E-Book, Deutsch, 360 Seiten
Claus Der 38. Sommer
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-86361-348-8
Verlag: Himmelstürmer
Format: PDF
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)
E-Book, Deutsch, 360 Seiten
ISBN: 978-3-86361-348-8
Verlag: Himmelstürmer
Format: PDF
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)
Der 38. Sommer Zu Beginn des Romans ist der in Deutschland geborene Finne Taavi dreizehn, lebt mit seinen fürsorglichen Eltern in Köln-Lindenthal. Er unterscheidet sich von anderen Teens seines Alters, ist klein und schmal, dazu extrem ordentlich, ehrgeizig und gewissenhaft. Das sind genügend Gründe, um ihn in der Schule zu mobben, was vor allem vom Klassenstärksten Leo ausgeht. Das Mobbing verschlimmert sich, nachdem Taavi in den Verdacht gerät, schwul zu sein. Aus den verbalen Angriffen werden körperliche Attacken, mit denen der schüchterne Junge erst klarkommen kann, nachdem er sein Schwulsein für sich selbst akzeptiert hat und offen zu seinem Freund Robin steht, welcher ihn in allem unterstützt. Ab diesem Zeitpunkt emanzipiert sich Taavi, erlebt seine erste Beziehung intensiv und mit allen Emotionen, die eine große Jugendliebe auszeichnen.Aber auch intensive Gefühle relativieren sich mit der Zeit, Taavi beginnt, die Schmetterlinge im Bauch zu vermissen, nachdem der Alltag eingekehrt ist. Er verliebt sich prompt in den jungen Exzentriker Daniel und gibt Robin für ihn auf. Allerdings ist die neue Beziehung von Anfang an schwierig. Taavi sieht keine andere Möglichkeit, als mit seinen Eltern zu brechen und ist von diesem Moment an auf sich selbst gestellt, obwohl er mit Daniel zusammenwohnt. Sie raufen sich im wahrsten Sinne des Wortes zusammen, als Paar schaffen sie es, Daniels Fotostudio zu größerem Erfolg zu führen, wobei nicht zuletzt Taavis intuitive Denkweise sehr hilfreich ist.Nachdem auch die Beziehung mit Daniel ein jähes Ende gefunden hat, verliert Taavi den Boden unter den Füßen. Zuerst lässt er sich gehen, dann probiert er verschiedene Dinge aus, um mit seinem Leben fertig zu werden. Immer auf der Suche nach einem Partner, nach neuen Schmetterlingen im Bauch verliert er die Orientierung, sein Lebenskonzept büßt seine Bedeutung ein und gerät schließlich vollkommen außer Kontrolle.Mit 38 hat der emotionale Lernprozess den sensiblen Mann an seine Grenzen gebracht. Beruflich sehr erfolgreich, möchte er sich nicht eingestehen, dass privat aus seiner zeitweiligen Einsamkeit etwas geworden ist, dem er sich nicht mehr entziehen kann. Aber schließlich muss er begreifen, dass sein Lebenstraum von einem Partner irgendwann auf der Strecke geblieben ist. Letztendlich steht er vor einer Entscheidung, die seine letzte werden wird.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Schleichendes Gift
1 In den nächsten Wochen stellte sich heraus, dass sich Taavi im ‚Lederetui’ ausgesprochen wohl fühlte. Er genoss die Blicke und Anmachen der augenscheinlich harten Kerle, hielt sich jedoch sehr zurück. Er hatte nicht wirklich Interesse an anderen Männern, sein Herz gehörte Robin und das wollte er auch nicht ändern. Trotzdem zog es ihn immer wieder in den Laden und Robin begleitete ihn eher notgedrungen aus zwei Gründen. Er wollte ein Auge auf seinen begehrten Freund haben und diesen außerdem bei Laune halten. Allerdings wurde das mit jedem Mal schwieriger. Robin war völlig erschöpft, seine Arbeitszeiten gaben kein ausgedehntes Nachtleben her. Oft genug blieben ihm kaum drei Stunden Schlaf und auch wenn er sich vom Alkohol fern hielt, war er nach fünf Wochen total erledigt und begann, bei der Arbeit Fehler zu machen. Das wiederum alarmierte ihn und er begriff, dass er sich entscheiden musste. Entweder, er vertraute Taavi und ließ ihn allein gehen oder er warf den Job hin, was er keinesfalls wollte. „Ich geh heute nicht mit!“ Es war der erste Samstag im neuen Jahr, Robin kam erst vor zwei Stunden heim, dümpelte seither auf der Couch herum und war sogar zu müde, etwas zu essen. Taavi war bereits dabei, sich anzuziehen und streckte den Kopf aus dem Bad. „Wieso nicht?