E-Book, Deutsch, Band 2, 304 Seiten
Reihe: Ein Artemis-Fowl-Roman
Colfer Artemis Fowl - Die Verschwörung
12001. Auflage 2012
ISBN: 978-3-8437-0568-4
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der zweite Roman
E-Book, Deutsch, Band 2, 304 Seiten
Reihe: Ein Artemis-Fowl-Roman
ISBN: 978-3-8437-0568-4
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Eoin Colfer lebt mit seiner Familie in Dublin. Er war Lehrer und hat mehrere Jahre in Saudi-Arabien, Tunesien und Italien unterrichtet, ehe er als Schriftsteller für junge Leser erfolgreich wurde. Neben seiner inzwischen 8-bändigen Artemis-Fowl-Serie, die in 34 Ländern erscheint, hat er zahlreiche weitere Kinder- und Jugendbücher geschrieben. Außerdem ist er als Autor von Hardboiled-Krimis für Erwachsene erfolgreich.
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Kapitel 2
Einsatz für Chix
Erdland, Haven City, Westviertel
Das klassische Bild eines Alrauns ist das eines kleinen Wichts in einem grünen Anzug. In der Vorstellung der Menschen, natürlich. Die Unterirdischen haben ihre eigenen Klischees. Jemand vom Erdvolk stellt sich unter einem Officer der Aufklärungseinheit der Zentralen Untergrund-Polizei meistens einen großmäuligen Troll oder muskelbepackten Elf vor, der direkt von der Bank eines Crunchball-Teams seines College weg rekrutiert worden ist.
Captain Holly Short entspricht keiner dieser Beschreibungen. Genau genommen wäre sie vermutlich die Letzte, von der man annehmen würde, Mitglied der ZUP-Aufklärungseinheit zu sein. Sollte man raten, was sie beruflich macht, würde man angesichts der katzenartigen Bewegungen und der sehnigen, trainierten Muskeln vermutlich auf Kunstturnerin oder Höhlenforscherin tippen. Aber schaut man genauer hin, nicht nur auf ihr hübsches Gesicht, sondern direkt in ihre Augen, findet man dort eine glühende Entschlossenheit, die auf zehn Schritt Entfernung eine Kerze zum Brennen bringen könnte, und eine einsatzerprobte Cleverness und Intelligenz, die sie zu einer der anerkanntesten Officer der Aufklärung gemacht haben.
Technisch gesehen gehörte Holly allerdings nicht mehr zur Aufklärungseinheit. Seit der Artemis-Fowl-Affäre, bei der sie gefangen genommen und als Geisel gehalten worden war, stand ihre Stellung als erster weiblicher Officer der Aufklärung auf dem Prüfstand. Dass sie jetzt nicht zu Hause saß und Däumchen drehte, verdankte sie allein Commander Roots Drohung, ebenfalls den Hut zu nehmen, sollte Holly suspendiert werden. Root wusste, auch wenn die Aufsichtsbehörde dies nicht anerkennen wollte, dass die Entführung nicht Hollys Schuld gewesen war und dass nur ihr schnelles Reaktionsvermögen den Verlust von Menschenleben verhindert hatte.
Doch die Mitglieder des Rates interessierten sich weniger für den Verlust von Menschenleben als für den Verlust von Feengold. Und nach ihrer Überzeugung hatte Holly sie einen ziemlich großen Teil des Entführungsfonds gekostet. Holly wäre nur zu gern an die Erdoberfläche zurückgekehrt und hätte Artemis Fowl so lange am Kragen geschüttelt, bis er das Gold wieder herausrückte, aber so lief es nun mal nicht. Ein Menschenwesen, dem es gelang, einem Unterirdischen sein Gold abzunehmen, durfte es für immer behalten, so stand es im Buch, der Bibel des Erdvolks.
Statt ihr die Dienstmarke abzunehmen, hatte die Aufsichtsbehörde schließlich darauf bestanden, Holly zu Fleißarbeit zu verurteilen und dorthin zu versetzen, wo sie keinen Schaden anrichten konnte. Ein Posten bei der Überwachung war die nahe liegendste Lösung. Also war Holly an die Zoll- und Steuerabteilung ausgeliehen worden, wo man sie in eine Tarnkapsel gesteckt und zur Beobachtung an der Felswand eines Druckaufzugsschachts festgesetzt hatte. Ein absoluter Schnarchjob.
