E-Book, Deutsch, 130 Seiten
Reihe: Digital Edition
Cornick Wenn zart die Liebe erwacht
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-7337-5408-2
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 130 Seiten
Reihe: Digital Edition
ISBN: 978-3-7337-5408-2
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Es beginnt als Vernunftehe: Lord Selborne braucht unbedingt eine Frau, um sein Erbe antreten zu können - die schöne Jemima möchte ihrem gewalttätigen Vater entfliehen. Schon in der Hochzeitsnacht spürt er aber, dass sie sich leidenschaftlich zueinander hingezogen fühlen. Wäre da nur nicht diese Testamentsklausel: Wenn er es nicht schafft, enthaltsam zu leben, hat er keinerlei Anspruch auf das Vermögen!
Nicola Cornick liebt viele Dinge: Ihr Cottage und ihren Garten, ihre zwei kleinen Katzen, ihren Ehemann und das Schreiben. Schon während ihres Studiums hat Geschichte sie interessiert, weshalb sie sich auch in ihren Romanen historischen Themen widmet. Wenn Nicola gerade nicht an einer neuen Buchidee arbeitet, genießt sie es, durch die englische Landschaft zu spazieren. Sie freut sich über Leserzuschriften auf ihrer Webseite www.nicolacornick.co.uk.
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1. KAPITEL
Die Anwaltskanzlei Churchward & Churchward in High Holborn genoss großes Ansehen. Die Geheimnisse vieler Menschen waren dort gut und sicher aufgehoben. Die Klienten, die überwiegend den besten Kreisen angehörten, schätzten die Diskretion der Rechtsbeistände und zweifelten nicht an der Kompetenz der Mitarbeiter.
Auch der Earl of Selborne, der an einem Augusttag des Jahres 1808 die Büroräume der Sozietät betreten hatte, wusste, dass er dem älteren Mr. Churchward vertrauen konnte. Selborne war gekommen, um eine Erbschaftsangelegenheit zu klären.
Mr. Churchward begrüßte ihn höflich, drückte ihm sein Beileid zum Tod seiner Angehörigen aus und bat ihn, Platz zu nehmen. Dann holte er die Akte, die sowohl das Testament des Vaters als auch das der Großmutter des jungen Gentleman enthielt. „Ist es Ihnen recht, Mylord, wenn wir mit dem letzten Willen des verstorbenen Earl beginnen?“, meinte er, wobei er sein Unbehagen nicht ganz verbergen konnte.
Fünfzehn Minuten später starrte Lord Robert Selborne den Anwalt fassungslos an. Die Stirn hatte er in grimmige Falten gelegt. Sein schmales Gesicht, gebräunt durch den langen Aufenthalt in Spanien, wo der junge Earl gegen Napoleon gekämpft hatte, zeigte einen verwirrten und zugleich verärgerten Ausdruck. Mr. Churchward wiederum wirkte ungewöhnlich blass. Und in diesem Moment hatte er die Lippen fest aufeinander gepresst.
Lord Selborne warf einen Blick auf die Dokumente, die sein Gegenüber vor sich auf den Schreibtisch gelegt hatte, und sagte: „Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir die Bedingungen, die mein Vater testamentarisch festgelegt hat, noch einmal erläutern könnten. Ich bin nicht sicher, ob ich alles verstanden habe.“
„Gern, Mylord.“ Mr. Churchward zweifelte nicht daran, dass Robert Selborne jede Einzelheit begriffen hatte. Der junge Earl war mit seinen sechsundzwanzig Jahren kein unerfahrener Mann, und er hatte von jeher über eine rasche Auffassungsgabe verfügt. Die Jahre, die er als Offizier in Indien und Spanien verbracht hatte, hatten ihn zudem schneller reifen lassen als viele seiner in der Heimat gebliebenen Altersgenossen.
„Wenn ich zusammenfassen darf …“, begann der ältere Herr, „… so erben Sie als einziger Sohn des vierzehnten Earl of Selborne den gesamten Landbesitz. Das Barvermögen fällt Ihnen allerdings nur zu, wenn …“
„Ja?“ Die dunklen Augen des neuen Earl spiegelten Resignation wider.
