Cognetti | Sofia trägt immer Schwarz | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 256 Seiten

Cognetti Sofia trägt immer Schwarz

Roman
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-641-23035-7
Verlag: Penguin
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

ISBN: 978-3-641-23035-7
Verlag: Penguin
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Der neue Bestseller des internationalen Erfolgsautors von 'Acht Berge'
Sofia Muratore wäre so gern glücklich und trägt doch immer Schwarz. Sie hat zwei ungleiche Augen und fühlt sich wie ein 'Luftballon hinter Gittern'. Mit zehn Jahren rasiert sie sich aus Protest die Haare, mit sechzehn hat sie von allem genug. Sie erträgt die Krisen der Eltern nicht, will Schauspielerin werden, wird aber nur magersüchtig. Sie zieht von Mailand nach Rom und dann nach New York. Sie verliebt sich, taucht ein in das Leben anderer und verflüchtigt sich sofort wieder wie Gas. Überhaupt ist Sofia immer auf der Flucht, vor ihren Freunden, Liebhabern, den Eltern und sich selbst - in der Hoffnung, anderswo endlich zur Ruhe zu kommen.

'Sofia trägt immer Schwarz' ist ein eindringlich-empathischer Roman über die Rastlosigkeit der Zeit - wie in seinem Bestseller 'Acht Berge' beweist Paolo Cognetti ein feines Gespür für die drängenden Fragen unseres Lebens.

Paolo Cognetti, 1978 in Mailand geboren, verbringt seine Zeit am liebsten im Hochgebirge, und seine Erlebnisse in der kargen Bergwelt inspirieren den Mathematiker und Filmemacher zum Schreiben. Für seinen internationalen Bestseller 'Acht Berge' , der ins Aostatal führt, erhielt er u. a. den renommiertesten italienischen Literaturpreis, den Premio Strega. 'Das Glück des Wolfes' ist sein neuester Roman, der erneut in über 20 Ländern erscheint.

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Eine Piratengeschichte

An einem gewissen Punkt ihrer Ehe beschließen Sofias Eltern, sich nicht zu trennen, sondern den Wohnort zu wechseln, Mailand zu verlassen und ins Grüne zu ziehen – irgendwohin, wo es anders und weit genug weg ist, um ihnen das Gefühl eines Neuanfangs zu vermitteln. Im Frühling des Jahres 1985 finden sie eine kleine Neubauvilla in einer Siedlung, die mitten in einem Park liegt: Sie machen einen Rundgang durch Haus und Garten. Um die Aussicht zu bewundern, erklimmen sie anschließend einen kahlen Hügel, an dessen Fuß der Teich liegt, nach dem die ganze Siedlung benannt worden ist.

Als Sofia diese Geschichte an einem Sonntagvormittag weit in der Zukunft erzählt, sagt sie, dass ihr Lagobello von dort oben wie ein Märchen vorgekommen ist. Damals hat sie noch nicht gewusst, wie sehr sie den Ort als Heranwachsende einmal hassen wird. Mit acht wünscht sie sich einen Hund, ein Baumhaus, allein mit dem Rad die Gegend erkunden zu dürfen und dass sich ihre Eltern wieder vertragen. Sie hat bereits einige Ehekräche miterlebt, und auch wenn ihr der Grund dafür ein Rätsel ist, hat sie das Motiv für diese Ausflüge verstanden: Zwischen den Eltern liegt etwas im Argen, und in dem neuen Haus soll alles besser werden. »Bitte, bitte!«, denkt sie. »Bitte mach, dass es diesmal klappt.«

Als Erwachsene wird sie die Dächer und Schornsteine beschreiben, die mit Kies in den Rasen gemalten Wege, die Art, wie die Garagentore die Sonne reflektieren. Während der Immobilienmakler auf die Alpen am Horizont zeigt, streckt Sofias Mutter die Hand nach dem Vater aus. Ohne angesprochen oder berührt worden zu sein, aber doch so, als hätte er irgendein Signal empfangen, nimmt er die ihre und drückt sie – für Sofia der Beweis, dass ihre Gebete wirklich erhört worden sind.

In jenem Sommer, kurz nach dem Umzug, als die Wände noch nackt und die Bücher noch in den Kisten sind, kommt Roberto mit einem kleinen Jungen aus dem Büro. Oscar ist der Sohn eines alten Freundes, der ihn gebeten hat, das Kind aufzunehmen, weil sich der Gesundheitszustand seiner Frau verschlechtert hat. Auch sie ist eine Freundin, aber irgendwie anders: Ihr geht es schon so lange schlecht, dass sich inzwischen alle an ihren Anblick ohne Haare und das aufgedunsene, gelbliche Gesicht gewöhnt haben und sie sich auch so vorstellen, wenn sie mit ihr telefonieren oder über sie reden – ganz so als wäre das ihr ursprüngliches Aussehen. Keiner ist so naiv zu glauben, dass sie wieder gesund wird, trotzdem hat man sich der Illusion hingegeben, dass sie diesen Drahtseilakt durchhalten, krank, aber weiterhin am Leben sein kann – und wenn schon nicht für immer, dann doch für eine gewisse Zeit. Aber jetzt überstürzen sich die Ereignisse.

