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E-Book

E-Book, Deutsch, 415 Seiten

Claussen Große Predigten

2000 Jahre Gottes Wort und christlicher Protest

E-Book, Deutsch, 415 Seiten

ISBN: 978-3-650-40125-0
Verlag: Lambert Schneider in Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die Predigt spielt im Christentum bereits seit seinen Ursprüngen eine besondere Rolle. In ihr wird seit jeher das Wort Gottes verkündet und sie ist ein zentrales Element in der Liturgie. In einer einzigartigen Auswahl legt dieser Band die wichtigsten Predigten aus 2000 Jahren Kirchengeschichte vor. Über 30 Texte von der Bergpredigt über die berühmte Predigt von Galens gegen den Nationalsozialismus bis hin zu Papst Johannes Paul II. machen die Predigttradition in ihrer historischen Entwicklung fassbar und zeigen Konstanten und Wandel. Dabei werden zahlreiche christliche Strömungen berücksichtigt, so dass sich anhand der Auswahl die bewegte Geschichte des Christentums verfolgen lässt. Jede Predigt wird zum besseren Verständnis von einem renommierten Experten eingeleitet und erläutert. Ein einzigartiges Lesebuch zur Kirchengeschichte!

Johann Hinrich Claussen ist ein deutscher evangelisch-lutherischer Theologe und Autor. Er ist Hauptpastor an St. Nikolai in Hamburg und Propst für die Propstei Alster-West im Kirchenkreis Hamburg-Ost der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland.
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|13|Jesus von Nazareth
Die Bergpredigt Mt 5–7
  |14|Einführung
Die im Matthäusevangelium in Kapitel 5 bis 7 überlieferte „Bergpredigt“ Jesu hat über die Jahrhunderte eine reiche Wirkungsgeschichte entwickelt: Armutsbewegungen wie die des Franz von Assisi, Friedenskirchen wie die Mennoniten oder Quäker und auch die politische Friedensbewegung der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts bezogen sich besonders auf diesen Bibeltext. Auch unser Sprichwortschatz ist durch die Bergpredigt bereichert: Das Licht, das man nicht unter den Scheffel stellt (vgl. 5,15), dass man nicht zwei Herren dienen kann (6,24), die Rede vom „Balken im eigenen Auge“ (7,3), vom Haus, das auf Sand gebaut ist (7,26), die „Lilien auf dem Felde“ (6,28) und die „Wölfe im Schafspelz“ (7,15) – all das ist über die Lutherübersetzung des griechischen Textes in unseren Sprachschatz eingegangen. Auch das die weltweite Christenheit verbindende Gebet „Vater unser“ ist uns durch die Bergpredigt überkommen (6,9–13). Die so genannte Bergpredigt ist allerdings nicht eigentlich eine „Predigt“ und geht auch nicht in dieser Form auf Jesus zurück, den jüdischen Lehrer, der gegen 30 n.Chr. in Jerusalem gekreuzigt wurde. Es ist vielmehr eine Rede, die etwa fünfzig Jahre später aus Worten Jesu, die durch seine Anhängerinnen und Anhänger überliefert wurden, sorgfältig komponiert wurde. Verfasser ist ein uns unbekannter, jüdisch geprägter Schriftgelehrter, den wir mit der Tradition Matthäus nennen; vielleicht war es auch eine Gruppe von Theologinnen und Theologen. Jedenfalls spiegelt das Evangelium die Erfahrungen von Christusgläubigen etwa 80 n.Chr., die Verfolgung um ihres Glaubens willen erlebten (vgl. 5,10), vermutlich in Syrien. Auch wenn „Matthäus“ als Verfasser gilt, nimmt man an, dass die meisten dieser Worte auf Jesus selbst zurückgehen und bei verschiedenen Gelegenheiten seiner Wanderschaft durch Israel als Reaktion auf konkrete Situationen für die Menschen seiner Welt formuliert wurden. Es waren einfache, durch das agrarische Leben geprägte Menschen, die in der seit 100 Jahren von