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E-Book

E-Book, Deutsch, 224 Seiten

Casement Jagdsaison

Ein mörderischer Reisebericht
3. Auflage 2018
ISBN: 978-3-7528-5638-5
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Ein mörderischer Reisebericht

E-Book, Deutsch, 224 Seiten

ISBN: 978-3-7528-5638-5
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



"Nur weg!" - mehr hat Frederika nicht im Sinn, als sie gen Norden reist. Vielleicht sogar, um zu sterben. Doch dann entdeckt sie unerwartet ihre Begeisterung fürs Reisen und ihren Lebensmut dazu. Bald hat sie ihr Herz an die Schönheit Schwedens verloren und fragt sich, wie sie eine Weiterreise finanzieren kann. Da kommt ihr das freundliche Männerduo, das einen Mitfahrer sucht, gerade recht. Besonders der schüchterne Lars gewinnt rasch ihre Freundschaft. Doch ihn scheint ein finsteres Geheimnis zu belasten. Unterdes glaubt ausgerechnet der frustrierte Polizist Karl Andersson an eine Verbindung zwischen den anonymen Leichen, die immer zahlreicher in den skandinavischen Wäldern auftauchen. Dabei zählt er doch eigentlich nur noch die Tage bis zur ersehnten Rente. Drei Protagonisten, die unterschiedlicher nicht sein könnten - für sie alle werden die dunklen Wälder Schwedens zum Prüfstein ihres bisherigen Lebens und jeder von ihnen muss am Ende über sich selbst hinauswachsen.

Nina Casement, '87 geboren und wohnhaft im Rheinland, entdeckte früh ihre Leidenschaft fürs Lesen - die Schreiblust folgte nicht lange danach. Während das naturwissenschaftliche Studium ihre Leidenschaft für Präzision und detaillierte Recherche förderte, prägten zahllose Bücher und Begegnungen ihre Begeisterung für Geschichten. Nach einer Reihe veröffentlichter Kurzgeschichten in verschiedenen Genres und Verlagen erschien 2018 ihr Romandebüt "Jagdsaison", dann folgte die Novelle "(K)ein Heldenleben". Der aktuelle Roman "Wild Card - Ein postapokalyptischer Roadtrip" erscheint 2020 - einem Jahr, das die Verwundbarkeit der Menschen mehr als je vorher offengelegt hat. Mehr Informationen über die reisebegeisterte Autorin sowie ihre Romanprojekte und Kurzgeschichten finden sich auf ihrer Webseite: https://ninacasement.de/
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– 2 –


Das Letzte war langweilig gewesen. Lars traf nur selten so harte Urteile, doch Dieses hatte es verdient. Es hatte bloß mit großen, verstörten Kuhaugen in die Gegend geglotzt, war ein paar Schritte vorwärts gestolpert und hatte sich dann lethargisch an einen Baum gelehnt, bis er, unter den tadelnden Blicken des Älteren, die Geduld verloren hatte. Er selbst war dementsprechend gleichermaßen enttäuscht gewesen, hatte sich der Wirkung des schönen, zierlichen Körpers aber trotzdem nicht entziehen können. Der Andere wusste darum und hatte ihn mit diesem allein gelassen, wissend, dass Lars von Zeit zu Zeit noch anderen Bedürfnissen nachgeben musste. Jener hingegen schien dergleichen niemals zu brauchen. Vielleicht verfügte er aber auch nur, wie gewöhnlich, über die bessere Selbstbeherrschung.

Fred grübelte noch eine Weile unentschlossen, ob sie nicht doch noch länger in Norwegen verweilen und ins Landesinnere aufbrechen sollte. Vielleicht könnte sie einige der atemberaubenden Fjordlandschaften besuchen, sich die Gebirge und Gletschermoränen ansehen, und auch Stavanger und Trondheim hatten den Ruf, sehr hübsch zu sein. Sie haderte ein wenig mit sich, weil ihr im Grunde alle Optionen reizvoll vorkamen. Immerhin – vor ein paar Wochen war es ihr noch unwahrscheinlich erschienen, jemals wieder etwas wollen zu können.