»Da sind sie ja!«, sagt Rossana, als sie das Auto vom Küchenfenster aus entdeckt. Im Haus ist der Tisch für vier gedeckt, und auf dem Herd steht ein Topf. Sie drückt die Zigarette in der Spüle aus und ergänzt: »Vergiss nicht, was du mir versprochen hast.«

Um zu zeigen, wie gut sie sich alles gemerkt hat, öffnet Sofia die Tür und stellt sich auf die Schwelle. Als Erwachsene wird sie die Szene anderswo vorspielen und ihrem Publikum das Mädchen von jenem Abend zeigen: an den Türrahmen gelehnt, die Hände hinterm Rücken verschränkt und die Brust vorgestreckt – genau wie die Mutter den Vater empfängt, seit sie nach Lagobello gezogen sind. Die Karikatur einer Ehefrau, die umso grotesker wirkt, weil sie eine Brille trägt, deren rechtes Glas abgeklebt worden ist, um ihr Schielen zu korrigieren. Am Ende des Weges tritt Roberto das Gartentor auf, bepackt mit seiner Aktentasche, Oscars Rucksack und einem Sack Dünger, den er gerade aus der Gärtnerei geholt hat. Er küsst seine Tochter auf die Stirn und betritt das Haus, wobei er es ihr überlässt, den Gast hinter ihm zu begrüßen.

»Hallo«, sagt Sofia, »hast du Hunger?«

»Kommt ganz drauf an«, erwidert Oscar. »Was gibt’s denn?«

»Fleischklößchen mit Kartoffelpüree. Das Püree hab ich gestampft. Und zum Nachtisch Eis.«

»Was ist mit deinem Auge los?«

»Ach, dem geht es gut, aber das andere ist ein bisschen faul. Ich muss es trainieren, damit es auch allein funktioniert, sonst hört es auf, sich anzustrengen.«

»Darf ich mal sehen?«

»Klar«, sagt Sofia genauso lässig, wie sie sich in ein paar Jahren ausziehen wird. Sie schiebt die Brille auf die Stirn und versucht, ihr linkes Auge zu kontrollieren. Doch weil sie aufgeregt ist oder schon so lange nichts sehen konnte, klappt es nicht so, wie es soll.

»Geil!«, sagt Oscar. »Wie machst du das bloß?«

»Ich mach doch gar nichts.«

»Echt nicht?«

»Das mit deiner Mama tut mir leid«, sagt Sofia, ihr ist gerade der Satz eingefallen, den sie sich zurechtgelegt hat. Oscar fühlt sich überrumpelt. Er zuckt nur mit den Schultern und versetzt der Eingangsstufe einen Tritt mit der Schuhspitze, als sie auch schon aus der Küche zu Tisch gerufen werden.

Dieser Abend hält noch weitere Entdeckungen für Oscar bereit. Um zehn setzt sich Rossana zu Sofia ans Bett, nimmt ihr die Brille ab, verstaut sie im Etui und führt einen Finger an ihre Nasenspitze. Langsam zieht sie den Finger wieder zurück, während Sofia sich zwingt, ihn zu fixieren. Sie wiederholen die Übung mehrmals, bis Roberto schließlich zu einem weiteren Ritual zu ihnen stößt: Sie sprechen ein Vaterunser, ein Ave-Maria und ein von Rossana improvisiertes Gebet, in dem sie sich für den Tag und die Ankunft des neuen Freundes bedankt und für alle um eine gute Nacht bittet.

»Amen«, sagt Sofia. Rossana beugt sich über sie und gibt ihr einen Gutenachtkuss. Sie hält es für angebracht, auch Oscar zu küssen, nur dass er nicht weiß, wie er darauf reagieren soll. Es ist ihm peinlich, und er zieht die Bettdecke bis unters Kinn und schließt die Augen. Dann wird endlich das Licht gelöscht, und die Erwachsenen verlassen das Zimmer.

»Machen die das immer so?«, fragt er, als die beiden fort sind.

»Wie meinst du das?«

»Das viele Lächeln und Küssen.«

»Früher war es anders«, sagt Sofia. »Früher haben sie ständig gestritten. Sie wollen sich Mühe geben und versuchen, sich wieder gernzuhaben, das haben sie versprochen.«

»Wer’s glaubt!«, sagt Oscar und reibt sich die Stirn.