„… wenn Sie heiraten“, beendete Churchward seinen Satz. „Ich zitiere den entsprechenden Passus:
‚Ich wünsche, dass mein Sohn sich eine Braut unter den Hochzeitsgästen seiner Cousine Anne Selborne auswählt und sie innerhalb der vier darauf folgenden Wochen heiratet. Ich erwarte, dass er anschließend sechs Monate lang auf seinem Landsitz Delaval lebt. Wenn er diese Bedingungen nicht erfüllt, so soll mein gesamtes Barvermögen meinem Neffen Ferdinand Selborne zufallen‘.“
„Danke, Mr. Churchward. Ich habe mich also nicht verhört, als Sie diesen Abschnitt zum ersten Mal vorgelesen haben.“
Der Anwalt schenkte Seiner Lordschaft ein kurzes, mitfühlendes Lächeln.
„Meinem Vater ist es also zu guter Letzt doch gelungen, mir seinen Willen aufzuzwingen“, erklärte Selborne und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Er hatte geschworen, einen Weg zu finden, mich gefügig zu machen …“
Mr. Churchward räusperte sich. „So sieht es aus …“
„Er hat mich schon vor Jahren gedrängt, zu heiraten und für einen Erben zu sorgen.“
„Das ist verständlich, Mylord. Schließlich sind Sie der einzige Sohn.“
Der Earl hob die Augenbrauen. „Vermutlich hätte ich mich in seiner Situation ähnlich verhalten.“
„Vermutlich.“
„Möglicherweise hätte ich sogar ein Testament mit ähnlich strikten Anweisungen aufgesetzt.“
Das allerdings mochte der Anwalt nicht recht glauben. Also zuckte er nur mit den Schultern.
„Trotzdem verspüre ich, so respektlos es klingen mag, im Moment den Wunsch, den alten Herrn verfluchen!“
„Eine unter den gegebenen Umständen durchaus begreifliche Reaktion, Mylord.“
Robert Selborne ballte die Hände zu Fäusten. „Dann soll Ferdie das Geld eben bekommen. Ich beabsichtige nicht, nur wegen ein paar Pfund zu heiraten.“
Churchward schwieg einen Moment lang. „Ist Ihnen bewusst, Mylord, dass die Summe, über die wir hier sprechen, sich auf circa dreißigtausend Pfund beläuft?“
Der junge Mann senkte den Blick, und seine grimmige Miene wurde noch etwas finsterer. „Allerdings.“
„Ist Ihnen weiterhin bewusst, dass Delaval, obwohl es ein Anwesen ist, das unter normalen Bedingungen ausreichend Gewinn abwirft, seit jener Grippe-Epidemie, die Ihren Vater und so viele andere dahingerafft hat, sehr vernachlässigt worden ist?“
Der Earl seufzte. „Das war zu erwarten, nicht wahr? Aber ich nehme an, Sie wollen mir zu verstehen geben, dass der Zustand des Gutes noch wesentlich schlechter ist, als ich bisher vermutet habe.“
„Leider, Mylord.“
„Ich bin noch nicht dazu gekommen, Delaval einen Besuch abzustatten.“ Robert erhob sich, trat zum Fenster und starrte auf die Straße hinaus. „Sie sollen wissen, Churchward, dass ich England nicht verlassen habe, weil meine Familie oder der Besitz mir gleichgültig sind.“
Der Anwalt erwiderte nichts darauf. Er kannte den jungen Selborne seit Jahren und hatte nie daran gezweifelt, dass er seine Angehörigen ebenso liebte wie das Gut, auf dem er aufgewachsen war.
„Ich wünschte“, sagte Robert, „ich wäre nicht so lange weg gewesen.“ Obwohl er sehr leise sprach, brachte seine Stimme deutlich zum Ausdruck, was er fühlte.
