Cooper | Die Zeit der Rose | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 1, 384 Seiten

Reihe: Heather Cooper

Cooper Die Zeit der Rose

Roman
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-641-20542-3
Verlag: Goldmann
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, Band 1, 384 Seiten

Reihe: Heather Cooper

ISBN: 978-3-641-20542-3
Verlag: Goldmann
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Als 1862 die Eisenbahn Einzug auf der verschlafenen Isle of Wight hält, verspricht das moderne Transportmittel Abenteuer und neue Möglichkeiten. Aber die Inselbewohner halten an alten Werten fest - so auch die Familie Stanhope. Es ist höchste Zeit, eine gute Partie für die jüngste Tochter Eveline zu finden. Denn sie hat ihre eigenen Vorstellungen vom Leben, lernt lieber fotografieren und schwimmen, als die vornehme Dame zu spielen. Auch das Elend der Arbeiterschicht, das sie durch den Bau der Schienen kennenlernt, lässt sie nicht los. Doch der smarte und attraktive Chefingenieur Thomas Armitage will nichts von ihren Beschwerden wissen ...

Heather Cooper wuchs im Norden Englands auf. Sie hat zwei erwachsene Kinder und lebt auf der Isle of Wight. 'Die Zeit der Rose' ist ihr erster Roman.
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Kapitel 1

Eveline kommt zu spät zum Lunch

Eveline unternahm nun schon den dritten Versuch, die Szene vor ihren Augen zu skizzieren: die große Zeder, die grauen Mauern, die den Garten umschlossen, das Dächergewirr, das sich zum Strand hinabzog, das Meer dahinter. Die beiden Zeichnungen, die sie bereits angefertigt hatte – und die es nicht vermochten, die majestätische Pracht des Baums und die glitzernde Wasseroberfläche einzufangen –, hatte sie achtlos aus dem Schoß fallen lassen; die dritte wanderte nun hinterher. Irgendwie gelang es ihr nicht, ihren Skizzen Leben einzuhauchen. Sie wandte sich wieder ihrem Buch zu und rief sich in Erinnerung, dass sie jeden Tag ein paar Gedichtzeilen auswendig lernen wollte. Sie murmelte jene, die sie sich für heute vorgenommen hatte.

Zu beiden Seiten des Flusses wiegen sich

Gerste und Roggen, schier unermesslich.

Die Wärme dieses Frühlingstags, der ferne Rhythmus der Meereswellen und die einschläfernde Wirkung der Worte führten allerdings dazu, dass ihr die Augen zufielen. Das Buch glitt aus ihrem Schoß, um sie bei der Landung neben den zerknüllten Skizzen unten im Gras wieder hochschrecken zu lassen. Da sie etwa vier Meter über dem Boden auf dem dicken Ast einer Buche hockte, blieb ihr nichts anderes übrig, als auf dem üblichen Weg hinabzuklettern, um sich das Buch und ihre dilettantischen Skizzen wiederzuholen. Dazu musste sie sich auf die Mauer hinablassen, die den Rosengarten umschloss, dann auf den alten Schuppen – ganz vorsichtig, um nicht auf die Glasscheibe im Dach zu treten – und schließlich auf eine umgedrehte Schubkarre. Als sie unten war, hatte sie mit einem Mal das Gefühl, dass man im Haus vielleicht auf sie wartete. Kaum hatte sich ihr Gewissen geregt, hörte sie auch schon den vertrauten Klang des Glöckchens, das zum Lunch rief. Mit einem Seufzer der Verzweiflung, die eher mit diesem unbefriedigenden Morgen als mit der Unterbrechung zu tun hatte, schlüpfte sie durch die niedrige Tür in der Mauer, stieg die Treppe zum Rasen hinauf und ging über die Terrasse zum Haus.

