Coriell | Heartbeats - Meine Zeit mit Dir | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 400 Seiten

Coriell Heartbeats - Meine Zeit mit Dir

Roman
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-10-402260-4
Verlag: S.Fischer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, 400 Seiten

ISBN: 978-3-10-402260-4
Verlag: S.Fischer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Großes Herz auf Sendung - Eine Liebegeschichte, die gleichermaßen verzaubert und berührt. Chloe hat eine riesengroße Sammlung Second-Hand Pumps und immer ein paar Lakritzschnüre für den Notfall in ihrer Handtasche. Trotzdem ist sie unglücklich. Von ihren besten Freundinnen gemobbt und zuhause stets verbalen Gefechten ausgesetzt, ist aus der immer fröhlichen Chloe plötzlich eine echte 'Außenseiterin' geworden. Und weil der Ärger, wenn er kommt, dicke kommt, wurde sie von ihrer Lehrerin auch noch dazu verdonnert, sich für das kränkelnde Schulradio einzusetzen. Das wird gleich von einem ganzen Haufen freakiger 'Außenseiter' gemacht - und nicht mal die wollen Chloe zu Beginn bei sich haben. Außer einer ... Duncan. Dank des brummigen Jungen mit den schönen Augen, lässt Chloe sich auf die Sache ein - und es wird ihr Leben verändern. Aber nicht nur ihres ...

Shelley Coriell lebt mit ihrer Familie und dem anhänglichsten Weimaraner-Hund der Welt in Arizona. Wenn sie mal nicht schreibt, backt sie kalorienreiche Torten oder gibt Schreibkurse.
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1


Ich war für mein Leben gern ein Burrito.

Nicht das Kostüm begeisterte mich. Das bestand aus einer ekligen knöchellangen beigen Schaumstoffröhre mit kratzigen Trägern. Nein, ich genoss den Auftritt, den physischen Akt des »Burrito-Seins« oder, genauer gesagt, ich liebte es, Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen. Und ich war gut darin.

Es war der letzte Sonntag der Weihnachtsferien, und ich stand in vollem Burrito-Outfit an der Ecke Palo Brea und Seventh Street. Die herrliche Wintersonne – eine Kreation der glücklichen Götter, die über Südkalifornien walten dürfen – schien auf mich herab. Ich winkte allen Autofahrern zu. Mal warf ich den Vorbeifahrenden eine Kusshand zu. Mal verteilte ich Gutscheine für das mexikanische Restaurant Dos Hermanas an sie. Und manchmal führte ich auch einen Burrito-Shuffle-Dance auf, und das in meinen supersexy Peeptoe-Swing-Heels.

Eine Vespa-Fahrerin hielt knatternd direkt neben mir. »Schöne Schuhe. Sind das Originale?«

Ich gab ihr einen Gutschein und schob anmutig den rechten Fuß nach vorn. »Aber sicher! Original von 1942

»Ebay?«

»Nope. Die hab ich aus einem Vintage-Laden an der Calle Bonita, ganz in der Nähe von Minnies Seniorenwohnheim. Eine echte Fundgrube!«

»Mjam!« Die Ampel sprang um. Das Vespa-Mädel winkte und fuhr grün vor Neid davon.

Meine silbernen Schnallen funkelten im Sonnenlicht. Ich fand es total romantisch, Schuhe zu tragen, die schon ganz andere Zeiten und Orte durchlaufen hatten, und Leder, das mehr als ein halbes Jahrhundert überlebt hatte, nötigte mir Bewunderung ab. Was für Geschichten diese Schuhe erzählen könnten, wenn sie nur eine andere Art von Zunge hätten!

Ich ging zur Straßenecke, um die letzten beiden Gutscheine zu verteilen, wirbelte dann jedoch herum, als wollte ich eine Burrito-Pirouette drehen: Ein perlweißer BMW-Cabrio hielt auf der Abbiegerspur, und am Steuer saß meine beste Freundin Brie Sonderby. Ich hatte Brie und auch Mercedes, die Dritte in unserem Bunde, seit ungefähr drei Wochen nicht gesehen, seit dem Mistelzweigball, dem besten Abend meines Lebens. Dummerweise war unmittelbar auf diesen besten Abend der schlimmste Tag meines Lebens gefolgt, als bei uns zu Hause der Dritte Weltkrieg ausgebrochen war.

Fest stand: Wenn das Leben plötzlich eine höllische Wendung nahm, brauchte man beste Freundinnen. Umso entsetzlicher war es für mich gewesen, dass ich die kompletten Weihnachtsferien ohne meine Freundinnen auskommen musste, denn Brie war mit ihren Eltern zum Skifahren nach Chamonix gefahren und Merce hatte sich an der Ostküste Eliteunis angesehen. Hier und heute nun beugte sich Brie über den Beifahrersitz ihres BMW, um auf dem Boden verstreute Papiere aufzusammeln.

