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E-Book

E-Book, Deutsch, Band 14, 528 Seiten

Reihe: Ein Fall für Harry Bosch

Connelly Neun Drachen

Der 14. Fall für Harry Bosch
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-311-70585-7
Verlag: Kampa Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Der 14. Fall für Harry Bosch

E-Book, Deutsch, Band 14, 528 Seiten

Reihe: Ein Fall für Harry Bosch

ISBN: 978-3-311-70585-7
Verlag: Kampa Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Harry Boschs Partner Ignacio Ferras will gerade Feierabend machen und nach Hause zu seinen neugeborenen Zwillingen, als ein Anruf eingeht: Bosch und Ferras müssen einen Fall für das South Bureau übernehmen. Die beiden Detectives machen sich auf den Weg zu dem Liquor Store, dessen siebzig- jähriger Betreiber erschossen wurde. Ein gewöhnlicher Raubüberfall, stöhnt Ferras, eigentlich nicht die Kragenweite der Abteilung Special Homicide. Aber Bosch erkennt schnell, dass weit mehr dahintersteckt. Der Tote, Mr. Li, leistete Schutzgeldzahlungen an eine Triade, eine chinesische Geheimgesellschaft. Für Bosch, der zugeben muss, dass er mit rassistischen Vorurteilen aus Vietnam zurückgekehrt ist, eine völlig neue Herausforderung. Und dann verschwindet Tausende Kilometer und einen Ozean entfernt plötzlich Madeline, Boschs fünfzehnjährige Tochter, die seit der Scheidung mit ihrer Mutter in Hongkong lebt. Der Detective lässt alles stehen und liegen und steigt ins nächste Flugzeug. Gibt es einen Zusammenhang zwischen Maddies Verschwinden und seinem Fall?

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2


Bosch brauchte Ferras auf der Fahrt nach South L.A.keine Standpauke zu halten. Sein Schweigen war Standpauke genug. Sein junger Partner schien unter dem Druck dessen, was nicht gesagt wurde, immer weiter einzuknicken, und irgendwann konnte er einfach nicht mehr an sich halten.

»Das macht mich noch total wahnsinnig«, platzte es aus ihm heraus.

»Was?«, fragte Bosch.

»Die Zwillinge. Sie machen irrsinnig viel Arbeit, und dazu dieses ständige Geplärre. Der reinste Dominoeffekt. Einer wacht auf, und davon wird dann der andere wach. Und davon wacht dann auch der Große auf. Niemand kommt noch zum Schlafen, und meine Frau fängt langsam an …«

»Was?«

»Ich weiß auch nicht, sie dreht einfach allmählich durch. Ständig ruft sie mich an und will wissen, wann ich nach Hause komme. Also komme ich nach Hause und kriege prompt gleich als Erstes die Jungs aufgedrückt. Ich komme einfach nicht dazu, mal abzuschalten. Immer nur Arbeit, Kinder, Arbeit, Kinder, Arbeit, Kinder. Jeden Tag.«

»Nehmt euch doch ein Kindermädchen.«

»Ein Kindermädchen können wir uns nicht leisten. Jedenfalls nicht in der momentanen Situation. Überstunden bekommen wir ja auch keine mehr bezahlt.«

Bosch wusste nicht, was er sagen sollte. Seine Tochter Madeline war vor einem Monat dreizehn geworden und wohnte fast zehntausend Meilen von ihm entfernt. Er war nie direkt daran beteiligt gewesen, sie aufzuziehen. Er sah sie vier Wochen im Jahr – zwei davon in Hongkong und zwei in L.A. –, und damit hatte es sich. Wer war er also, einem Vollzeitvater mit drei kleinen Kindern, darunter Zwillinge, gute Ratschläge zu erteilen?

»Tja, was soll ich dazu sagen? Du weißt, du kannst voll auf meine Unterstützung zählen. Ich tue, was ich kann, wenn es irgendwie möglich ist. Aber …«

»Ich weiß, Harry. Ich weiß das durchaus zu schätzen. Es ist nur das erste Jahr mit den Zwillingen, verstehst du? Wenn sie ein bisschen älter werden, wird alles wesentlich leichter.«

»Schon, aber was ich damit eigentlich sagen will, ist, dass es vielleicht nicht nur an den Zwillingen liegt. Vielleicht liegt es auch an dir, Ignacio.«

»An mir? Was soll das jetzt wieder heißen?«

»Es soll heißen, dass es vielleicht an dir liegt. Vielleicht bist du zu früh zurückgekommen – hast du dir darüber schon mal Gedanken gemacht?«

Ferras zog einen Flunsch und antwortete nicht.

