Corvo / Borner | Dorian Hunter 70 - Die Rattenpest | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 70, 208 Seiten

Reihe: Dorian Hunter

Corvo / Borner Dorian Hunter 70 - Die Rattenpest


1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-95572-070-4
Verlag: Zaubermond Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

E-Book, Deutsch, Band 70, 208 Seiten

Reihe: Dorian Hunter

ISBN: 978-3-95572-070-4
Verlag: Zaubermond Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Coco Zamis ist die neue Schiedsrichterin der Schwarzen Familie und hat geschworen, jeglichen Kontakt mit dem Dämonenkiller zu vermeiden. Zusammen mit ihr hat auch Philipp die Jugendstilvilla verlassen. Vom Dämonenkiller-Team ist nicht mehr viel u?brig - und ausgerechnet in dieser Stunde plant die Schwarze Familie den nächsten Angriff. Komplett auf sich gestellt, folgt Dorian schließlich einer Spur nach Borvedam, wo eine alte Feindin wieder auferstanden scheint ... Der 70. Band der legendären Serie um den 'Dämonenkiller' Dorian Hunter. - 'Okkultismus, Historie und B-Movie-Charme - ?Dorian Hunter? und sein Spin-Off ?Das Haus Zamis? vermischen all das so schamlos ambitioniert wie kein anderer Vertreter deutschsprachiger pulp fiction.' Kai Meyer enthält die Romane: 260: 'Die Rattenpest' 261: 'Nacht ohne Morgen'

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3. Kapitel


Drunten im Unterland wartet sie schon.

Herrscht im Schloss ewiglich.

Wenn du schreist, kriegt sie dich.

Drunten im Unterland wartet sie schon.

Borvedam, Gegenwart

Der neue Ring war sehr hübsch. Er glitzerte im Schein des Streichholzes. Doch die Freude währte nur Sekunden, zu schnell brannte die Flamme herunter. Mit einem Aufschrei ließ das Mädchen das verkohlte Hölzchen fallen und pustete über ihre Fingerspitzen.

Der Ring lag kühl in Jennys linker Hand. Energisch schloss sie ihre kleine Faust um das neue Spielzeug. Nun gehörte es ihr. Sie würde es zu den Murmeln in die Zigarrenkiste legen. Dann war der Glitzer-Funkel-Stein nicht so einsam.

Vielleicht konnte sie ihn später um den Hals tragen. Falls ihre Freunde eine Kette fanden. Eine Goldkette vielleicht? Obwohl Silber sicher auch sehr hübsch aussah.

Das Kind streckte die Hand nach links aus. Ein Rascheln neben ihr kündigte die Ankunft ihrer Schatztruhe an. Zufrieden griff sie nach der flachen Holzkiste und bettete sie in ihren Schoß.

Gierig tasteten ihre Finger nach dem Inhalt, strichen über jedes einzelne Stück wie über ein Heiligtum. Da waren alle ihre Glasmurmeln, kühl und glatt schmiegten sie sich in die Handfläche. Daneben lagen die Federn. Zart und gewichtslos. Das Mädchen zog die größte heraus, um sich damit über die Wange zu streichen. Traumverloren sortierte das Kind seine Schätze. Leise summte es mit seiner hellen Stimme eine einfache Melodie. Jenny liebte das Lied. Ein Kinderlied. Einmal hatte sie gehört, wie jemand anders es gesungen hatte.

Damals hatte sich Jenny fast bis an die Oberfläche gewagt. In Begleitung ihrer Freunde hatte sie das Labyrinth erkundet und gespielt, sie sei ein Entdecker, der im Auftrag der Prinzessin die entfernten Winkel des Königreiches erkundete. Dann war ihr das Licht aufgefallen, das dick und staubig aus einem schmalen Schacht quoll. Darunter lag Schutt. Alte Rohrstücke voller Rost und Moos.

Die aufgeregten Piepser ihrer Freunde ignorierend, war Jenny den ehemaligen Abflussschacht hinaufgekrochen. Die Enge des Schachtes hatte sie geängstigt, aber ein tapferer Entdecker überwand seine Furcht. Und er kümmerte sich auch nicht um aufgeschürfte Knie. Entdeckt hatte sie einen alten Waschkeller, der nicht anders roch als Jennys dunkles Reich.

Bis auf ein paar zersprungene Emaille-Waschbecken war er leer.

