Chilla / Niebuhr-Siebert | Mehrsprachigkeit in der KiTa | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 238 Seiten

Chilla / Niebuhr-Siebert Mehrsprachigkeit in der KiTa

Grundlagen - Konzepte - Bildung
2. überarbeitete Auflage 2022
ISBN: 978-3-17-041220-0
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Grundlagen - Konzepte - Bildung

E-Book, Deutsch, 238 Seiten

ISBN: 978-3-17-041220-0
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Viele Kinder in Deutschland wachsen mehrsprachig auf. Sie haben ein Recht auf mehrsprachige Bildung. In der KiTa profitieren Kinder in ihren Entwicklungswegen von pädagogischen Fachkräften, die Mehrsprachigkeit optimal unterstützen und fördern. Das Buch trägt dazu bei, das pädagogische und sprachwissenschaftliche Basiswissen zu erweitern. Aus einer konsequent pädagogischen Perspektive heraus werden grundlegende Informationen zur mehrsprachigen Entwicklung im Kindesalter und diagnostische Fragestellungen in diesem Kontext vorgestellt. Im Mittelpunkt der weiteren Ausführungen stehen die konkreten Möglichkeiten, mehrsprachige Bildung in der KiTa zu gestalten, wobei Lernarrangements sowie die Kooperation mit Eltern und die Gestaltung von Übergängen im Zentrum stehen.