»Ich meine, so was soll vorkommen«, fuhr Bosch fort. »Es hat dich einmal erwischt, und schon fängst du an, dir Gedanken zu machen, ob der Blitz ein zweites Mal einschlagen könnte.«

»Also wirklich, Harry, was ist das jetzt wieder für ein Scheiß? Was das angeht, habe ich nun echt keine Probleme. Nicht die geringsten. Ich rede hier von chronischem Schlafmangel und dass ich total auf dem Zahnfleisch gehe und einfach nicht dazu komme, mich wieder zu berappeln, weil mir sofort meine Frau auf die Pelle rückt, kaum dass ich nach Hause komme, verstehst du?«

»Na ja, das musst du schließlich am besten wissen, Partner.«

»Genau, Partner. Das muss ich am besten wissen. Glaub mir, ich kann mir schon von ihr genügend anhören. Da brauchst jetzt nicht auch noch du mit so einer Scheiße anzukommen.«

Bosch nickte, und damit war genug gesagt. Er wusste, wann er aufhören musste.

Die Adresse, die Gandle ihnen gegeben hatte, war im Siebzigerblock der South Normandie Avenue. Nur ein paar Straßen weiter befand sich die berüchtigte Kreuzung von Florence und Normandie, wo von Fernsehhubschraubern einige der verstörendsten Bilder der Unruhen von 1992 aufgenommen und in alle Welt übertragen worden waren. Und diese Bilder schienen sich in den Köpfen vieler festgesetzt zu haben, wenn sie an Los Angeles dachten.

Aber Bosch merkte rasch, dass er die Gegend und den Getränkemarkt, zu dem sie unterwegs waren, von anderen Unruhen und aus einem anderen Grund kannte.

Fortune Liquors war bereits mit gelbem Tatort-Tape abgesperrt. Es hatte sich eine kleine Gruppe Schaulustiger gebildet, auch wenn in dieser Gegend ein Mord nichts Besonderes war. So etwas hatten die Leute hier schon zur Genüge zu sehen bekommen. Bosch hielt in einer Gruppe von drei Streifenwagen und stieg aus. Nachdem er seine Aktentasche aus dem Kofferraum geholt hatte, schloss er den Wagen ab und ging auf die Absperrung zu.

Bosch und Ferras nannten dem Streifenpolizisten mit dem Tatort-Logbuch Namen und Dienstnummer, dann duckten sie sich unter dem Band durch. Als sie auf den Eingang des Getränkemarkts zugingen, zog Bosch ein Streichholzbriefchen aus seiner rechten Jackentasche. Es war alt und abgenutzt. Auf dem Deckel stand , und darunter war die Adresse des kleinen gelben Baus vor ihnen angegeben. Er klappte das Heftchen mit dem Daumen auf. Es fehlte nur ein Streichholz, und auf der Innenseite des Deckels stand der Spruch, der in keinem dieser Briefchen fehlte:

Glücklich der Mann, der

Zuflucht in sich selbst findet.

Bosch trug das Streichholzbriefchen schon über zehn Jahre mit sich herum. Nicht so sehr wegen des Spruchs – auch wenn er ihn zutreffend fand –, sondern wegen des fehlenden Streichholzes und woran es ihn erinnerte.

»Was ist, Harry?«, fragte Ferras.

Bosch merkte, dass er kurz stehen geblieben war.

»Nichts. Es ist nur, dass ich schon mal in dem Laden war.«

»Wann? Dienstlich?«

»Gewissermaßen. Ist aber schon lange her. Lass uns reingehen.«

Bosch trat an seinem Partner vorbei durch die offene Tür des Getränkemarkts.

Drinnen standen mehrere Streifenpolizisten und ein Sergeant. Der Laden war lang und schmal, mit dem Grundriss eines Shotgun-Hauses, und nur vier Regalreihen breit. Bosch konnte den Mittelgang zwischen den Regalen hinunter zu einem Quergang und einer offenen Hintertür sehen, die auf einen kleinen Parkplatz hinausführte. Die Kühlvitrinen mit den kalten Getränken verliefen entlang der linken Seitenwand und dann quer an der Rückwand des Ladens. Die Spirituosen befanden sich im rechten Gang, und der Mittelgang war den Weinen vorbehalten, roter rechts, weißer links.

Im hinteren Teil des Ladens sah Bosch zwei weitere Streifenpolizisten stehen, und er vermutete, dass sie dort hinten in einem Lager oder Büro den Zeugen festhielten. Er stellte seine Aktentasche neben der Tür auf den Boden, zog zwei Paar Gummihandschuhe aus seiner Anzugjacke und reichte eines Ferras. Sie streiften sich die Handschuhe über.

