E-Book, Deutsch, Band 71, 200 Seiten
Reihe: Dorian Hunter
Corvo / Dee Dorian Hunter 71 - Das Schädelorakel
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-95572-071-1
Verlag: Zaubermond Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, Band 71, 200 Seiten
Reihe: Dorian Hunter
ISBN: 978-3-95572-071-1
Verlag: Zaubermond Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Um den Hexer Edwin Jong zu töten, muss Dorian Hunter dessen Herz finden. Doch dieses ist gut versteckt. Ein Schatz, den die neue Ratten-Jenny bewacht, ist die beste Spur des Dämonenkillers. Gibt es einen Zusammenhang zwischen seiner Suche in der Gegenwart und seinem fru?heren Leben als Sklave Eno in der niederländischen Kolonie Demerara? Gleichzeitig zieht sich die Schlinge um Dorians Hals weiter zu. Noch immer seinerseits gejagt von Jong, abgeschnitten von allen Verbu?ndeten, hat er nur die geheimnisvolle Salamanda Setis an seiner Seite - und deren Motive sind alles andere als klar. Der 71. Band der legendären Serie um den 'Dämonenkiller' Dorian Hunter. - 'Okkultismus, Historie und B-Movie-Charme - ?Dorian Hunter? und sein Spin-Off ?Das Haus Zamis? vermischen all das so schamlos ambitioniert wie kein anderer Vertreter deutschsprachiger pulp fiction.' Kai Meyer enthält die Romane: 262: 'Sklavenaufstand' 263: 'Das Schädelorakel'
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Der Sklavenaufstand
von Catalina Corvo
nach einer Story von Susanne Wilhelm
1. Kapitel
Demerara, Niederländisch Guayana,
Südamerika, 1776
Der dumpfe Rhythmus der Trommeln schwebte über dem schweigenden Dorf wie eine drückende Dunstglocke. Die bastgedeckten Holzhütten vibrierten unter dem unablässigen Ruf der Tierhäute wie zitternde Schafe.
Ihre Bewohner jedoch hatten die kleinen, lumpigen Behausungen verlassen. Schlanke, dunkle Körper, glänzend von Öl, drängten sich durch das dichte Unterholz des Waldes.
Eigentlich gehörten sie nicht hierher. Die brutale Knute der niederländischen Kolonialherren hatte sie von ihrer afrikanischen Heimat in die neue Welt verpflanzt.
Ihnen jedoch erschien das Land voll unwegsamer Urwälder und unzähliger Ströme keineswegs neu oder verheißungsvoll. Sie kannten nur die Zuckerplantagen, auf denen sie tagein, tagaus schufteten, eingepfercht in ihren Lehm- und Strohhütten wie die mageren Ziegen im Mittagsregen in ihren Unterständen. In Angst vor den grausamen Herren und den Indianern, die sich in den höher gelegenen Regionen des Urwaldes verbargen.
Ihre alten Traditionen hatten die Sklaven jedoch mitgebracht und bewahrten sie auch unter fremden Sternen. Besser als die Weißen beherrschten sie die Kunst, mit dem Dschungel zu sprechen.
Rote Schlangen aus Lehm und Blut prangten auf der schwarzen Haut, weiße Fratzen verbargen die wahren Züge und erwiesen den alten Loagöttern Ehre.
Auf dem Tanzplatz trafen sie sich. Einer der wenigen Orte im Wald, den sich die verhassten Weißen noch nicht unter ihre gierigen Nägel gerissen hatten.
Erwartungsvoll sammelten sich die Dörfler am Rand des heiligen Platzes, hinter den Trommlern, deren dürre Finger die Instrumente singen ließen. Der Dschungel schluckte einen Großteil des machtvollen Rufs, doch was zurückblieb, war umso dumpfer und unheimlicher. Der Gesang der Trommeln kroch über den Boden wie eine Natter, bereit, jederzeit hervorzustoßen und jeden Einzelnen in die Zehen zu beißen, damit die Gebissenen in Rage verfielen und um ihr Leben tanzten.
Nicht wenige der Dörfler hielten den Atem an. Wen würde die unsichtbare Natter diesmal treffen, wer würde zum Vehikel der Loa werden?
