E-Book, Deutsch, Band 2, 510 Seiten
Cogman Eleanor
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-7517-6091-1
Verlag: Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Frankreich, 1793. Die Revolutionäre kämpfen verbissen. Doch Vampire beißen gern zurück
E-Book, Deutsch, Band 2, 510 Seiten
Reihe: Die Liga des Scarlet Pimpernel
ISBN: 978-3-7517-6091-1
Verlag: Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Dieses Buch gibt es in zwei Versionen: mit und ohne Farbschnitt. Sobald die Farbschnitt-Ausgabe ausverkauft ist, liefern wir die Ausgabe ohne Farbschnitt aus.
Frankreich, 1793. Eleanor, einst eine einfache Dienstmagd, ist nun Mitglied der Liga des Scarlet Pimpernel, die sich wagemutig in jedes Abenteuer stürzt, um Menschen - und Vampire - vor der Guillotine zu retten. Diesmal müssen Eleanor und ihre Verbündeten das Verschwinden von Charles-Maurice de Talleyrand untersuchen, eines berüchtigten französischen Staatsmannes und Diplomaten. Dabei kommen sie bald zwei verfeindeten Vampir-Clans auf die Spur, die sich wahrhaft verbissen bekämpfen. Und sie finden heraus, dass das Verschwinden Talleyrands nur Teil einer weitaus größeren Verschwörung ist, die ganz Frankreich in ein blutiges Chaos zu stürzen droht ...
Genevieve Cogman hat sich schon in früher Jugend für Tolkien und Sherlock Holmes begeistert. Sie absolvierte ihren Master of Science und arbeitete bereits in diversen Berufen. Mit ihrem Debüt DIE UNSICHTBARE BIBLIOTHEK sorgte sie in der englischen Buchbranche für Aufsehen und feierte auch in Deutschland große Erfolge. THE INDEPENDENT wählte den Roman zu einem der zehn besten fantastischen Bücher des Jahres.
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Prolog
Die Morgendämmerung hatte noch nicht eingesetzt, aber in Portsmouth herrschte bereits reger Betrieb. Das nächtliche Gewerbe – zu dessen Akteuren Vampire, Verbrecher und Huren ebenso wie Aristokraten zählten, die bis spät in die Nacht hinein feierten, sowie arme Mitmenschen, für die es keine andere Wahl gab, als in diesen frühen Tagesstunden zu arbeiten – neigte sich seinem Ende entgegen, und das morgendliche Geschäftsleben hatte begonnen. Der Himmel wirkte fahl, und am Horizont zeichnete sich ein dünner Streifen Licht ab, der von der See herkommend auf den Messingbeschlägen der Schiffe schimmerte, die dicht nebeneinander im Hafen von Portsmouth festgemacht hatten. Karren mit Nahrungsmitteln rollten knarrend durch die Straßen auf ihrem Weg, die Gasthäuser und Kaufläden für den Tag zu versorgen. Bettler, von denen viele verletzt und entstellt waren – oder zumindest den Anschein erweckten, es zu sein –, krochen aus ihren nächtlichen Verstecken hervor, bereit, an das Mitleid der Werktätigen zu appellieren, die zu ihren Arbeitsplätzen unterwegs waren. Ein Trupp frisch rekrutierter (und möglicherweise zum Militärdienst gezwungener) Soldaten marschierte die Straße zum Hafen hinunter, um sich einzuschiffen. Der Hall ihrer Stiefel ließ erkennen, dass der angestrebte Gleichschritt infolge ihrer Unerfahrenheit immer wieder aus dem Takt geriet. Und im Admiral Inn trug Joseph einen Krug heißen Wassers zum Zimmer seines Dienstherrn hoch, damit der sich rasieren konnte.
Monsieur Talleyrand hatte den Kopf in eines seiner Bücher gesteckt, aber er lächelte angemessen höflich, als Joseph das Wasser hereinbrachte. Er warf ihm keine Stiefel an den Kopf, wie es einige von seinen früheren Herren getan hatten, er beschimpfte ihn nicht als verdammten Dummkopf und schwor auch nicht, dass ihm der Lohn gekürzt würde, wenn das Wasser kühl sein sollte. Falls alle französischen Herren und Damen so waren wie Monsieur Talleyrand, dann konnte Joseph es nicht verstehen, warum sie aus Frankreich fortgejagt oder dort hingerichtet worden waren. Aber das war eben Politik, und wie Monsieur einmal gesagt hatte, war Joseph ohne Zweifel ein besserer und glücklicherer Mensch, da er sich aus solchen Dingen heraushielt.
