E-Book, Deutsch, Band 3, 672 Seiten
Reihe: Die Alienor-Trilogie
Chadwick Das Vermächtnis der Königin
Deutsche Erstausgabe
ISBN: 978-3-641-20668-0
Verlag: Blanvalet
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Historischer Roman
E-Book, Deutsch, Band 3, 672 Seiten
Reihe: Die Alienor-Trilogie
ISBN: 978-3-641-20668-0
Verlag: Blanvalet
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
England, 1176. Alienor von Aquitanien, die Königin von England, wird noch immer von ihrem Mann, König Henry, gefangen gehalten - doch obwohl er ihr ihre Kinder und ihr Geburtsrecht nahm - aufgeben wird sie nie! Erst Henrys Tod beendet ihre Gefangenschaft. Sie kehrt zurück an den Hof und muss feststellen, dass Henry in ihrer Abwesenheit gefährliche Konkurrenz um Land und Macht zwischen ihren Söhnen geschürt hat. Alienor muss all ihren Mut und ihr Geschick aufbringen, um den Frieden wiederherzustellen und England zurück ins Zentrum der Macht zu bringen ...
Elizabeth Chadwick lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Söhnen in Nottingham. Sie hat inzwischen über 20 historische Romane geschrieben, die allesamt im Mittelalter spielen. Vieles von ihrem Wissen über diese Epoche resultiert aus ihren Recherchen als Mitglied von 'Regia Anglorum', einem Verein, der das Leben und Wirken der Menschen im frühen Mittelalter nachspielt und so Geschichte lebendig werden lässt. Elizabeth Chadwick wurde mit dem Betty Trask Award ausgezeichnet, und ihre Romane gelangen immer wieder auf die Auswahlliste des Romantic Novelists' Award.
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1
Palast von Sarum, Wiltshire, April 1176
Alienor, Herzogin von Aquitanien und der Normandie, Gräfin von Anjou und Königin von Henry II. von England, blickte sich in der kahlen, kalten Kammer um, die seit fast zwei Jahren ihr Gefängnis darstellte. Fahles Frühlingssonnenlicht fiel durch die Fensterbögen und bildete blassgoldene Pfützen auf den Bodendielen. Der Kamin war sauber ausgekehrt und ihre wenigen beweglichen Einrichtungsgegenstände auf die Gepäckkarren verladen worden, die im Hof warteten.
Eine kühle Brise streifte ihr Gesicht. Den ganzen Winter lang war der Wind über die Downs hinweggefegt und hatte wie ein hungriger Wolf um die weiß getünchten Palastgebäude geheult. Ihre Gelenke waren steif und ihre Gedanken so trübe geworden wie Schlamm am Boden eines zugefrorenen Teiches. Es fiel ihr schwer, morgens zu sich zu kommen, sich zu regen und der Welt entgegenzutreten. Ihre verkrampften, zum Leben erwachenden Gliedmaßen bescherten ihr ein quälendes Kribbeln. Sie streckte die Hände aus und registrierte die hellbraunen Altersflecken. Doch diese störten sie weniger als die Art, wie ihre Hände zitterten.
Ihr Ehering blitzte auf. Trotz allem, was Henry ihr angetan hatte, trug sie ihn immer noch, denn solange er ihren Finger schmückte, war sie seine Königin und Herzogin. Auch wenn sie auf diesem windumtosten Berggipfel eingekerkert war, behielten ihre Titel ihre Macht. Henry hatte sie in seiner üblichen skrupellosen Art hier isoliert. Die Welt drehte sich weiter, doch ihr blieb es verwehrt, sich mit ihr zu drehen. Ihre Sünde bestand darin, sich seinem Willen widersetzt und sich in seine Politik eingemischt zu haben. Er bezichtigte sie, ihn verraten zu haben, doch der größte Verrat war immer auf sein Konto gegangen.
Die Nachrichten, die zu ihr durchdrangen, wurden von ihren Wächtern gefiltert, die angewiesen waren, ihr nur wenig mitzuteilen; und dann erhielt sie auch nur Einzelheiten, die sie herabsetzten, während sie zugleich den Ruhm ihres Mannes steigerten. Jetzt jedoch hatte er sie aufgefordert, am Osterfest teilzunehmen, das an seinem Hof in Winchester stattfinden sollte, und der mögliche Grund dafür stimmte sie misstrauisch. Vergebung in der Zeit von Christi Auferstehung? Das bezweifelte sie. Weitere Strafmaßnahmen? Er musste etwas von ihr wollen, und sei es auch nur, sie seinen Edelleuten vorzuführen und so zu beweisen, dass er sie nicht hatte ermorden lassen. Eine weitere derartige Beschuldigung konnte er sich schwerlich leisten – nicht, nachdem der Erzbischof von Canterbury von vier Rittern des königlichen Gefolges vor dem Altar seiner eigenen Kathedrale brutal erschlagen worden war.
