Chaniotis | Das antike Kreta | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 2350, 128 Seiten

Reihe: Beck'sche Reihe

Chaniotis Das antike Kreta


2. Auflage 2014
ISBN: 978-3-406-67329-0
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, Band 2350, 128 Seiten

Reihe: Beck'sche Reihe

ISBN: 978-3-406-67329-0
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Der Gründungsmythos unseres Kontinents ist unauflöslich mit der sagenumwobenen griechischen Insel Kreta verbunden: In Gestalt eines weißen Stiers entführt der verliebte Göttervater Zeus die phönizische Königstochter Europa über das Meer und setzt sie erst wieder an der Küste Kretas ab. Sie gebiert ihm drei Söhne – Minos, Rhadamanthys und Sarpedon –, die ihrerseits als bedeutende Gestalten der griechischen Mythologie auftreten. Vom Namen des Minos, der als König auf Kreta herrscht, leitet sich jener der minoischen Hochkultur ab (3000–1450 n. Chr.), deren reiches archäologisches Erbe noch heute auf Kreta zu bewundern ist. Die Paläste der Minoer werden schließlich von mykenischen Griechen eingenommen. Doch auch ihre Herrschaft versinkt gegen Ende des 2. Jt. n. Chr. in schriftloses Dunkel, ehe sich seit dem 8. Jh. n. Chr. eine neue Kultur in einer Vielzahl von Gemeinden mit differenzierter Gesellschaftsstruktur und bald auch einem entwickelten Rechtswesen herausbildet. Auch wenn die Vorherrschaft einzelner Städte auf Kreta in den folgenden Jahrhunderten mehrfach wechselt und schließlich die Insel unter den Römern – nicht zum ersten und auch nicht zum letzten Mal – zum Objekt einer Fremdherrschaft wird, so bleibt sie doch stets ein bedeutender Faktor der antiken Welt. Kretas wechselvolle Ereignisgeschichte und seine kulturgeschichtliche Vielfalt läßt Angelos Chaniotis in diesem Buch wieder lebendig werden.

