E-Book, Deutsch, 256 Seiten
Childers Machine Gun Preacher
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-96122-026-7
Verlag: Gerth Medien
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die wahre Geschichte eines Predigers, der bis zum Äußersten geht, um Kinder zu retten.
E-Book, Deutsch, 256 Seiten
ISBN: 978-3-96122-026-7
Verlag: Gerth Medien
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der ehemalige Biker ging nach seiner Bekehrung in den Sudan, wo er mit wenigen Mitteln ein Waisenhaus gegründet hat. Sein Herzensanliegen ist es, Kindersoldaten zu befreien. Außerdem arbeitet er in den USA als Prediger. Seine kontroverse Art (er schreckt auch vor Waffengewalt nicht zurück) hat ihm sowohl Bewunderung wie auch Kritik eingebracht.
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1
Krieg und Frieden
Rebellen und Gottes Schutz
Im hohen Gras des Südsudan lauert der Tod. Von einer Sekunde auf die nächste wird die öde Landschaft überrannt: Hunderte Rebellen greifen an. „Lord’s Resistance Army“ – „Widerstandsarmee des Herrn“ – nennen sie sich. Kurz: LRA. Seit Jahrzehnten überfallen sie arglose Dörfer, töten, vergewaltigen und zerstümmeln Menschen. Sie entführen Kinder, die sie zum Töten und anderen Grausamkeiten zwingen. Alles, was sich ihnen in den Weg stellt, walzen sie nieder.
Kaum einer versucht, sie zu stoppen. Regierungsbeamte oder Hilfsorganisationen wie CARE und das Rote Kreuz bleiben den Krisengebieten lieber fern. Die Dorfbewohner sind sich selbst überlassen. Ständig leben sie in Angst. Friedliche Nächte im Busch kennen sie nicht.
Sobald die Hitze des Tages einer sanften Abendbrise weicht, wandern die Kinder vom Land in die Stadt. Schon von Weitem hört man sie kommen.
„Bleibt zusammen!“, rufen sie ihren Freunden, Brüdern und Schwestern zu.
Es dämmert. Mit den letzten Sonnenstrahlen taucht am Horizont ein wirbelndes Durcheinander von farbenfrohen Kleidern auf, umrahmt von den dunklen Weiten des afrikanischen Himmels. Einige Kleidungsstücke sind kaum mehr als Lumpen. Aber sie heben sich hell ab von den verschrammten Holztüren, die sich Abend für Abend öffnen, um den Kindern Zuflucht zu gewähren: in einem Schulraum oder im Garten eines Krankenhauses.
Ein Lied in der Nacht
Kinder sind und bleiben Kinder. Die Luft ist erfüllt von Lachen. Spielkameraden spielen Fangen, bis es zu voll wird im Raum. Strahlende Gesichter und funkelnde Augen zeigen wenig Anzeichen von Furcht. Für eine weitere Nacht sind sie in Sicherheit. Routine schleicht sich ein. Jeder Abend wird ein Abenteuer und jede Nacht ein Spaß. Erwachsene sind nicht anwesend. Aufpasser oder Wächter gibt es nicht. Die Kinder behalten sich gegenseitig im Auge.
Eine kleine, aber zuversichtliche Stimme beginnt zu singen, klar und glockenhell in der Nacht – auf Englisch mit einem klingenden afrikanischen Akzent:
Steh niemals fern von Gott,
Steh niemals fern – Halleluja!
Steh niemals fern von Gott,
Steh niemals fern.
Sofort stimmen andere mit ein. Jeder kennt dieses Lied. Und die volle afrikanische Harmonie, die sich im Laufe der Jahre an die einfache Melodie des Westens angepasst hat, erfüllt den Raum. Es gibt eine Leitstimme in dem Chorus, die den Text hin und her pendeln und von der Wand abprallen lässt. Der Rhythmus ist energiegeladen. Voller Leben. Kleine Hände beginnen zu klatschen, einige im Takt und andere dazwischen. Im Raum wird es dunkel – Strom gibt es nicht. Doch das Lied setzt sich fort bis weit in die Nacht hinein. Schließlich legen sich die Kinder zum Schlafen nieder.
