Courths-Mahler Hedwig Courths-Mahler - Folge 027
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-8387-5430-7
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Die heimlich Vermählten
E-Book, Deutsch, Band 27, 80 Seiten
Reihe: Hedwig Courths-Mahler
ISBN: 978-3-8387-5430-7
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Roman um eine große Liebe und einen starrsinnigen Vater. An Liebe auf den ersten Blick haben Traude Frensen, Sekretärin des Kommerzienrats Brenken, und Frank Manhart, ein junger Offizier, nie geglaubt. Doch das Schicksal belehrte sie eines Besseren. Für Traude ist es immer wie ein Lichtblick in dem Einerlei ihres Lebens, wenn sie dem stattlichen Sohn des Senators begegnet. Und Frank Manhart? Auch ihn treibt die Sehnsucht immer wieder zu der hübschen Frau mit dem bezaubernden Lächeln und den strahlenden Augen. Doch als Franks Vater von der Neigung seines Sohnes erfährt, gibt er mit aller Deutlichkeit zu verstehen, dass der Sohn eines Senators wohl kaum eine kleine Angestellte heiraten kann. Und er lässt auch keinen Zweifel daran, dass er solch eine Verbindung mit allen Mitteln zu verhindern sucht...
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
„Haben Sie noch Aufträge für mich, Herr Kommerzienrat?“, fragte Traude Frensen, vom Notizblock aufsehend.
Kommerzienrat Brenken blickte eine Weile nachdenklich in das Gesicht seiner Sekretärin. Dann schüttelte er den Kopf.
„Nein, das ist alles für heute.“
Traude Frensen erhob sich und begab sich in ihr eigenes Arbeitszimmer, einen kleinen, einfach ausgestatteten Raum.
Drei Jahre war es nun her, seit sie die Stellung im Haus des Kommerzienrats Brenken angetreten hatte, nachdem ihr Vater als Major und ihr jüngerer Bruder als Leutnant im Feld geblieben waren. Die schmale Pension hatte nicht ausgereicht, um für sie und ihre Mutter den Lebensunterhalt zu bestreiten, und so hatte sich Traude kurz entschlossen auf ein Inserat hin bei Brenken vorgestellt.
Der alte Herr hatte sie damals prüfend angesehen und den Kopf geschüttelt.
„Sie sind zu jung und viel zu hübsch, Sie haben außerdem noch nie in einem Büro gearbeitet.“
Aber Traude hatte ihn mit ihren großen Augen angeblickt und gesagt: „Herr Kommerzienrat, ich würde mir alle Mühe geben, Sie zufriedenzustellen. Man kann viel, wenn man ehrlich will, und wenn niemand mit mir den Anfang machen wollte, wäre das sehr schlimm für mich.“ Dann hatte sie ihm in knappen, klaren Worten ihre Verhältnisse dargelegt und dabei einen so guten Eindruck auf ihn gemacht, dass er schließlich einverstanden war.
„Nun gut, ich will es versuchen.“
Und Brenken hatte diesen Versuch nicht bereut. Die fleißige, kleine Offizierstochter hatte ihm bald unbedingte Achtung abgenötigt, so dass Traude trotz ihrer jungen Jahre heute eine Vertrauensstellung bei ihm einnahm.
Das wusste auch Senator Manhart, Brenkens Geschäftsfreund, der den Kommerzienrat häufig in seinem Büro aufsuchte, während Traude gerade anwesend war. So erfuhr sie, dass der einzige Sohn des Senators gleichfalls als Offizier im Feld stand. Sie, die selbst Vater und Bruder im Krieg verloren hatte, wusste, was es hieß, Tag um Tag in Ungewissheit und banger Sorge zu schweben und so beschäftigte sie sich unwillkürlich mit dem Schicksal des jungen Manhart und freute sich mit ihrem Chef, wenn der Senator gute Nachricht von seinem Sohn brachte.
Eines Tages hatte sie wieder im Kontor des Kommerzienrats gesessen – es war kurz nach dem großen Zusammenbruch –, als sich nach kurzem Klopfen die Tür öffnete.
