name ist Billy, und ich leide an Schlaflosigkeit. Ich bin mittlerweile seit 1948 wach. Tatsächlich begann es unmittelbar nach meiner Geburt. Die ersten sieben Tage lief alles bestens. Ich machte meine Sache gut, schlief fast durch und brachte es auf 20 Stunden am Tag. Doch am achten Tag weckten sie mich, und ein bärtiger Mann mit schwarzem Hut schnitt mir die Spitze meines Penis ab. Seit damals habe ich kein Auge mehr zugetan.

Früher lag es vielleicht an der sexuellen Unruhe. Heute nicht mehr. Wenn ich mitten in der Nacht meinen Penis anfasse, sieht er mich nur an und fragt: »Möchtest du Feuer machen?« Ich liege da und fühle mich wie ein Idiot. Jungs, in unserem Alter ist die Masturbation die schlechteste aller Schulfeten: Du liegst da mit deiner ersten Liebe, die älter und kleiner wirkt, es gibt keine echte Erregung, und am Ende tut es dir leid, dass du gekommen bist.

»Wie hast du geschlafen?«, fragen mich die Leute oft. Ich antworte stets, dass ich wie ein Baby schlafe: Alle zwei Stunden wache ich auf. Das Schlimmste daran ist die nächtliche Einsamkeit. Manchmal täusche ich sogar einen Albtraum vor, nur damit mir jemand Gesellschaft leistet. »Nein! Nicht! Nehmen Sie die Waffe herunter!«

»Alles in Ordnung, Schatz?«

»Ja, es geht mir gut. Nur ein schlechter Traum. Hast du Lust, Karten zu spielen?«

Ich fühle mich schuldig, wenn ich Janice aufwecke, aber das ist allemal besser, als ihr dabei zuzusehen, wie sie nach Art des mittleren Alters schläft, gelegentliches Schnarchen eingeschlossen. Männer hassen es, wenn Frauen schnarchen. Dabei messen sie natürlich mit zweierlei Maß: Wir Männer furzen, würgen Substanzen herauf und spucken sie auf die Straße, bohren beim Autofahren in der Nase und kleben die Popel auf die Unterseite des Sitzes, sofern wir allein sind. Wir pinkeln in der Dusche und auf dem Golfplatz. (Geben wir es zu, Männer: Wir pinkeln alle in der Dusche. Es ist einfach so wunderbar entspannend.) Aber wenn unsere Frau schnarcht, denken wir ernsthaft über einen Termin beim Scheidungsanwalt nach. Wir sind Wikinger, die zum Tee eingeladen sind.

Ich habe alles versucht, um Schlaf zu finden. Eine Zeitlang trank ich jeden Abend ein Glas Rotwein, bevor ich ins Bett ging. Schlafen konnte ich trotzdem nicht, aber ich landete in der Entzugsklinik. Ich versuchte es auch mit einem dieser Geräte, die Sound-Effekte erzeugen – Meeresrauschen und Ähnliches. Ich wählte den Strand von Coney Island samt Wellen, Mariachi-Musik und Pistolenschüssen. Angeblich wirkt das Geräusch des Wassers beruhigend und macht dich schläfrig. Bei mir löste es Harndrang aus. Jetzt habe ich ein Problem mehr.

Es ist eine echte Herausforderung, mitten in der Nacht geräuschlos aus dem Bett zu steigen. Ich bin benommen und wanke durch die Gegend wie der Astronautenrentner Buzz Aldrin in der Fernsehshow Dancing with the Stars. Im Bad angekommen, möchte ich nicht im Stehen pinkeln, weil Gott heute ausnahmsweise nicht seinen Finger in meinem Harnweg stecken lässt und ich alle Welt mit meinem Jubel aufwecken würde. (»Ja! So habe ich mir das vorgestellt!«) Also setze ich mich – und plumpse in die Kloschüssel, weil irgendein Schmock (der einzige, der in Frage kommt, bin ich) vergessen hat, die Brille herunterzuklappen.

