E-Book, Deutsch, 130 Seiten
Reihe: Digital Edition
Clayton Nicht so stürmisch, Hannah
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-7337-5326-9
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 130 Seiten
Reihe: Digital Edition
ISBN: 978-3-7337-5326-9
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der anziehenden Hannah zu widerstehen, fällt Adam Roth unsagbar schwer. Aber der junge Bürgermeister des beschaulichen Little Haven hat mit Großstädterinnen schlechte Erfahrungen gemacht. Also versucht er, nicht auf die Avancen der attraktiven New Yorkerin einzugehen...
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1. KAPITEL
Laut ratternd und ächzend holperte Hannahs Wagen durch die Schlaglöcher der staubigen Straße, die zu ihrem Elternhaus führte. Die dichte Vegetation schützte das Haus vor dem Sonnenlicht und spendete Kühle. Hannah verspürte ein flaues Gefühl im Magen.
Es war ihr unmöglich, die Vielzahl der Empfindungen zu beschreiben, die sie in diesem Augenblick aufwühlten. Ihre Erinnerungen an das große Haus inmitten mächtiger Bäume am Ende der Straße waren so verschwommen wie unscharfe Fotos.
Wenn Hannah an Bobby Ray – ihren Vater – dachte, sah sie nur schattenhafte Bilder vor dem inneren Auge. Eine große, vornehme Gestalt, ein breites, herzliches Lächeln. Ein Lachen, das warm und strahlend wie ein sonniger Sonntagnachmittag wirkte. Jedenfalls glaubte sie, sich an ein warmes Lachen zu erinnern. Trotz größter Anstrengung konnte sie sich im Moment aber weder an den Klang noch an den begleitenden Gesichtsausdruck erinnern.
Die Liebe, die sie ihrem Vater als Kind entgegenbrachte, war tief und in ihrer Intensität absolut beglückend gewesen. Aber Hannah wusste, dass die Erinnerung an ihre Liebe zu Bobby Ray geschwächt war durch den Schmerz, den der Fortgang von Little Haven und damit die Trennung von ihrem geliebten Daddy ausgelöst hatte.
Hör auf, Hannah, verlangte eine Stimme in ihrem Inneren, schließ die Tür hinter deiner traurigen Vergangenheit. Dein Selbstmitleid frisst dich noch auf, wenn du dich zu sehr darin verlierst. Es gibt so viel zu tun.
„Denk an das Haus.“ Hannah flüsterte die Worte, während sie mit ihrem Wagen erneut durch ein Schlagloch rumpelte.
Sie verdrängte die verwirrenden Gefühle, die durch die Erinnerungen an ihren Vater wieder lebendig geworden waren. Lächelnd versuchte sie, sich ihr Elternhaus vorzustellen, das mit seiner umlaufenden Veranda und dem überladenen Schmuckwerk in ihrer Erinnerung einem riesigen Puppenhaus ähnelte. In den letzten Jahren hatte sie es nur selten zugelassen, Gedanken an dieses Haus zu verlieren. Wenn sie es aber doch tat, war ihr jedes Mal ganz warm ums Herz geworden.
Während ihrer einsamen Kindheit, die Hannah ohne ihren Vater erleben musste, hatte sie Zuflucht gesucht in der Erinnerung an die Zeiten, die sie zusammen mit ihrem Daddy daheim in diesem geräumigen Haus verbracht hatte. Das Haus, das sie vor ihrem inneren Auge sah, war beeindruckend in seiner Schönheit und wartete nur darauf, sie zu empfangen …
In diesem Moment erreichte Hannah eine Lichtung, und das Haus kam in Sicht.
Vor Schreck blieb Hannah beinahe die Luft weg. Ihre Augen weiteten sich, als sie den Wagen zum Stehen brachte.
Sie blinzelte mehrmals, dann starrte sie nur noch hin. Das wunderschöne Haus ihrer Erinnerung war jetzt nur noch ein schäbiges Gebäude, dessen Farbe von den Wänden abblätterte. Das Buschwerk wucherte so hoch, dass es die Fenster des ersten Stockes verdeckte. Eine Seite der Veranda hatte sich deutlich gesenkt. Das Haus, im viktorianischen Stil erbaut, wirkte armselig und war vollkommen verfallen.