Durch ein unterarmlanges Fenster schimmerte Licht. Jenny schickte ihre Freunde weiter hinauf und wartete.

Als sie zurückkehrten, berichteten die Ratten jedoch nur von leeren, verlassenen Räumen und einem morschen, halb zerfallenen Dach. Sie warnten Jenny. Hier gab es nichts mehr zu holen außer einer Nase voll Staub. Keine leckeren Konserven, keine Schätze. Jenny seufzte.

Doch dann war draußen plötzlich das Lachen erklungen. Das Licht jenseits des Fensters blendete sie, dennoch schleppte sie, so schnell es ging, die Waschbecken herbei und baute sich einen Turm. Einen Wachturm. Auf dessen Spitze balancierte sie wie eine kleine Ballerina, um zugleich ihre Nase gegen die Scheibe zu pressen.

Blinzelnd starrte sie zum ersten Mal, seit sie sich erinnern konnte, in die mystische Welt draußen. Es war so hell, so schrecklich hell. Wie hielten die Leute das bloß aus?

Sie hielten es aus.

Kaum einen Schritt von der Scheibe entfernt, versperrten seltsame Objekte die Sicht. Nein, Beine. Beine waren das. Schmal wie ihre eigenen. Sie steckten in blendend weißen Strümpfen und hellbraunen Schuhen, darüber schwebte ein Saum blauen Stoffes. Kinderfüße waren das, Kinderbeine, mit einem Rock dran und hübschen Schuhen. Ein anderes Mädchen, das aussah wie eine halbe Puppe.

Und die weißen Stümpfe waren nicht die einzige halbe Puppe. Da klapperten weitere Schuhe. Eine kurze, knielange Hose wippte auf blauen, hohen Turnschuhen. Ein staubiges Mickymausgesicht prangte über dem Knöchel.

Die fremden Mädchen standen kaum eine Armlänge entfernt. Jenny hörte ihre Stimmen gedämpft. Sie kicherten und quietschten fröhlich. Immer mehr Schuhe tapsten über den Gehsteig. Ein Chor heller Stimmen versammelte sich vor dem Haus.

Jenny lauschte gebannt. Instinktiv öffnete sie den Mund und stieß jenes helle Schnaufen aus, mit dem sie sonst ihre vierbeinigen Freunde begrüßte, wenn diese von einem Ausflug zu ihr zurückkehrten. Aber die halben Puppen drehten sich nicht um. Vielleicht hörten sie schlechter als Ratten. Oder sie verstanden nicht, dass Jenny sie begrüßt hatte.

Plötzlich sprach eine erwachsene Stimme. Eine Frau. Jenny verstand nicht, was sie sagte, doch es klang weich und sanft. Aber auch ein bisschen herrisch. Vielleicht war das eine Königin. Und Mickymaus und Strümpfchen waren ihre Töchter. Prinzessinnen. Das waren sie bestimmt, so hübsch und sauber, wie ihre Füße waren. Da mussten ihre Gesichter ganz besonders vornehm sein.

Jenny stellte sich vor, wie sie aussahen, nobel und anmutig, mit glänzendem Haar und glitzernden Spangen.

Die Königin befahl etwas, und dann begannen alle Kinder zu singen. Jenny lächelte versonnen. Das klang aber schön: schön und fremd und ganz anders als das vertraute Rascheln und Quieken ihrer Freunde.

Gebannt lauschte das kleine Mädchen in der Dunkelheit des feuchten, kahlen Kellerraums. Die Handflächen gepresst an schmierige Fliesen trank sie jeden einzelnen Ton der einfachen, fröhlichen Melodie. Schnell erkannte sie den sich wiederholenden Kehrreim und summte mit. Hinter ihr huschten die Ratten unruhig über den kalten Boden.

Das Lied endete. Die Königin gab eine Anweisung. Im nächsten Moment bückte sich Mickymaus, um ihre Schnürsenkel erneut zu binden. Dabei fiel ihr Blick auf das Kellerfenster.

Einen Herzschlag lang starrten beide Mädchen einander an. Dann ertönte ein schrilles Kreischen. Viel lauter und hässlicher als das vertraute Gemurmel der Ratten. Mickeymaus streckte einen zitternden Finger in Richtung des Kellers.