Allerdings war die Schmuggelei für die Zentrale Untergrund-Polizei zu einem echten Problem geworden. Nicht so sehr die Ware selbst, denn das war meist harmloses Zeug: Designer-Sonnenbrillen, DVDs, Cappuccinomaschinen und dergleichen. Nein, die Art, wie diese Sachen beschafft wurden, bereitete Sorgen.
Die B’wa Kell, eine Art Koboldmafia, hatte den Schwarzmarkt fest in der Hand und wurde immer dreister bei den Ausflügen an die Erdoberfläche. Gerüchte sprachen sogar von einem eigenen Frachtshuttle der Kobolde.
Das Beunruhigendste dabei war, dass Kobolde eigentlich richtig dämliche Kreaturen waren. Und wenn nur einer von ihnen je vergessen sollte, seinen Sichtschild einzuschalten, würden Fotos der Kobolde via Satellit sofort über die ganze Welt und alle Nachrichtensender verbreitet. Dann wäre Erdland, die letzte menschenfreie Zone des Planeten, nicht länger ein Geheimnis. Und weil die menschliche Natur nun einmal so war, würde es nicht lange dauern, bis Umweltverschmutzung, Bergbau und Ausbeutung auch unter der Erde an der Tagesordnung wären.
Dies war der Grund, weshalb alle schwarzen Schafe, die auf der Abschussliste der Aufsichtsbehörde landeten, für Monate zum Wachdienst eingeteilt wurden. Und so hockte Holly nun an der Felswand neben dem Eingang zu einem kaum benutzten Schacht.
E37 war ein Druckaufzug, der ins Stadtzentrum von Paris führte. Da die europäische Hauptstadt als Zone mit höchster Risikostufe galt, wurden selten Visa bewilligt. Und wenn, dann nur für ZUP-Einsatzzwecke. Doch obwohl seit Jahrzehnten kein Zivilist mehr den Schacht benutzt hatte, musste er weiterhin rund um die Uhr überwacht werden, was bedeutete, dass sechs Officer in Acht-Stunden-Schichten Dienst taten.
Der Kollege, der Holly zugeteilt war, stellte sich nicht gerade als ein Glücksgriff heraus. Wie die meisten Feenmänner hielt Chix Verbil sich für den grünhäutigen Traum aller Frauen und war mehr damit beschäftigt, Holly anzubaggern, als seine Arbeit zu tun.
»Sie sehen heute wieder fantastisch aus, Captain«, begrüßte er Holly an jenem Abend. »Haben Sie etwas mit Ihrem Haar gemacht?«
Holly stellte die Überwachungskamera scharf und fragte sich, was man mit einem kastanienbraunen Kurzhaarschnitt wohl machen sollte. »Konzentrieren Sie sich, Private. Wir könnten jeden Moment Hals über Kopf in ein Feuergefecht verwickelt werden.«
»Das bezweifle ich, Captain. Die Ecke hier ist still wie ein Grab. Ich liebe solche Jobs. Schön stressfrei. Was zum gemütlich Abhängen.«
Holly ließ den Blick über die Szenerie unter ihr wandern. Verbil hatte Recht. Der einst so lebendige Vorort hatte sich seit der Schließung des Schachts für den Publikumsverkehr in eine Geisterstadt verwandelt. Nur dann und wann tapste ein hungriger Troll an ihrer Kapsel vorbei. Und wenn sich erst die Trolle in einem Gebiet herumzutreiben begannen, dann war es wirklich verlassen.
»Wir sind ganz allein, Captain. Und die Nacht ist noch jung.«
»Lassen Sie den Quatsch, Verbil, und machen Sie Ihre Arbeit. Oder ist der Rang eines Private für Sie nicht niedrig genug?«
»Doch, Holly – Entschuldigung, ich meine, jawohl, Sir.«
Feenmänner. Immer dasselbe. Kaum hatte ein Unterirdischer ein Paar Flügel, hielt er sich für unwiderstehlich.