Im Innern herrschte rege Betriebsamkeit. Eveline vernahm die Stimmen ihrer Mutter und ihrer Schwestern, als sie das Speisezimmer betrat. Es war eine lebhafte Diskussion darüber entbrannt, ob zum morgigen Dinner eine kalte Suppe gereicht werden solle und ob man so kurzfristig noch Ananas bekomme könne und falls ja, wie sie zuzubereiten sei. Ihre beiden Schwäger debattierten hitzig über die Vorzüge und Schwächen zweier Kutschpferde, die Arthur kürzlich erworben hatte, weil sie seiner Frau sofort ans Herz gewachsen waren, während Bevis den Verdacht hegte, dass der Kauf keineswegs ein so gutes Geschäft war, wie Arthur es darstellte. Daisy und Kitty hatten etwas zu tuscheln, und Miss Angell versuchte, den sechsjährigen Henry dazu zu bewegen, erst ein Butterbrot und ein bisschen kaltes Huhn zu essen, bevor er sich Hoffnungen auf eine Portion von dem Trifle machen durfte, der bereits in all seiner verführerischen Pracht aus Englischer Creme, Biskuit, Kirschen, Sahne und Engelwurz auf der Anrichte stand.

»Eveline, endlich!« Ihre Mutter entdeckte ihre jüngste Tochter, als sie sich möglichst unauffällig neben Tante George niederlassen wollte. »Wo warst du nur?«

Da Eveline wusste, dass die Frage eher rhetorisch gemeint war, schwieg sie.

»Nun, heute gibt es kaltes Mittagessen, daher ist es nicht so schlimm. Aber dein Haar, Eveline, wirklich!«

Evelines Haare waren für ihre Mutter Anlass zu stetem Kummer. Mrs Stanhope war in ihrer Jugend berühmt gewesen für ihre blonden Löckchen, die ihr herzförmiges Gesicht so anmutig einrahmten. Mittlerweile war die Farbe ein wenig verblasst, und in das Gold, das unter ihrer Haube hervorlugte, hatten sich silberne Fäden geschlichen. Aber selbst in der Mitte ihres Lebens war sie noch eine bemerkenswert schöne Frau. Die beiden älteren Töchter hatten ihr Aussehen im Wesentlichen geerbt. Besonders Louisa war so hübsch wie ihre Mutter einst, während Beatrice keine Schönheit im eigentlichen Sinne war, aber sich durch schmale weiße Schultern und einen Rosenmund auszeichnete. Eveline hingegen kam ganz nach ihrem Vater. Einen Kopf größer als ihre Mutter und ihre Schwestern hatte sie dunkle widerspenstige Locken, die sich jedem Bändigungsversuch entzogen, und markante Gesichtszüge: einen breiten Mund, eine gerade Nase und dichte Augenbrauen. Seit ihrem zwölften Lebensjahr war ihr leidvoll bewusst, eine Enttäuschung für ihre Mutter zu sein, und gelegentlich fühlte sie sich immer noch unangenehm plump neben ihren Schwestern. Andererseits war sie seit Jahren fest gewillt, sich nicht mehr daran zu stören, und empfand es sogar fast als Erleichterung, keine Schönheit zu sein. Sie erwartete erst gar keine Komplimente, musste nicht stundenlang mit schmerzhaft über Stofflappen festgezurrten Haaren herumlaufen und hatte auch keine Bedenken, ohne Sonnenschutz hinauszugehen. Das verschaffte ihr eine Freiheit, die sie niemals gegen die Angst ihrer Schwestern um ihre Porzellanhaut und ihr weiches, glänzendes Haar hätte eintauschen mögen.

»Deine Mutter ist ein wenig besorgt wegen des morgigen Dinners, mein Schatz«, sagte ihre Tante leise.

»Natürlich. Kein Problem, Tante George. Obwohl ich gar nicht weiß, wieso Mama sich so aufregt. Normalerweise liebt sie es doch, zum Dinner zu laden.«

»Vermutlich macht sie sich Gedanken wegen der Zusammensetzung der Gäste«, sagte ihre Tante zögernd. »Sie hat auch Mr Watson eingeladen und den jungen Mann, der für ihn arbeitet. Jetzt hat sie Bedenken, dass es den Sandhams nicht passen könnte, mit den beiden an einem Tisch zu sitzen.«

»Wir leben in einer kleinen Stadt, Tante George, da laufen sich ohnehin alle über den Weg! Und so wichtig sind die Sandhams nun auch wieder nicht.«

»Sie sind große Fische in unserem kleinen Teich, mein Schatz, und das wissen sie auch. Ich persönlich fühle mich in Gesellschaft von Mr Watson wohler. Er ist ein feinfühliger Mann und hat viel von der Welt gesehen, was man von Augusta Sandham nicht gerade behaupten kann. Ihr Horizont wird von den dicken Mauern um ihr Anwesen begrenzt.«

