E-Book, Deutsch, 320 Seiten
Chomsky Profit Over People – War Against People
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-492-96693-1
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Neoliberalismus und globale Weltordnung, Menschenrechte und Schurkenstaaten
E-Book, Deutsch, 320 Seiten
ISBN: 978-3-492-96693-1
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
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Einleitung
von Robert W. McChesney
Robert W. McChesney ist Professor für Kommunikationswissenschaften an der University of Illinois und hat eine Reihe von Untersuchungen über Medien und Demokratie veröffentlicht.
Der Neoliberalismus ist das vorherrschende Paradigma der politischen Ökonomie unserer Zeit – es bezieht sich auf die Politik und die Prozesse, mittels derer es einer relativ kleinen Gruppe von Kapitaleignern gelingt, zum Zwecke persönlicher Profitmaximierung möglichst weite Bereiche des gesellschaftlichen Lebens zu kontrollieren. Ursprünglich galten Reagan und Thatcher als die Hauptvertreter neoliberaler Politik, doch seit zwei Jahrzehnten ist der Neoliberalismus weltweit auf dem Vormarsch, und seine Prinzipien sind von Parteien der Mitte ebenso übernommen worden wie von denen der traditionellen Linken und Rechten. Diese Parteien vertreten mit ihrer Politik die Interessen von kapitalkräftigen Investoren und knapp eintausend Großkonzernen dieser Welt.
Außerhalb der Universitäten und der Geschäftswelt ist der Begriff »Neoliberalismus« vor allem in den USA der breiteren Öffentlichkeit kaum bekannt. Hier gelten neoliberale Initiativen vielmehr als Ausdruck einer Politik des freien Marktes, die das private Unternehmertum fördert, konsumentenorientiert handelt, persönliche Verantwortung und unternehmerische Tatkraft belohnt und sich gegen alle Übergriffe einer inkompetenten, bürokratischen und parasitären Regierung, von der nichts Gutes zu erwarten ist, zur Wehr setzt. Jahrzehntelange Werbekampagnen, finanziert von Großkonzernen, haben diesen Begriffen eine fast sakrale Aura verliehen, so daß die damit verbundenen Forderungen kaum noch der Verteidigung bedürfen. Inzwischen läßt sich mit neoliberalen Vokabeln alles Mögliche begründen – Steuererleichterungen für Wohlhabende, Reduzierung der Maßnahmen zum Umweltschutz, Zerschlagung staatlicher Bildungs- und Wohlfahrtsprogramme. Mittlerweile ist jede Aktivität, die an die gesellschaftliche Vorherrschaft der Konzerne rührt, automatisch verdächtig, weil sie die Mechanismen des freien Marktes, der einzig vernünftigen, fairen und demokratischen Instanz für die Verteilung von Gütern und Dienstleistungen, gefährden könnte. Rhetorisch besonders versierte Vertreter des Neoliberalismus tun so, als erwiesen sie mit ihrer Politik für die Wohlhabenden allen anderen, den Armen und der Umwelt noch einen Riesengefallen.
Die ökonomischen Folgen dieser Politik sind überall dieselben und zeitigen, was ohnehin zu erwarten war: massive Zunahme sozialer und ökonomischer Ungleichheit, gravierende Rückschläge für die ärmsten Nationen und Völker der Welt, die katastrophale Verschlechterung der globalen Umweltbedingungen, eine instabile Weltwirtschaft – aber munter sprudelnde Quellen wachsenden Reichtums für die Wohlhabenden. Dessenungeachtet behaupten die Neoliberalen, daß auch die breiten Massen von dieser Strategie profitieren werden, allerdings müsse die neoliberale Politik – die indes für die Verschärfung der Probleme verantwortlich ist – unangetastet bleiben.
Letztlich geht es den Neoliberalen nicht um die empirische Begründung ihrer Politik, sondern um einen durchaus religiös zu nennenden Glauben an die Unfehlbarkeit des unregulierten Marktes. Ihre Überzeugung untermauern sie mit Theorien, die aus dem 19.Jahrhundert stammen und mit der heutigen Welt wenig zu tun haben. Ihre letzte Trumpfkarte ist jedoch der Mangel an Alternativen. Für die Neoliberalen haben kommunistische und sozialdemokratische Regierungen ebenso versagt wie gemäßigte Wohlfahrtsstaaten à la USA, so daß die Bürger dieser Länder den Neoliberalismus als einzig gangbaren Weg akzeptiert haben. Er mag nicht vollkommen sein, ist jedoch das einzig praktikable Wirtschaftssystem.
In den dreißiger Jahren wurde der Faschismus bisweilen als »Kapitalismus ohne Maske« bezeichnet, d.h. als reiner Kapitalismus ohne demokratische Rechte und Organisationen. Wir wissen, daß diese Definition zu einfach ist, aber auf den Neoliberalismus trifft sie zu: Er ist tatsächlich ein »Kapitalismus ohne Maske«, repräsentiert er doch eine Epoche, in der die Wirtschaftsmächte stärker und aggressiver sind und auf weniger organisierten Widerstand treffen als je zuvor. Begünstigt durch das politische Klima sind sie dabei, ihren Einflußbereich an allen Fronten zu erweitern, wodurch sie immer unangreifbarer werden, während demokratischen und nichtkommerziellen Kräften das Überleben fast unmöglich gemacht wird.