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1. «Ein Berg im Meer»: Die geographischen Grundlagen der Geschichte Kretas
Gegensätze charakterisieren das geographische Bild Kretas: Auf der einen Seite liegt die Insel an einer strategisch wichtigen Position im östlichen Mittelmeer; Aristoteles betrachtete diese Lage sogar als eine ideale Voraussetzung für die Ausübung der Herrschaft über alle Griechen. Auf der anderen Seite liegt Kreta jedoch am Rande des Ägäisbeckens, 100 km vom europäischen und 180 km vom asiatischen Festland entfernt, von den Hauptsiedlungsplätzen der Griechen isoliert. Die Kreter hielten sich oft von den wichtigsten Ereignissen der griechischen Geschichte – wie den Perserkriegen, dem Peloponnesischen Krieg, den Feldzügen Alexanders – fern. Kretas relative Isolation wird durch den Mangel an natürlichen Häfen verstärkt. Doch nicht die geographische Lage allein bestimmte die kretische Geschichte. Während die zahlreichen archäologischen und schriftlichen Zeugnisse die intensiven Außenbeziehungen der Kreter in minoischer Zeit (im 2. Jt. n. Chr.) und dann wieder zwischen 900 und 600 verraten, zeigt sich in anderen Perioden der introvertierte Charakter der kretischen Politik, vor allem aber in klassischer und hellenistischer Zeit (ca. 500–67 n. Chr.) mit ihren zahllosen lokalen Konflikten. Ein weiterer auch geographisch bedingter Gegensatz Kretas liegt einerseits in der Tendenz zur Einheit und andererseits der Zersplitterung in zahlreiche Gemeinden. Die Tendenz zur Einheit ist der Insel immanent und drückt sich heute noch im ausgeprägten gesamtkretischen Patriotismus aus. Doch eine fast durchlaufende Kette von Bergen teilt die Insel vom Westen nach Osten. Das Bild dieser Insel prägen die Gebirge, die 4281 km2 von 8259 km2 Gesamtfläche einnehmen. Die Verbindung zwischen den wenigen großen Ebenen, den kleinen Küstenebenen und den für den Ackerbau sehr wichtigen Hochplateaus ist zwar immer möglich, aber die natürlichen Verkehrswege sind häufig schwer begehbar. Selbst während der venezianischen und türkischen Besatzungszeit gab es Landschaften, die wegen ihres gebirgigen Charakters völlig abgeschlossen waren und zum Zufluchtsort aufständischer Kreter wurden, wie etwa das Plateau von Lassithi. Im äußersten Westen Kretas galt die Region von Sphakia gar als das Königreich der schweigsamen Hirten, der unbeugsamen Krieger, der Banditen. Ausgedehnte Siedlungen mit entsprechend ausgedehntem, für den Ackerbau geeignetem Territorium findet man aufgrund des gebirgigen Charakters der Insel selten. In den meisten Gebieten entstanden daher viele kleine Siedlungsräume. Die große Zahl kretischer Siedlungen – politisch selbständig oder nicht – beeindruckte die anderen Griechen so sehr, daß sie seit Homer Kreta als hekatompolis, die Insel mit den hundert Städten, bezeichneten. Kreta war ein Paradies der Klein- und Kleinststaaten. So ist Kreta, mit den Worten eines modernen Geographen, R. Matton, gesprochen, ein «Berg im Meer», die Fortsetzung einer Gebirgskette, die die Balkanhalbinsel durchzieht. Meer und Berg bedingten in der historischen Zeit die Wirtschaft und die spezifische Kriegsart der Kreter. Sie waren Seeleute und Highlanders. Kreta galt im Altertum als eine dicht besiedelte Insel. Die wichtigsten Siedlungen mit dem größten Teil der Bevölkerung befanden sich in der Nähe der wenigen größeren Ebenen (Gortyn, Phaistos, Lyttos) oder der kleinen Küstenebenen (Knossos, Kydonia, Lato), etwa in einer Höhe von ca. 200–400 m, häufig nicht unmittelbar am Meer – wohl aus Sicherheitsgründen. Nur in den Dunklen Jahrhunderten (ca. 1200–900 n. Chr.) kennt man eine große Zahl von Zufluchtsorten in den Bergen (§ 3.3), und wieder zur Zeit der arabischen Angriffe (7.–9. Jh.) beobachtet man einen Rückzug der Bevölkerung ins Innere der Insel. Umgekehrt läßt sich seit dem späten 4. Jh. n. Chr. eine zunehmende Bedeutung der am Meer liegenden Städte beobachten, eine Entwicklung, die mit dem berüchtigten Seeraub der Kreter zusammenhängt. Als Teil des Imperium Romanum erlebte Kreta seit dem späten 1. Jh. n. Chr. eine lange Periode des Friedens und der Sicherheit, die den Siedlungen am Meer größere Bedeutung zukommen ließ. Aber auch wenn die meisten städtischen Zentren verständlicherweise nicht auf den Bergen lagen, bestand ihr Territorium hauptsächlich doch aus gebirgigen Gegenden. Das Land.   