Colfer Artemis Fowl. Das magische Tor
13001. Auflage 2013
ISBN: 978-3-8437-0540-0
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 336 Seiten
Reihe: Ullstein eBooks
ISBN: 978-3-8437-0540-0
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Eoin Colfer lebt mit seiner Familie in Dublin. Er war Lehrer und hat mehrere Jahre in Saudi-Arabien, Tunesien und Italien unterrichtet, ehe er als Schriftsteller für junge Leser erfolgreich wurde. Neben seiner inzwischen 8-bändigen Artemis-Fowl-Serie, die in 34 Ländern erscheint, hat er zahlreiche weitere Kinder- und Jugendbücher geschrieben. Außerdem ist er als Autor von Hardboiled-Krimis für Erwachsene erfolgreich.
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Kapitel 1
Aus den Notizen von Professor Jerbal Argon, Präsident des Psychologenverbands
1. Artemis Fowl, der sich selbst einst als genialer Meisterdieb bezeichnet hat, verwendet jetzt den Ausdruck jugendliches Genie. Anscheinend hat er sich verändert. (Anmerkung: Wer’s glaubt …)
2. Seit sechs Monaten unterzieht sich Artemis wöchentlichen Therapiesitzungen in meiner Klinik in Haven City, um einen schweren Fall von Atlantis-Komplex zu überwinden, eine seelische Störung, die er sich durch leichtfertige Spielerei mit Elfenmagie zugezogen hat. (Geschieht diesem dämlichen Menschenjungen ganz recht.)
3. Nicht vergessen, eine unverschämt hohe Rechnung an die Zentrale Untergrund-Polizei zu schicken.
4. Artemis scheint geheilt zu sein, und das in Rekordzeit. Kann das sein? Ist so etwas überhaupt möglich?
5. Ich sollte mal meine Relativitätstheorie mit Artemis besprechen. Könnte ein sehr interessantes Kapitel für mein neues Buch abgeben: Fowler Zauber – Wie ich das Genie austrickste. (Verleger lieben solche Titel: ta-daa!)
6. Schmerztabletten für meine verdammte Hüfte besorgen.
7. Zeugnis über Zustand mentaler Gesundheit für Artemis ausstellen. Heute letzte Sitzung.
Professor Argons Büro, Haven City, Erdland
Artemis Fowl wurde ungeduldig. Professor Argon verspätete sich. Diese letzte Sitzung war ebenso überflüssig wie die vorigen sechs. Er war voll und ganz geheilt, verdammt noch mal, und zwar schon seit der achtzehnten Sitzung. Sein genialer Verstand hatte den Prozess beschleunigt, und er hatte Besseres zu tun, als Däumchen zu drehen und auf einen Psychiatergnom zu warten.
Artemis lief im Büro auf und ab, unwillig, sich von dem Wasserfall an der Wand mit seinen sanft pulsierenden Stimmungslämpchen beruhigen zu lassen. Dann setzte er sich einen Moment in die Sauerstoffzelle, doch die war etwas zu beruhigend für seinen Geschmack.
So ein Humbug, dachte er und verließ hastig die Glaskabine.
Endlich glitt mit leisem Zischen die Tür auf, und Professor Argon betrat sein Sprechzimmer. Der untersetzte Gnom humpelte direkt zu seinem Sessel, ließ sich ächzend hineinsinken und drückte auf den Tasten an der Armlehne herum, bis das Gelpad unter seiner rechten Hüfte sanft zu glühen begann.
»Aaah«, seufzte er. »Meine Hüfte bringt mich noch um. Und nichts hilft. Die Leute denken immer, sie wüssten, was Schmerz ist, aber die haben keine Ahnung.«
»Sie sind zu spät«, bemerkte Artemis in fließendem Gnomisch und ohne jedes Mitgefühl.
