Courths-Mahler Hedwig Courths-Mahler - Folge 031
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-8387-5434-5
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Was ist denn Liebe, sag?
E-Book, Deutsch, Band 31, 80 Seiten
Reihe: Hedwig Courths-Mahler
ISBN: 978-3-8387-5434-5
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Roman um Leid und Glück einer tapferen Frau. Lydia Ritter liegen alle Männer zu Füßen. Auch den Fabrikanten Gunter Heinersdorf hat sie in ihre Netze gezogen. Er ist reich, und ihre Stiefschwester Lena liebt ihn. Gründe genug für Lydia, sich heimlich mit Gunter zu verloben. Denn Lydia hasst ihre Stiefschwester. Als Erbin ihrer verstorbenen Mutter ist Lena Besitzerin eines großen Vermögens, während Lydia nichts hat als die Aussicht, einmal einen wohlhabenden Mann zu heiraten. Diesen Mann glaubt sie in Gunter gefunden zu haben. Doch plötzlich geschieht ein folgenschweres Unglück, das Lydias Träume jäh zunichte macht...
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Gunter Heinersdorf wurde unsanft aus glücklichen Träumen geweckt. Sein Diener Joseph war ins Zimmer gestürzt und rüttelte seinen Herrn bei den Schultern. Das war so gar nicht die Art, wie Gunter sonst geweckt wurde. Erschrocken sah er zu dem Diener empor.
„Was ist los, Joseph?“
„Ach, Herr Doktor, Sie müssen schnell aufstehen. Von der Fabrik haben sie angeklingelt. Dort ist Feuer ausgebrochen!“
Jetzt war Gunter Heinersdorf mit einem Satz aus dem Bett. „Was reden Sie da?“
„Es ist so, Herr Doktor. Die Feuerwehr ist schon alarmiert.“
„Hat der Pförtner gesagt, in welchem Teil der Fabrik das Feuer ausgebrochen ist?“
„Er meint, in der Tischlerei der Küchenmöbel.“
Gunter biss die Zähne zusammen. Es fiel ihm schwer auf die Seele, dass er vergessen hatte, die Feuerversicherung zu erneuern. Wann war denn die, um Gottes willen, fällig gewesen? In diesen Tagen – ja, er hatte in seinem jungen Liebesglück alles andere vergessen.
Eilig kleidete er sich an. Joseph brachte ein Frühstück. Gunter nahm schnell, ohne sich zu setzen, eine Tasse Kaffee. Dann eilte er die Treppe hinab und sprang in das bereits vorgefahrene Auto.
Er brauchte dem Chauffeur nicht erst Eile anzuraten, der legte das schnellste zulässige Tempo vor, denn er wusste von Joseph, was geschehen war.
Es dauerte trotzdem fast eine halbe Stunde, bis der Wagen in den Fabrikhof einbog. Schon von weitem hatte Gunter den Feuerschein erblickt, der aus der abseits stehenden Fabrik emporstieg. Er presste die Lippen fest zusammen. Das sah böse aus! Wann war nur um Gottes willen die Versicherungsprämie fällig? Er konnte fast nichts anderes denken. Wie ein Rausch stieg freilich zuweilen wieder das heiße, glückselige Gefühl in ihm auf, das er gestern Abend in sich hineingetrunken hatte, und seine Lippen formten dann einen Frauennamen. Aber schnell wehrte er dieses Empfinden von sich ab. Es galt jetzt Wichtigeres, das auch Lydia angehen würde. Wenn er Verluste hatte, gerade jetzt, da er eine Ehe eingehen wollte, würden sie nicht nur ihn, sondern auch Lydia treffen, seine süße Braut.
Noch ehe der Wagen hielt, sprang Gunter hinaus. Eine Menge Menschen standen im Hof, zurückgedrängt von der Feuerwehr. Auch ihn wollte man zurückhalten, aber er legitimierte sich als Besitzer der Fabrik, und man ließ ihn durch. Mit großen Sätzen eilte er die Treppe empor und riss oben die Tür zu seinem Privatkontor auf.
Er trat an den Geldschrank heran, wo er, wie er wusste, alles auf die Feuerversicherung Bezügliche verwahrte.