den Römern besetzten und von jüdischen Klientelkönigen regierten Region Palästina, vor allem in Galiläa, ein Leben in Armut und ohne die Möglichkeit politischer Einflussnahme führten. Jesu in der aramäischen Volkssprache geäußerten Lebensweisheiten, Aphorismen und Gleichnisse wurden zunächst mündlich tradiert, dann ins Griechische übersetzt, gesammelt und dabei auch immer wieder aktualisiert. Die „Bergpredigt“ ist also nicht wie Predigten sonst Auslegung eines Textes oder Kommentierung einer aktuellen Problematik. Vielmehr hat der |15|Evangelist Lebensanweisungen und Verheißungen der Jesustradition ringförmig um das Vaterunser gelegt, die die Situation der Jesusrede transzendieren. Ihr gemeinsames Anliegen ist es zu zeigen, wie der Mensch diejenige Gerechtigkeit im Leben umsetzt, die Gott und seinem Willen entspricht. Schlüsselworte sind „Gerechtigkeit“ (dikaiosyne; 5,6.10.20; 6,1.33) und „Reich Gottes“ bzw. „Himmelreich“ (basileia ton ouranon; 5,3.10.19.20.; 6,33; 7,21). Unter ihnen verbinden sich die Zusage, an diesem Reich Gottes teilzuhaben, und hohe Forderungen an ein gerechtes Ethos, das zur Teilhabe an Gottes Reich Voraussetzung ist. Die Spannung zwischen Zusagen und Forderungen eröffnet verschiedene Lektüren des Textes und macht ihn so reich, dass er immer wieder religiöse Aufbrüche inspirieren konnte. Matthäus hat diesen Jesusworten in der Komposition seines Evangeliums eine besondere Bedeutung gegeben: Er situiert die Rede auf einem Berg in Galiläa (5,1). Berge sind Orte besonderer Gottesoffenbarung, wie schon die Gabe der Tora an Mose auf dem Berg Sinai geschah. Nach dem Matthäusevangelium ist es die erste, umfassende Lehre Jesu, die maßgeblich wird auch für alles, was die späteren Missionarinnen und Missionare „alle Völker“ lehren sollen (28,19f.). So betont Mt 7,28f. den großen Eindruck, den die Rede gemacht hat. Und er gibt dem Geforderten Nachdruck, indem er scharfe Gerichtsworte ans Ende stellt (7,13–27), die wohl nicht auf Jesus zurückgehen. Sie sollen einschärfen, dass es nicht reicht, diese Worte nur zu hören oder Jesus als „Herrn“ anzurufen. Man muss diese Worte auch tun, weil sie den Willen Gottes darstellen. Sonst ist man wie ein törichter Mensch, dessen auf Sand gebautes Haus im Sturm des Gottesgerichts weggeschwemmt wird (7,24–27). Die Rede beginnt mit neun Seligpreisungen, die auf paradoxe Weise gerade die Menschen glückselig preisen, denen es im jetzigen Leben schlecht geht (5,3–12): Die „geistlich Armen“ (der Ausdruck ist unterschiedlich verstehbar, meint aber nicht, wie oft angenommen, die „geistig Behinderten“), die Leid Tragenden und die um der Gerechtigkeit willen jetzt Verfolgten. Er preist aber auch die selig, die sich jetzt anderer erbarmen und Frieden stiften. Hier klingt bereits ein zentrales Anliegen der Jesusethik an: Eine Lebensweise, die auf Frieden mit allen anderen ausgerichtet ist, auch mit den „Feinden“, und dies unter Verzicht auf eigene Interessen. Wenn es hier heißt, diese „werden Gottes Kinder heißen“, so wird damit ein Gedanke vorabgebildet, der später expliziert wird: Wie die Kinder im (antiken) Ideal ihrem Vater nacheifern, so gilt es Gott, den Vater, als seine Kinder nachzuahmen. „Gott lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute |16|und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte“ – so motiviert die Bergpredigt mit dem Vorbild Gottes zur Feindesliebe. Mit „lieben“ (agapan) beschreibt das frühe Christentum nicht Emotionen, die man kaum einfordern könnte, sondern tätige Hinwendung. Die Seligpreisungen mischen so also bereits in die Verheißung einen Anspruch. Auch die anschließenden metaphorischen Prädikationen „Ihr seid das Salz der Erde!