Warum können wir nicht einschlafen? Weil wir zu viel nachdenken. Das Gehirn kann nicht abschalten, die kleine Fabrik im Kopf läuft die ganze Nacht. Natürlich denken wir nie an etwas Schönes, sondern nur an unsere Irrtümer. An die Dinge, die wir bedauern. Wenn wir nicht schlafen können, ist jede Nacht Jom Kippur. »War es nötig, es dem Idioten ins Gesicht zu sagen? Ja, er ist ein Idiot, aber warum musste ich das sagen? Schließlich ist er der Papst.«

Also versuche ich, mich mit Essen zu beruhigen. Angeblich macht Truthahn schläfrig, weil er Tryptophan enthält. Aber wenn das so toll wirkt, warum sieht man dann nie einen Truthahn einnicken? Gut, ich esse also ein Truthahnsandwich und trinke ein Glas warme Milch. Und wer Milch trinkt, muss auch einen Keks essen. Jetzt bin ich weiterhin schlaflos – mit einem Cholesterinwert von 800.

Ich bin wütend und setze mich vor den Fernseher. Mitten in der Nacht läuft nur noch Werbung, die auf meine Altersgruppe zielt. Im ersten Spot, in dem ein Schlafmittel namens Rozerem angepriesen wird, redet Abraham Lincoln mit einem Biber. Der Slogan lautet: »Deine Träume vermissen dich!« Sie behaupten, es sei das erste Schlafmittel, das nicht abhängig mache. Wirklich? Sollte ich ein Medikament finden, das dazu führt, dass ich von Lincoln träume, der mit einem Biber plaudert, werde ich es fünfmal täglich nehmen.

Danach geht es erst richtig los. Sämtliche Werbespots drehen sich um Bier, riesige Hamburger, Haarwuchsmittel und Viagra. Offenbar halten uns dort alle für fette Kahlköpfe, die keinen mehr hochkriegen.

Aber wenigstens zielen die neuen Spots für Potenzmittel auf Frauen. Sie zeigen etwa eine wirklich heiße Frau Mitte 40, die diesen glücklichen, zufriedenen Gesichtsausdruck hat, den wir alle schon vergessen haben: Sie sieht aus, als habe sie gerade stundenlang Sex gehabt. Dann kommt der Mann ins Schlafzimmer – derjenige, der das Problem hatte. Er sieht aus wie ein Model mittleren Alters (oder wie Mitt Romney), hat volles Haar, ein großartiges Lächeln, einen Sweater über die Schultern gehängt, und am Ende des Spots sitzen er und seine Frau in einem kleinen Segelboot mit dem größten Mast aller Zeiten. Ja, ich habe verstanden.

Anschließend folgt die Werbung für Cialis, das angeblich 36 Stunden lang wirkt. In diesen 36 Stunden kann man jederzeit Sex haben. Für mich ist das viel zu viel Druck. Unsere Gesellschaft ist schnelllebig: Wir wollen alles sofort, wir sind augenblicklich im Internet, wir bekommen Instant-News und wollen Instant-Sex. Wir wollen kein Cialis für 36 Stunden! Mein ganzes Sexualleben hat keine 36 Stunden gedauert. Cialis ist nichts für Juden.

Sie: »Irving, nimm diese Pille, sie wirkt 36 Stunden.« Irving: »Über das ganze Jahr verteilt, richtig? Erstatten sie mir die nicht genutzten Stunden zurück? Kann ich sie gegen dieses Kaffeeservice hier eintauschen?«

Aber die Cialis-Spots sind wenigstens gut gemacht. Die ursprünglichen Viagra-Spots waren furchtbar. Es kamen lauter Athleten darin vor, Prominente, die gestanden, unter Erektionsstörungen zu leiden. Der Grundgedanke war: Wenn es auch denen passieren kann, kann es jedem passieren. Sogar Mike Ditka und Bob Dole haben für Potenzmittel geworben. Sie verdienen Anerkennung dafür, dass sie dieses persönliche Problem öffentlich eingestanden haben, aber um die Wahrheit zu sagen: Wenn ich mir diese Leute mit einer Erektion vorstelle, bekomme ich selbst keine mehr.