Holly kaute auf ihrer Unterlippe herum. Auf diesem Beobachtungsposten hatten sie schon genug Steuergold verschwendet. Die Lamettaträger sollten den Laden endlich dichtmachen, aber davon war keine Rede. Posten bei der Überwachung waren ideal, um lästige Officer aus dem Verkehr zu ziehen.
Dennoch war Holly fest entschlossen, ihren Job so gut wie möglich zu machen. Wenn es nach ihr ginge, würde sie der Aufsichtsbehörde keine weitere Munition liefern, die man gegen sie verwenden könnte.
Holly rief die tägliche Checkliste für die Tarnkapsel auf den Bildschirm. Die Anzeige für die Drucklufthalterung war im grünen Bereich. Genug Gas, um ihre Kapsel vier öde Wochen lang an der Felswand zu halten.
Als Nächstes waren die Thermobilder dran. »Chix, ich möchte, dass Sie auf Kontrollflug gehen. Wir machen einen Thermoscan.«
Verbil grinste. Feenmänner waren ganz versessen aufs Fliegen. »Bin schon unterwegs, Captain«, sagte er und schnallte sich den Thermoscanner vor die Brust.
Holly öffnete eine Klappe an der Tarnkapsel, Verbil sprang hinaus und stieg mit elegantem Schwung hinauf in die Schatten. Der Scanner an seiner Brust tastete den Bereich unter ihm mit wärmeempfindlichen Strahlen ab. Auf dem Monitor erschienen verschwommene Bilder in verschiedenen Grautönen. Ein Lebewesen wäre selbst hinter einer Schicht aus solidem Fels zu erkennen. Doch es war nichts zu sehen, außer ein paar Fluchkröten und dem Hintern eines Trolls, der gerade aus dem Bild watschelte.
Knisternd drang Chix’ Stimme aus dem Lautsprecher. »He, Captain, soll ich mal näher rangehen?«
Das war das Dumme an den tragbaren Scannern – je größer der Abstand, desto schwächer die Strahlen.
»Okay, Chix. Eine Runde noch. Aber seien Sie vorsichtig.«
»Keine Sorge, Holly. Sie werden mich in voller Schönheit zurückkriegen.«
Holly holte Luft, um ihm eine schneidende Antwort zu geben, doch die Worte blieben ihr im Hals stecken. Da, auf dem Bildschirm. Etwas bewegte sich.
»Chix, sehen Sie das?«
»Positiv, Captain. Sehen tu ich’s, aber ich weiß nicht, was es ist.«
Holly vergrößerte einen Ausschnitt des Bildschirms. Auf der zweiten Schachtebene bewegten sich zwei Gestalten. Sie waren grau.
»Chix, bleiben Sie, wo Sie sind, und scannen Sie weiter.«
Grau? Wie konnten graue Dinge sich bewegen? Grau bedeutete tote Materie. Keine Wärme, kalt wie ein Grab. Und trotzdem …
»Seien Sie auf der Hut, Private Verbil. Wir haben möglicherweise Feindkontakt.«
Holly schaltete nun auf den Funkkanal des Polizeipräsidiums. Mit Sicherheit verfolgte Foaly, der Cheftechniker der ZUP, ihre Videoeinspeisung auf einem der Monitore in der Kommandozentrale. »Foaly, hast du uns auf Sendung?«
»Hab ich, Holly«, antwortete der Zentaur. »Ich hole euch gerade auf den Hauptschirm.«
»Was hältst du von diesen Schatten? Etwas Graues, das sich bewegt? So was habe ich noch nie gesehen.«
»Ich auch nicht.« Es folgte ein kurzes Schweigen, untermalt vom Klackern einer Tastatur. »Es gibt nur zwei mögliche Erklärungen. Erstens: ein technischer Fehler. Die Schatten könnten Phantombilder von einem anderen System sein. Wie Interferenzen beim Radio.«
»Und zweitens?«
»Das ist so lächerlich, dass ich es kaum erwähnen mag.«
»Komm schon, Foaly, raus damit.«
»Nun, so albern es klingt, es könnte sein, dass jemand einen Weg gefunden hat, mein System zu überlisten.«
Holly erbleichte. Wenn Foaly die...