E-Book, Deutsch, 640 Seiten
Chadwick Die irische Prinzessin
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-641-26005-7
Verlag: Blanvalet
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Historischer Roman
E-Book, Deutsch, 640 Seiten
ISBN: 978-3-641-26005-7
Verlag: Blanvalet
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Irland 1152. Als Diarmait McMurchada, König von Leinster, eine Tochter statt des langersehnten Sohnes bekommt, ist seine Enttäuschung zunächst groß. Doch als er sie das erste Mal erblickt, weiß er sofort, dass Aoife sein Augenstern sein wird. Viele Jahre später befinden sich Aoife und ihre Familie im Exil, und nur die Gnade von Richard de Clare, einem reichen Kaufmann, kann ihnen zur Rückkehr in die irische Heimat verhelfen. Aoife ist inzwischen zu einer wunderschönen Frau herangewachsen, was auch Richard nicht verborgen geblieben ist. Und so verspricht Diarmait ihm die Hand seiner geliebten Aoife als Geschenk für dessen Unterstützung. Aoife dagegen hat ihre ganz eigenen Zukunftspläne ...
Die Williams-Marshall-Reihe bei Blanvalet:
1. Der Ritter der Königin
2. Der scharlachrote Löwe
3. Das Banner der Königin
4. Die englische Rebellin
5. Die irische Prinzessin
Alle Bände können auch unabhängig voneinander gelesen werden.
Elizabeth Chadwick lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Söhnen in Nottingham. Sie hat inzwischen über 20 historische Romane geschrieben, die allesamt im Mittelalter spielen. Vieles von ihrem Wissen über diese Epoche resultiert aus ihren Recherchen als Mitglied von 'Regia Anglorum', einem Verein, der das Leben und Wirken der Menschen im frühen Mittelalter nachspielt und so Geschichte lebendig werden lässt. Elizabeth Chadwick wurde mit dem Betty Trask Award ausgezeichnet, und ihre Romane gelangen immer wieder auf die Auswahlliste des Romantic Novelists' Award.
Weitere Infos & Material
1
Pembroke Castle, Südwales, England
November 1154
Der Bote traf zur Mittagszeit ein, als alle in der großen Halle beim Essen saßen. Das Licht begann bereits, schwächer zu werden, da tief hängende Regenwolken von der Irischen See heranzogen und die Burg in einen grauen Nieselregen tauchten.
Richard de Clare, Earl of Pembroke und Lord of Striguil, hörte resigniert zu, wie seine Mutter und seine Schwester Basilia sich über die Kosten für Kerzen und die noch vorhandene Menge in den Lagerräumen ausließen sowie darüber, was sie sich noch zu bestellen leisten konnten. Der größte Teil ihrer finanziellen Mittel wurde von den Kosten für den Erhalt der Burg. Speziell der Verteidigungsanlagen verschlungen. Mit dem Rest musste wegen der unsicheren Zukunft sparsam gewirtschaftet werden. Seit einem Jahr herrschte zwar Frieden nach langen Jahren des Bürgerkriegs, doch er war brüchig.
In seiner Kindheit hatte Geld keine große Rolle gespielt, jetzt beherrschte es seine Gedanken. Er war vierundzwanzig Jahre alt. Sein Vater war gestorben, als er achtzehn war, und die ganze Last, die eine umkämpfte Grafschaft bedeutete, war seinen Schultern aufgebürdet worden und hatte ihn mit einem Schlag von einem unmündigen Jugendlichen zu einem erwachsenen Mann werden lassen. Es war ihm vorgekommen, als hätte man ihn gegen eine Wand geschleudert. Verwirrt hatte er sich aufgerappelt, als er begriff, dass außer ihm niemand da war, und sich darangemacht, das Andenken seines Vaters zu ehren und selbst zu überleben.
Richard kannte jeden Mann, der an seinem Tisch saß, sein Brot aß, seinen Wein trank und sich an seinem Feuer wärmte, und vertraute ihm. Seine Kleidung, seine Waffen, sein Sold, alles war ihm vertraut. Es oblag seiner Verantwortung, für seine Leute zu sorgen. In diesem Punkt zu versagen wäre eine Schande, aber er hatte oft schwer zu kämpfen.