So schlimm ein Leiden auch sein mag, die Werbespots dazu sind verheißungsvoll. Selbst gravierende Probleme werden in 30 Sekunden gelöst, und es gibt Schmetterlinge und Fahrradausflüge und Spaziergänge mit reizenden Hundewelpen zu sehen. Alle Krankheiten sind besiegt, die Prostata schrumpft, die Knochen sind nicht mehr spröde, auf dem Kopf sprießt wieder das Haar, und ich bin voller Hoffnung. Aber dann höre ich am Ende des Werbespots diese Stimme, die eilig sagt: »Kann Appetitlosigkeit, Benommenheit, Nervosität, psychotische Episoden, Sehstörungen, Stottern, Hüpfen und Springen, Tourette-Syndrom, Mondanheulen, Gallenrückfluss, Reden in fremden Zungen, analen Ausfluss, Durchfall und Impotenz verursachen.« Und ich denke: Ach, was soll’s. Ich brauch ein wenig Schlaf …

Irgendwann halte ich die Werbung nicht mehr aus und wechsle den Kanal. Jetzt bekomme ich um drei Uhr morgens Verfolgungsjagden auf dem Highway zu sehen. Starker Stoff, der wie ein doppelter Espresso wirkt. In Los Angeles haben Verfolgungsjagden höhere Einschaltquoten als CSI. Reality-TV vom Allerfeinsten. Man zeigt ein Auto, das auf dem Highway in die falsche Richtung fährt, um anschließend mit 150 Sachen durch eine verkehrsberuhigte Zone zu rasen. Die Flucht endet in einem Zaun, die verdächtige Person springt aus dem Wagen und flüchtet zu Fuß. Sie wird aus dem Hubschrauber gefilmt, läuft in einem Scheinwerferkegel durch Gärten und klettert über Zäune. In meinen Augen Lindsay Lohans bester Auftritt.

Ich kehre ins Bett zurück. Ich werfe und wälze mich herum, kann jedoch lange keine angenehme Schlafposition finden. Endlich gelingt es mir. Das Kissen ist jetzt weich und kühl, und ich schlafe ein. Fünf Minuten später geht der Wecker los. Der Tag kann beginnen.

Ich stehe auf. Ich bin unleidlich. Ich fühle mich wie Jeffrey Dahmer vor dem leeren Kühlschrank. Ich bin übermüdet. Übermüdet – so lautet die Entschuldigung einer Mutter für ein aufsässiges Kind. »Warum hat der Junge die Garage angezündet?« – »Er ist … übermüdet.« – »Warum hat er das getan, Frau Hitler?« – »Er war einfach übermüdet, ein bisschen unleidlich. Wissen Sie, er hat in den zwanziger Jahren nicht gut geschlafen.«

Ich tue die ganze Nacht kein Auge zu, weil ich mir Sorgen mache. Ich mache mir über alles Sorgen. Zum Beispiel darüber, dass ich einfach nicht einschlafen kann.

  • Ich mache mir Sorgen über die Achse des Bösen: Syrien, Nordkorea und...


Crystal, Billy
Billy Crystal wurde 1948 in Long Beach, New York, geboren und ist ein amerikanischer Komiker, Schauspieler und Regisseur. 1984 trat Crystal zum ersten Mal in der legendären Show Saturday Night Live auf; schon bald zählte er fest zum Ensemble. 1990 war Crystal erstmals Gastgeber der Oscar-Verleihung, die er bis 2012 noch mehrere Male moderierte. Zu Crystals wichtigsten Filmen zählen Harry und Sally (1989) und Reine Nervensache (1999). Er lebt mit seiner Frau in L.A.

Gebauer, Stephan
Stephan Gebauer, geboren 1968, lebt in Berlin und Madrid. Zu den von ihm übersetzten Autoren zählen Carl Bernstein, Bill Clinton, Hillary Clinton, Billy Crystal, Angus Deaton, Frank Dikötter, Niall Ferguson, Garry Kasparow, Ian Morris, Barack Obama, Robert Shiller und Joseph Stiglitz.

Billy Crystal wurde 1948 in Long Beach, New York, geboren und ist ein amerikanischer Komiker, Schauspieler und Regisseur. 1984 trat Crystal zum ersten Mal in der Show 'Saturday Night Live' auf; schon bald zählte er fest zum Ensemble. 1990 war Crystal erstmals Gastgeber der Oscar-Verleihung, die er bis 2012 noch mehrere Male moderierte. Zu Crystals wichtigsten Filmen zählen 'Harry und Sally' (1989) und 'Reine Nervensache' (1999). Er lebt mit seiner Frau in Los Angeles.



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