Cornelius | Der korsische Aufstand | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 336 Seiten

Cornelius Der korsische Aufstand


1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-7392-8801-7
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 336 Seiten

ISBN: 978-3-7392-8801-7
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Korsika, die Trauminsel im Mittelmeer, das Paradies für alle Naturliebhaber und Freunde unverfälschter Landschaften.... So beschreibt sie der Tourismusprospekt. Aber es ist auch eine Insel voller Blut, Leid und Tränen. Eine Insel der Vendetta, des Verrats, der Rache, einer Rache, die fortzeugend wieder Rache gebiert, neues Blut verströmt und neue Tränen vergießt. Dieses Buch beschreibt ein Drama, das abläuft vor dem Hintergrund der korsischen Freiheitskriege des 18. Jahrhunderts und der nationalistischen Revolten im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts bis heute. Es ist ein Buch überfließender Leidenschaften und staatlicher Fehlreaktionen, die zu nichts anderem hinführen konnten als in die Tragödie. Es ist auch ein Buch über eine europäische Dekadenz. Und dennoch gibt es auch in diesem Roman Liebe, Schönheit und ein Stück Hoffnung. Das Buch beschreibt die Großartigkeit korsischer Landschaften und den Freiheitskampf des Menschen.

Wolfgang Cornelius reiste nicht nur viel auf die Insel Korsika, sondern hatte zeitweilig dort auch seinen Wohnsitz. So schöpft er aus eigenem Erleben und vielen Gesprächen mit Einheimischen, aber nicht nur das. Literatur und Presseveröffentlichungen vermitteln vertieftes Hintergrundwissen und schaffen trotz der Fiktion eines Romans einen starken Realitätsbezug. Alle verwendeten Quellen sind im Register angegeben.