»Sieht so aus, als könntest du Hilfe von einem Burrito in sexy Schuhen gebrauchen«, sagte ich.

Als sie den Kopf hob, blieb mir fast die Luft weg. Brie war nicht nur die beste Freundin, sondern auch einer der schönsten Menschen auf dem Planeten Erde, was auf heute allerdings nicht zutraf. »Was ist passiert?«, fragte ich.

Ihre Finger krümmten sich um die Papiere wie tote, ausgebleichte Korallen. »Nichts.«

Soso. Ihre Lippen hatten die Farbe und Beschaffenheit von Rinderhack, als ob sie die letzten drei Wochen darauf herumgekaut hätte. Sie sah fast so schlimm aus wie Mercedes im letzten Jahr, kurz nachdem ihre Mutter an Krebs gestorben war.

Ich nahm Bries Hand – sie war kalt wie ein Eisklotz. »Was ist los? Ist in Frankreich irgendwas passiert? Mit dir? Oder mit deiner Mom?« Ich drückte ihre Finger und wärmte sie. »Hey, Sonnenschein, rede mit mir! Ich bin’s, Chloe!«

Brie entriss mir ihre Hand. »Du bist der letzte Mensch, mit dem ich reden möchte.«

Ich stützte mich an der Autotür ab. »Gut, okay. Du brauchst ein bisschen Ruhe. Halt vor dem Dos Hermanas an und lass mich weiterfahren. Wir holen Merce ab, besorgen uns Twizzlers und …«

»Sei still, Chloe. Halt! Einfach! Mal! Die! Klappe!« Bei jedem Wort schlug sie aufs Steuer.

Ich trat einen Schritt zurück, und mein Absatz versank in einem Loch im Asphalt.

Brie presste die geballten Fäuste an die Stirn, und ihr sonst wunderschönes goldblondes Haar fiel in einem stumpfen, knotigen Wirrwarr um ihr Gesicht. »Geh weg. Ich ertrag dich grad einfach nicht.«

Ich hatte keine Ahnung, was los war, aber irgendwas stimmte hier hinten und vorne nicht. »Hab ich was falsch gemacht?«, fragte ich sanft und völlig verwirrt.

»Du?« Ein merkwürdiger Laut – halb Schluchzen, halb Lachen – kam über die neuerdings wie Rinderhack aussehenden Lippen meiner besten Freundin. »Ist dir schon mal in den Sinn gekommen, dass die Welt sich nicht nur um dich dreht, Chloe?«

»Ich …« Ich wusste nicht, was ich darauf anderes erwidern sollte als: Wer bist du und was hast du mit meiner besten Freundin gemacht?

Die Ampel sprang auf Grün um. Brie setzte sich auf und warf mir einen frostig-funkelnden Blick zu. »Manchmal bist du so egozentrisch, dass es echt nicht zum Aushalten ist!«, schimpfte sie, dann trat sie das Gaspedal durch und hüllte meine Peeptoe-Swing-Heels in eine dichte Abgaswolke.

Während der BMW mit quietschenden Reifen um die Ecke bog, fielen mir die letzten Gutscheine aus der Hand. Was, bitte schön, war denn das gewesen? war das gewesen? Und womit hatte ich diese Behandlung verdient?«

»Hey, Burrito-Wurst, mach, dass du aus dem Weg kommst! Wird’s bald?« Ein Typ in einem blauen Lieferwagen streckte den Kopf aus dem Fenster und hielt drohend die Faust hoch.

Unter meinem Burrito-Kostüm staute sich plötzlich eine üble Hitze. Ich torkelte auf wackligen Beinen zum Dos Hermanas. In meiner Welt ging irgendetwas Seltsames vor, und ich brauchte eine Erklärung dafür. Denn es musste selbstverständlich eine Erklärung dafür geben, dass meine beste Freundin sich auf einmal aufführte, als wäre sie vom Rinderwahnsinn befallen.

Als ich das mexikanische Restaurant betrat, sog ich die Luft ein; es roch nach gerösteten Chilis mit einem Spritzer Limette. Der Duft beruhigte mich ebenso wie der Anblick von Larry, Moe und Rizardo, den drei riesigen Pappmachépapageien über der Salsasaucentheke. Alles in diesem winzigen Restaurant war schrill, laut und fröhlich, scharf und frech. Ich fand’s großartig, genauso wie die beiden Schwestern, die es führten. Vor zwanzig Jahren haben Ana und Josie ein staubiges armes Kaff in Sonora, Mexiko, verlassen und auf der Suche nach Schuhen und einem besseren Leben barfuß die Wüste durchquert.

