E-Book, Deutsch, Band 3, 384 Seiten
Reihe: Ein Fall für Jack McEvoy
Connelly To¨dliches Muster
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-311-70322-8
Verlag: Kampa Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein neuer Fall fu¨r Jack McEvoy
E-Book, Deutsch, Band 3, 384 Seiten
Reihe: Ein Fall für Jack McEvoy
ISBN: 978-3-311-70322-8
Verlag: Kampa Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Michael Connelly ist mit über 89 Millionen verkauften Büchern in 45 Sprachen einer der US-amerikanischen Krimi-Superstars. 1956 geboren, wuchs er in Florida auf, wo er als Journalist arbeitete, bis ihn die Los Angeles Times als Gerichtsreporter in die Stadt holte, in der sein literarisches Idol Raymond Chandler seine Romane spielen ließ, was Connelly ihm später gleichtun sollte. Im Kampa Verlag erscheinen neben den Fällen des legendären Ermittlers Harry Bosch und der Nachtschicht-Detective Rene?e Ballard auch Connellys Romane mit Jack McEvoy und Michael »Mickey« Haller. Connelly lebt in Kalifornien und in Florida.
Weitere Infos & Material
2
Ich wohnte in der Woodman Avenue am Freeway 101. Es war eine Wohnanlage aus den achtziger Jahren im Cape-Cod-Stil, deren vierundzwanzig Einzelhäuser sich um einen rechteckigen Innenhof mit Gemeinschaftspool und Grillbereich gruppierten. Auch dort gab es eine Tiefgarage.
Die meisten Wohnanlagen in der Woodman hatten Namen wie Capri und Oak Crest und dergleichen. Meine war namenlos. Ich war vor eineinhalb Jahren dort eingezogen, nachdem ich die Eigentumswohnung verkauft hatte, die ich mit demselben Vorschuss für mein Buch gekauft hatte. Die Tantiemen fielen von Jahr zu Jahr spärlicher aus, und ich war gerade dabei, mein Leben so umzugestalten, dass ich mit meinem Gehalt bei FairWarning über die Runden kam. Die Umstellung fiel mir nicht leicht.
Als ich auf der abschüssigen Zufahrt zur Tiefgarage darauf wartete, dass das Tor hochging, sah ich am Fußgängertor der Anlage zwei Männer in Anzügen stehen. Einer war weiß und Mitte fünfzig, der andere zwanzig Jahre jünger und asiatischer Abstammung. Ein Windstoß fuhr in die Jacke des Asiaten und gab kurz den Blick auf die Dienstmarke an seinem Gürtel frei.
Ich schaute immer wieder in den Rückspiegel, als ich in die Garage fuhr. Sie folgten mir die Rampe hinunter. Ich parkte auf meinem Stellplatz und stellte den Motor ab. Bis ich mir meinen Rucksack geschnappt hatte und ausstieg, standen sie hinter dem Jeep und warteten.
»Jack McEvoy?«
Der Name stimmte, aber er sprach ihn falsch aus. Wie .
»Ja, McEvoy«, sagte ich und korrigierte ihn dabei. . »Was gibt’s?«
»Ich bin Detective Mattson, LAPD«, sagte der ältere von beiden. »Und das ist mein Partner, Detective Sakai. Wir hätten ein paar Fragen an Sie.«
Mattson öffnete sein Jackett, um mir zu zeigen, dass auch er eine Dienstmarke hatte – und die dazugehörige Pistole.
»Okay«, sagte ich. »Worüber?«
»Könnten wir in Ihre Wohnung raufgehen?«, fragte Mattson. »Dort sind wir wahrscheinlich etwas ungestörter als in der Tiefgarage.«
Er machte eine ausholende Armbewegung, als stünden überall Menschen herum, die uns zuhörten. Aber die Garage war leer.
»Wenn Sie meinen«, sagte ich. »Kommen Sie. Ich nehme normalerweise die Treppe, aber wenn Sie lieber mit dem Lift fahren, er ist da hinten.«
Ich deutete ans Ende der Garage. Mein Jeep stand in der Mitte, direkt gegenüber der Treppe, die in den Innenhof hinaufführte.
»Die Treppe ist völlig okay«, sagte Mattson.