Argon seufzte erneut, diesmal jedoch vor Erleichterung, weil das Wärmepad seines Sessels zu wirken begann. »Immer in Eile, was, Menschenjunge? Warum hast du dir nicht eine Portion Sauerstoff gegönnt oder ein bisschen vor dem Wasserfall meditiert? Die Hey-Hey-Mönche schwören auf diese Wasserfälle.«
»Ich bin kein Priesterwichtel, Professor. Was die Hey-Hey-Mönche nach dem ersten Gong tun, interessiert mich nicht. Ob wir uns jetzt vielleicht meiner Rehabilitation zuwenden könnten? Oder möchten Sie noch mehr von meiner Zeit verschwenden?«
Argon grummelte ein wenig, dann beugte er seinen massigen Oberkörper vor und schlug die Akte auf seinem Schreibtisch auf. »Wieso wirst du eigentlich immer frecher, je besser es dir geht?«
Artemis schlug die Beine übereinander; das erste Anzeichen von Entspannung in seiner Körpersprache. »So viel unterdrückter Zorn, Professor. Woher kommt der nur?«
»Ich schlage vor, wir konzentrieren uns auf deinen Zustand, Artemis.« Gereizt zog Argon einen Stapel Karten aus der Schublade. »Ich zeige dir jetzt ein paar Tintenkleckse, und du sagst mir, was du darin siehst.«
Artemis stöhnte bewusst theatralisch. »Tintenkleckse, ich bitte Sie, Professor! Meine Lebenszeit ist wesentlich kürzer als Ihre, und ich habe keine Lust, einen Teil davon mit sinnlosen Pseudotests zu vergeuden. Da könnten wir genauso gut Kaffeesatz lesen oder versuchen, aus den Eingeweiden eines Truthahns die Zukunft vorherzusagen.«
»Tintenkleckse erlauben eine zuverlässige Diagnose der seelischen Verfassung«, widersprach Argon. »Das ist erprobt und bewiesen.«
»Ja, von Psychiatern für Psychiater«, schnaubte Artemis.
Argon knallte eine der Karten auf den Tisch. »Was siehst du in diesem Tintenklecks?«
»Ich sehe einen Tintenklecks«, sagte Artemis.
»Ja, aber woran denkst du, wenn du ihn siehst?«
Artemis verzog die Lippen zu einem spöttischen Lächeln. »Ich denke an Nummer 534.«
»Wie bitte?«
»Ich denke an Nummer 534«, wiederholte Artemis. »Von den insgesamt sechshundert Standard-Tintenkleckskarten. Ich habe sie mir während unserer Sitzungen eingeprägt. Sie mischen sie ja nicht einmal.«
Argon drehte die Karte um: Nummer 534. Natürlich. »Dass du die Nummer kennst, beantwortet meine Frage nicht. Was siehst du?«
Artemis zog eine furchtsame Miene. »Ich sehe eine bluttriefende Axt. Und ein verängstigtes Kind und einen Elfen in der Haut eines Trolls.«
»Tatsächlich?« Nun war Argons Interesse geweckt.
»Nein. Eigentlich nicht. Ich sehe ein Geborgenheit vermittelndes Gebäude, vielleicht das Haus einer Familie, mit vier Fenstern. Ein treuergebenes Haustier und einen Weg, der von der Tür in die Ferne führt. Wenn Sie in Ihrem Handbuch nachschlagen, werden Sie feststellen, dass diese Antworten auf einen gesunden Seelenzustand schließen lassen.«
Argon brauchte nicht nachzuschlagen. Der Menschenjunge hatte recht, wie immer. Vielleicht konnte er Artemis mit seiner neuen Theorie von seinem hohen Ross holen. Sie gehörte nicht zum Programm, aber möglicherweise verschaffte sie ihm ein wenig Respekt.