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2. Kapitel
Ulrich Krangels Lebensgeschichte Ich, Ulrich Krangel, bin ohne Vater aufgewachsen aber das hat mich selten gestört. Ich kenne weder seinen Namen, weiß nicht, wie er aussieht, noch, ob er überhaupt noch lebte, während ich eine unbeschwerte Kindheit an der Seite meiner Mama durchlebte. Unbeschwert, wenn man von den Kriegsereignissen dieser Jahre absah. Meine Mutter redete nicht über meinen Vater. Als ich, in einige Jahre gekommen, anfing, Fragen zu stellen, wich sie immer aus, so dass ich das Fragen bald wieder einstellte. Dass ich den gleichen Familiennamen trug, wie Mama und Großmama, unterschied mich nicht von anderen Kindern. Roseau hatte er geheißen, der Name meiner Kindheit, Ulrich Roseau. Deutschsprachige Kinder nannten mich Halm. Mama nannte mich Röhrchen. Auch sie war deutschsprachig, wie die Großmutter. Der Name kam vom Großvater, Franzose. Aber der war schon tot, als ich anfing, das Leben bewusst wahrzunehmen. Als es vorbei war mit der Deutschsprachigkeit im Elsass, zog Mama ins Badische. Nicht gleich. Großmama hielt sie noch ein Jahr in Kaysersberg. Dann ließen wir ein Grab zurück und nahmen Erinnerungen mit über den Rhein. Freiburg, Sautierstraße. Unverputztes Haus, aus Bauschuttziegeln wieder aufgemauert. Sozialer Wohnungsbau, kleine Wohnung. Die Wenigsten sprachen die Straße französisch. Für die meisten war sie ein Schweinevieh. Aber dort trat Krangel in mein Leben, der mir einen neuen Namen gab. Erstes Kino nach dem Kriege. Ich weiß nicht mehr, wie der Kinderfilm hieß, in den mich Mama mit gönnerhafter Miene mitnahm. Wo ich doch jetzt bald in die Schule kommen würde, sagte sie. Danach Eisdiele. Am Nachbartisch ein sommersprossiges Mädelchen mit langen Zöpfen und hellblauen Schleifen. Blonde, ins rötliche schimmernde Haare. Sie spielte mit einer Puppe. Und über die Puppe krabbelte ein Käfer. Ein länglicher Käfer mit grünlich und golden schimmerndem Panzer und drahtdünnen gewinkelten Beinchen, mehr als körperlangen Fühlern. Ich griff nach dem Käfer. Aber das Mädele zerrte meine geschlossene Faust auseinander und nahm den Käfer an sich. Dann krabbelte der Käfer von ihrer Hand auf meine Hand und wieder zurück. Von ihr wieder zu mir. Da lachte das Mädelchen. Ich weiß nicht mehr, wie lange der Käfer über unsere Hände gekrabbelt war. Aber plötzlich bemerkte ich, dass dem Käfer ein Bein fehlte. Es steckte zwischen Zeige- und Mittelfinger meiner Hand. Ich nahm mit spitzen Fingern der anderen Hand das Beinchen auf und hielt es in die Höhe. Da schrie das Mädele auf und schubste mich weg. Auf meinem Stuhl am anderen Tisch aber saß ein Mann. Ein Mann mit Schnurrbart, kariertem Hemd, brauner Wolljacke und grauer Hose. Überbleibsel einer Wehrmachtsuniform. Es war Krangel. Mama war sichtlich verlegen und nestelte immer an einem mit Spitzen eingefassten Taschentuch. Die Geschichte entwickelte sich so, dass wir umzogen. Mama und ich. Und Krangel. In eine gemeinsame Wohnung. Es gab eine Hochzeit und den ersten Gänsebraten in meinem jungen Leben. Ich weiß noch, dass mir ganz schlecht wurde von dem Fett in diesem dürren Reichsmarkjahr im Breisgau. Und das, obwohl Mama sorgfältig mit dem Löffel alles Fett abgeschöpft und in einer Schüssel gesammelt hatte, um wochenlang noch damit zu kochen und ungewohnte Schmackhaftigkeit ans Essen zu bringen. Als ich den neuen Namen verliehen bekam, war das erste Schuljahr fast zu Ende. In den Ferien zog die neue Familie nach Bayern und dort kannte keiner den alten. Es gab keine dummen Fragen zu beantworten. Dass Krangel ein so genannter „Organisierer“, ein „Schwarzhändler“ war, merkte ich erst nach und nach und in der vollen Bedeutung erst, als es längst vorbei war. Wie sollte ich auch, ich war ja damals noch ein Kind. In der Freiburger ehelichen Wohnung stapelten sich, meist im Flur offen, manchmal versteckt hinterm Vorhang merkwürdige Dinge: Schlafsäcke, Zeltbahnen, Essgeschirre, Soldatenstiefel aus US-Army- oder Wehrmachtsbeständen. Silberbestecke von WMF, Geigenkästen mit Violinen drin (hinterm Vorhang, weil „organisiert“), Armbanduhren, elektrische Heizsonnen, Kaffeedosen, Waffeleisen, Flakons mit verführerischen Düften und Puppen mit Käthe-Kruse-Köpfen aus Keramik, richtige Mädchenpuppen. Die Sachen kamen und verschwanden wieder. Das wichtigste aber waren die Pakete mit der „Stangenwährung“, wie Krangel sich ausdrückte. Die waren im Schlafzimmer im Kleiderschrank