E-Book, Deutsch, 224 Seiten
Christie Das Haus an der Düne
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-455-17117-4
Verlag: Atlantik Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein Fall für Poirot
E-Book, Deutsch, 224 Seiten
ISBN: 978-3-455-17117-4
Verlag: Atlantik Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Agatha Christie begründete den modernen britischen Kriminalroman und avancierte im Laufe ihres Lebens zur bekanntesten Krimiautorin aller Zeiten. Ihre beliebten Helden Hercule Poirot und Miss Marple sind - auch durch die Verfilmungen - einem Millionenpublikum bekannt. 1971 wurde sie in den Adelsstand erhoben. Agatha Christie starb 1976 im Alter von 85 Jahren.
Weitere Infos & Material
Cover
Titelseite
Für Eden Philpotts in [...]
Erstes Kapitel Hotel Majestic
Zweites Kapitel End House
Drittes Kapitel Unfälle?
Viertes Kapitel Es muss etwas dahinterstecken!
Fünftes Kapitel Mr und Mrs Croft
Sechstes Kapitel Besuch bei Mr Vyse
Siebtes Kapitel Tragödie
Achtes Kapitel Der verhängnisvolle Schal
Neuntes Kapitel Von A bis J
Zehntes Kapitel Nicks Geheimnis
Elftes Kapitel Das Motiv
Zwölftes Kapitel Ellen
Dreizehntes Kapitel Briefe
Vierzehntes Kapitel Das Geheimnis um das verlorene Testament
Fünfzehntes Kapitel Fredericas seltsames Verhalten
Sechzehntes Kapitel Gespräch mit Mr Whitfield
Siebzehntes Kapitel Eine Schachtel Konfekt
Achtzehntes Kapitel Das Gesicht am Fenster
Neunzehntes Kapitel Poirot inszeniert ein Stück
Zwanzigstes Kapitel J.
Einundzwanzigstes Kapitel Die Person – K
Zweiundzwanzigstes Kapitel Das Ende der Geschichte
Über Agatha Christie
Impressum
Erstes Kapitel Hotel Majestic
In meinen Augen kann kein Küstenort Südenglands St. Loo das Wasser reichen. Zu Recht gebührt ihm der Ehrentitel »Die Perle unter den Badeorten«, was einen unweigerlich an die französische Riviera erinnert. Jedenfalls ist für mich die Küste Cornwalls in jeder Hinsicht genauso faszinierend wie die Südfrankreichs.
Als ich dies meinem Freund Hercule Poirot gegenüber äußerte, meinte er lediglich: »Genau das stand gestern auf der Karte im Speisewagen, . Also keine sehr originelle Bemerkung Ihrerseits.«
»Ja, mag sein, aber finden Sie nicht auch, dass es stimmt?«
Daraufhin lächelte er still vor sich hin und antwortete nicht sofort auf meine Frage, weshalb ich sie wiederholte.
»Ich bitte tausendmal um Vergebung, Hastings. Ich war soeben in Gedanken ganz weit weg, und zwar genau in dem von Ihnen erwähnten Teil der Welt.«
»Im Süden Frankreichs?«
»Exakt. Ich musste an den letzten Winter dort denken und an die aufregenden Ereignisse.«
Ich erinnerte mich. Poirot hatte mit gewohntem, unbeirrbarem Scharfsinn einen mysteriösen und verzwickten Mordfall im berühmten gelöst.
»Ach, ich bedaure es zutiefst, dass ich nicht dabei sein konnte«, bemerkte ich.
»Da geht es mir genauso«, sagte Poirot. »Ihre Kennerschaft wäre für mich von unschätzbarem Wert gewesen.«
Ich sah ihn von der Seite an. Erfahrung hatte mich gelehrt, seinen Komplimenten zu misstrauen, diesmal schien er es jedoch ernst zu meinen. Und warum auch nicht? Schließlich kenne ich seine Methoden wie kein Zweiter.
»Ganz besonders vermisste ich Ihre lebhafte Phantasie, Hastings«, fuhr er beinahe träumerisch fort. »Ein wenig Abwechslung tut immer gut. Mein Diener Georges, ein lobenswerter Zeitgenosse, mit dem ich zuweilen den einen oder anderen Gesichtspunkt eines Falles erörtere, verfügt leider über keinen Funken Phantasie.« Diese Bemerkung schien mir völlig irrelevant.
