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E-Book

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

Reihe: Ricardo Blanco, Privatdetektiv auf Gran Canaria

Correa Kanarische Geheimnisse

Ein Fall für Ricardo Blanco. Ricardo Blanco, Privatdetektiv auf Gran Canaria (2)
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-293-30446-8
Verlag: Unionsverlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Ein Fall für Ricardo Blanco. Ricardo Blanco, Privatdetektiv auf Gran Canaria (2)

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

Reihe: Ricardo Blanco, Privatdetektiv auf Gran Canaria

ISBN: 978-3-293-30446-8
Verlag: Unionsverlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Der kanarische Frühling könnte so schön sein in Las Palmas, aber die örtliche Polizei hat einen aufsehenerregenden Fall am Hals. Zwei Männer werden kurz nacheinander ermordet aufgefunden, beide in Spitzenunterwäsche gekleidet. Die Leute tratschen, was das Zeug hält, und der Inspektor kommt nicht weiter. Privatdetektiv Ricardo Blanco hilft da natürlich gern aus. Blanco stöbert im Privatleben der Opfer und glaubt, ein Muster zu erkennen - doch des Rätsels Lösung ist nicht ungefährlich. Und wenn er recht hat, steht der nächste Mord kurz bevor.

José Luis Correa, geboren 1962 in Las Palmas, ist Professor für Sprach- und Literaturwissenschaft an der Universität von Las Palmas auf Gran Canaria. Für seine Romane erhielt er u. a. den Premio Benito Pérez Armas und den Premio Vargas Llosa. Seine Kriminalromane um den Ermittler Ricardo Blanco wurden in mehrere Sprachen übersetzt.
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1


Mario Bermúdez hatte niemand besonders gut gekannt. Anscheinend war er wortkarg, ein wenig zaghaft und hatte, wie einige Nachbarn behaupteten, »einen niedrigen Blutdruck«. Deshalb vermisste ihn auch keiner von ihnen, als er verschwand. Deshalb verweste er drei Tage lang in der Wanne seines Badezimmers. Deshalb waren die Tropfen aus dem undichten Wasserhahn durch die Haut seiner Stirn bis zum Knochen vorgedrungen. Deshalb war niemand da, um ihm die Augen zu schließen, die schließlich stumpf waren wie verdorrte Eisflächen. Deshalb gab es niemanden, der der Polizei hätte sagen können: »Wir können es ja selbst noch nicht glauben, Inspector. Er wirkte so unscheinbar, so farblos, so langweilig, keine Ahnung, was er in rostroten Spitzendessous und Strapsen unter der Dusche machte.«

Seit mehr als fünf Jahren vertrat Bermúdez einige wenig renommierte Elektrogerätehersteller auf den Kanaren, allerdings mit mäßigem Erfolg: Er hatte einfach nicht das, was man ein »Händchen« im Umgang mit Menschen nennt. Es war sogar so, dass ihm die Kunden reihenweise absprangen. Einer seiner Kunden, Armando Alvarado, vielleicht der Einzige, der noch seine Ware vertrieb, weil es sich für ihn lohnte, Gefriertruhen und Saftpressen an Kleinhändler auf dem Land zu verkaufen, hatte ihn sagen hören, dass er von dieser Arbeit die Nase voll habe und nach dem Sommer eine wichtige Änderung erwarte. Mario konnte ja nicht wissen, dass er den erhofften Erfolg nicht mehr erleben würde, weil er im April auf makabre Weise vor die Hunde gehen würde.

Die Leiche begann an einem Ostermontag zu stinken. Der Gerichtsmediziner, Don Ignacio Santa Ana, ein Mann, der schon ganz andere Schlachten geschlagen hatte und arrogant, bissig und kalt wie ein Eisberg war, staunte nicht schlecht, als er feststellte, dass Mario Bermúdez bereits am Freitag zuvor gestorben war: »Da wohnt einer in so einer Scheißwohnung mit Wänden aus Pappe, in der jedes Flüstern wie Donner widerhallt, und dann will keiner was gehört haben, das muss man sich mal vorstellen. Denn eins steht fest, Señores: Der Typ muss sich wie ein Schwein gewunden haben, während er starb. Und dann der Gestank, heilige Scheiße, dieses verfluchte Zimmer stinkt doch zum Himmel.« Der mit der Ermittlung beauftragte Polizist, Inspector Álvarez, hatte darauf bestanden, dass nur der Gerichtsmediziner und der Fotograf das Badezimmer betraten. Beim letzten Fall, in den er verwickelt worden war, dem Selbstmord eines reichen Söhnchens namens Toñuco Camember, hatten sich so viele Menschen um die Leiche geschart, dass man hätte meinen können, es wären Eintrittskarten verkauft worden. Und am Ende wusste kein Mensch mehr, welche Fingerabdrücke zu wem gehörten.