Unmerklich veränderte sich der Rhythmus der Trommeln, wurde langsamer, wie ein Herz, das sich zum Schlafen bereit machte, in Erwartung den Traum zu empfangen, den die Götter sandten.
Babatunde, der Schamane, trat in den Kreis. Ins Gewand des Leoparden gehüllt, stieß er einen dumpfen Schrei aus. Er schüttelte den Stab aus Knochen, die getrockneten Kobrahäute schwangen wie Peitschenglieder hin und her. Die Geiermaske hatte seine faltigen Gesichtszüge gefressen. Die schwarzen Augen hinter der Federmaske glitzerten in einem dunklen Feuer. Sein Hals wirkte dürrer und faltiger als sonst und sein Körper gedrungener. Die Arme unnatürlich lang, die in frisches Blut getauchten Finger und Nägel doppelt so groß wie sonst. Es schien, als zögen die Loagötter seinen Körper in die Länge und Breite ganz nach Lust und Belieben.
Der alte Schamane fiel in einen langsamen Tanz. Seine Füße, täppisch und langsam zuerst, begannen im steigenden Rhythmus der Schläge zu stampfen, zu stoßen.
Obwohl die Sonne innerhalb weniger Augenblicke hinter den Horizont stürzte, flirrte und flimmerte die Luft. Fackeln erleuchteten die Szenerie, und die Männer und Frauen des Dorfes atmeten den Gesang der Loa-Nacht.
Dem bezwingenden Ruf der Trommeln und des Tanzes folgend, stießen sie dumpfe, tierhafte Laute aus. Die Ritualdiener zerrten die Ziege herbei.
Das Tier stieß ein meckerndes Jammern aus, es ahnte sein Schicksal. Die Männer schleiften die sich sträubende Kreatur zu Babatunde.
Er hob den Opferdolch. Die Trommeln schlugen einen rasenden Rhythmus, die Frauen verfielen in wehklagendes Jauchzen, die Männer stießen dumpfe Grunzlaute hervor. Schon brachen die Ersten in die Knie, überwältigt von der Macht der alten Götter.
Die Opferdiener legten die Kehle des zitternden Tieres bloß. Es verdrehte die Augen in Todesangst. Babatundes Hand fuhr herab. Das Meckern erstarb.
Rot glänzten die Gesichter und Arme der Opferdiener, frisches dunkles Rot sprenkelte auch das Geierantlitz.
Dann versenkte der Geier seinen spitzen Schnabel im noch lebenden Fleisch des Opfers, die Ritualdiener brachen in die Knie und wälzten sich zuckend am Boden.
Schwarzer Schaum trat aus dem Maul der Ziege, während das Leben ihren Körper verließ.
Der Geier fiel nun endgültig in Raserei. Ausgelassen jagten seine Füße über den festgestampften Boden.
Eine Frau kreischte, dann spürte der Junge, wie die Kraft über ihn kam.
Wie eine dunkle Flut drang die uralte Macht in ihn ein, füllte sein Fleisch, seine Haut und ließ ihn tanzen. Er öffnete den Mund und stieß ein dumpfes Geheul aus. Wie der Rauch, der sich über dem Vulkan kräuselte, schwebte es durch die Nacht und kündete von dem Aufruhr in seinem Inneren.
Wie ein Schrei war dieses fremde Bewusstsein, das sich in seines fraß und durch seine Adern strömte. Einem Heer Würmer und Larven gleich, wimmelte ein eisiger kosmischer Wille in seinen Muskeln und Sehnen und ließ ihn tanzen und jene Gesten ausführen, mit Hilfe derer die Götter einst die Mächte des Chaos zurückgetrieben hatten in die Tiefen der See und die Finsternis zwischen den Sternen.
Er seufzte und heulte, getrieben von ihrer Kraft, und tanzte in weiten Sprüngen und wilden Drehungen über den Tanzplatz.
Nun folgte er nicht mehr den Trommeln, sie folgten ihm. Und zu ihrem Rhythmus, den er mit seinem Stampfen und seinen schlenkernden Armen vorgab, fielen alle Dörfler in den Tanz ein. Sie erhoben ihre Stimmen zu einem wütenden Geheul.
Im Rausch der Nacht und der Schläge gaben sich die Sklaven ihren alten Göttern hin, vergaßen die Knute der Aufseher, den Hunger und die geblähten Bäuche der schwächsten Kinder. Ihr kreischender Gesang übertönte sogar den Lärm aus dem Herrenhaus.