Er tauchte seinen Löffel in den Eintopf aus Hammelfleisch, in dieser Jahreszeit ein Grundnahrungsmittel, das die Köche mit Pfeffer und Kreuzkümmel würzten, um es appetitlicher zu machen. Gerade als er die Hand halb zum Mund geführt hatte, sah er, dass ein Diener einen mit Schlamm bespritzten Boten zu dem Podest führte, auf dem er saß: Alard, einen Stallknecht aus Striguil Castle, das ebenfalls zum Besitz der de Clares gehörte.
Der junge Bursche, sichtlich erschöpft von dem tagelangen Ritt, stolperte, als er den erhöhten Sitzplatz des Earls erreichte, und sank bleich vor Erschöpfung auf die Knie. »Sire, König Stephen ist tot, vor vier Tagen in Faversham an Magenkoliken gestorben.«
Die Worte blieben zunächst auf der Oberfläche von Richards Bewusstsein. Sobald er sicher war, dass sie der Wahrheit entsprachen, drohte die erst kürzlich erlangte Stabilität im Land zusammenzubrechen, und erneut konnte ein Krieg um die Macht und die Wahl des Königs zwischen den rivalisierenden Volksgruppen ausbrechen. Er bat Alard nicht, die Nachricht zu wiederholen. Einmal war genug. Einmal war zu viel. Im Laufe von vier Tagen hatte sich alles geändert, während er ahnungslos im vom Seedunst umwehten Pembroke vor sich hin dämmerte.
Er verabschiedete sich von dem übermüdeten, entkräfteten Boten, wies ihn an, etwas zu essen und sich einen Schlafplatz für die Nacht geben zu lassen. Seine Schale mit Eintopf schob er beiseite, weil ihm der Appetit vergangen war.
»König Stephen ist also tot«, sagte seine Mutter Isabelle, die einer normannischen Adelsfamilie entstammte, mit einem leisen, verächtlichen Schnauben. »Er hat seine Regentschaft zum Gespött aller herabgewürdigt, und jetzt kann er noch nicht einmal ehrenvoll aus dem Leben scheiden.« Auch sie hatte aufgehört zu essen, kaute stattdessen schwer auf dem herum, was sie soeben erfahren hatten. »Was wird das für uns bedeuten?«, fragte sie, heftete ihren Blick auf den Sohn und rechnete ganz selbstverständlich damit, dass er eine Antwort parat hatte.
Leider hatte er keine. Diese Wendung der Ereignisse hatte er nicht in Betracht gezogen. Nachdem König Stephen, ein Neffe von Henry I., fünfzehn Jahre lang mit Matilda, der Tochter von Henry I. und Witwe eines deutschen Kaisers, um den Anspruch auf den englischen Thron gekämpft hatte, war letztes Jahr Frieden geschlossen worden, indem Stephen Matildas inzwischen erwachsenen Sohn adoptierte und ihn zu seinem Nachfolger erklärte. Damit war vereinbart worden, dass die Krone nach Stephens Tod auf Henry II. überging, insofern hatte die Kaiserinwitwe bekommen, was sie seit der frühen Kindheit ihres Sohnes gnadenlos angestrebt hatte. Diejenigen, die lange Stephens Herrschaft unterstützt hatten und dafür zunächst belohnt worden waren, sahen sich plötzlich als ungeliebte Normannen auf den geschenkten Ländereien einer ungewissen Zukunft gegenüber. Richard, dessen Familie selbst normannischen Ursprungs war, fürchtete, dass sich Henry II., der jetzt sein Ziel erreicht hatte und König geworden war, nicht gerade großmütig zeigen würde, denn er wünschte wie vor ihm Stephen keinen großen Einfluss der Normannen, und wurde darin unterstützt von der breiten englischen Adelsschicht der Barone und Landlords.
»Ich weiß es nicht, Mutter, ich denke jedoch, dass wir uns vorbereiten und mit unseren Vorräten haushalten sollten. Henry FitzEmpress, , wie er sich gerne nennt, steht im Ruf großer Unerschrockenheit und großen Hochmuts, wer weiß, welche Entscheidungen er treffen wird.«
Seufzend zog er seine Schale wieder heran und zwang sich weiterzuessen, um einen Anschein von Normalität zu demonstrieren. Henry würde König, und alles, was Richard tun konnte, war, standhaft zu bleiben und sich allem zu stellen, was über sie hereinbrechen würde.