Das Problem im Fall Bermúdez war genau das Gegenteil: Es gab keine Fingerabdrücke. Nur die des Toten. Das war zumindest ungewöhnlich. Álvarez wandte sich an den Arzt, um seine Meinung über den Tod einzuholen.

»Der Tod ist immer eine Sauerei.«

»Klar. Schöne Scheiße. So weit war ich auch schon. Aber von was für einer Sauerei reden wir hier konkret?«

»Tod durch Ersticken.«

»Ist er in der Badewanne ertrunken?«

»Ertrunken? Schwachsinn! Erstickt, habe ich gesagt. Der Typ hat bei seinem letzten Fick ein wenig über die Stränge geschlagen, wollte wohl mal was Neues ausprobieren. Carajo, in der Liebe und im Krieg ist nun mal alles erlaubt. Sehen Sie hier und hier diese violetten Male? Die stammen nicht von Händen. Dem hat jemand wie einem Hühnchen den Hals umgedreht. Wenn Sie hier ein bisschen suchen, werden Sie den Gürtel von einem Morgenmantel finden oder ein dickes Kabel, das hier nicht hingehört, oder so etwas in der Art. Irgendetwas Breites, denn sonst hätte es eine ganz andere Narbe hinterlassen, einen richtigen Schnitt nämlich.«

»Wahnsinn. Ein Quacksalber, der auf Detektiv macht. Das hat mir gerade noch gefehlt.«

»Nun seien Sie nicht gleich eingeschnappt, Teniente, war ja nur eine Idee. Und mit Quacksalbern habe ich nichts am Hut. Zu mir kommen sie erst, wenn sie schon gesalbt sind.«

»Und wie erklären Sie sich, dass es keine Fingerabdrücke gibt? Welche Frau vögelt schon mit Handschuhen?«

»Sie sind der Experte.«

Während der Leichenschau machte sich Álvarez daran, den Boden hinter der Badezimmertür und die Kleiderschränke abzusuchen, für den Fall, dass Santa Ana mit seiner Intuition ins Schwarze traf. Er sah nach, ob Bänder an den Vorhängen, Schnüre an den Jalousien oder vielleicht sogar Schnürsenkel fehlten, fand aber nichts Ungewöhnliches. Was auch immer Bermúdez’ Spielgefährtin benutzt hatte, um ihm Vergnügen zu bereiten, sie musste es hinterher wieder mitgenommen haben. Bestimmt war sie im Eifer des Gefechts zu weit gegangen, in Panik geraten und Hals über Kopf geflohen, das kam in den besten Familien vor. Was Álvarez dennoch wunderte, waren die fehlenden Spuren von Gewalt, von denen am Nacken des Toten einmal abgesehen. Und die Sache mit den Fingerabdrücken. Die ganze Wohnung wirkte sauber, fast steril. Sogar die Kissen im Wohnzimmer waren systematisch nach Farbschattierung und Form geordnet. Im Schlafzimmer selbst fanden sich sowohl in der Brieftasche als auch auf dem Nachttisch Geldscheine und Münzen, eine beinahe abgelaufene Kreditkarte und sogar ein Scheck über siebzig Euro, was die Möglichkeit eines Raubüberfalls ausschloss. Wozu hätte der Mörder den armen Teufel auch in Spitzenunterwäsche stecken sollen, nur um ihm dann ein paar Moneten abzuknöpfen? Wenn irgendetwas bei diesem Fall feststand, dann, dass Diebstahl nicht das Motiv war.