„Ihr Herr Vater“, erklärte Churchward behutsam, „hat als junger Mann eine große Europareise gemacht. Er war damals drei Jahre lang fort.“
Selborne wandte sich um, und ihre Blicke trafen sich. „Danke.“
Schweigen senkte sich über den Raum. Schließlich nahm Robert seinen Platz vor dem Schreibtisch des Anwalts wieder ein. „Wann genau findet die Hochzeitsfeier meiner Cousine Anne statt?“
„Morgen Vormittag.“ Jetzt war es Churchward, der seufzte. Diese ganze Angelegenheit gefiel ihm nicht. Zu Beginn des Jahres hatte Lord William Selborne ihn rufen lassen, weil er im Sterben lag. Er hatte darauf bestanden, sein altes Testament um diesen ungewöhnlichen Zusatz zu erweitern. Churchward hatte wiederholt darauf hingewiesen, dass er die Bedingung für unnötig hielt. Doch der todkranke Earl hatte sich nicht umstimmen lassen. Er wollte auf jeden Fall verhindern, dass sein Sohn den Titel erbte, ohne die Verantwortung für Delaval zu übernehmen. Er hatte befürchtet, das Soldatenleben könne Robert mehr bedeuten als der Familienbesitz.
Sobald der Anwalt nach London zurückgekehrt war, hatte er eine dringende Mitteilung an Robert Selborne geschickt, der sich zu jenem Zeitpunkt irgendwo in Spanien aufhielt. Unglücklicherweise hatte der Brief sein Ziel nie erreicht. Einen Monat später hatte Churchward erneut geschrieben, denn es gab traurige Neuigkeiten: Lord William Selborne hatte die Influenza dahingerafft, und seine Gattin sowie seine Mutter waren ebenfalls schwer erkrankt.
Diese Botschaft hatte Robert erhalten. Der junge Mann hatte sofort seinen Abschied genommen und sich auf die Rückreise nach England gemacht. Dennoch vergingen mehrere Wochen, ehe er schließlich in London eintraf. Zu diesem Zeitpunkt waren auch seine Mutter und seine Großmutter schon lange begraben.
Die Nachricht traf Robert Selborne zwar nicht unvorbereitet, aber der Tod so vieler Angehöriger musste trotzdem ein Schock für ihn sein. Zusätzlich erschwert wurde seine Situation durch die Tatsache, dass es in Delaval unendlich viel zu tun gab, wenn man den ehemals blühenden und inzwischen völlig verwahrlosten Besitz wieder in Stand setzen wollte. Das wiederum war nur mit großen, kostenträchtigen Investitionen zu leisten. Und diese konnte der neue Earl nur vornehmen, wenn er über eine Menge Geld verfügte. Das aber würde nur dann der Fall sein, wenn er die Bedingung erfüllte, die sein Vater testamentarisch festgelegt hatte. Denn andernfalls würde das so dringend benötigte Barvermögen Roberts Cousin Ferdie Selborne zufallen.
„Ich muss morgen also eine Braut finden“, stellte der junge Lord fest. Das Lächeln, das um seinen Mund spielte, war bitter. „Vermutlich sollte ich mir Gedanken um meine Garderobe machen und vor allem versuchen, mich daran zu erinnern, wie ein echter Gentleman sich verhält. Ich war so lange im Krieg, dass ich vergessen habe, wie man sich bei den Damen beliebt macht.“ Er schüttelte den Kopf und stieß ein kurzes, freudloses Lachen aus. „Ich frage mich, welche Frau bereit ist, innerhalb von vier Wochen nach der ersten Begegnung mit ihrem Bräutigam vor den Traualtar zu treten. Papa hat, wie ich fürchte, nicht bedacht, welch umfangreiche Vorbereitungen eine Hochzeit erfordert.“
Der Anwalt atmete auf. „Sie haben sich also entschlossen, den letzten Willen des verstorbenen Earl zu erfüllen?“
„Mir bleibt offenbar keine andere Wahl … Wenn ich Delaval retten will, muss ich tun, was von mir verlangt wird. Sagen Sie, Churchward, haben Sie eine Idee, warum ich mich ausgerechnet mit einer jener Damen vermählen soll, die ich morgen bei meiner Cousine Anne treffen werde?“
„Ich denke, es hat damit zu tun, dass zu der Feier natürlich nur Freunde der Familie eingeladen sind. So kann sichergestellt werden, dass Sie eine passende Frau wählen.“
Robert lachte erneut auf. „Er hätte...