“ (5,13) und „Ihr seid das Licht der Welt!“ (5,14) verbinden diesen Zuspruch mit der Forderung nach sichtbarem Wirken in der Welt: „So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen“ (5,16). Der Hauptteil der Bergpredigt (5,17–7,12) beginnt mit den sogenannten „Antithesen“, die durch einen Vorspruch (5,17–20) und eine Summe (5,48) gerahmt sind. Die Bezeichnung als „Antithesen“ nimmt Bezug auf die antithetische Formulierung, die in Variationen sechs Mal wiederkehrt „Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt ist … Ich aber sage euch …“ (5,21f. u.ö.). Sie ist oft so gedeutet worden, als löse Jesus hier das jüdische Gesetz ab durch die Aufrichtung einer neuen Ordnung. Aber das wäre missverstanden, wie schon die Einleitung zu diesen Mahnungen, die wir besser „Kommentarworte“ nennen sollten, bezeugt: „Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen bin, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht gekommen aufzulösen, sondern zu erfüllen“ (5,17). Der Jesus der Bergpredigt will nicht das Gesetz abschaffen, sondern bekräftigen und auslegen, indem er eine besonders ernsthafte Praxis verlangt. Sie ist letztlich eine Auslegung des Liebesgebots: Nicht erst die physische Auslöschung des anderen Menschen ist Tötung, sondern bereits der Zorn ihm gegenüber (5,22); Ehebruch beginnt bereits bei dem begehrenden Blick (5,28). Besonders eindrücklich ist das fünfte dieser Kommentarworte (5,38–42), das in drei Beispielen aus dem Leben einer bedrängten Minderheit deutlich macht, wie die Gewalt unterbrochen wird. Nicht soll nach der alten Talionsformel „Auge um Auge, Zahn um Zahn“, die bereits die Gewaltspirale begrenzen sollte, Gleiches mit Gleichem vergolten werden. Sondern dem, der auf die eine Wange schlägt, soll man auch die andere darbieten; die, der das Untergewand gepfändet wird, soll auch den Mantel reichen; und wer von Soldaten gezwungen wird, eine Meile Marschbegleitung zu leisten, soll eine weitere mitgehen. Diese offensive Selbstaussetzung, diese überraschende Gastfreundschaft unterbricht nicht nur den Zirkel der Gewalt, sondern zeigt beispielhaft, wie aus unterdrückten Objekten Subjekte werden können. Die paradoxe Intervention entwindet dem physisch Überlegenen die |17|Deutungshoheit und interpretiert die ehedem feindliche Situation neu. Dieses Kommentarwort zeigt beispielhaft, dass vielen der Jesusworte eine besondere Evidenz auch ohne Argumente innewohnt. In die Forderungen, die Frömmigkeitspraxis (Almosengeben, Beten und Fasten) nicht um des frommen Augenscheins willen, sondern nur im Gedanken an Gott zu üben (6,1–18), ist das Vaterunser eingefügt. Seine je nach Zählung sechs oder sieben Bitten stehen hier als ein Beispiel dafür, wie kurz und vertrauensvoll man zu Gott beten soll. Es bedarf nicht vieler Worte, denn Gott weiß, wessen die Menschen bedürfen. In diesem Gebet wird das Gottesbild der Bergpredigt besonders deutlich: Gott wird als der fürsorgende Vater verstanden, der das nötige Brot gibt, der denen vergibt, die selbst vergebungsbereit sind, der bewahrt vor der Versuchung, vom Glauben abzufallen. Die...


Johann Hinrich Claussen ist ein deutscher evangelisch-lutherischer Theologe und Autor. Er ist Hauptpastor an St. Nikolai in Hamburg und Propst für die Propstei Alster-West im Kirchenkreis Hamburg-Ost der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland.


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