Der Sergeant merkte, dass die beiden Detectives eingetroffen waren. Er löste sich von seinen Männern und kam auf sie zu.

»Ray Lucas«, sagte er statt eines Grußes. »Das Opfer liegt hinter dem Ladentisch. Sein Name ist John Li, ›L-I‹ geschrieben. Dürfte noch keine zwei Stunden her sein. Sieht nach einem Raubüberfall aus, bei dem der Täter keine Zeugen wollte. Viele von uns hier unten im Siebenundsiebzigsten kannten Mr. Li. Netter alter Mann.«

Lucas winkte Bosch und Ferras zum Ladentisch. Um nichts mit seinem Jackett zu berühren, hielt Bosch es eng an seinen Körper, als er sich hinter den Ladentisch zwängte. Dann ging er auf der kleinen Fläche dahinter wie ein Baseball-Catcher in die Hocke, um sich den Toten auf dem Fußboden genauer anzusehen. Ferras beugte sich wie ein Schiedsrichter über ihn.

Das Opfer war ein etwa siebzigjähriger Asiate. Er lag auf dem Rücken, und sein Blick war starr an die Decke gerichtet. Seine Lippen waren von den zusammengebissenen Zähnen zurückgezogen, es wirkte fast wie ein hämisches Grinsen. Auf Lippen, Wangen und Kinn des Toten war Blut, das er wahrscheinlich im Todeskampf ausgehustet hatte. Die Vorderseite seines Hemds war blutgetränkt, und Bosch konnte mindestens drei Einschusslöcher in seiner Brust erkennen. Das rechte Bein war am Knie angewinkelt und in einer unnatürlichen Stellung unter das andere Bein geknickt. Anscheinend war der alte Mann an der Stelle zusammengebrochen, an der er gestanden hatte, als ihn die tödlichen Schüsse getroffen hatten.

»Keine Hülsen, soweit wir gesehen haben«, berichtete Lucas. »Wahrscheinlich hat der Täter sie eingesammelt, und dann war er auch noch so schlau, die DVD aus der Anlage hinten zu nehmen.«

Bosch nickte. Die Kollegen von der Streife wollten immer helfen, aber das waren lauter Informationen, die Bosch noch nicht brauchte und die irreführend sein konnten.

»Außer er hatte einen Revolver. Dann hätte er keine Hülsen einsammeln müssen.«

»Schon klar«, meinte Lucas. »Bloß sind hier unten nicht allzu viele Revolver in Umlauf. Wer will bei einem Drive-by-Shooting schon mit nur sechs Kugeln in seiner Knarre erwischt werden.«

Lucas wollte Bosch zeigen, dass er wusste, was hier unten in South L.A. Sache war. Bosch war nur auf Besuch hier.

»Ich werde es mir merken«, sagte Bosch.

Dann richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf das Opfer und blickte sich wortlos um. Er war sich ziemlich sicher, dass der Tote derselbe Mann war, dem er vor vielen Jahren in diesem Laden begegnet war. Er befand sich sogar an derselben Stelle wie damals, hinter dem Ladentisch. Und Bosch konnte ein Päckchen Zigaretten in seiner Hemdtasche stecken sehen.

Ihm fiel auf, dass die rechte Hand des Toten voll Blut war. Das war nicht weiter ungewöhnlich. Es war eine ganz normale menschliche Reaktion, die Hände auf eine Verletzung zu legen, um sie zu...


Leeb, Sepp
Sepp Leeb hat Amerikanistik und Germanistik studiert und lebt in München. Er hat unter anderem Michael Connelly, Lawrence Block und Thomas Harris übersetzt und findet, obwohl ein großer Fan von Harry Bosch, dass Renée Ballard seinem Lieblingsermittler bei ihrem ersten Auftritt in »Late Show« in nichts nachsteht.

Connelly, Michael
Michael Connelly ist mit über 89 Millionen verkauften Büchern in 45 Sprachen einer der US-amerikanischen Krimi-Superstars. 1956 geboren, wuchs er in Florida auf, wo er als Journalist arbeitete, bis ihn die Los Angeles Times als Gerichtsreporter in die Stadt holte, in der sein literarisches Idol Raymond Chandler seine Romane spielen ließ, was Connelly ihm später gleichtun sollte. Im Kampa Verlag erscheinen neben den Fällen des legendären Ermittlers Harry Bosch und der Nachtschicht-Detective Rene´e Ballard auch Connellys Romane mit Jack McEvoy und Michael »Mickey« Haller. Connelly lebt in Kalifornien und in Florida.



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