Die wirtschaftliche Bedeutung der kretischen Berge hängt mit der wichtigsten Aufgabe der zahlreichen Gemeinwesen Kretas – in der Bronzezeit ebenso wie im Hellenismus – zusammen, nämlich der Gewährleistung ihrer Selbstversorgung. Die Autarkie einer Gemeinde setzt nicht so sehr ein ausgedehntes als vielmehr ein für mehrere Zweige der Landwirtschaft geeignetes Umland voraus. Die kretischen Landschaften bieten an sich diese Vielfalt, und so war die Insel trotz ihres gebirgigen Charakters in bestimmten Perioden für Fruchtbarkeit und Menschenreichtum berühmt. Die Milde des Klimas und der Wasserreichtum sicherten trotz der geringen Ausdehnung der Anbauflächen in der Regel gute Ernteerträge. Kreta besitzt eine einzige ausgedehnte Ebene, die Mesara, einige kleinere Ebenen, z.B. Kastelli, und etliche Küstenebenen. Zumindest in bestimmten Perioden wurde Getreide auch in den fruchtbaren Hochplateaus (Lassithi, Askyphou, Omalos, Nida) angebaut. Der antike Naturkundler Theophrast (um 300 n. Chr.) berichtet, daß die Insel einst regen- und bevölkerungsreicher war; die Winter waren milder, und so konnte man auch auf den Hochplateaus, z.B. in der Ida-Hochebene (heute Nida), Getreide anbauen, was zu seiner Zeit nicht mehr möglich war. Eine kurzfristige Klimaänderung, vielleicht auch die wachsende Unsicherheit infolge der ständigen Kriege, führte zu einem Rückgang der landwirtschaftlichen Aktivität in den Bergen. Mittels Terrassierung konnte man zudem an den Abhängen der Berge und Hügel Anbauflächen gewinnen. Der Ackerbau wurde auf den Bergen als Mischwirtschaft betrieben – zusammen mit dem Olivenbau (bis zu einer Höhe von 800 m), dem Weinbau (bis zu einer Höhe von 1200 m) und der Haltung von Kleinvieh. Die Viehzucht nimmt im Wirtschaftsleben der Kreter in jeder Epoche zentrale Bedeutung ein. Wir wissen von Pferdezucht, von Rinder- und Schweinherden, von Ziegenhaltung, vor allem aber von großen Schafherden. Aus Kreta stammt auch die früheste Darstellung eines Hirten mit seiner Herde auf europäischem Boden: Ein Gefäß aus Palaikastron (um 2000 n. Chr.) zeigt einen Hirten, der seine mehr als 200 Schafe hütet. Schafe und Ziegen fanden vom Spätmärz bis Spätdezember günstige Weideplätze. Viele Quellen dokumentieren die große Bedeutung der Viehzucht. Eine Verwünschung, die man in kretischen Eiden findet, lautet: «Wenn ich meinen Eid breche, sollen meine Schafe und meine Frau nicht nach den Regeln der Natur gebären.» Aristoteles berichtet, daß die Erträge der Viehzucht eine der wichtigsten Finanzquellen für die gemeinsamen Mahlzeiten der Kreter waren, und kretische Rechtsregeln haben häufig Probleme zum Gegenstand, die mit der Viehzucht zusammenhingen, etwa mit von den Tieren verursachten Schäden, den Grenzen von Weideplätzen, der Vererbung von Herden, den Viehdiebstählen (bis in die jüngste Zeit ein Problem auf Kreta) oder dem Verbot, Herden in heiligen Bezirken zur Weide zu führen. Auch die hellenistischen Staatsverträge befassen sich nicht selten mit dem Phänomen der Transhumanz, der periodischen Wanderung von Schaf- und Ziegenherden von und zu den Weideplätzen auf den Bergen. Besonders wichtig waren die Nebenprodukte der Viehzucht: Käse, Milch, Joghurt, Speck, Wolle, Ziegenhaut – etwa für die Herstellung der kretischen Schuhe (opetia). Vor allem aber war die kretische Webkunst berühmt, die wichtigste Beschäftigung der Frauen und somit ein wichtiger sozialer Faktor. Das Weben war auf Kreta nicht nur wegen des Überflusses an Wolle so bedeutsam, sondern wurde auch vom Vorkommen der Farbstoffe und ihrer natürlichen Grundlagen – vor allem der Purpurschnecken – begünstigt. Wer heute die kahlen, höchstens mit kargem Gebüsch bedeckten Berge Kretas sieht, dem fällt es schwer, den Angaben der antiken Autoren zu glauben, die, wie etwa der Geograph Strabon, berichten: «Die Insel ist gebirgig und bewaldet.» Und doch, nicht nur die antiken Zeugnisse, sondern auch Quellen und Berichte von Reisenden der frühen Neuzeit lassen keinen Zweifel daran, daß Kretas Waldbestand (Zypressen, Kiefern und Eichen) bis zur venezianischen Zeit (also dem 17. Jh.) reich war. Der Name des höchsten Gebirges, Ida, soll «der bewaldete Berg» bedeuten, und Platon beschreibt in seinem Dialog «Gesetze» (Nomoi) den Weg von Knossos zur Kultgrotte des Zeus auf dem Berg Ida mit folgenden Worten: «Der Weg von Knossos bis zur Grotte und Kultstätte des Zeus ist lang; es gibt aber genügend Orte auf dem Weg, wo man sich von der Hitze im Schatten der hohen Bäume erholen kann. (…) So lange wir gehen, finden wir auf dem Weg Haine von hohen Zypressen von unbeschreiblicher Schönheit und Wiesen, auf denen wir uns erquicken». Die...


Angelos Chaniotis ist Professor für Alte Geschichte am Institute for Advanced Study in Princeton. Bis 2006 lehrte er Alte Geschichte an der Universität Heidelberg.



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