Eveline seufzte. »Da geht es mir nicht anders, Tante George.«

Ihre Tante warf ihr einen ernsten Blick zu. »Jeder, der viel liest, ist ein Bürger der Welt, mein Schatz. Und das tust du doch.«

»Ich lese furchtbar gerne, das stimmt. Aber das reicht mir nicht. Das kann nicht alles sein. Ich habe so wenig von der Welt gesehen und komme kaum aus unserem Städtchen heraus. Und wenn, geht es immer nur darum, Leute zu besuchen, die ich schon längst kenne. Sie wohnen in ähnlichen Häusern wie wir und essen das Gleiche, und nach dem Essen hören sie dieselbe Musik, und … Ach, das ist alles so einengend!«

»Dann musst du halt auf eigene Faust Abenteuer unternehmen, meine Liebe«, sagte ihre Tante ruhig und wandte ihre Aufmerksamkeit wieder Miss Angell, Henry und dem Trifle zu.

Evelines Plan, sich für den Rest des Tages ihren Büchern zu widmen, wurde von ihrer Mutter vereitelt. Für das morgige Dinner war noch viel zu erledigen, und ihre Mutter bat sie, mit ihr die Liste der Speisen durchzugehen, die bestellt und vorbereitet werden mussten. Außerdem sollte sie die Blumen auswählen.

»Die Rosen blühen noch kaum, aber der weiße Flieder wäre perfekt. Und vielleicht Primeln für den Tisch?«

»Soll ich schnell in den Garten gehen und sie pflücken?«, fragte Eveline, die schon die Gelegenheit witterte, sich zurückzuziehen.

»Nein, morgen früh wäre besser. Außerdem brauche ich dich jetzt, um die Sitzordnung zu besprechen. Können wir es wagen, Mr Watson neben Lady Sandham zu setzen? Oder wäre das ein Affront?«

»Ich sehe nicht, wie es ein Affront sein könnte, neben einem so klugen und interessanten Mann zu sitzen.«

Ihre Mutter sah sie unwillig an. »Das weißt du ganz genau, Evie. Mr Watson ist Direktor der Eisenbahngesellschaft und hat sein Geld im Schiffsbau gemacht. Augusta Sandham hält es für entschieden unter ihrer Würde, sich mit Geschäftsleuten abzugeben. Nur sein Vermögen lässt es für sie akzeptabel erscheinen, sich überhaupt mit ihm an einen Tisch zu setzen. Außerdem hat er mich derart eindringlich darum gebeten, seinen jungen Freund mit einzuladen, dass ich ihm die Bitte nicht abschlagen mochte. Offenbar übt der Mann ebenfalls eine wichtige Tätigkeit bei der Eisenbahn aus.«

»Hat die Eisenbahn etwas mit Geschäften zu tun?«

»Schlimmer als das«, sagte ihre Mutter entschieden. »Außerdem soll die Eisenbahnstrecke am Park der Sandhams vorbeiführen. Das ist Ruhestörung und verschandelt ihre Aussicht.«

»Viele Menschen sind von der Strecke betroffen. Im Übrigen verdankt Arthur sein Vermögen ebenfalls Geschäften, und gegen den haben sie doch auch nichts einzuwenden, oder?«

»Das ist aber schon zwei Generationen her, und Arthur ist ein Gentleman, wie er im Buche steht. Mr Watsons jungen Freund habe ich zudem eingeladen, ohne ihn zu kennen, Evie. Wenn ich recht verstanden habe, kommt er aus dem Norden, aus Yorkshire oder irgendeinem anderen eiskalten, finsteren Ort. Der Himmel weiß, was Augusta über ihn denken wird. Sie wird sich aufs hohe Ross setzen, da kannst du dir sicher sein.«

»Dann platziere Lady Sandham doch neben Bevis, der wird sie schon bezirzen. Und wenn du Mr Watson neben Tante George setzt, wird der Abend sicher vergnüglicher für ihn.«

»Möchtest du die beiden verkuppeln, Evie? Mr Watson und deine Tante?«

»Natürlich nicht, Mama! Tante George würde niemals heiraten.«

»So alt ist sie doch noch gar nicht – nur ein paar...


Cooper, Heather
Heather Cooper wuchs im Norden Englands auf. Sie hat zwei erwachsene Kinder und lebt auf der Isle of Wight. »Die Zeit der Rose« ist ihr erster Roman.



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