Beim ersten Licht des nächsten Morgens rollen einige ihre dünnen Schlafmatten zusammen und machen sich auf den langen Fußmarsch zurück in ihre Dörfer. Andere bleiben einfach in der Stadt. Sie verbringen den Tag auf der Straße und betteln um Essen, bis die Dämmerung einsetzt und sie wieder ihren Schlafplatz aufsuchen.
—
Der Kampf um Sicherheit
Als ich nach Afrika zurückkehrte, glaubte ich, ich könnte den Menschen dort – vor allem den Kindern – am besten helfen, indem ich Medikamente und medizinische Hilfe an Orte brachte, wo diese nicht verfügbar waren. Doch bald merkte ich, was die Kinder noch dringender brauchten: Schutz. Sie brauchten eine Oase des Friedens inmitten eines entsetzlichen, nicht enden wollenden Bürgerkrieges. Diese Oase ist nun das Kinderdorf der Shekinah Fellowship.
Der Kampf um seine Sicherheit dauert an. Vor dem Schutzzaun um die Anlage gibt es immer noch gelegentlich Schusswechsel. Immer, wenn ich in dieses Gebiet reise, rechne ich damit, aus dem Hinterhalt überfallen zu werden. Mehr als einmal habe ich erlebt, wie bei meinem Auto die Windschutzscheibe und das Seitenfenster zu Bruch gingen. Fahrzeuge wurden in die Luft gesprengt, einmal auch ein Transporter mit Lebensmitteln für das Waisenhaus. Die LRA schießt auf alles, was ihr vor die Flinte kommt.
Allerdings sind die Rebellen es nicht gewöhnt, dass zurückgeschossen wird. Sie überfallen arglose Bürger, die sich nicht wehren können. Wenn sie es dann aber mit einem Trupp bewaffneter Soldaten zu tun bekommen, die auch noch über ausreichend Munition verfügen, sind sie verblüfft. Genau das erwartet sie, wenn sie uns unterwegs angreifen.
In der Anfangsphase wurden meine Soldaten und ich im Südsudan ständig überfallen. Wir mussten uns wehren!
Eins wurde mir klar: Verhandlungen oder Hoffnung auf Einsicht waren reine Zeitvergeudung. Wer weiß, wie viele Dorfbewohner ihr Leben verloren haben, während die Politiker herumsaßen und sich darüber ausließen, welch großes Problem dieser Konflikt doch sei.
Bei der LRA gilt: Nur wenn man sich wehrt, kommt man weiter. Sobald man die Rebellen mit ihren eigenen Waffen schlägt, hat man auf einmal ihre Aufmerksamkeit. Dieser Konflikt könnte viel eher beendet werden, wenn weniger geredet, sondern gehandelt würde. Unzählige Menschen könnten auf diese Weise gerettet werden.
Ein Mann aus Irland schrieb mir eine E-Mail. Als er vor vielen Jahren das erste Mal von mir hörte, hielt er mich für einen Mythos. Er dachte, die Berichte über meine Arbeit in Afrika seien frei erfunden. So ganz unrecht hat dieser Mann gar nicht: Was ich erlebt habe, ist schwer zu glauben. Selbst heute noch kursieren im Sudan Geschichten über diesen verrückten Mzunga Prediger – „Mzunga“ heißt im afrikanischen Dialekt „weißer Mann“. So unglaublich diese Geschichten auch erscheinen, sie entsprechen der Wahrheit.
Doch nicht ich habe diese unglaublichen, sogar wundersamen Dinge getan, sondern Gott. Seiner Macht und Stärke verdanken wir jeden Erfolg – jedes Kind, das nun in Sicherheit ist. Er ist bei uns.