Hannah lehnte sich in ihrem Sitz zurück. Offensichtlich hatte ihr Vater über die Jahre keinen Finger gerührt, um das Haus instand zu halten. Wie hatte er es nur zulassen können, dass sein Heim in einen solchen Zustand geriet? Hannah seufzte. Sie wusste, eine Antwort auf diese Frage würde sie niemals bekommen.
Büschel von Gras blieben an den Absätzen ihrer Schuhe hängen, nachdem sie aus dem Wagen gestiegen war. Sie schloss die Tür und wurde als Erstes von dem fettesten Kater begrüßt, den sie jemals gesehen hatte.
„Hallo“, murmelte Hannah. Mit seinem orangefarbenen Fell strich er um ihre Beine, aber bevor sie ihn streicheln konnte, verschwand er in den Büschen. Hannah richtete sich wieder auf und schaute zu dem Haus hinüber.
Auf einmal wurde ihr bewusst, wie merkwürdig dieses große viktorianische Haus mitten im Wald wirkte. Man könnte meinen, dass hier ein Blockhaus oder ein Haus mit weit herabgezogenem Dach besser gepasst hätte. Aber wie auch immer …
Als Hannah in der Nähe Hammerschläge hörte, blieb sie stehen und neigte den Kopf. Sie runzelte die Stirn. Woher mochte das Geräusch kommen? Immerhin war sie mindestens eine Meile auf der Hauptstraße gefahren, ohne ein anderes Haus zu sehen. Aber vielleicht verbargen sich noch weitere Häuser hinter den alten Bäumen, genau wie das ihres Vaters.
Für einen Moment verstummte das Hämmern, aber dann war es doch wieder zu hören. Nun kam das Geräusch aus geringerer Entfernung. Ja, es schien ganz nahe.
Mit den hohen Absätzen durch das hohe Gras zu gehen war nicht einfach. Aber schließlich gelangte Hannah zur Rückseite des Hauses. Erneut war das Hämmern verstummt. Hannah blickte sich um, schaute zu den Bäumen am Rand des Waldes.
Als ihr Blick zum Haus zurückschweifte, weckte eine Bewegung ihre Aufmerksamkeit. Sie schaute zum Dach hinauf.
Ein breiter muskulöser Rücken – nackt und männlich – glänzte dort im Sonnenschein. Das Gewicht des Mannes ruhte auf einem Bein. Mit dem anderen hielt er sein Gleichgewicht, indem er es auf höher gelegene Ziegel stützte. Er griff in seine Arbeitsschürze, wohl um Nägel herauszunehmen. Dann beugte der Mann sich vor, setzte einen Nagel auf einen Dachziegel und trieb ihn mit eleganten, schwungvollen Hammerschlägen ein. Bei jedem Schlag spannten und streckten sich Arm-, Schulter- und Rückenmuskeln. Die Bewegungen wirkten präzise und stark, und die Haltung des Mannes brachte sein in knappen Jeans sitzendes Hinterteil perfekt zur Geltung.
Die Krankenschwester in Hannah weigerte sich, in der knackigen Rundung mehr zu sehen als dessen anatomische Funktion – eben ein Gesäß. Aber gleichzeitig gestand sie sich ein, dass dies das perfekteste männliche Hinterteil war, das sie je gesehen hatte.
Bei dem Gedanken atmete sie einmal tief durch, wandte aber den Blick keinen Moment von dem Mann dort oben auf dem Dach. Was war los mit ihr?
Erneut legte der Mann eine Pause ein. Dieses Mal legte er den Hammer nieder und langte in seine rückwärtige Tasche. Mit einem weißen Taschentuch wischte er sich über die Stirn, und Hannah stöhnte innerlich, während sie das Muskelspiel seines kräftigen Oberkörpers im warmen Sonnenlicht beobachtete.