Eine helle Männerstimme rief ins Zimmer: „Onkel Brenken, ich möchte dir guten Tag sagen! Darf ich dich stören?“
Der Kommerzienrat war aufgesprungen, und Traude hatte mit angehaltenem Atem nach der Tür geblickt, direkt in zwei klare, leuchtende Männeraugen hinein. Und ehe der Kommerzienrat noch ein Wort erwidert hatte, dachte sie mit klopfendem Herzen: Das ist Frank Manhart.
Ihr Chef eilte dem jungen Mann entgegen und zog ihn ins Zimmer herein.
„Mein lieber Frank – endlich daheim! Das ist eine Freude für deinen Vater! Und ich freue mich mit ihm. Heil und unversehrt haben wir dich wieder. Sei willkommen, herzlich willkommen!“
Traude war aufgestanden und sah ihren Chef fragend an. Er nickte ihr zu.
„Ja, ja, Fräulein Frensen, jetzt müssen wir unsere Arbeit für ein Stündchen unterbrechen. Ich rufe Sie, wenn ich Sie brauche!“
Traude hatte sich leicht verneigt und verließ das Zimmer. Frank Manhart hatte mit leuchtenden Augen das schöne Mädchen angestarrt. Auch er verneigte sich grüßend vor ihr und sah ihr dann wie gebannt nach, als sie das Zimmer verließ.
Nachdem sie verschwunden war, fragte er lebhaft: „Wer war die junge Dame, Onkel Brenken?“
So nannte er den Kommerzienrat von seinen Knabenjahren her, obwohl keinerlei Verwandtschaft zwischen ihnen bestand.
Der Kommerzienrat hatte Frank einen Sessel hingeschoben.
„Das ist meine Sekretärin Fräulein Frensen, die Tochter eines Majors; Vater und Bruder hat sie im Krieg verloren und steht nun mit ihrer kranken Mutter allein im Leben. Sie ist eine junge Dame von tadellosem Ruf und bester Erziehung, und ich möchte sie als solche respektiert sehen, obwohl sie sich in abhängiger Stellung befindet.“
Frank verstand den Wink und sagte lächelnd: „Keine Sorge, Onkel Brenken! Mir scheint, die junge Dame weiß sich selbst den nötigen Respekt zu verschaffen. Und außerdem musst du bedenken, dass ich als ein anderer Mensch wieder heimgekommen bin. Kriegsjahre zählen doppelt – oder dreifach.“
Der alte Herr sah den ernsten Ausdruck in Franks Augen und fasste seine Hand.
„Es sollte keine Mahnung für dich sein, mein Junge. Aber die junge Dame ist mir lieb und wert geworden, weil sie ein so tapferer, unverzagter Mensch ist. Und sie steht schutzlos und allein in der Welt. Da helfe ich ihr gern, so weit es geht. Doch nun komm, setz dich und erzähle mir von deinem Heimkommen!“
Frank Manhart machte eine Bewegung, als schneide er die Luft mit der Hand. Seine Stirn legte sich in Falten.
„Schweigen wir davon! Du weißt doch, wie demütigend diese Heimkehr war. Dafür hat man also all die qualvollen Jahre durchlebt. Aber man muss versuchen, darüber hinwegzukommen, am besten durch Arbeit, viel Arbeit.“
Der Kommerzienrat neigte den Kopf. „Daran wird es nicht fehlen.“
Und dann hatten die Herren wohl eine Stunde lang miteinander gesprochen von allem, was die Herzen in jener Zeit bewegte.
Traude Frensen hatte inzwischen in ihrem Zimmer verschiedene Briefe geschrieben. Und dann hörte sie die Tür öffnen. Bald darauf sah sie Frank Manharts schlanke Gestalt über den Hof gehen. Ihre Augen folgten ihm, bis er das Tor passiert hatte und verschwunden war.
Einer, der wiedergekommen ist, dachte sie fast bitter.
Gleich darauf zuckte sie zusammen. Das Telefon auf ihrem Schreibtisch klingelte. Es war der Kommerzienrat, der sie zur Weiterarbeit rief.
***
Mehr als ein Jahr war vergangen, und es hatte kaum einen Tag gegeben, an dem sie sich nicht gesehen hätten, denn Frank Manhart liebte es, auf einen Sprung zu Onkel Brenken heraufzukommen, wenn er sich in das Geschäftshaus der Firma Manhart begab, das ganz in der Nähe lag. Und fast immer war Traude bei diesen Besuchen zugegen, die zumeist irgendeiner geschäftlichen Rücksprache galten.