Ich sage „uns“, weil ich in Afrika niemals ohne Soldaten unterwegs bin. Es sind keine Söldner, obwohl sie in den Medien häufig als solche dargestellt werden. Aber ehrlich gesagt ist es mir ziemlich egal, wie man sie nennt. Diese tapferen Soldaten der sudanesischen Befreiungsarmee („Sudan People’s Liberation Army“, SPLA) wurden von der Regierung des Südsudan ausgebildet, ausgerüstet und unter mein persönliches Kommando gestellt.
Treue Gefährten: Sam Childers mit einigen seiner SPLA-Soldaten 2005
Fünf gegen Zweihundert
Einmal wollte ich mit zwei Geländewagen und vier bewaffneten und hervorragend ausgebildeten Soldaten die Grenze vom Sudan nach Uganda überqueren. Wir hielten am Grenzübergang an. Einige ugandische Soldaten standen vor einem verstaubten kleinen Wachhäuschen. Verwitterte Schilder forderten Autofahrer auf, an der schwarz-weiß gestreiften Grenzschranke anzuhalten. Mittlerweile war ich bei den Grenzbeamten bekannt, und sie verschonten mich vor dem üblichen Papierkram und der Gepäckkontrolle.
Als ich neben einem Beamten anhielt, sagte er: „Pastor, Sie können nicht weiterfahren.“
„Warum nicht?“
„Die LRA überfällt gerade ein Dorf ganz in der Nähe. Sie müssen warten, bis Verstärkung für Sie eingetroffen ist.“
„Ach kommen Sie, das ist doch Unsinn!“, erwiderte ich und deutete auf meine uniformierten Begleiter und die Kalaschnikow auf meinem Schoß. „Wir sind Soldaten. Wir brauchen auf niemanden zu warten.“
Der Beamte blickte mich ernst an. „Pastor, dort draußen sind mehr als zweihundert Rebellen der LRA.“
Fünf von uns, mich eingeschlossen, gegen zweihundert. Jeder von uns konnte es mit vierzig von ihnen aufnehmen, schätzte ich. Das könnte also gut ausgehen.
„Ich fahre trotzdem“, sagte ich.
Der Beamte lächelte halbherzig, schüttelte den Kopf und trat vom Geländewagen zurück. Wenn ich mir erst mal etwas in den Kopf gesetzt hatte, ließ ich mich nicht umstimmen. Das wusste er. Also gab er den Weg frei.
Als ich gerade losfahren wollte, hatte ich das Gefühl, dass ich mich auf das, was vor uns lag, vorbereiten sollte. Gott schien mir zu sagen, dass ich einen Soldaten, Peter, mit seinem Maschinengewehr auf dem Dach des Geländewagens postieren müsse. Peter Atem ist ein großer, stattlicher Dinka-Mann.
„Peter“, sagte ich, „steig mit deinem Maschinengewehr aufs Dach.“ Ohne zu zögern stieg er aus. Er kletterte aufs Dach und ließ sich mit gekreuzten Beinen darauf nieder, das Maschinengewehr im Arm. Ein zweiter Soldat saß mit seiner Kalaschnikow vorn neben mir auf dem Beifahrersitz. Auch meine lag griffbereit auf meinem Knie. Der Gewehrlauf deutete zur Fahrertür. Auf diese Weise konnte ich mit der AK-47 während des Fahrens mit einer Hand feuern. Vollautomatisch und vier Schuss auf einmal. Das hatte ich schon unzählige Male praktiziert.
Einen weiteren Soldaten postierte ich auf dem Dach des zweiten Geländewagens. Dann hörte ich Gott sagen: Und jetzt los.
Also fuhr ich los. Der zweite Geländewagen folgte dicht hinter mir. Die Straße war übersät mit Schlaglöchern und zudem so staubig, dass man nicht schneller als sechzig bis siebzig Stundenkilometer fahren konnte – besonders, wenn eine Person auf dem Dach saß. Aber selbst bei dieser Geschwindigkeit wurde man so schrecklich durchgerüttelt, dass man um seine inneren Organe fürchten musste.
Aber an...