Gerade in der Unterdrückung solcher Kräfte zeigt sich, daß und wie der Neoliberalismus nicht nur als ökonomisches, sondern auch als politisches und kulturelles System operiert. Hier fällt der Unterschied zum Faschismus am deutlichsten ins Auge. Der Faschismus ist rassistisch und nationalistisch, verachtet die formelle Demokratie ebenso wie die hoch organisierten sozialen Bewegungen. Der Neoliberalismus dagegen funktioniert am besten in einer formellen parlamentarischen Demokratie, in der die Bevölkerung zugleich systematisch davon abgehalten wird, sich an Entscheidungsprozessen sinnvoll beteiligen zu können. In seinem Buch Kapitalismus und Freiheit behauptet Milton Friedman, der Guru der Neoliberalen, daß das Gewinnstreben zum Wesen der Demokratie gehöre, weshalb jede Regierung, die nicht vorbehaltlos auf Marktstrategien setze, antidemokratisch sei, auch wenn sie die Unterstützung einer gut informierten Öffentlichkeit genieße. Infolgedessen werde die Funktion der Regierung am besten auf den Schutz des Privateigentums und die Geltendmachung vertraglicher Rechte, und die politische Diskussion auf Nebenthemen beschränkt, während die Produktion und Distribution von Ressourcen und die gesellschaftlichen Institutionen durch Marktmechanismen reguliert werden.
Dank dieser pervertierten Auffassung von Demokratie waren Neoliberale wie Friedman nicht von Skrupeln geplagt, als 1973 in Chile die demokratisch gewählte Regierung Allende durch einen Militärputsch gestürzt wurde, weil sie den Wirtschaftsmächten im Weg stand. Nach fünfzehn Jahren brutaler Diktatur – im Namen des demokratischen, freien Marktes wurde 1989 mit der Rückkehr zur formellen Demokratie eine Verfassung verabschiedet, die es den Bürgern noch schwerer, wenn nicht unmöglich macht, sich der Vorherrschaft von Wirtschaft und Militär in der chilenischen Gesellschaft zu widersetzen. Das ist neoliberale Demokratie in nuce: Ein paar Parteien, die, ungeachtet formeller Unterschiede und Wahlkampfgeschrei, die gleiche prokapitalistische Wirtschaftspolitik betreiben, führen triviale Diskussionen über Nebensachen. Demokratie ist zulässig, solange die Wirtschaft von demokratischen Entscheidungsprozessen verschont bleibt, d.h., solange die Demokratie keine ist.
Daher hat das neoliberale System ein wichtiges und notwendiges Nebenprodukt – ein entpolitisiertes, von Apathie und Zynismus befallenes Staatsbürgertum. Wenn die parlamentarische Demokratie so wenig in das gesellschaftliche Leben hineinwirkt, ist es offenbar sinnlos, ihr große Aufmerksamkeit zu widmen; in den USA, dem Nährboden neoliberaler Demokratie, fiel die Beteiligung an den Kongreßwahlen von 1998 auf ein Rekordtief: Nur ein Drittel der Wahlberechtigten fand sich an den Urnen ein. Obwohl eine Partei wie die der Demokraten, die auch aus den Unter- und Mittelschichten Stimmen erhält, sich über das Wahlverhalten hin und wieder besorgt äußert, wird eine geringe Wahlbeteiligung von den etablierten Mächten unterstützt und gutgeheißen, weil, was kaum verwundert, der Anteil der Nichtwähler in den armen und arbeitenden Schichten besonders hoch ist. Politische Initiativen, die das Interesse der Wähler steigern und die Wahlbeteiligung erhöhen könnten, werden erstickt, bevor sie überhaupt das Licht der Öffentlichkeit erblicken. So haben in den Vereinigten Staaten die beiden großen, von der Wirtschaftslobby beherrschten Parteien der Demokraten und Republikaner mit Unterstützung der Wirtschaftsverbände eine Reform von Gesetzen verweigert, die die Gründung und wirksame Arbeit neuer Parteien (mit vielleicht antikapitalistischer Ausrichtung) nahezu unmöglich machen. Obwohl wiederholt auf die spürbare Unzufriedenheit mit den beiden Parteien hingewiesen wurde, ist die Wahlpolitik ein Bereich, in dem Wettbewerb und freie Auswahl keine große Bedeutung haben. Gerade hier steht die vom Neoliberalismus beeinflußte Politik dem kommunistischen Einparteienstaat näher als einer echten Demokratie.
Doch das verdeutlicht noch nicht hinreichend, wie schädlich sich der Neoliberalismus auf eine bürgerorientierte politische Kultur auswirkt. Zum einen untergräbt die von ihm hervorgerufene soziale Ungleichheit jeden Versuch, für eine Rechtsgleichheit zu sorgen, die der Demokratie Glaubwürdigkeit verleiht. Großkonzerne besitzen die nötigen Mittel, um die Medien zu beeinflussen und die politische Willensbildung nach ihren Vorstellungen zu gestalten, und sie machen davon Gebrauch. Bei Wahlen zum Beispiel stammen 80Prozent der individuellen Spendengelder von dem reichsten Viertel eines Prozents der Amerikaner, und die Konzerne zahlen gegenüber den Gewerkschaften das Zehnfache. Neoliberalistisch betrachtet ist das sinnvoll, denn indem Spenden wie Investitionen behandelt werden, spiegeln auch die Wahlen Marktprinzipien wider. Zudem werden die Wahlen damit für die meisten Bürger bedeutungslos, und die Vorherrschaft der Konzerne bleibt ungebrochen.
Andererseits benötigt die Demokratie ein die Bürger verbindendes Gemeinschaftsgefühl, das seinen Ausdruck in einer Vielzahl nichtkommerzieller Organisationen und Institutionen findet. Eine lebendige politische Kultur braucht Bibliotheken,...