Als er ihn öffnete, kam sein Prokurist herein, der seinen Chef mit blassem Gesicht anstarrte.
„Herr Doktor, haben Sie die Versicherung erneuert? Ich erinnerte Sie vor acht Tagen daran.“
Gunter riss die Geldschranktür auf.
„War das schon vor acht Tagen?“
„Ja. Vorgestern war der letzte Tag. Um Gottes willen – Sie werden es doch nicht zu erledigen vergessen haben?“
Gunters hohe, kraftvolle Gestalt fiel wie vernichtet in einen Sessel.
„Doch, Krüger, ich habe es vergessen. Wie konnte ich denken, dass gerade jetzt …?“
„Allmächtiger Gott! Dann ist ja die Versicherung abgelaufen – der Schaden kommt zu Ihren Lasten. Wie konnten Sie nur das vergessen, Herr Doktor!“
„Ja, wie konnte ich das, Krüger! Ich verstehe es selber nicht. Das war mein erster Gedanke, als Joseph mich heute wach rüttelte. Ich … Nun ja – ich hatte andere Dinge im Kopf, und man denkt doch nicht an so etwas. Meinen Sie wirklich, dass wir jetzt keine Ansprüche mehr an die Versicherungsgesellschaft stellen können?“
„Ausgeschlossen! Die Versicherung wird sich hüten, jetzt noch zu verlängern.“
„Wo ist denn übrigens das Feuer ausgebrochen?“
„Man sagte mir, in der Küchenmöbelabteilung.“
Gunter sprang auf.
„Gleich darunter liegt die Abteilung für die Kunsttischlerei. Kommen Sie, Krüger, die Feuerwehr muss vor allem diese Abteilung zu schützen versuchen, sonst wächst der Schaden ins Uferlose.“
Die beiden Herren stürmten davon, wandten sich unten an den Führer der Feuerwehr, und Gunter machte ihm klar, dass die Kunstmöbelabteilung unbedingt geschützt werden müsse.
„Das ist leider zu spät, Herr Doktor, die eine Decke ist bereits eingestürzt, und die Flammen wüten auch schon im Stockwerk unter dem Feuerherd.“
Gunter taumelte zurück.
„Und ich habe die Versicherungspolice verfallen lassen!“, stöhnte er.
„Wir tun, was in unserer Macht liegt, Herr Doktor.“
Damit ließ er Gunter stehen, der wie benommen in das immer größer werdende Flammenmeer starrte. Die Fabrik bot ja nur zu gutes Futter für die gefräßigen Flammen. Alles gutes, ausgetrocknetes Holz, dazu Öle und Farben. Eine fast unerträgliche Hitze entwickelte sich auf dem Hof.
Gunter Heinersdorf war verzweifelt wieder in sein Kontor zurückgegangen. Sein Prokurist begleitete ihn. Die Herren telefonierten mit der Versicherungsgesellschaft, und es wurde ihnen natürlich bestätigt, dass die Versicherung erloschen war.
Gunter stürzte wieder auf den Hof hinaus, als müsse er durch seine Anwesenheit das Sichausbreiten der Flammen verhindern. In diesem Augenblick flog ein brennender Dachsparren dicht über Gunter Heinersdorfs Kopf herab. Ein Feuerwehrmann zog ihn mit aller Kraft beiseite, so dass der brennende Dachsparren nur sein Ohr streifte und mit nur halber Wucht die Schulter traf. Man riss ihm den brennenden Rock ab. Er war aber doch so heftig getroffen worden, dass die Schulter und der linke Arm schwer verletzt waren, auch das Ohr war in Mitleidenschaft gezogen worden. Man trug ihn in sein Privatkontor, und der anwesende Feuerwehrarzt untersuchte ihn sogleich. Gunter hatte den Arm gebrochen, die Schulter zeigte eine ziemlich tiefe Fleischwunde. Der Arm wurde eingerichtet und geschient, die Schulterwunde verbunden, und der Arzt sagte dem Verwundeten, als er aus seiner Bewusstlosigkeit erwachte: „Sie können Gott danken, Herr Doktor, es ist noch gut abgelaufen. Ein glatter Armbruch, und das andere nur Fleischwunden. Das Ohr heilt auch schnell wieder. Sie sind ja gottlob kerngesund.“
Gunter sah nach seinem Prokuristen hinüber, der, fast bleicher als er selbst, an der Tür stand und angstvoll zu ihm herübersah.