»Hast du schon mal von der Relativitätstheorie gehört?«
Artemis zog die Augenbraue hoch. »Soll das ein Witz sein? Ich bin durch die Zeit gereist, Professor. Ich denke, ich weiß einiges über die Relativität.«
»Nein, die Theorie meine ich nicht. Meine Relativitätstheorie geht davon aus, dass alles Magische in Relation zu alten Zaubern oder Magiezentren steht und von ihnen beeinflusst wird.«
Artemis rieb sich das Kinn. »Interessant. Aber in dem Fall sollte Ihre Theorie wohl eher Relationstheorie heißen.«
»Das ist doch nebensächlich«, sagte Argon mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Ich habe ein paar Nachforschungen angestellt, und dabei ist herausgekommen, dass die Fowls, wenn auch mit Unterbrechungen, bereits seit Tausenden von Jahren im Krieg mit dem Erdvolk stehen. Dutzende von deinen Vorfahren haben versucht, das Elfengold zu stehlen, allerdings bist du der Einzige, dem es gelungen ist.«
Artemis setzte sich auf; das war nun wirklich interessant. »Und ich wusste nichts davon, weil Sie meine Vorfahren einer Erinnerungslöschung unterzogen haben.«
»Genau«, sagte Argon, begeistert, dass er endlich Artemis’ volle Aufmerksamkeit hatte. »Als dein Vater noch ein Junge war, ist es ihm tatsächlich gelungen, einen Zwerg zu fesseln, den es zu eurem Anwesen gelockt hatte. Von dem Augenblick träumt er bestimmt heute noch.«
»Schön für ihn.« Artemis kam ein Gedanke. »Warum hat es den Zwerg zu unserem Anwesen gelockt?«
»Weil es dort überdurchschnittlich viele Magiereste gibt. Irgendwas muss auf dem Fowl’schen Anwesen einst passiert sein. Etwas, bei dem gewaltige Magiemengen freigesetzt wurden.«
»Und diese Überreste bringen uns auf merkwürdige Ideen und wecken in den Fowls den Glauben an Magie«, murmelte Artemis gedankenverloren.
»Genau. Die klassische Kobold-oder-Ei-Situation: Habt ihr an Magie gedacht und deshalb Magie gefunden? Oder hat die Magie euch dazu gebracht, nach Magie zu suchen?«
Artemis machte sich ein paar Notizen auf seinem Smartphone. »Dieses Ereignis, bei dem Magie freigesetzt wurde – haben Sie eine Idee, was das gewesen sein könnte?«
Argon zuckte die Achseln. »So weit reichen unsere Aufzeichnungen nicht zurück. Ich vermute, das muss zu der Zeit passiert sein, als das Erdvolk noch an der Oberfläche gelebt hat, also vor über zehntausend Jahren.«
Artemis stand auf und trat an den Schreibtisch des Gnoms, den er um mehrere Kopflängen überragte. Er hatte das Gefühl, er schuldete dem Professor etwas für seine Relationstheorie, mit der er sich auf jeden Fall eingehender beschäftigen würde. »Professor Argon, sind Sie als Kind über den großen Onkel gelaufen?«
Argon war so überrascht, dass er auf diese persönliche Frage ehrlich antwortete, was für einen Psychologen höchst ungewöhnlich war. »Ja, das bin ich.«
»Und hat man Sie gezwungen, Spezialschuhe mit Einlagen zu tragen?«
Argons Neugier war geweckt. Er hatte seit Jahrhunderten nicht mehr an diese grässlichen Schuhe gedacht; bis zu diesem Moment hatte er sie sogar völlig vergessen. »Nur einen, am rechten Fuß.«
Artemis nickte wissend, und Argon kam es so vor, als hätten sie die Rollen getauscht und er wäre der Patient.
»Ich vermute, dadurch wurde zwar Ihr Fuß gerichtet, aber Ihr Oberschenkelknochen hat sich dabei ein wenig verdreht. Daher die Schmerzen in Ihrer Hüfte. Aber das müsste sich mit einer einfachen Schiene korrigieren lassen.« Artemis zog eine zusammengefaltete Papierserviette aus der Tasche. »Während der letzten Male, als Sie mich warten ließen, habe ich eine Zeichnung angefertigt. Foaly kann Ihnen die Schiene bestimmt bauen. Es kann sein, dass ich mit den Maßen ein paar Millimeter danebenliege,...