»Danke schön, Joseph«, sagte Monsieur. Er nahm den Krug mit heißem Wasser und begann, sich vor dem kleinen, verblichenen Spiegel des Zimmers zu rasieren. Das Wirtshaus war billig und seine Einrichtung sogar noch billiger. In den wenigen vorangegangenen Monaten, in denen Joseph als Kammerdiener von Monsieur tätig gewesen war, hatten sie bessere Unterkünfte gehabt. Aber das war, bevor das Geld ausgegangen war – und sich mit ihm auch die Freundschaften seines Herrn verflüchtigt hatten. Eine ganze Menge von adligen Franzmännern hegte einen Groll gegen Monsieur wegen irgendwelcher Geschehnisse, die sich in Frankreich zugetragen hatten, und wie so viele Angehörige der Oberschicht suchten sie sich den unangenehmsten Moment aus, um nachzutreten. Sie hatten ihre Beziehungen spielen lassen, und Monsieur war mitgeteilt worden, dass er England verlassen musste. Er sollte noch am heutigen Tag mit der William Penn in See stechen, die ihn nach Amerika bringen würde.
Monsieur beendete seine Rasur und trat vom Spiegel zurück, damit Joseph Krug und Wasserschüssel fortschaffen konnte. Obwohl er so gelassen wie ein Bischof blickte – Joseph hatte erfahren, dass er vor der Revolution in Frankreich tatsächlich ein Bischof gewesen war –, lag ein kaltes Leuchten in seinen Augen, eisiger als die Märzluft draußen, das ausreichte, um jegliche christliche Nächstenliebe bis tief in die Seele hinein einzufrieren. Monsieur mochte in aller Stille fortgehen, aber er würde sicherlich niemals vergessen, dass man ihn zu diesem Exil gezwungen hatte.
Joseph öffnete die Tür und bekam sogleich einen Schreck, als er zwei Männer erblickte, die im Korridor auf der gegenüberliegenden Seite standen. Es waren keine lebenden Menschen, sondern zwei Vampire, deren Hüte und Mäntel sie als wohlhabende Gentlemen auswiesen, und deren Haut da, wo sie sich zeigte, weiß wie Knochen war. Zum Schutz gegen das Morgenlicht hatten sich beide dick eingemummelt, denn Vampire konnten Sonnenlicht zwar ertragen und sich auch tagsüber darin bewegen, aber keiner von ihnen mochte es je. Und obwohl beide einen Spritzer Parfüm aufgetragen hatten, wie es sich für vornehme Herren gehörte, konnte Joseph neben diesem Duft einen Hauch von frischem Blut riechen.
»Monsieur Talleyrand!«, rief der Größere und schritt ins Zimmer hinein. »Bitte verzeihen Sie unser Eindringen, aber wir konnten es nicht ertragen, Sie ohne ein paar letzte Worte fortgehen zu lassen.«
»Ah, de Courcis«, sagte Monsieur. »So wie unser letztes Gespräch verlief, habe ich gedacht, dass das Einzige, was Sie mir noch mitteilen wollen, ›Adieu‹ und nicht ›Au revoir‹ sein würde. Und …« Er runzelte die Stirn, während er den zweiten Vampir anschaute. »Castleton. Ich hatte nicht mitbekommen …«
»Ich könnte mir denken, Sie sind es nicht gewohnt, mich sprechen zu hören, ohne dass ich dabei huste«, fiel der zweite, dünnere Mann ihm ins Wort und folgte seinem Freund ins Zimmer. Joseph hatte zunächst geglaubt, sein Haar wäre gepudert, aber es war tatsächlich weiß, was in einem starken Kontrast zu seinem jugendlichen Gesicht stand. »De Courcis hier war so freundlich, unter den Damen und Herren seines Bekanntenkreises ein paar Beziehungen spielen zu lassen. Infolgedessen werde ich sehr viel länger zugegen sein als erwartet.«
Monsieur zuckte mit den Schultern. »Es gab eine Zeit, in der ich mit Ihnen über die theologischen Aspekte dieser Sache hätte debattieren können, aber das liegt schon eine Weile zurück. Also, wie kann ich Ihnen zu Diensten sein, meine Herren?«
»Sie nehmen doch wohl nicht an, dass wir aus reiner Herzensgüte hier sind, oder?«, fragte der erste Vampir.