Sie liegen in zwei neuen Betten, in einem kleinen Zimmer, dessen Einrichtung erst vor wenigen Wochen aus einem Katalog bestellt worden ist. Rossana und Roberto müssen sie die nächsten drei Jahre abbezahlen und haben mit Blick auf die Zukunft alles doppelt angeschafft: Seit einiger Zeit reden sie davon, noch ein Kind zu bekommen.

»Und was habt ihr euch da erzählt?«, fragt Oscar.

»Was meinst du?«

»Na, diese Gedichte, die ihr aufgesagt habt.«

»Du meinst die Gebete?«

»Ja. Die Gebete.«

Sofia dreht sich um und mustert sein Profil in der Dunkelheit. Sie hat noch nie jemanden kennengelernt, der nicht weiß, was Gebete sind. Durchs gekippte Fenster dringt Robertos Stimme: Er muss hinausgegangen sein, um den Rasen zu sprengen, und dabei einen Nachbarn getroffen zu haben.

»Die sind dazu da, um mit Gott zu reden«, erwidert sie, sie hat sich die Worte genau überlegt.

»Und was sagt ihr so zu Gott?«

»Zunächst einmal, danke. Wir danken ihm für das, was er uns schenkt, und bitten ihn um Verzeihung, wenn wir was Böses getan haben. Wenn wir dann noch einen besonderen Wunsch haben, bitten wir ihn, dass er ihn erfüllt.«

»Und, macht er das?«

»Klar«, sagt Sofia, weiß aber sofort, dass ihre Antwort voreilig war. Denn da ist noch die Sache mit dem Willen Gottes. Es ist alles nicht so einfach, doch sie traut sich nicht, sich zu verbessern. Sie hört, wie sich ihr Vater vom Nachbarn verabschiedet und den Wasserhahn aufdreht.

»Geil«, sagt Oscar, während ein angenehmer Duft nach feuchter Erde aus dem Garten zu ihnen emporsteigt.

Als Oscar sie am nächsten Tag aus dem Bett und dann aus dem Haus zerrt, die Jungs aus der Nachbarschaft zusammentrommelt und sofort das Kommando übernimmt, merkt Sofia schnell, dass sie ihn weder schonen noch sich zwingen muss, seine Freundin zu sein. Oscar ist mit seinen neun Jahren ein echter Wildfang, und der Altersunterschied, seine stets zerzausten, in der Sonne schimmernden Haare sowie die ganzen Abenteuergeschichten, die er kennt und wunderbar wiedergeben kann, machen ihn zu einem idealen Anführer und Gefährten. Als Erwachsene wird Sofia sich stets in solche Männer mit tiefen, wenn auch wechselnden Leidenschaften verlieben. Und Oscars Leidenschaft segelt 1985 unter schwarzer Flagge: In einem anderen Sommer werden Apachen-Krieger an der Reihe sein, danach die Räuber aus Sherwood Forest und die Goldsucher Alaskas, aber dies ist das Jahr der Piraten, und der Lagobello-Park ist wie dafür gemacht.

An diesem Punkt ihrer Darbietung wird Sofia einen Kreis in die Luft zeichnen, einen Teich mit einer kleinen Insel, die durch eine Holzbrücke mit dem Festland verbunden ist. Ein unbefestigter Weg, der in regelmäßigen Abständen von Bänken und Laternenmasten unterbrochen wird, führt um den Teich herum und zwischen zwei gerade erst angepflanzten Strauchreihen den Hügel hinauf. Diese künstliche Landschaft, die ebenfalls aus einem Katalog für Parks und Gärten bestellt worden ist und eigentlich ein Ort innerer Einkehr sein sollte, verwandelt sich dank Oscar in die Karibik zu Beginn des achtzehnten Jahrhunderts – von europäischen Kolonialmächten umkämpft und von Gesetzlosen heimgesucht. Unter seiner Führung werden mehrere wohlgenährte...


Cognetti, Paolo
Paolo Cognetti, 1978 in Mailand geboren, verbringt seine Zeit am liebsten im Hochgebirge, und seine Erlebnisse in der kargen Bergwelt inspirieren den Mathematiker und Filmemacher zum Schreiben. Für seinen internationalen Bestseller »Acht Berge« , der ins Aostatal führt, erhielt er u. a. den renommiertesten italienischen Literaturpreis, den Premio Strega. »Das Glück des Wolfes« ist sein neuester Roman, der erneut in über 20 Ländern erscheint.

Burkhardt, Christiane
Christiane Burkhardt lebt und arbeitet in München. Sie übersetzt aus dem Italienischen, Niederländischen und Englischen und hat neben den Werken von Paolo Cognetti u. a. Romane von Fabio Geda, Domenico Starnone, Wytske Versteeg und Pieter Webeling ins Deutsche gebracht. Darüber hinaus unterrichtet sie literarisches Übersetzen.



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