Als sie in der Kammer hinter der ihren Schritte hörte, wandte sie sich zur Tür und verbarg ihre Beklommenheit hinter königlichem Hochmut. Sosehr sie sich auch danach sehnte, diesen Ort zu verlassen – die Vorstellung, in die Welt zurückzukehren, jagte ihr Angst ein, weil sie nicht wusste, was sie erwartete oder wie lange die Unterbrechung ihrer Isolation andauern würde.
Sie rechnete damit, ihren Gefängniswärter Robert Maudit zu sehen, und war erstaunt, als die Tür geöffnet wurde und stattdessen ihr ältester Sohn im durch das Treppenhausfenster fallenden gleißenden Sonnenschein auf der Schwelle stand. Sein hellbraunes Haar war windzerzaust, und auf seinem behandschuhten rechten Handgelenk thronte ein prächtiger weißer Gerfalke.
»Schau, Mama«, begrüßte er sie mit einem breiten Lächeln. »Ist sie nicht eine Schönheit?«
Alienors Herz krampfte sich zusammen, und sie fühlte sich, als wäre sämtliche Luft aus ihrer Lunge gesogen worden. »Harry«, keuchte sie, als ihre Knie unter ihr nachzugeben drohten.
Er war augenblicklich an ihrer Seite, fasste ihr mit einem festen Griff unter den Arm und führte sie zu der Bank am Fenster. »Ich dachte, sie hätten es dir gesagt.« Liebevolle Besorgnis lag in seinem Blick. »Soll ich deine Frauen rufen?«
»Nein …« Sie schüttelte den Kopf, vermochte wieder zu atmen. »Sie sagen mir überhaupt nichts.« Ihre Stimme brach. »Ich hatte keine Ahnung, und das hier ist zu viel für mich.« Sie legte eine zitternde Hand über ihre Augen.
Er schlang einen Arm um ihre Schultern, und sie schmiegte sich eng an ihn, atmete den Duft seines gesunden männlichen Körpers ein, spürte seine Kraft und Vitalität – Eigenschaften, die ihr selbst durch jahrelange Kämpfe und die darauf folgende Gefangenschaft geraubt worden waren.
Das Gerfalkenweibchen schlug mit den Flügeln, klirrte mit den Glöckchen an seinen Fußfesseln und stieß eine Reihe rauer, durchdringender Schreie aus. »Ruhig.« Der sanfte Tonfall ihres Sohnes konnte genauso gut ihr wie dem Vogel gelten. »Ganz ruhig.«
Als Alienor sich so weit erholt hatte, dass sie aufblicken konnte, hatte der Falke sich gleichfalls beruhigt und putzte emsig seine Schwungfedern.