versteckt. Krangel zeigte mir mal seine „Stangen“. Am meisten interessierte mich das rotgoldene Kamel auf den Stangen. Auf anderen entzifferte ich, orthografisch nicht ganz korrekt, mit meinen noch im Stadium des Entstehens befindlichen Lesekenntnissen den Schriftzug „Luken Stricke“ (Luky Strike). Dafür könne man heutzutage alles bekommen, was man brauche, erklärte mir Krangel. Mama hatte, es war noch in der Sautierstraße, auf einer alten Nähmaschine mit Fußpedalantrieb Büstenhalter genäht. Französischer Chic hatte sie gesagt und wurde ganz seltsam verlegen dabei. Damit zog sie auf die Dörfer und tauschte sie gegen Viktualien. Offiziell war das verboten, aber sie passte immer auf und wurde nie erwischt von der französischen Militärpolizei. Obst, Gemüse, Eier, seltener gab es ein Stück Geräuchertes dafür. Krangel tauschte dann die „Pariser Dessous“ gegen Wein. Nur beste Lagen des Markgräfler Landes. Als Krangel in unser Leben getreten war, hatte die Not ein Ende. Denn er verschaffte uns zusätzliche Lebensmittelkarten auf Schleichwegen in den Amtsstuben der einschlägigen Behörden. Mit dem Umzug nach Bayern war dann alles vorbei, das „Organisieren“ und „Abstauben“, das vorsichtige um sich blicken auf den Bahnhöfen, das umsichtige Entwickeln und Pflegen von Beziehungen in Amtsstuben, die die verbreitete Not ein wenig zu lindern wussten. Der Umzug kam überraschend, fast würde ich sagen überstürzt, in Eile, fluchtartig. Es musste vorher etwas schief gelaufen sein, beim „Organisieren“. Mit der D-Mark aber waren die Läden voll, über Nacht, gab es plötzlich alles zu kaufen – offiziell. Der Schwarzmarkt war zusammengebrochen. Krangel warf kartonweise seine Ware in die Mülltonnen und nahm ehrliche Arbeit an. Krangel hatte Arbeit in einer Schlosserwerkstatt in Augsburg. Er zeigte mir einmal schmiedeeiserne Fenstergitter, die er angefertigt hatte. Deutschland erhob sich wie ein Phönix aus der Asche, in die es sich selbstverschuldet geworfen hatte, erhob sich aus dem Dreck. Die Ehe zwischen Krangel und Mama floss so in die Jahre, hatte weder Höhen noch Tiefen noch Kinder. Vielleicht war es mein Glück, dass Krangel keine eigenen Kinder bekam, so wandten sich alle seine väterlichen Gefühle mir zu. Er zeigte mir, wie man Eisen schmiedet, welche Bohrer man für welches Material benötigt, wie man schweißt. Am Wochenende machten wir von unserer Wohnung in Haunstetten aus lange Spaziergänge in die Lechauen oder über den Hochablass hinüber, oder in den Siebentischwald, an den Lechkanälen entlang. Als ich die Volksschule abgeschlossen hatte, gab es wieder einen Umzug. Nach München. Ich begann eine Lehre als Kraftfahrzeugmechaniker bei der Mahag in der Schleibingerstraße, Stadtteil Giesing. Dreizimmerneubauwohnung am Rande eines Ruinenfeldes. Krangel, der ja eigentlich gelernter Schlosser war. traute sich plötzlich zu, Autos zu reparieren. Nicht bei der Mahag, aber gleich nebenan. Auf dem Ruinenfeld, an dessen Rand unsere Wohnung lag. „Unfallinstandsetzung“ stand auf dem Schild an einer Ruinenwand. Uns kleiner darunter „J. Krangel, alle Marken“. Die Ruine hatte keine Decke und auch kein eigentliches Dach. Aber auf halber Höhe des Obergeschoßes war ein Behelfsdach eingezogen worden. Aus alten Balken, die den Bombenkrieg unverbrannt überstanden hatten und einer Blechabdeckung. So entstand eine kleine Werkhalle von anderthalbfacher Zimmerhöhe- Ein quietschendes grün gestrichenes Eisentor, mit einem Vorhängeschloss abschließbar, verschaffte Zutritt und Zufahrt, auch für höhere Fahrzeuge. Krangel hatte eigenhändig, obwohl nur im Mieterstand, unterm Fußboden des nicht unterkellerten Hauses eine Grube ausgehoben. So kam er auch von unten an die Havarieautos heran. Krangel war geschickt. Das erlaubte ihm, billig zu arbeiten. So bekam er rasch Zulauf und Aufträge und nach einem guten Jahr konnte er sogar einen Gehilfen einstellen. Ich verbrachte meine Feierabende gerne in Krangels Werkstätte und erlernte bei ihm fast mehr an handwerklichen Fähigkeiten als bei meiner eigentlichen Lehre. Dann passierte das Unglück. Als in Krangels Werkstatt eine Gasflasche explodierte und Krangel dabei ums Leben kam, sah ich meine Mama zum ersten Mal weinen. Ich war im dritten Lehrjahr und verdiente ein paar Kröten. Krangel hinterließ ein bisschen Erspartes und eine Witwenrente. Wir schlugen uns so durch. Mama hatte gerade die Mitte Dreißig erreicht. Sie blieb nicht...



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