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Weitere Infos & Material


2          Die KiTa als Ort der mehrsprachigen Bildung
      2.1       Lernen in heterogenen Gruppen
In unterschiedlichen Lebensphasen sind verschiedene formale, nonformale und informelle Lernorte und Lernkontexte bedeutsam. Daneben sind für die Frühpädagogik verschiedene rechtliche Grundlagen relevant, wie z. B. die Kinderrechtskonvention (United Nations, 1989), das Kinder- und Jugendhilfegesetz KJHG, die Salamanca-Erklärung (UNESCO, 1994) und die Empfehlungen der Kultusministerkonferenz (KMK, 2009). Neben den Bildungs- und Aktionsplänen der Bundesländer zur Sprachförderung und sprachlichen Bildung (z. B. die Empfehlungen zur Alltagsintegrierten Sprachbildung in Schleswig-Holstein, MSGJFS 2020) sind die Bildungspläne für den Elementarbereich (vgl. zusammenfassend Textor, 2019, und Krappmann, 2007; Prengel, 2011), das UNESCO-Übereinkommen über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen (UNESCO, 2005), der EU-Aktionsplan für das Sprachenlernen und die Sprachenvielfalt (2002) Grundlage einer konsequent mehrsprachigen Perspektive in der KiTa. Sie sind in der Konzeption von Bildungsangeboten und Lernarrangements zu berücksichtigen. Aufgabe
Vergegenwärtigen Sie sich bitte Ihre aktuelle Arbeitssituation. In welchen Alltagssituationen werden Sie durch die Ansprüche, die durch die sprachliche Bildung für alle Kinder an Sie gestellt werden, herausgefordert? Gibt es bereits Vereinbarungen, Vorgaben und Leitideen, die Ihnen den Arbeitsalltag erleichtern? Wo erfahren Sie Unterstützung von Ihrer KiTa-Leitung? Schreiben Sie einen Wunschzettel: Welche Aspekte, Inhalte oder strukturellen Veränderungen sollten von der Leitung bzw. von Ihrer Einrichtung verbessert bzw. neu geschaffen werden, wenn es Ihnen selbst besser gelingen soll, mehrsprachige Bildung im KiTa-Alltag aktiv zu unterstützen? KiTas sind laut Tippelt und Reich-Claassen (2010, S. 11) Bildungseinrichtungen, »die Lernangebote organisieren; in einem weiteren Sinne fasst man darunter alle räumlichen Einheiten, die Lernende pädagogisch stimulieren – sowohl im Kontext formal-organisierter Einrichtungen als auch im Rahmen informeller Lernprozesse«. Es ist wichtig, zu wissen, dass die kindliche Lernmotivation und die Lernerfahrungen für alle weiteren bildungsbiografischen Abschnitte bedeutsam sind, und dies gilt auch für die nonformale Bildung in Kindergarten und Krippe (Tippelt & Reich-Claassen, 2010; Reich-Claassen & Tippelt, 2010; Reich-Claassen & Tippelt, 2009). Studien zeigen, dass sich der Erwerbskontext auf den Erwerb des individuellen Sprachenwissens spezifisch auswirkt (Montrul, 2020). Eine wichtige Erkenntnis betrifft den Unterschied zwischen Heritage und (frühem) Zweitspracherwerb: Informelle Lernumgebungen unterstützen die flüssige Sprachverwendung in Heritage- und der Zweitsprache Deutsch, wohingegen formale Lernumgebungen (Kurse, Unterricht, gezielte additive Förderung) eher auf die linguistische Korrektheit abzielen (Montrul, 2020). Erstens bedeutet dies: Werden individuelle Sprachleistungen von mehrsprachigen Kindern mit Testverfahren gemessen und mit den Schritten im Erst- oder Zweitspracherwerb verglichen, so fehlt oft die pädagogische und linguistische Reflexion des Erwerbskontexts ( Kap. 3). Zweitens kann daraus abgeleitet werden: Lernarrangements im Bildungsraum KiTa, die bewusst sozial-interaktive Kommunikation und strukturiertes Regellernen kombinieren, werden dazu beitragen, dass Mehrsprachigkeit in vielen Facetten gefördert wird. Der Gestaltung der Lernorte und der Lernorganisation in der KiTa durch die pädagogischen Fachkräfte kommt daher eine herausragende Bedeutung zu. Denn beides, die Gestaltung einerseits und die Lernorganisation andererseits wird mit dem Wissensinhalt abgespeichert und beeinflusst den individuellen Lernerfolg (Roth, 2003; Tippelt & Reich-Claassen, 2010). Lernen zu arrangieren und Lernsettings absichtsvoll zu gestalten bedarf einer methodisch-didaktischen Durchdringung bzw. eines Konzeptes unter Berücksichtigung beeinflussender Faktoren, z. B. räumliche, zeitliche, personelle und instrumentelle Aspekte. Aus Metaanalysen zur Wirksamkeit von Lernarrangements und Unterrichtsmethoden lässt sich ableiten: Selbstgesteuertes Lernen ist »Voraussetzung, Methode und Ziel« (Weinert, 1982, zitiert nach Horstkemper, 2014) und fußt auf sozialen Interaktionen (vgl. auch Meyer & Meyer, 2013). Wissen kann besonders gut erworben werden, wenn das Lernen situiert und kontextgebunden geschieht. Im Gegenzug sind viele