Ich ging in diese Richtung los, und die Detectives folgten mir. Den ganzen Weg zur Wohnungstür überlegte ich fieberhaft, was ich beruflich getan hatte, um die Aufmerksamkeit des LAPD auf mich zu lenken. Die Reporter von FairWarning hatten zwar bei den Recherchen für ihre Berichte große Freiheiten, aber es gab eine grundsätzliche Arbeitsteilung, und in mein Ressort fielen jede Art von Bauernfängerei und kriminellem Betrug sowie Internet-Berichterstattung.
Ich begann, mich zu fragen, ob mein Artikel über Arthur Hathaway einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen den Schwindler in die Quere gekommen war und ob Mattson und Sakai mich bitten wollten, mit seiner Veröffentlichung noch zu warten. Aber kaum war mir diese Möglichkeit in den Sinn gekommen, tat ich sie auch schon wieder ab. Wäre das der Fall, wären sie in mein Büro gekommen, nicht zu mir nach Hause. Und das Ganze hätte mit einem Anruf begonnen, nicht mit einem persönlichen Besuch.
»Von welcher Abteilung sind Sie?«, fragte ich, als wir über den Innenhof zu Apartment 7 auf der anderen Seite des Swimmingpools gingen.
»Wir kommen aus Downtown.« Mattson hielt sich bedeckt, während sein Partner gar nichts sagte.
»Schon klar«, sagte ich. »Aber von welcher Abteilung genau?«
»Robbery-Homicide Division«, sagte Mattson.
Aktuell berichtete ich nicht über das LAPD, doch früher hatte ich es getan. Ich wusste, dass die Eliteeinheiten Downtown im Hauptquartier stationiert waren, und die RHD, wie sie kurz genannt wurde, war die Elitetruppe der Elite.
»Und worüber wollen Sie jetzt mit mir reden?«, fragte ich. »Über Raub oder Mord?«
»Gehen wir lieber erst rein, bevor wir anfangen«, sagte Mattson.
Ich erreichte meine Wohnungstür. Seine Nichtantwort deutete eher auf Mord hin. Der Schlüssel lag bereits in meiner Hand. Bevor ich die Tür aufschloss, drehte ich mich um und sah die zwei Männer hinter mir an.
»Mein Bruder war Mordermittler«, sagte ich.
»Tatsächlich?«, sagte Mattson.
»Beim LAPD?« Das kam von Sakai. Seine ersten Worte.
»Nein«, sagte ich. »Oben in Denver.«
»Nicht schlecht«, sagte Mattson. »Im Ruhestand?«
»So würde ich es nicht nennen«, sagte ich. »Er wurde im Dienst getötet.«
»Das tut mir leid«, sagte Mattson.
Ich nickte und drehte mich wieder um, um die Tür aufzuschließen. Ich verstand selbst nicht, warum ich meinen Bruder erwähnt hatte. Damit rückte ich sonst nicht so schnell heraus. Leute, die meine Bücher gelesen hatten, wussten es, aber ich ließ es nicht eben mal nebenbei in ein Gespräch einfließen. Es war vor langer Zeit in einem, wie es schien, anderen Leben passiert.
Ich öffnete die Tür, und wir gingen nach drinnen. Ich machte Licht. Meine Wohnung war eine der kleinsten in der Anlage. Das Erdgeschoss war nicht durch Wände unterteilt. Das Wohnzimmer ging in einen kleinen Essbereich über, der nur durch eine Theke mit einer Spüle von der Küche getrennt war. An der rechten Seitenwand führte eine Treppe ins Dachgeschoss hinauf, das mein Schlafzimmer war. Dort oben war auch das eigentliche Bad. Ein kleineres befand sich unter der Treppe im Erdgeschoss. Insgesamt weniger als neunzig Quadratmeter. Die Wohnung war sauber und ordentlich, aber das lag nur daran, dass sie spärlich möbliert war und wenig persönliche Noten aufwies. Den Esstisch hatte ich zu meinem Arbeitsplatz umfunktioniert. An seinem Kopfende stand ein Drucker. Alles war für die Arbeit an meinem nächsten Buch gedacht – und so war es schon seit meinem Einzug.