“ „Weil ich komplett am Arsch bin! Hast du Tomaten auf den Augen?! Du könntest ja auch ausnahmsweise mal mit mir hier bleiben!“, flüsternd fügte er hinzu: „Und mir was zu essen machen.“ „Du weißt, ich brauch die Abwechslung, sonst tötet mich mein Job!“, antwortete Taavi theatralisch und zog sich wieder ins Bad zurück. „Ich bin wohl nicht mehr genug Abwechslung!“, brummte Robin leise vor sich hin. „Was ist?“ „Nichts … ich geh schlafen!“ „Och komm, ich will da nicht allein hin!“ Taavi war fertig und trat in einer Wolke von Davidoff ins Zimmer. In seiner einfachen, schwarzen Lederröhre nebst weißem, eng anliegendem Ripppullover sah er wieder umwerfend aus, wie Robin vom Bett her verdrießlich feststellte. Aber selbst das konnte ihn heute nicht motivieren. „Nein, ich muss schlafen! Es ist wohl nicht zuviel verlangt, wenn ich …“ Er war über seine Worte eingeschlafen, was Taavi überrascht zur Kenntnis nahm. Es sah aus, als müsse er tatsächlich alleine los, was ihm allerdings gar nicht gefiel. Er verzog das Gesicht. „Allein mag ich aber nicht … Menno“, wiederholte er ungeachtet dessen, dass sein Freund ihn definitiv nicht mehr hören konnte. An diesem Abend blieb auch Taavi zu Hause, er zog sich wieder aus und schlüpfte zu Robin ins Bett. So entwickelte sich neben Robins Unordnung anschließend dessen Müdigkeit zum ständigen Streitthema. Natürlich erkannte Taavi, dass sein Freund nicht nur aus Lustlosigkeit so tat, sondern wirklich erschöpft war. Das jedoch kollidierte mit seinen Wünschen, er glaubte wirklich, wenn er abends keine Zerstreuung hatte, würde er tagsüber im Job nicht durchhalten. Er hätte aufhören können, sogar seine Eltern bemerkten seine Veränderung und rieten dazu, aber Taavi wollte wie immer das zu Ende bringen, was er angefangen hatte. Aufgeben lag ihm nun einmal nicht. Einige Male war er mit Robin daheim geblieben, dann hielt er es nicht mehr aus, diesem beim Schlafen zusehen zu müssen. Mit jedem Mal regte ihn das mehr auf, er begann, diese Müdigkeit auf sich zu beziehen, darauf, dass er zu langweilig geworden war, um seinen Freund wach zu halten. Deshalb kam der Tag ziemlich schnell, an dem er dann doch allein losstiefelte. Es war ein Samstag und das ‚Lederetui’ ziemlich voll. Trotzdem nahmen viele Taavi sofort zur Kenntnis. Die Trauer, dass er diesmal ohne seinen Wachhund Robin unterwegs war, hielt sich in Grenzen. Er war kaum zehn Minuten dort, da hatte er bereits sieben verschiedene Drinks vor sich auf der Theke stehen. Den Platz dort hatte man ihm geräumt und er unterhielt sich gleich mit fünf Männern verschiedenen Alters gleichzeitig. Obwohl er noch etwas unsicher war, genoss er die Aufmerksamkeit und während er zuerst nur Kölsch-Cola trank, ließ er sich nach und nach zu alkoholhaltigeren Getränken animieren. „Und? Gehst du denn heute mit in den Darkroom?“, fragte irgendwann der edle Spender der meisten Wodka-E, ein circa 30-jähriger, glatzköpfiger Kerl namens Alex. „Ich? Nö! Weißt du doch! Prooost!“ Taavi lachte und prostete in die Runde. Dabei warf er mit seiner durch den Alkohol eingeschränkten Motorik das Kölschglas seines Nachbarn um. „Ups, sorry! Hey, Martin, gib mir mal ein Tuch!“ Umständlich wischte er über die Theke. „Die Theke ist nicht so nass wie ich!“, moserte der Glasinhaber und wischte sich die Tropfen von der Lederweste. „T‘schuldigung, echt. Hier ist deine Entschädigung!“ Taavi küsste den Mann Mitte vierzig mitten auf den Mund, der nutze die Chance blitzschnell und es wurde ein Zungenkuss daraus, gegen den Taavi sich erstmal nicht wehrte. Die Umstehenden konnten neidvolle Blicke nicht unterdrücken. Dann jedoch stieß Taavi den Mann von sich. „Mensch, hast du nicht mehr alle Gurken im Glas? Ich hab einen Freund und ich bin treu! Geh nach Hause, die Miete abwohnen!“ Dann wandte er sich wieder den anderen zu. Alex sagte: „Wir wissen, dass du einen Freund hast. Aber wird dir das nicht zu langweilig? Der sieht irgendwie immer müde aus – also wenn ich dein Freund wäre, würde ich die Zeit mit dir nicht verpennen!