»Sagen Sie, Poirot«, bemerkte ich. »Reizt es Sie nicht, Ihre alten Aktivitäten wieder aufzunehmen? Dieses untätige Leben …«
»Passt mir ganz wunderbar in den Kram, mein Freund. Gibt es etwas Schöneres, als in der Sonne zu sitzen? Können Sie sich eine edlere Geste vorstellen, als auf dem Zenit seines Ruhms abzutreten? Man wird über mich sagen: ›Da geht Hercule Poirot! Der Große, der Einzigartige! Einen wie ihn hat es nie zuvor gegeben und wird es nie wieder geben.‹ – ich bin zufrieden. In aller Bescheidenheit, mehr verlange ich gar nicht.«
Ich für meine Person fand das Wort »bescheiden« nicht gerade passend. Aber anscheinend hatte die Überheblichkeit meines Freundes mit den Jahren nur zugenommen. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück, strich beinahe zärtlich über seinen Schnurrbart und schnurrte förmlich vor Selbstzufriedenheit.
Wir befanden uns auf einer der Terrassen des größten Hotels in St. Loo, dem Majestic. Es machte seinem Namen alle Ehre, wie es da in einer großzügigen Anlage mit Meeresblick majestätisch thronte. Zu unseren Füßen erstreckte sich der Garten des Hotels, in dem sich sogar einige Palmen wiegten. Das Meer glitzerte tiefblau, der Himmel war wolkenlos und die Sonne brannte mit der geballten Kraft der echten Augustsonne (was in England in diesem Monat leider nicht immer der Fall ist). Das emsige Summen der Bienen war zu hören – alles in allem war es eine vollkommene Idylle.
Wir waren erst gestern Abend angekommen und der heutige Morgen war der Beginn unserer geplanten Ferienwoche. Wenn sich dieses Wetter nur hielt, so würde sie in der Tat perfekt werden.
Ich hob die Morgenzeitung auf, die mir aus der Hand gefallen war, und nahm das Ritual der morgendlichen Lektüre wieder auf. Die politische Lage war zwar unbefriedigend, aber gleichzeitig uninteressant. Unruhen in China, ein ausführlicher Bericht über eine angebliche Betrugsaffäre in der City, aber eigentlich nichts Fesselndes.
»Merkwürdige Sache, diese Papageienkrankheit«, bemerkte ich beim Umblättern.
»Sehr merkwürdig.«
»Hier steht etwas über zwei weitere Todesopfer in Leeds.«
»Äußerst bedauerlich.«
Ich blätterte weiter.
»Noch immer nichts von diesem Flieger, diesem Seton, und seinem Flug um die Welt. Einer von diesen tollkühnen Burschen. Fabelhafte Erfindung, sein Wasserflugzeug, die Albatros. Nicht auszudenken, wenn er weiter nach Westen geflogen ist. Man hofft natürlich noch immer. Möglicherweise hat er es bis zu einer Pazifikinsel geschafft.«
»Auf den Salomon-Inseln soll es doch noch Kannibalen geben, nicht wahr?«, erkundigte sich Poirot scheinheilig.
»Muss ein prima Kerl sein. So etwas macht einen doch wieder stolz darauf, Engländer zu sein.«
»Jedenfalls tröstet es über die Niederlagen in Wimbledon hinweg«, sagte Poirot.
»Aber, ich – ich wollte doch auf keinen Fall«, stammelte ich.
Mit einer eleganten Handbewegung wischte mein Freund den Entschuldigungsversuch beiseite.
»Ich für meine Person«, verkündete er, »bin Kosmopolit und keine Amphibie wie das Gefährt Ihres armen Captain Seton. Zudem hege ich, wie Sie ja wissen, schon immer große Bewunderung für die Engländer. Sie gilt beispielsweise der Gründlichkeit, mit der Sie sich der Lektüre ihrer Tageszeitung widmen.«
Ich war inzwischen bei der Politik gelandet.
»Der Innenminister scheint ganz schön in der Patsche zu sitzen«, bemerkte ich stillvergnügt.
»Der Arme. O ja, und ob der Grund zur Sorge hat! Nicht zu knapp! Sodass er sogar höchst ungewöhnliche Stellen um Hilfe angesucht hat.«
Ich machte große Augen.
Mit einem feinen Lächeln zog Poirot ein ordentlich mit einem Gummiband zusammengehaltenes Bündel aus seiner Tasche – die Morgenpost. Dem entnahm er einen Brief und schob ihn mir über den Tisch zu.