Jenny zuckte zurück. Eilig kletterte sie von ihrem Turm. Verängstigt wich sie nach hinten in den Schatten, schlug die Hände vor das Gesicht. Ihre Ratten strömten aus wie eine kleine Armee. Sie huschten am Kellerfenster auf und ab, eine lebende, loyale Barriere gegen die schreckliche Welt draußen.

Jenny taumelte zum alten Abflussrohr und kletterte, so schnell ihre kleinen Füße sie trugen, zurück in ihr dunkles Reich.

Die Ratten folgten ihr.

Viele salzige Tränen lang hockte sie in der Dunkelheit ihrer Tunnel und wartete. Aber von oben, vom geheimen Tor nach draußen, ertönte keine Regung, kein Geräusch. Die Oberweltmenschen schickten keine Armee hinunter.

Niemand wagte sich in die Tiefen. In Jennys Reich.

Die Ratten schmiegten sich tröstend an das Mädchen. Nach und nach versiegte der Tränenstrom, und Jennys hektisches Schniefen schmolz zu leisem Atmen.

Doch die Bilder in Jennys Kopf wirbelten umher. Sie sah die Schönheit der kleinen Prinzessin, ihre dunklen Zöpfe, Sommersprossen, eine Stupsnase. Und sie sah das Entsetzen in braunen Kinderaugen. Entsetzen, das Jenny galt.

Sie hörte den Schrei, verängstigt und anklagend zugleich.

Jenny ballte die Fäuste. Was bildete sich dieses dumme Ding ein? Nur weil sie von draußen kam, wagte sie es, Jenny mit ihrem Geschrei zu beschimpfen?

Schließlich war Jenny auch eine Prinzessin. Die einzige Prinzessin in einem großen Reich. Ihr erteilte niemand Befehle. Und dieses Püppchen wagte es, sie so anzusehen? Mit dieser Abscheu? Die Ratten mochten sie doch auch.

Es tat weh. Noch viele Tunnel und Mahlzeiten später tat der Schrei weh. Er hatte sich tief in Jennys Eingeweide gebohrt und nässte dort wie eine schwärende Wunde.

Denn einen Augenblick lang war die verräterische Oberwelt schön gewesen. Ein Zauberreich des Lichts. Nun schämte sich Jenny für ihren Wunsch hinaufzugehen. Die Ratten hatten sie gewarnt. Ihre einzigen Freunde. Ihre Armee und ihr Hofstaat. Jenny hatte den Rat der Ratten in den Wind geschlagen. Und dann hatte dieses fremde Mädchen sie bestraft.

Die Erinnerung an das sauber-schöne Gesicht ließ Jennys Herz rasen. Wie immer, wenn sie sich beruhigen wollte, schaukelte die Prinzessin der Unterwelt ihren Oberkörper vor und zurück. Ratten krochen auf ihre Schultern, schmiegten sich in ihren Nacken und an ihre Wangen, bedeckten ihre empfindliche Haut wie ein lebender Mantel.

Wer dort draußen hatte schon solch einen großartigen Mantel? Bestimmt niemand. Erst recht nicht diese arroganten kleinen Prinzessinnen.

Jenny summte vor sich hin. Wenn ihre Stimme als Echo durch die Tunnel hallte, dann erschien es ihr, als wäre sie zweimal da. Sie selbst und eine unsichtbare Spielgefährtin, die mit ihr Verstecken spielte.

Jenny fasste einen Plan. Die Prinzessin der Unterwelt würde diese Kränkung nicht tolerieren. Von nun an herrschte Krieg mit dem fremden Königshaus. Ihre Ratten sollten ausströmen. Und das Land droben mit Krieg überziehen. Und irgendwann würden sie das fremde Schloss stürmen. Und dann, Königinnen und Töchter der Oberwelt, dann wehe euch. Hinabgezerrt in Jennys Reich sollten sie ihren Hochmut büßen. Denn böse Königinnen tanzten auf glühenden Kohlen.

Jenny nickte energisch. So musste das sein. Das war ein guter Plan. Und er begann damit, dass Jenny diesen Fremden ihre Lieder stahl. Die Melodie gehörte nun ganz allein ihr. Es war ihr Prinzessinnenlied. Sie brauchte nur einen neuen, besseren Text.

Jennys Hände kneteten rastlos ein löchriges Tuch, das die Ratten vor langer Zeit mit...



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