Álvarez verbrachte den Rest des Vormittags damit, die Bewohner des Gebäudes zu befragen. Er hoffte, im selben Stockwerk irgendeinen neugierigen Nachbarn zu finden, der etwas Außergewöhnliches bemerkt oder eine unbekannte Person gesehen hatte, zumindest über die Gewohnheiten und Eigenheiten des Toten Bescheid wusste. Von den vier Wohnungen derselben Etage waren zwei keine große Hilfe: In einer hatte Bermúdez selbst gewohnt, und eine andere stand bereits seit einigen Monaten leer. Ihr aktueller Besitzer hatte erst alle Hebel in Bewegung gesetzt, um sie zu kaufen, und besaß nun nicht einmal den Anstand, auch in ihr zu wohnen. »Der wollte sicher nur Geld waschen, Inspector, das machen viele Leute, würde mich nicht wundern, wenn der Dreck am Stecken hätte. Sie müssen nur genau nachforschen, wer weiß, vielleicht hat der sogar was mit dem Tod dieses armen Mannes zu tun.« Álvarez schob der überbordenden Volksfantasie, so gut er konnte, einen Riegel vor und konzentrierte sich auf die anderen beiden Wohnungen. In der ersten lebte ein junges Paar mit zwei kleinen Kindern, das zu dem Geschehenen nichts zu sagen hatte. Beide arbeiteten bei einer Nahrungsmittelfirma und verbrachten den Großteil des Tages außerhalb der Stadt. Mario sei jedenfalls ein vorbildlicher Nachbar gewesen, der einem nicht auf die Nerven ging, von dem man kaum etwas hörte und der sich nie über das Kindergeschrei beschwerte, kurz, ein liebenswerter Mann. In der anderen Wohnung, die direkt gegenüber von Bermúdez’ Wohnung lag, residierte eine Witwe mit ihrem alleinstehenden, in die Jahre gekommenen Sohn, einem Gymnasiallehrer. Doña Olga – auf diesen Namen hörte die gute Frau – war eine altmodische Mutter und lebte ausschließlich für ihren Sohn, weshalb sie fast immer zu Hause anzutreffen war. Abends ging sie spazieren und trank mit ihren Freundinnen aus dem Seniorenverein einen Tee, wovon sie normalerweise gegen halb neun zurückkehrte. Aber den Rest des Tages verbrachte sie zu Hause. Das Problem bestand darin, dass Doña Olga zwar von Natur aus gern tratschte, aber an einer »leichten« Schwerhörigkeit litt, die vielleicht doch ausgeprägter war, als sie selbst zugab. Sie war daher keine große Hilfe, so sehr sie sich auch bemühte. Glaubte man der Witwe, bekam Don Mario nur selten Besuch. Augenblick, jetzt, wo sie darüber nachdachte, fiel ihr ein, dass sie im Aufzug mehrmals einem jungen Mädchen begegnet war – vielleicht zu jung für Bermúdez –, das seine Wohnung mit einem eigenen Schlüssel betrat. Sie konnte das Mädchen nicht besonders gut beschreiben, »denn dieser verfluchte Kasten ist ja finsterer als weiß Gott was. Ich kann Ihnen nur sagen, dass sie klein und dunkelhaarig war; sie trug immer Jeans und einen von diesen Rucksäcken mit nur einem Träger, die jetzt so in Mode sind. Aber ich schwöre Ihnen, wenn Sie mich zu einer Gegenüberstellung vorladen würden und noch fünf andere Frauen hinter diesem einseitigen Spiegel stünden, könnte ich Ihnen nicht sagen, welche es ist.« Doña Olga hatte viel Zeit vor dem Fernseher verbracht.

Álvarez gab erschöpft auf. Als er zum Tatort zurückkehrte, hatte man Bermúdez’ bleichen Körper bereits zum Gerichtsmedizinischen Institut abtransportiert. Weil ihn niemand eingefordert hatte, würde er dort aufgebahrt werden, bis die Polizei den Fall abschloss. Was danach passierte, wusste Gott allein. Santa Ana, der von derlei Verflechtungen der Gesetzesbürokratie nichts wusste, hatte gerade sein Sezierwerkzeug eingesammelt und saß auf dem Klodeckel. Er hatte sich eine Virginia angezündet und das Bad in gräuliche, stinkende Nebelschwaden gehüllt. Der Inspector bedachte so viel Taktlosigkeit mit einem missbilligenden Blick und sagte vorwurfsvoll: »Scheiße, Santa Ana, ein wenig mehr Respekt vor dem Verstorbenen, bitte. Schauen Sie, was Sie hier für einen Qualm veranstaltet haben, verdammt noch mal!« Der Gerichtsmediziner ging bereits auf die...


Correa, José Luis
José Luis Correa, geboren 1962 in Las Palmas, ist Professor für Sprach- und Literaturwissenschaft an der Universität von Las Palmas auf Gran Canaria. Für seine Romane erhielt er u. a. den Premio Benito Pérez Armas und den Premio Vargas Llosa. Seine Kriminalromane um den Ermittler Ricardo Blanco wurden in mehrere Sprachen übersetzt.

Kilchling, Verena
Verena Kilchling, geboren 1977 in Freiburg im Breisgau, studierte in Düsseldorf Literaturübersetzen und überträgt seither Romane und Kurzgeschichten aus dem Englischen und Spanischen. Sie lebt in München.



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