»Er hätte schon mit der gestrigen Post ankommen müssen«, sagte er.
Ich las den Brief und spürte dabei ein angenehmes Kribbeln vor Aufregung.
»Ja, aber Poirot«, rief ich. »Das ist ja höchst schmeichelhaft.«
»Finden Sie, mein Freund?«
»Er schwärmt in den höchsten Tönen von Ihren Fähigkeiten.«
»Damit hat er ja auch vollkommen recht«, befand Poirot und schlug bescheiden die Augen nieder.
»Er ersucht Sie, diese Angelegenheit für ihn zu bereinigen – betrachtet es sogar als persönlichen Gefallen Ihrerseits.«
»Schon möglich. Es ist überflüssig, mir das alles mitzuteilen. Sehen Sie, lieber Hastings, ich habe den Brief ja bereits gelesen.«
»Zu schade«, rief ich aus. »So finden unsere Ferien ein abruptes Ende.«
»O nein, nein, – das kommt überhaupt nicht in Frage.«
»Aber der Innenminister sagt, die Sache sei dringend.«
»Damit mag er richtigliegen – oder auch nicht. Diese Politiker regen sich immer gleich auf. Ich kenne das, in der Abgeordnetenkammer in Paris beispielsweise …«
»Ja, ja sicher, Poirot, aber sollten wir denn nicht mit den Vorbereitungen beginnen? Der Schnellzug nach London ist bereits fort – er fährt schon um zwölf. Der nächste Zug …«
»Ruhig Blut, Hastings, ich flehe Sie an, ruhig Blut. Immer diese Aufregung, diese Emotion. Wir werden weder heute noch morgen nach London fahren.«
»Aber dieser Auftrag …«
»Geht mich nichts an. Ich gehöre nicht zu Ihrer Polizei, Hastings. Man bittet mich lediglich in meiner Eigenschaft als Privatdetektiv, einen Fall zu übernehmen. ich lehne ab.«
»Sie lehnen ab?«
»Aber ja. Ich schreibe mit vollkommener Höflichkeit, drücke mein Bedauern aus, entschuldige mich überschwänglich und erkläre, dass ich am Boden zerstört bin – was wollen Sie mehr? Ich habe mich zurückgezogen – meine Karriere ist beendet.«
»Aber Sie sind noch lange nicht am Ende!«, rief ich mit großer Wärme aus.
Poirot tätschelte mein Knie.
»Da spricht der wahre Freund – der treue Weggefährte. Und dabei haben Sie auch noch völlig recht. Die grauen Zellen funktionieren noch tadellos – der Aufbau, die Methodik –, alles noch immer da. Aber, mein Freund, abgetreten ist abgetreten. Es ist zu Ende. Ich möchte keine Diva sein, die ihrem Publikum ein Dutzend Abschiedsvorstellungen zumutet. Mit stiller Größe sage ich: Lasst die junge Generation ans Ruder. Vielleicht gelingt ihnen sogar etwas Bemerkenswertes. Ich bezweifle es zwar, aber es ist immerhin möglich. Jedenfalls dürften ihre Fähigkeiten ausreichen, diese fraglos langweilige Affäre des Innenministers zu klären.«
»Aber Poirot, die Ehre, der Ruhm!«
»Da stehe ich längst drüber. Dem Innenminister ist es als klugem Mann natürlich klar, dass allein die Inanspruchnahme meiner Dienste einen erfolgreichen Abschluss der Angelegenheit garantiert. Was wollen Sie? Er hat Pech. Hercule Poirot hat seinen letzten Fall gelöst.«
Ich sah ihn an. In meinem tiefsten Innern bedauerte ich seine Halsstarrigkeit. Ein derartiger, wie im Brief angedeuteter Fall hätte seinem ohnehin weltberühmten Ruf noch ein wenig mehr Glanz verliehen. Und dennoch rang mir seine unnachgiebige Haltung Achtung ab. Plötzlich durchfuhr mich ein Gedanke und ich musste lächeln.
»Ich frage mich«, sagte ich, »ob Sie keine Angst haben. Eine derart entschiedene Erklärung bedeutet doch gewissermaßen, die Götter herauszufordern.«
»Es ist unmöglich«, erwiderte er, »die Entscheidung eines Hercule Poirot ins Wanken zu bringen.«
»Unmöglich, Poirot?«
»Da haben Sie auch wieder recht, ....