Letztendlich aber entschied sich Fred dagegen. Es zog sie einfach unwiderstehlich nach Schweden, warum auch immer. Vielleicht als Kind zu viel Astrid Lindgren gelesen? – dachte sie ein wenig ironisch bei sich, und suchte eine Busverbindung nach Göteborg heraus. Bereits die Strecke gefiel ihr ausnehmend gut – die karstigen Küsten und urtümlichen Kiefernwälder sahen genauso rau und verwunschen aus, wie sie sie sich vorgestellt hatte, und sie befand zufrieden, dass es die richtige Entscheidung gewesen war. Die Stadt selbst war beinahe noch schöner, oder wenigstens der Teil von ihr, den sie an diesem Abend in der Dunkelheit bei ihrer Herbergssuche erkennen konnte. Auf die vielen, winzigen Lichter zuzufahren, kam dem Erreichen einer Oase gleich.

Die Sonne ging im April noch sehr früh unter, und so erschien es ihr, als sei es fast schon Nacht, als sie sich gegen acht Uhr ihr Abendessen aus ein paar Konserven, Nudeln und etwas Gemüse aus dem „Free–Food“– Regalfach zusammenstellte. Mittlerweile hatte sie eine gewisse Routine darin entwickelt, die ihr langsam beinahe natürlich vorkam. Fred aß die Hälfte, stellte den Rest mit Datum und Namen versehen in einen der Kühlschränke und wusste dann nicht, was sie nun eigentlich tun sollte, denn müde war sie nach all der Fahrerei noch lange nicht. Die Unruhe trieb sie letztlich vor die Tür, sie hatte Glück und fand eine kleine Bar in der Nähe. Dort setzte sie sich in eine ruhige Ecke, schnappte nach Luft, als sie der Bierpreise gewahr wurde, und beschloss dann, sich trotzdem ein oder zwei zu gönnen. Heute jedoch wollten sich weder Entspannung noch frohe Aufbruchsstimmung einstellen, ganz im Gegenteil. Vielleicht lag es an dem Postkartenständer, den sie in der Herberge gesehen hatte und dem darauf folgenden Gedanken: Es gab niemanden, dem sie hätte schreiben können.

Abgesehen von Susanne hatte sie nur noch oberflächliche Freundschaften, eigentlich eher Bekanntschaften, gepflegt. Nach dem plötzlichen Unfalltod ihrer Eltern in ihrer Teenagerzeit waren die meisten Leute vor ihr zurückgeschreckt, als habe sie eine ansteckende Krankheit. Sie wussten nicht mit ihr umzugehen oder auch nur zu reden, und – wenn Fred ehrlich war – war ihr das immer häufiger sogar zupassgekommen. Kaum war auch nur das Wort „Auto“ gefallen, waren alle zusammengezuckt und Fred hatte sich mehr und mehr genötigt gefühlt, jedem um sich herum zu erklären, dass alles in Ordnung war, anstatt trauern zu können.

Später in der Uni waren ihr die meisten Kommilitonen zu jung und albern vorgekommen, diesmal war sie es, die es nicht schaffte, einen Kontakt zu den Anderen aufzubauen. Fred hätte selbst nicht genau sagen können, warum sie so sehr fremdelte. Sie war nicht in dem Sinne ängstlich, aber eben ruhig und, so schien es ihr, immer irgendwie anders als ihre Umgebung gewesen. In einer ihrer Streitigkeiten hatte Christoph ihr entgegengeschleudert, sie sei zu schnell alt geworden, eine geistige Greisin im Mädchenkörper. Vielleicht hatte er ja recht gehabt. Aber immer noch besser so, als ein kindisches, impulsgesteuertes Arschloch wie er, dachte sie nun unmittelbar wütend.

Mit Susanne dagegen war es von Beginn an einfach gewesen. Sie hatten sich gleich am ersten Tag der Ausbildung zur Tourismuskauffrau kennengelernt und sofort gut verstanden. Gemeinsam büffelten sie für die Prüfungen in der Berufsschule, schimpften über verständnislose Lehrer, rollten die Augen über die diversen Marotten ihrer jeweiligen Chefs. Fred war besonders von ihrem netten, offenen Wesen beeindruckt gewesen. So hatte sich bald eine enge Freundschaft entwickelt, und auch wenn Fred manchmal von der überoptimistischen, leicht weltfremden Art der Anderen genervt gewesen war, hatte sie die unzähligen Gespräche mit ihr doch genossen. Zugegebenermaßen war deren Lebensweg auch etwas geradliniger und ohne ernst zu nehmende Schwierigkeiten verlaufen. Trotzdem, man respektierte einander, das war das Wichtigste. Hatte sie wenigstens gedacht.