Bereiche des sprachlichen Wissens wiederum mit Handlungen, Kontexten, spezifischen Situationen und Problemlagen verknüpft. Das sprachliche Repertoire eines Menschen umfasst die vielen Sprechstile, Varietäten und Sprachen, über die eine Person verfügt. Das Wissen darüber, ob die Vorgesetzte oder die Beziehungspartnerin geduzt werden darf, welche Jugendwörter aktuell sind, dass das Schwäbische immer dann »durchkommt«, wenn der Vater Maultaschen zubereitet, muss in der sozialen Interaktion und mit seinen linguistischen Mitteln (Wortschatz, Betonung, Lautbildung) erst erworben werden. Wenn im Alltag nie der Bedarf besteht, die Einzelteile einer Kletterausrüstung oder alle Schifferknoten exakt zu benennen, werden diese auch nicht im Lexikon abgespeichert; ein Alltag als Kapitänin auf einem Traditionsewer wird es aber erleichtern, »Palstek« und »Webleinstek auf Slip« sicher zu verwenden. Ein Lernarrangement strukturiert Themen oder Aufgaben und ist auf einen definierten transparenten Lernfortschritt hin ausgerichtet. Bei einem Lernarrangement handelt es sich um die inhaltliche und/oder systematische An- und Zuordnung von Themen und Aufgaben, Impulsen und Materialien für eine Gruppe. Es soll motivieren und aktivieren sowie an den Lernpotenzialen, Lerninteressen und Lernbedürfnissen der Kinder ansetzen. Heterogene Lerngruppen in Bildungsinstitutionen sind kein neues Phänomen. Heterogenität wird schon seit dem Altertum als Faktor diskutiert, der Bildung und Erziehung beeinflusst, und in der gegenwärtigen Diskussion wird das Konzept oft im Zusammenhang mit Schwierigkeiten oder besonderen Hürden von Gruppen assoziiert. Dabei ist der Begriff zunächst einmal neutral und nicht wertegebunden: Gruppen können in Bezug auf ein personenbezogenes Merkmal, wie Alter, Migrationshintergrund, Geschlecht oder Sehfähigkeit homogen oder heterogen sein (Wenning, 2007; von Lang et al., 2010; Wischer, 2009), ohne dass damit eine Problematisierung einhergehen muss. Ein Bewusstsein für Gruppenunterschiede und die damit verbundenen Klassifizierungen und Defizitzuschreibungen von Kindern werden jedoch wichtig, wenn gruppenbezogene soziale Phänomene sichtbar gemacht und problematisiert werden sollen, wie dies zum Beispiel in der Sozialberichterstattung über »mehrsprachige Kinder«, »Kinder mit Migrationshintergrund« oder »Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern« (Der Tagesspiegel, 2018) erfolgt (Betz, 2008; Leu, 2002; Prengel, 2011). In diesem Buch wird Mehrsprachigkeit als eine Dimension sprachlicher Heterogenität in der KiTa gefasst. Mehrsprachige Erziehung ist ein Recht mehrsprachig aufwachsender Kinder. Der Begriff »sprachliche Heterogenität« wird hier gewählt, um die Verschiedenheit der sprachlichen Entwicklung und der sprachlichen Bildungsbedürfnisse in der KiTa anzuerkennen. Über diese gruppenbezogenen Zuschreibungen werden vermeintlich einheitliche Kategorien transportiert, die suggerieren, dass Kinder, die ein oder mehrere Merkmale dieser Gruppen teilen, in Bezug auf Bildung und Bildungserfolg gleiche Erfolgschancen haben und pädagogische Fachkräfte aus diesen Kategorien für das einzelne Kind Bildungshürden ableiten könnten. Prengel (2011, S. 14) verweist auf einen wichtigen Faktor institutioneller Förderung von mehrsprachig in der Migration aufwachsenden Kindern, nämlich auf die Quote des Besuchs von Einrichtungen. Sie legt anhand der Daten des Zahlenspiegels und der Kinderbetreuungsstudie des Deutschen Jugendinstituts (DJI) dar, dass die meisten mehrsprachigen Kinder in eine KiTa gehen (Leu et al., 2007). Dabei zeigt sich, dass sozioökonomische Faktoren bereits die frühe Bildung in nicht zu unterschätzender und in der sprachlichen Bildung besonders zu berücksichtigender Weise beeinflussen: je höher das Bildungsniveau und die Erwerbstätigkeit der Eltern, desto eher werden Kinder in Einrichtungen untergebracht. Nur 10 % der Kinder im Alter zwischen drei und sechs Jahren besuchen keine Einrichtung und stammen tendenziell aus sozial benachteiligten Familien (Riedel, 2007, S. 25; Bien, Rauschenbach & Riedel, 2006). Ein niedriger Bildungsstand der Familie, eine Migrationsbiografie beider Eltern, ein Aufwachsen mit mehreren Geschwistern und eine Erziehung durch...


Dr. Solveig Chilla ist Professorin für Pädagogik bei Beeinträchtigung von Sprache und Kommunikation an der Europa-Universität Flensburg. Dr. Sandra Niebuhr-Siebert ist Professorin für Sprachpädagogik und Erzählende Künste an der Fachhochschule Clara Hoffbauer Potsdam.



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