»Mein Vater hat mich geschickt, um dich nach Winchester zu bringen.«
Sie betrachtete den auf seinem Handschuh gefangenen Gerfalken. Trotz all der Kraft in seinen Flügeln konnte er nicht fliegen, bis Harry ihn freiließ. »Was will er von mir – außer dem Hof beweisen, dass ich nicht tot bin?«
Harrys Lächeln erstarb. »Er sagt, er möchte mit dir reden – und Frieden schließen.«
»Tatsächlich?« Ein bitteres Lachen blieb Alienor im Hals stecken. »Und welche Bedingungen stellt er?«
Er wich ihrem Blick aus. »Das hat er nicht gesagt.«
Sie blickte sich in dem leeren Raum um. Was würde sie darum geben, frei zu sein? Wichtiger noch – was würde sie nicht dafür geben? »Nein, das habe ich auch nicht angenommen.« Sie bemühte sich, ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten, als sie daran dachte, was hätte sein können, wenn es Harry vor drei Jahren gelungen wäre, seinen Vater zu stürzen. »Ich bedauere vieles, aber eine nicht erfolgte Versöhnung gehört nicht dazu. Vor allem tut es mir leid, dass ich gefangen genommen worden bin. Ich hätte besser planen sollen.«
»Mama …«
»Ich habe hier kaum etwas anderes zu tun als über das Geschehene nachzudenken, und ich bereue zutiefst, dass ich zu lange gezögert und dadurch an Antriebskraft verloren habe.« Sie sprang auf, was den Gerfalken dazu veranlasste, auf Harrys Handgelenk zu tanzen. »Wenn dein Vater dich geschickt hat, um mich nach Winchester zu bringen, dann deshalb, weil ihr Frieden geschlossen habt, und das muss unser Ausgangspunkt sein. Ich freue mich wirklich über alle Maßen, dich zu sehen.« Ein erwachsener Mann von einundzwanzig Jahren, dem Alter, in dem sein Vater König von England geworden war. »Wer ist sonst noch dort?«
»Alle.« Harry streichelte den Vogel, bis dieser sich wieder beruhigte. »Richard, Geoffrey, John, Joanna.« Sein unbekümmertes Lächeln wirkte gezwungen. »Ehefrauen, Bastarde, Kind und Kegel, alle leben auf engem Raum – du weißt ja, wie das ist. Noch kein Streit bislang, aber reichlich Potenzial.«
Es wäre so, als würde man mit einem einzigen Schritt die Kluft zwischen Verhungern und Übersättigung überwinden, ohne Zeit zu haben, sich an die Umstellung zu gewöhnen. Jede Faser ihres Körpers war angespannt, als sie sich dafür wappnete, diese Kammer zu verlassen, die sowohl ihr Käfig als auch ihr Zufluchtsort war. »Also dann …« Ihr unbekümmerter Tonfall war ein Schutzschild. »Lass uns gehen und das Beste aus der Situation machen.«
Das Leben in Sarum war wenig luxuriös, und es bedurfte nur eines einzigen Karrens, um ihre Habseligkeiten die zwanzig Meilen nach Winchester zu transportieren. Harry war mit einer ganzen Rittertruppe eingetroffen, um sie abzuholen – die meisten stammten aus dem Gefolge seines Vaters, ein paar jedoch auch aus seinem eigenen. Unter anderem hatte er seinen Waffenlehrer William Marshal mitgebracht, der mit einem gutmütigen grauen Schecken am Zügel auf sie wartete.
»Meine Lehnsherrin.« Sowie er sie sah, kniete er nieder und senkte den Kopf.
Sein Anblick und die Geste der Huldigung rührten Alienor fast zu Tränen. »William!« Sie berührte seine Schulter und bedeutete ihm, sich zu erheben. Als er gehorchte, traf der Blick seiner dunklen Augen sie bis ins Mark. Vor acht Jahren hatte er sie als junger Herdritter vor einem Hinterhalt bewahrt, war aber selbst gefangen genommen worden, während er ihre Angreifer abwehrte. Sie hatte seine Freiheit erkauft und ihm ihren ältesten Sohn anvertraut, den er zum Ritter ausgebildet hatte. Sie waren Verbündete, die miteinander durch dick und dünn gingen.
»Ihr seht gut aus, Madam.«
Sie maß ihn mit einem tadelnden Blick. »Ich befinde Euch der Schmeichelei schuldig, Messire. Ich weiß, wie ich aussehen muss, nachdem ich zwei Jahre lang an diesem Ort eingesperrt war.«
»Nie anders als eine Königin«, erwiderte er galant, und sie musste heftig blinzeln, um wieder klar sehen zu können, als er ihr auf den Grauen half. Er trug einen Damensattel mit gepolsterter Rückenlehne und Fußstütze, ein gezierter Stil, den sie immer zugunsten des Herrensitzes verworfen hatte. Derartige Konstruktionen verlangsamten das Tempo und bewirkten, dass sie sich verletzlich und weniger als Herrin der Lage fühlte. Es war typisch für Henry, dass er ihr einen solchen Sattel geschickt und sie so vor aller Augen auf den ihr zustehenden Platz verwiesen hatte.
»Madam, bei Hof heißt es, mit Eurer Gesundheit stünde es nicht zum Besten und Ihr hättet Euch in Sarum ausgeruht«, sagte William mit taktvoller Neutralität.
Sie nahm die Zügel auf. Ihr Mund zuckte verächtlich. »Ich nehme an, eine solche Ausrede soll die Wahrheit vertuschen.«
Er erwiderte nichts darauf, schaute sie aber vielsagend an, bevor er...