“ Taavi war noch nicht blau genug, um darauf einzugehen. Aber er spürte den Ärger auf Robin trotzdem. „Er muss viel arbeiten!“, tat er die Sache trotzdem ab. Die nächsten zwei Stunden vergingen mit tanzen und trinken. Die anderen verschwanden immer mal wieder im Darkroom und Taavi musste ständig ablehnen, es ihnen gleichzutun. Ansonsten hatte er aber auch ohne Robin eine Menge Spaß. Wenn er es sich recht überlegte sogar mehr Spaß als mit ihm. Nach seiner Kindheit als Außenseiter genoss er das ihm zuteil werdende Interesse doppelt und hatte sich noch immer nicht wirklich an diesen Wandel gewöhnt. Gegen Mitternacht war er dicht. Er war es absolut nicht gewöhnt, so viel zu trinken und vertrug dementsprechend wenig. Ihm wurde schlecht und er übergab sich, wofür er gerade noch rechtzeitig vor die Tür kam. Unter dem Protest der anderen rief der Wirt ihm ein Taxi, das den halb Schlafenden nach Hause brachte. Am nächsten Morgen ging es ihm dementsprechend schlecht und er war zum ersten Mal froh, dass Robin bereits zu seiner Schicht in der Klinik aufgebrochen war. Er drehte sich noch einmal um, versprach sich selbst, nie mehr so viel zu trinken und schlief wieder ein. 2 In den folgenden Monaten bürgerte es sich immer mehr ein, dass Taavi Robin erst gar nicht mehr fragte, ob er abends mit in die Kölner Szene kam. Er wusste inzwischen genau, er amüsierte sich besser ohne seinen Freund, der unfreiwilligen Spaßbremse. Was war denn auch dabei? So hatten sie beide, was sie wollten. Sicher, da war so ein eigentümliches, diffuses Gefühl, dass sie sich nicht mehr so vertraut waren und voneinander entfernten. Aber dieses Gefühl war nicht wirklich greifbar. Außerdem störten solche Überlegungen, sie liebten sich und waren zusammen, das allein zählte. Taavi blieb treu. Er widerstand allen Versuchungen, auch wenn er viele Männer kennenlernte. Es genügte ihm, begehrt zu sein und er kostete dieses neue Leben und die Verehrung der anderen voll aus. Seiner enttäuschenden Lehre gab er nur soviel Raum wie unbedingt nötig. Robin dagegen ging ganz in seinem Beruf auf. Krankenpfleger sein war nicht nur ein Job für ihn. Er legte Empfindungen in die Pflege kranker Menschen, manchmal zu viele davon und er war völlig am Ende, wenn ein Patient zu sehr litt oder gar starb. Trotzdem konnte er nicht anders. Kranke Menschen hatten es verdient, nicht wie eine Nummer behandelt zu werden, weshalb er sich schon einige Rügen eingefangen hatte, weil er sich mit ihnen zu viel Zeit ließ. Robin spürte, dass Taavi sich veränderte, dass er im Nachtleben erblühte und Selbstbewusstsein tankte. Aber noch glaubte er nicht, dass sein Freund ihn hinterging. Nur manchmal quälte ihn die Eifersucht so, dass er sie nicht verbergen konnte. Dann wurde er schnippisch und zog sich zurück. Sobald sie jedoch wieder Zeit miteinander verbringen und Zärtlichkeiten austauschen konnten, waren seine Zweifel verschwunden. Leider passierte das immer seltener. Auch Taavis Eltern blieben die Veränderungen von Taavi und das langsame Erkalten der jungen Liebe nicht verborgen. Inzwischen hatten sie zu Robin beinahe mehr Kontakt als zu ihrem eigenen Sohn. Sie glaubten zu wissen, wie es weitergehen würde, aber sie schwiegen. Erfahrungen konnte jeder nur für sich selbst sammeln. Heute nun war der erste Sonntag im Juni, sie waren zu einem Sommerfest eingeladen worden. Alex aus dem ‚Lederetui’, der sich inzwischen damit abgefunden zu haben schien, keine Chance zu bekommen, feierte im Garten seinen Geburtstag. Es war das erste Mal, dass Taavi solch eine private Einladung angenommen hatte, dies aber auch nur unter der Voraussetzung, dass er Robin mitbringen konnte. Dieser hatte allerdings keine Lust. Diesmal war er nicht müde, denn er hatte Urlaub, aber er wollte nicht mit zu Menschen, die er nicht kannte. Taavi ließ jedoch nicht locker, sie stritten, vertrugen sich wieder und landeten um die...