Erst jetzt fielen ihr seine Hände auf. Von all der Arbeit müssen sie voller Schwielen sein, überlegte sie und stellte sich insgeheim vor, wie sich die rauen Fingerspitzen wohl auf der samtenen Haut einer Frau anfühlten …
Der Gedanke erregte Hannah, und ihr Puls begann schneller zu schlagen.
Sie schluckte und versuchte vergebens, den Blick von dem Mann auf dem Dach abzuwenden.
Unbewusst machte sie einen Schritt vorwärts, wobei sich ein Absatz ihrer Schuhe in dem hohen Gras verfing. Hannah stolperte. Erschrocken schrie sie auf, konnte sich aber noch rechtzeitig fangen.
Als sie danach sofort wieder zum Dach hinauf schaute, blickte der Mann auch zu ihr.
Plötzlich war Hannah unheimlich dankbar, dass sie gestolpert war. Es wäre doch zu peinlich, wenn der Handwerker bemerkt hätte, dass sie ihn anstarrte.
„Hallo“, begrüßte er sie. Dabei lächelte er, auf seinen Wangen bildeten sich kleine Grübchen, und seine Augen blickten Hannah voller Wärme an.
Der Anblick seines attraktiven Gesichts und seines charmanten Lächelns verwirrte Hannah zunehmend. Der Grund für ihre Reise war ihr plötzlich vollkommen entfallen.
Glücklicherweise war es gerade jetzt nicht erforderlich zu sprechen, denn der Mann nahm seinen Hammer wieder in die Hand, steckte ihn in eine Schlaufe an seinem Arbeitsgürtel und kletterte die Leiter hinunter, die an der Seite des Hauses lehnte. Es dauerte eine Weile, bis er unten ankam – wertvolle Minuten, die Hannah dazu benutzte, ihr Herzflattern und das Zittern ihrer Hände zu beruhigen, sowie ihre höchst unpassenden Gedanken unter Kontrolle zu bringen.
Einfach albern, sagte sie sich. Ihre Arbeit als Krankenschwester brachte sie beinahe täglich in Kontakt mit nackten Körpern. Schließlich konnte man Patienten nicht bekleidet versorgen. Warum also richtete der Anblick dieses bloßen Oberkörpers solch ein Durcheinander in ihr an und weckte so erregende Gedanken?
Doch noch bevor sie Zeit hatte, eine Antwort zu finden, stand der Mann vor ihr.
Von Nahem war er noch attraktiver. Das verwirrende Blaugrau seiner Augen strahlte unter dichten dunklen Wimpern. Schwarze Augenbrauen betonten die hohe Stirn mit den feinen Linien, die Hannah verrieten, dass der Fremde etwa fünfunddreißig bis vierzig Jahre alt sein musste. Das tiefschwarze Haar schimmerte feucht am Ansatz von der Arbeit auf dem Dach und glänzte im Nacken sowie auf seiner sonnengebräunten mit staubbedeckten Brust.
Unbewusst fuhr sich Hannah mit der Zunge über ihre trockenen Lippen. Sie blinzelte mehrmals und zwang sich dann, den Blick wieder auf sein Gesicht zu richten. Das belustigte Aufleuchten in seinen Augen ließ keinen Zweifel, dass er Hannahs Bewunderung sehr wohl bemerkt hatte. Sie fühlte, wie ihr Gesicht zu glühen begann.
„Entschuldigen Sie mich noch einen Moment“, bat der Mann und ging an Hannah vorbei. Er nahm das Ende des grünen Gartenschlauchs vom Boden auf, drehte am Wasserhahn, beugte sich ein wenig vor und duschte seinen Oberkörper ab. Dabei fuhr er sich mit der freien Hand über Brust, Schultern, Nacken und Gesicht und kämmte sich mit den Fingern durchs Haar.
Hannah verspürte den unwiderstehlichen Drang in sich, selbst den Schlauch in die Hand zu nehmen und das Wasser über die Brust dieses Unbekannten zu spritzen, dabei aber sacht mit den Fingern seine breiten Schultern...