»Hey, Rojita, war Telefon für dich.« Josie reichte mir ein Stück gezacktes braunes Papier, wie es aus Papierhandtuchspendern rauskommt. »Klang ganz schön – wie man sagt? Sauer.«

Auf dem Papierhandtuch stand:

»Hast du Problem in Schule?«, fragte Josie.

Ich steckte den Zettel in die Tasche meines Burrito-Kostüms. »Nein.« Ich hatte keinen Schimmer, wer A. Lungren war, und ehrlich gesagt war mir ihr Notfall ziemlich egal. Ich hatte meinen eigenen Notfall.

Was war mit meiner besten Freundin los, und warum fühlte es sich an, als hätte sie mir einen brennenden Pfeil mitten in die Brust gerammt?

Ich war für die Liebe begabt, nicht fürs Streiten.

Wenn ein Wort das andere gab und die Gefühle hochkochten, konnten sowohl meine Freunde als auch meine Familie sich stets darauf verlassen, dass ich einen guten Spruch oder einen kleinen Scherz zur rechten Zeit anbrachte. Heute jedoch nicht. Nicht nach meiner Begegnung mit dieser wütenden Zombiefrau, die sich als meine Freundin verkleidet hatte. Ich öffnete leise die Haustür, schlüpfte hinein und duckte mich, um eventuell herumfliegenden Wurfgeschossen auszuweichen.

»Du hörst mir überhaupt nicht zu!«, hörte ich Grams im angrenzenden Wohnzimmer schreien.

»Wenn du so kreischst, kann ich dich auch nicht verstehen!« Mom.

Der brennende Schmerz in meiner Brust strahlte immer weiter aus. So ging es nun schon seit dem Tag nach dem Mistelzweigball zwischen Grams und Mom. Und ich hatte keine Chance, Frieden zwischen ihnen zu stiften. Rasch zog ich meine Swing Heels aus, lief auf Zehenspitzen über den Marmorfußboden in der Diele, huschte die Wendeltreppe hoch und verschwand im schwarzen Loch. Das obere Stockwerk meines Elternhauses war kalt, dunkel und seit fünf Monaten frei von jeglicher lebenden Materie. Mich ausgenommen.

Ich ging schnurstracks in mein Zimmer, um Mercedes anzurufen, die Dritte in unserem Triumvirat. Mercedes und ich haben uns gleich in der ersten Woche der sechsten Klasse der Middleschool angefreundet, als sie mich durch tägliche Nachhilfe aus den gefährlichen Stromschnellen des Matheunterrichts gerettet hat. Ich ahnte damals nicht, dass Merce eine totale Außenseiterin war. Alles, was mich interessierte, war, dass sie klug genug war, um mir zu einer Zwei in Algebra zu verhelfen, und dass sie über meine Witze lachte. Ich hatte noch eine Million Freunde aus der Grundschule, aber Merce schloss ich ganz besonders in mein Herz. Sie gehörte zu den Mädchen, die ihre große Pause mit dem Mathebuch verbrachten, sie war allein und brauchte dringend eine Freundin. Ein Jahr später zog Brie nach Tierra del Rey und vervollständigte unser Trio. Ich weiß auch nicht, warum die mega-beliebte Brie sich ausgerechnet zu uns hingezogen fühlte. Vielleicht weil wir uns so gut ergänzten. Brie war die Schöne, Mercedes das Superhirn und ich diejenige mit der großen Klappe. Zusammen ergaben wir ein abgerundetes...


Coriell, Shelley
Shelley Coriell lebt mit ihrer Familie und dem anhänglichsten Weimaraner-Hund der Welt in Arizona. Wenn sie mal nicht schreibt, backt sie kalorienreiche Torten oder gibt Schreibkurse.

Schmitz, Birgit
Birgit Schmitz hat Theater- und Literaturwissenschaften studiert und arbeitete einige Jahre als Dramaturgin. Heute lebt sie als Literaturübersetzerin, Texterin und Lektorin in Frankfurt am Main.

Shelley CoriellShelley Coriell lebt mit ihrer Familie und dem anhänglichsten Weimaraner-Hund der Welt in Arizona. Wenn sie mal nicht schreibt, backt sie kalorienreiche Torten oder gibt Schreibkurse.
Birgit SchmitzBirgit Schmitz hat Theater- und Literaturwissenschaften studiert und arbeitete einige Jahre als Dramaturgin. Heute lebt sie als Literaturübersetzerin, Texterin und Lektorin in Frankfurt am Main.

Shelley Coriell lebt mit ihrer Familie und dem anhänglichsten Weimaraner-Hund der Welt in Arizona. Wenn sie mal nicht schreibt, backt sie kalorienreiche Torten oder gibt Schreibkurse.
Birgit Schmitz hat Theater- und Literaturwissenschaften studiert und arbeitete einige Jahre als Dramaturgin. Heute lebt sie als Literaturübersetzerin, Texterin und Lektorin in Frankfurt am Main.



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