Der Dschungel verbarg das rote Leuchten aus den Fenstern, und der Rauch aus den Feuerstellen wehrte den schweren, lähmenden Duft ab, der mittlerweile selbst bis in den Dschungel strömte und mit seiner verrottenden Süße die Nachtblüten vergiftete.
Der Junge hob die Hände zur Abwehr und verging fast im Schrei seines Triumphs, als er die fremden Mächte schwinden spürte. Das, was nach dem Dorf griff, wich zurück, zurück zu den Plantagen.
Mit ihm wich auch die fremde Kraft aus seinen Adern, er taumelte und fiel. Doch die kräftigen, knochigen Hände des alten Schamanen fingen ihn auf und brachten ihn sanft zur Erde. »Gut gemacht«, raunte Babatundes dunkle heisere Stimme. »Gut gemacht, Eno. Heute Nacht sind wir sicher.«
Zwei Männer trugen den Jungen zurück ins Dorf. Der Nachtwind kühlte seine schweißnasse Haut. Doch das Blut pochte noch in seinen Ohren, seine Sinne waren überreizt, dennoch vermochte er kaum wahrzunehmen, was um ihn herum vorging. Mit dem Blut des Opfertieres schmierte Babatunde Schutzzeichen an die Hütten. Schon verbargen sich die dürren Sklaven wieder in ihren dürftigen Behausungen.
Trotz des düsteren Johlens und der brünstigen Schreie, die vom Herrenhaus herüberdrangen, fanden sie Ruhe unter dem Schutz ihrer vertrauten Götter.
Eno fand Ruhe in der Hütte des Schamanen. Die dürren, doch kräftigen Hände mischten rohes Ei, Zuckerrohrschnaps und Kräutersud zu einem stärkenden Gebräu und führten es zu seinen Lippen. Der Junge trank gierig, dann ließ er seinen brummenden Schädel auf das Lager aus Palmblättern sinken. Er starrte hinauf zur Decke aus Reisig und trockenem Bananenlaub. Über ihm wiegten sich herabhängende Kräutersträuße, Schlangenhäute, Meerkatzenpfoten und kleine Tierschädel im Luftzug. Sein Herzschlag beruhigte sich nur langsam.
»Du besitzt eine besondere Verbindung zu den Göttern.« Der Schamane brachte ein paar Holzscheite in der Feuerstelle zum Glimmen, hängte einen alten mit Wasser gefüllten Tontopf darüber und hockte sich mit gekreuzten Beinen neben ihn. »Und ein natürliches Talent für Magie. Die Alten haben dich gesegnet.«
Enno rang um Luft. »Aber dennoch müssen wir diese Peiniger ertragen«, stieß er hervor. »Selbst jetzt vergiftet der Lärm ihrer götterverfluchten Heimstatt unsere Ohren.«
Nun, da die Trommeln verklungen waren und sich wieder Stille über das Hüttendorf gelegt hatte, vernahmen die stummen Dörfler nur allzu deutlich die spitzen Schreie und das unheimliche Fauchen und Jaulen. Der Krach drang in Nächten wie diesen vom Haupthaus herüber wie eine höhnische Drohung. Das Geheul würde die ganze Nacht anhalten und erst beim Morgengrauen abreißen.
Die Sklaven wussten eins nur allzu gut: Ihr Herr war der Teufel, und erst das Licht der Sonne setzte seinem bösen Treiben ein Ende.
Schließlich wirkte Babatundes Trank, und der Junge schlief trotz der verstörenden Laute ein. Doch sie verfolgten ihn bis in seine Träume. Unruhig wälzte er sich auf seinem Lager hin und her und schwitzte wie im Fieber. Bis ein panischer Schrei ihn aus seinen wirren Träumen riss.
Dorian, Umland von Amsterdam,
Niederlande (Gegenwart)
Der Dämonenkiller erwachte schweißgebadet. Sein Herz schlug schnell, doch entglitt ihm der Grund dafür. Ein Teil der geträumten Erinnerung jedoch war allzu klar in seinem Gedächtnis präsent. Eno, der Junge, der die Götter anrief und bei einem alten Schamanen in die Lehre ging.
...