Gelegentlich richtete Frank auch einige artige Worte an Traude, der das Herz dann rascher klopfte. Auch auf der Straße begegnete sie ihm häufiger. Er grüßte sie dann stets sehr höflich. Dabei ahnte sie nicht, dass er diese Begegnungen absichtlich herbeiführte. Nur eines wusste sie, dass es für sie immer wie ein Sonnenstrahl war, wie ein Lichtblick in dem Einerlei ihres Lebens, wenn sie ihn sah. Frank Manhart hatte ihr Herz im Sturm gewonnen, sie hatte gar keine Zeit gehabt, sich gegen diese Gefühle zu wehren.
Und Frank Manhart?
Er musste mehr, als es seiner Herzensruhe zuträglich war, an Traude Frensen denken, und die Sehnsucht nach ihr führte ihn immer wieder in ihren Weg. Es nützte nichts, dass er sich Vernunft predigte – ein Tag, an dem er Traude nicht wenigstens einmal begegnete, schien ihm ein verlorener Tag.
Trotzdem hatte er es bisher nicht gewagt, sich ihr zu nähern, denn etwas in ihrem Wesen hielt ihn in respektvoller Entfernung. Heute aber wollte er die Gelegenheit, sie zu sprechen, nicht ungenutzt vorübergehen lassen. Er wusste, dass ihr Weg an dem Geschäftshaus seines Vaters vorüberführte, und als dies nach Geschäftsschluss auch heute der Fall war, trat Frank Manhart aus der Toreinfahrt.
Grüßend zog er den Hut.
Traude dankte errötend und wollte hastig weitergehen, aber er sprach sie an.
„Guten Tag, Fräulein Frensen! Verzeihen Sie, wenn ich Sie aufhalte. Ist der Herr Kommerzienrat noch in seinem Kontor?“
Traude fasste sich schnell und antwortete scheinbar ruhig: „Nein, Herr Manhart, er ist eben heimgefahren.“
Frank blieb an ihrer Seite.
„Ich hätte ihn gern noch gesprochen, aber ich kann es auch morgen Früh nachholen. Da ich Sie aber gerade getroffen habe, möchte ich noch eine ganz persönliche Bitte aussprechen. Sie wissen doch bestimmt, dass im nächsten Monat die Firma Brenken ihr Geschäftsjubiläum feiert?“
„Gewiss. Der Herr Kommerzienrat hat gerade heute mit mir davon gesprochen und mir die Namen der Herrschaften diktiert, die dazu geladen werden sollen. Er hat auch die Absicht, das ganze Geschäftspersonal an der Feier teilnehmen zu lassen.“
„Ja, ich weiß, mein Vater und ich sind auch geladen. Ich habe nun die Absicht, zu diesem Jubiläum ein Festspiel aufführen zu lassen, um Onkel Brenken eine besondere Freude zu machen. Ein junger, mir bekannter Schauspieler hat es nach meinen Angaben verfasst, eine Art Allegorie, und ich glaube, dass es sehr hübsch geworden ist. Ich brauche nun zur Aufführung zwei Damen und drei Herren, außerdem ein Kind. Diese beiden Damen sollen die Pflicht und die Treue darstellen. Fräulein Herter, die Tochter des Prokuristen der Firma Brenken, hat sich bereit erklärt, die Rolle der Pflicht zu übernehmen, für die Rolle der Treue habe ich an Sie gedacht. Würden Sie wohl die Liebenswürdigkeit haben, die Rolle zu übernehmen?“
Traude sah überrascht zu ihm auf. Ein leichtes Rot der Verlegenheit flog über ihre Wangen.
„Ich?“, fragte sie unsicher.
Er nickte und streifte sie mit einem Blick offener Bewunderung. „Ja, Fräulein Frensen, ich wüsste keine Dame, die besser für die Rolle geeignet ist als Sie. Wollen Sie meine Bitte erfüllen?“
Sie atmete tief auf.
„Oh, ich bin noch nie in meinem Leben öffentlich aufgetreten und weiß...