»Schöne Wohnung«, sagte Mattson. »Wohnen Sie schon lange hier?«
»Etwa eineinhalb Jahre«, sagte ich. »Aber dürfte ich vielleicht mal erfahren, worum es …«
»Setzen Sie sich doch erst mal auf die Couch da.«
Mattson deutete auf das Sofa, das so ausgerichtet war, dass man auf den Flachbildschirm an der Wand über dem Gaskamin sehen konnte, den ich nie anmachte.
Auf der anderen Seite des Couchtischs standen zwei Sessel, die mich wie die Couch schon jahrzehntelang in meinen alten Wohnungen begleitet hatten und entsprechend durchgesessen und abgenutzt waren. Meine schrumpfenden Finanzen spiegelten sich in meiner Unterkunft und meinem fahrbaren Untersatz wider.
Mattson inspizierte die zwei Sessel, entschied sich für den, der am saubersten aussah, und setzte sich. Sakai, der Stoiker, blieb stehen.
»Also, Jack«, begann Mattson. »Wir ermitteln in einem Mordfall, in dem Ihr Name aufgetaucht ist. Deshalb sind wir hier. Wir haben …«
»Wer wurde umgebracht?«, fragte ich.
»Eine gewisse Christina Portrero. Sagt Ihnen der Name was?«
Ich ließ ihn in Höchstgeschwindigkeit durch alle Schaltkreise laufen. Ohne Erfolg.
»Nein, ich glaube nicht. Wie ist mein Name …«
»Sie war hauptsächlich als bekannt. Hilft Ihnen das weiter?«
Ein weiterer Schnelldurchlauf. Diesmal mit mehr Erfolg. Den vollständigen Namen von zwei Mordermittlern gesagt zu bekommen, hatte mich so durcheinander gebracht, dass es nicht sofort klick gemacht hatte.
»Jetzt, warten Sie, klar. Ich kannte eine Tina … Tina Portrero.«
»Eben meinten Sie aber noch, dass der Name Ihnen nichts sagt.«
»Ich weiß. So aus heiterem Himmel hab ich nicht sofort geschaltet. Jedenfalls, wir sind uns ein Mal begegnet, aber dabei ist es geblieben.«
Mattson antwortete nicht. Er nickte seinem Partner zu. Sakai beugte sich vor und hielt mir sein Handy hin. Auf dem Display war ein Foto, ein sehr gestelltes Foto einer Frau mit dunklen Haaren und noch dunkleren Augen. Sie hatte eine intensive Bräune und sah aus wie Mitte dreißig. Aber ich wusste, dass sie eher Mitte vierzig war. Ich nickte.
»Das ist sie«, sagte ich.
»Gut«, sagte Mattson. »Woher kennen Sie sie?«
»Aus dem Mistral, einem Restaurant ein Stück die Straße runter. Ich war gerade von Hollywood hierher gezogen und dabei, mich einzuleben. Weil ich nicht das Auto nehmen musste, ging ich gelegentlich auf einen Drink ins Mistral. Dort habe ich sie kennengelernt.«
»Wann war das?«
»So genau kann ich Ihnen das nicht sagen, aber es dürfte etwa ein halbes Jahr nach meinem Einzug gewesen sein. Vor ungefähr einem Jahr also. Wahrscheinlich an einem Freitagabend. Dann bin ich normalerweise ins Mistral gegangen.«
»Hatten Sie Sex mit ihr?«
Mit dieser Frage hätte ich rechnen sollen, aber ich war nicht auf sie vorbereitet.
»Das geht Sie nichts an«, sagte ich. »Es war vor einem Jahr.«
»Ich fasse das als ein Ja auf«, sagte Mattson. »Haben Sie sie hierher mitgenommen?«
Mir war klar, dass Mattson und Sakai offensichtlich mehr über die Umstände von Tina Portreros Tod wussten als ich. Aber die Frage, was vor einem Jahr zwischen uns gelaufen war, schien enorm wichtig für sie zu sein.
»Was soll das alles?«, fragte ich. »Ich habe sie ein Mal getroffen, und danach haben wir uns nie mehr gesehen. Warum fragen Sie mich das alles?«
»Weil wir den Mord an ihr aufzuklären versuchen«,...