All das schmeckte umso bitterer, da Susanne auch ihre engste Vertraute gewesen war, ging es um die Schwierigkeiten in der Beziehung zu Christoph. Wie oft hatte Fred sich bei ihr ausgeheult? Wie lange hatte Susanne es ihr verheimlicht? Fred schüttelte den Kopf, sie wollte es nicht wissen, nicht darüber nachdenken und versuchte vergeblich, die finsteren Gedanken zu vertreiben, als sie zur Herberge zurückkehrte und sich unruhig bis ins Morgengrauen wälzte.

Er schrie vor Entsetzen. Als er erwachte, konnte er das Echo noch an den Wänden verhallen hören. Der Ältere musste ebenfalls wach geworden sein, gab jedoch vor weiterzuschlafen, rührte sich nicht und ließ sich auch nichts anmerken. Lars war ihm dankbar dafür, er hatte auf Schulausflügen genug Spott deshalb ertragen müssen und gerade ausreichend mit sich selbst zu kämpfen, auch ohne den Anderen. Der würde ihn sowieso nicht verstehen, er schien nie unter Albträumen zu leiden, ganz egal, was er tat. Die schrille Stimme seiner Mutter klang noch in Lars’ Ohren nach: „Du bist schuld! Es ist deine Schuld! DEINE SCHULD!!“ Sein ganzer Körper verkrampfte sich unwillkürlich, wehrte sich gegen den gebrüllten Vorwurf, er rang nach Luft. Nein, es war nicht seine Schuld gewesen, das wusste er ganz genau! Er hatte sie gemocht, geliebt und verehrt wie kein anderes Lebewesen auf der Welt!

Zugegebenermaßen, er war vorher schon ein eigenartiges Kind gewesen, so die einhellige Meinung, und er hatte diesem Urteil kaum etwas entgegenzusetzen gehabt. Aber nicht böse. Nicht schlecht, glaubte er zu wissen. Und seine Schwester hatte immer noch die besten Seiten seiner selbst zum Vorschein gebracht und ihn ebenso mühelos wie unwissentlich zu einem beinahe schon liebenswürdigen Jungen gemacht. Sie liebte ihn heiß und innig, und in ihrer Gegenwart war er nichts als der große Bruder gewesen, der Beschützer, der Gute. Manches Mal sogar heldenhafter Retter, wenn die älteren Kinder sie geärgert hatten oder sie sich nicht mehr allein von dem großen Klettergerüst heruntergewagt hatte. Wäre sie nicht … Wer weiß, vielleicht wäre dann auch mit ihm alles ganz anders verlaufen.

Nicht, dass das eine Entschuldigung sein sollte, aber ein Lebewesen zum Lieben hätte sicher nicht geschadet. Und sie war sein persönliches Wunder gewesen. Lars wusste sehr gut, dass solche Gedanken keinen Sinn hatten und ihn nur quälten, also stand er auf, warf sich im Badezimmer händeweise eiskaltes Wasser ins Gesicht, das eigene, fremde Antlitz im kalten Neonlicht betrachtend. Der junge Mann wollte nicht wieder ins Bett, um sich dem Grauen seiner Träume auszuliefern, lief also stattdessen eine großzügige Runde um den abgelegenen Gasthof und setzte sich schließlich rauchend und frierend auf eine Bank davor, die ersten Sonnenstrahlen erwartend.

Fred fand schnell Gefallen an der kleinen Metropole. Am ersten Tag bummelte sie dick eingepackt, aber bei strahlendem Sonnenschein durch die Göteborger Altstadt und entdeckte einen großen Park, der sich in bequemer Laufweite daran anschloss. Die Frühblüher streckten hier im Norden erst vorsichtig ihre Köpfe aus der Erde, trotzdem war er bereits eine echte Pracht. Es gab verschlungene kleine Wege, Miniaturwälder und einen felsigen Hügel mitten darin – man hätte sich fast schon verirren können. Sie ahnte, dass es hier im Sommer noch schöner war und flüchtete in die großen Gewächshäuser, als sich die Wolken über ihr zuzogen. Drinnen war es tropisch warm und verwunschen wie im Urwald, es roch sogar exotisch–süß. Fred hatte schon seit ihrer Kindheit ein Faible für Glashäuser und Dschungelgewächse. Besonders faszinierten sie die fleischfressenden Pflanzen mit hängenden Kelchen, so groß wie...



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