»Es wäre sicherlich ein Novum, wenn Sie aus diesem Grund etwas täten, de Courcis«, antwortete Monsieur. »Mein Schlafzimmer ist weder eine Spielhölle noch ein eleganter Salon, und somit sind Sie hier im Grunde genommen eindeutig fehl am Platz. Ich würde Ihnen ja Erfrischungen anbieten, aber … Nun ja, keiner von Ihnen trinkt mehr Tee, und mein Schiff läuft mit der Flut aus.«
De Courcis neigte den Kopf zur Seite, als ob er jemandem zuhörte, und ließ dann ein strahlendes Lächeln aufblitzen. Er hatte Charme; so viel würde Joseph ihm zugestehen. Aber es war die Art von Charme, die einen Mann dazu überredete, seinen Geldbeutel zu öffnen, und eine Frau dazu brachte, ihren Rock hochzuziehen. »Es läuft in der Tat aus, Monsieur … Aber ich fürchte, Sie werden nicht mit ihm fahren.«
»Und was wollen Sie damit sagen?«, verlangte Monsieur zu wissen; und seine Hand glitt ins Innere seines Rockes – zu der Pistole hin, die er, wie Joseph wusste, dort aufbewahrte.
Joseph verspürte eine innere Anspannung. Er war sich bewusst, dass er wahrscheinlich versuchen sollte, Monsieur zu verteidigen, obwohl nur der Himmel wusste, was er gegen zwei Vampire auszurichten vermochte; aber de Courcis machte keine plötzlichen Bewegungen.
»Ich will damit sagen, dass Ihre Anwesenheit anderweitig ernsthaft benötigt wird und wir es einfach nicht zulassen können, dass Sie unserer Gesellschaft den Rücken kehren«, entgegnete de Courcis. »Glücklicherweise wird Ihr Platz auf dem Schiff nicht verfallen …«
Schritte kamen knarrend die Treppe hoch, und dann tauchten zwei weitere Gestalten im Korridor auf. Joseph starrte mit weit aufgerissenen Augen die Männer an, die dort standen. Der eine war nahezu ein Ebenbild von Monsieur, während der andere für Joseph hätte gehalten werden können – nun ja, wenn die Beleuchtung schummrig war und die betreffende Person nicht zu genau hinschaute. Joseph öffnete den Mund, um etwas zu sagen. Aber Castleton, der sich irgendwie näher zu ihm hinbewegt hatte, während seine Aufmerksamkeit auf Monsieur und de Courcis gerichtet gewesen war, legte die Hand auf seine Schulter.
»Kein einziges Wort«, wies der Vampir ihn an.
Monsieur musterte die beiden Neuankömmlinge mit ungerührter Gelassenheit. »Ich nehme an, dass diese beiden Herren an unserer Stelle an Bord der William Penn gehen werden, oder?«
»Mit Ihrer Annahme haben Sie vollkommen recht«, pflichtete de Courcis ihm bei. »Und Sie werden mit Castleton und mir aufbrechen.«
»Und falls ich lautstark Unruhe stiften sollte?«
»Ich fürchte, dass niemand hier rechtzeitig einträfe, und das einzige Ergebnis wäre, dass Sie das Zimmer – anstatt auf Ihren eigenen Füßen – in eine Decke eingewickelt verlassen würden«, erwiderte de Courcis in heiterem Tonfall. »Kommen Sie jetzt, Monsieur Talleyrand! Ein alter Fuchs wie Sie weiß doch sicherlich, wie man auf eine spätere Gelegenheit wartet, nicht wahr?«
Monsieur nickte, als ob er diese Antwort erwartet hätte. »Ihre Manieren sind nicht besser als früher, aber Sie haben nicht unrecht. Also, wohin sollen wir gehen?«
»Das ist leider keine Angelegenheit, die wir vor Zeugen besprechen können.« De Courcis blickte zu Joseph. »Wie vernünftig bist du?«
Joseph schluckte. Mit so etwas hatte er nicht gerechnet, obgleich er wusste, dass die Franzmänner mitunter gefährliche Leute waren. Monsieur war allerdings ein großzügiger Dienstherr gewesen, und er schuldete ihm etwas. Joseph kam plötzlich der Gedanke, dass die womöglich beste Vorgehensweise darin bestand, das Spiel dieser Vampire mitzumachen und ihnen zu schwören, dass er nichts sagen...