Während der Friedensverhandlungen letztes Jahr hatte er den Kandidaten persönlich getroffen, die Begegnung war nicht freundschaftlich verlaufen. Henry betrachtete ihn offenbar als jemanden, der in seine Schranken verwiesen werden musste, vorzugsweise mit einem Fuß im Nacken. Sie waren ungefähr im selben Alter, nicht ganz, denn Richard war etwas älter und eine gute Handbreit größer. Und dass er zu ihm aufblicken musste, war für den künftigen König von England ein Stachel im Fleisch gewesen.
»Noch befindet Henry sich in der Normandie. Er muss erst den Kanal überqueren, bevor er nach Westminster kommt.« Richard verzog das Gesicht. Er hatte eigentlich die Absicht gehabt, Weihnachten in Pembroke zu verbringen, jetzt würde sich durch die bevorstehende Krönung, an der er als Earl teilnehmen musste, alles ändern.
»Du musst dafür sorgen, dass unsere Burgen über ausreichend Vorräte verfügen und mit vollzähligen Garnisonen belegt sind«, schärfte ihm seine Mutter ein. »Wirb noch Männer an, wenn es sein muss.«
Auf diese Bemerkung reagierte er mit Schweigen. Sie hatte wenig Ahnung von der wahren Lage außerhalb ihrer Ländereien, glaubte sogar, dass die de Clares mächtiger waren, als sie annahm, und dass sie eigenmächtig über ihr Schicksal bestimmen konnten. Sie pflegte Richard mit Geschichten zuzusetzen, was für ein großer Mann sein Vater gewesen war, und redete ihm ein, dass er an sein Vorbild heranreichen musste. Und das war leichter gesagt als getan. Dabei hatte der Tod seines Vaters im Grunde einen zu Lebzeiten nicht immer strahlenden Ruf aufpoliert.
»Wir werden das durchstehen«, warf sein Onkel Hervey, der landlose Halbbruder seines Vaters und ewiger Friedensstifter, mit seiner beschwichtigenden Stimme ein. »Wir können nichts tun, bevor wir mehr wissen. Es ist sinnvoll, zu planen, und sinnlos, sich Sorgen zu machen.« Er griff nach seinem Löffel und widmete sich demonstrativ dem Hammeleintopf.
Richard bedachte ihn mit einem dankbaren, wenngleich leicht sarkastischen Blick. Hervey gab gelegentlich solche Weisheiten zum Besten. Er meinte sie ernst, obwohl sie manchmal abgedroschen oder vollkommen banal waren, aber Richard wusste seinen beruhigenden Einfluss auf die Mitglieder seines Haushalts zu schätzen.
»Ja, Onkel«, erwiderte er. »Eine Mahnung zur rechten Zeit für uns alle.«
Nach dem Essen stieg Richard auf die Brustwehr hinaus und stellte fest, dass über der See ein Schleier lag, der so dick war wie Wolle, und dass er kaum eine Handbreit weit sehen konnte. Es kam ihm vor wie ein Spiegelbild seiner Zukunft. Wenn er die Hand in den Nebel streckte, würde sie verschwinden, und wenn er ihr folgte, verschwand er vielleicht mit ihr.
»Richard?«
Er drehte sich um, als jemand seinen Arm berührte, und stand seiner Mätresse gegenüber. Vor zwei Jahren hatte er Rohese Zuflucht gewährt, als ihr Mann, ein Ritter niederen Ranges, der bei ihm im Militärdienst gestanden hatte, bei einem Gefecht mit den Walisern ums Leben gekommen war. Von dem Moment an hatte sich ihre Beziehung entwickelt, und sie waren ein Liebespaar geworden. Vor fünf Monaten hatte sie ihm die Tochter Matilda geboren.
»Du bist bedrückt, Liebster.« Ihr Atem bildete feine Dampfwölkchen, die sich im Nebel kräuselten.
»Ich vermag meinen weiteren Weg nicht zu sehen«, erwiderte er düster.
»Wird es denn so einen großen Unterschied ausmachen, diesen Henry mit seiner Kaiserinmutter als König zu haben?«
»Ich fürchte ja, weil er im Land neue Unruhen bei den verschiedenen Völkern und Stämmen hervorruft. Deshalb hatte ich gehofft, Stephen würde noch etwas länger leben, leider sollte man nie Vertrauen in Könige setzen.« Er lehnte sich gegen den harten grauen Stein und seufzte. »Als ich ein Junge war, habe ich feindliche Soldaten gesehen, die in einem Graben festsaßen und dort abgeschlachtet wurden, weil es keine Fluchtmöglichkeit gab. Wenngleich sie mir Böses wollten,...