„Wie steht es mit dem Feuer, Krüger?“, fragte er, als sei das wichtiger als seine Wunden.
„Man hofft, dass es jetzt keine weitere Ausdehnung finden wird. Aber das Möbelwerkstättenhaus und die Polsterei und Malerwerkstätten sind nicht mehr zu retten, da brennt alles aus.“
Gunter biss die Zähne zusammen.
„Genug, um mich zu ruinieren, Krüger. Den Verlust kann ich nicht ersetzen.“
Krüger wusste das sehr wohl, aber ein Blick des Arztes sagte ihm, dass der Verwundete geschont werden müsse.
„So schlimm wird es ja nicht werden, Herr Doktor. Die Hauptsache ist, dass Sie wieder gesund werden. Ihr Unfall ist doch das Schlimmste an der Sache.“
„Mir nicht, Krüger, das heilt ja wohl alles wieder. Aber meine Fabrik ist vernichtet. Diese Schlappe überstehen wir nicht.“
„Sie sollten jetzt ruhen, Herr Doktor. Es sieht am Anfang oft schlimmer aus, als es sich nachher herausstellt“, sagte der Arzt und reichte Gunter eine beruhigende Arznei.
„Kann ich nicht aufstehen, Herr Doktor? Ich möchte doch hinaus und sehen, was weiter geschieht.“
„Ausgeschlossen! Wir bringen Sie jetzt in Ihre Wohnung. Haben Sie jemand, der Sie pflegen kann?“
Es zuckte in Gunters Gesicht. Dass er jetzt so hilflos war, quälte ihn am meisten.
„Mein Diener kann das wohl besorgen?“
„Kaum. Es ist besser, ich schicke Ihnen eine Schwester, wenigstens für die ersten Tage, bis wir wissen, dass alles glatt verheilen wird.“
„Kann ich nicht hier bleiben, bis das Feuer gelöscht ist?“
„Nein. Helfen können Sie doch nicht.“
„Ich gebe Ihnen fortlaufend telefonische Nachricht, Herr Doktor“, sagte der Prokurist.
Damit musste sich Gunter zufrieden geben. Er wurde auf die schonungsvollste Art nach seiner Wohnung gebracht.
Die Arznei, die ihm der Arzt gereicht hatte, enthielt wohl ein starkes Beruhigungsmittel. Er dämmerte auf dem Transport schon hinüber, und sein letzter Gedanke flog zu der Frau, die er liebte und mit der er sich gestern Abend, vorläufig geheim, verlobt hatte. Er hatte ihr gesagt, dass er in einigen Tagen zu ihrem Vater kommen und um ihre Hand bitten wollte.
Lydia, seine Lydia!
Wie ein Rausch war die Liebe zu ihr über ihn gekommen. Erst war ihm ihre Schwester Lena lieb und teuer gewesen, er hatte zuweilen daran gedacht, dass sie als seine künftige Gattin in Frage kommen könne, wenn er auch noch mit keinem Wort daran gerührt hatte. Aber dann war vor einigen Monaten Lydia Ritter, die bisher bei einer Tante gelebt hatte, in der Gesellschaft erschienen und hatte verschiedene Männerköpfe verdreht durch ihre Schönheit und ihre bewusste, aber sehr geschickte Koketterie. Auch Gunter ließ sich sofort von ihr fesseln, und er hatte seither keinen Blick, keinen Gedanken mehr für die zurückhaltende Lena.
Wie bitter Lena Ritter durch dieses Abwenden des von ihr heimlich geliebten Mannes hatte leiden müssen, ahnte er nicht. Er war nur froh, dass er sich noch nicht an Lena gebunden hatte.
Lydia hatte es mehr und mehr verstanden, ihn in ihre Netze zu ziehen, und nun hatte ihn der leidenschaftliche Rausch seiner Liebe so stark eingesponnen, dass er alles darüber vergaß, zumal in den letzten Tagen, da...