E-Book, Deutsch, Band 2
Casanova Memoiren: Geschichte meines Lebens. Band 2
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-96130-405-9
Verlag: apebook Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, Band 2
Reihe: Die Abenteuer des Giacomo Casanova
ISBN: 978-3-96130-405-9
Verlag: apebook Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Die 'Memoiren' erzählen die Geschichte des Giacomo Casanova, von ihm selbst verfasst. Wer in diesem autobiografischen Roman eine Menge wolllüstiger Begebenheiten erwartet, wird nicht enttäuscht. Das Buch erzählt unverblümt von den erotischen Eroberungen des kompromisslosen Hedonisten. Nicht umsonst gilt Casanova als größter Verführer aller Zeiten. Sein Ruf eilte ihm voraus und öffnete ihm die Türen und Schöße sämtlicher Damen der feinen Gesellschaft. Selbst Katharina die Große soll seinem Charme erlegen sein. Aber die Geschichte von Casanovas Leben ist noch viel mehr als das. Er war nicht nur angeblicher Liebhaber der russischen Zarin und unzähliger anderer. Er besuchte alle wichtigen europäischen Höfe und Metropolen und begegnete vielen bedeutenden Menschen seiner Zeit. Casanova lernte Päpste kennen, sprach mit Friedrich II. in Sanssouci, traf auf Rousseau und lieferte sich Wortgefechte mit Voltaire. Er verkehrte mit Da Ponte, Crébillon, von Haller, Winckelmann und Mengs. Und selbst mit Mozart soll er Kontakt gehabt haben, als dieser an seinem 'Don Giovanni' arbeitete. In Polen duellierte er sich mit einem Adligen in Konkurrenz um eine Dame. Er war Flüchtling der Bleikammern Venedigs und Geheimagent der Inquisition. Giacomo Casanova war eine sprichwörtliche Legende. Seine unzähligen Abenteuergeschichten nehmen uns mit auf eine unvergleichliche Reise in die Zeit. Die Memoiren Casanovas zählen zur Weltliteratur und wurden in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt. Das insgesamt etwa 5000 Seiten starke Werk ist trotz seines gewaltigen Umfangs kurzweilig und unterhaltsam, aber vor allem auch kulturhistorisch interessant: Landschaften, Städte und Personen des gesamteuropäischen 18. Jahrhunderts breiten sich vor unseren Augen aus. Und natürlich immer wieder: die Schenkel der Frauen, zwischen denen Casanova Glück und Erfüllung sucht. Begleiten wir den großen Abenteurer und Verführer auf seinen Reisen, und werfen wir einen Blick durch die Schlüssellöcher in die Salons und Boudoirs der feinen Gesellschaft des 18. Jahrhunderts. Nirgends sonst finden sich Spannung, Frivolität, Sinnlichkeit und philosophische Überlegungen in solch verdichteter Lebensbeschreibung. 'Das ganze 18. Jahrhundert tummelt sich in seinen Memoiren und lacht, und räsoniert, und hurt, in keinem anderen Buch ist es so lebendig, so deutlich, so zum Riechen, Fühlen, Schmecken nah.' (Hermann Kesten) Dieses ist der zweite Band von insgesamt sechs Bänden. Sein Umfang beträgt ca. 880 Druckseiten.
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Erstes Kapitel
Ich finde Giulietta wieder und bei ihr den angeblichen Grafen Celi, der inzwischen Graf Alfani geworden ist. – Ich beschließe nach Neapel zu reisen. – Ein Erlebnis, das mich auf einen anderen Weg bringt. Als ich nach einem kurzen Spaziergang in meinen Gasthof in Cesena zurückkam, gab der Wirt mir den Theaterzettel, worauf vier Vorstellungen der Metastasioschen Dido im Spadatheater angekündigt wurden. Da ich sah, daß weder unter den Künstlern noch unter den Künstlerinnen Bekannte von mir waren, entschloß ich mich, mir die Abendvorstellung anzusehen und erst am anderen Morgen mit der Post abzureisen. Mich stachelte immer noch ein kleines bißchen Furcht vor der Inquisition, und es war mir, wie wenn sie mir schon dicht auf den Hacken säße. Bevor ich den Zuschauerraum betrat, ging ich in das Ankleidezimmer der Schauspielerinnen, und die erste kam mir recht appetitlich vor. Sie war Bologneserin und hieß Narici. Ich begrüßte sie und fragte sie nach einigen Komplimenten, ob sie frei sei. »Ich bin«, antwortete sie, »nur der Direktion gegenüber verpflichtet.« »Haben Sie einen Liebhaber?« »Nein.« »Ich erbiete mich als solchen, wenn Sie Lust haben.« Sie lächelte spöttisch und sagte: »Ach, nehmen Sie mir doch vier Karten zu den vier Vorstellungen ab.« Ich zog zwei Zechinen aus meiner Börse, die ich absichtlich so hielt, daß sie sehen mußte, wie gut sie gespickt war; dann nahm ich die vier Karten, gab sie ihrer Zofe, die hübscher war als sie, und ging ohne weiter ein Wort zu sagen. Sie rief mich zurück; ich tat aber, als hörte ich sie nicht, und nahm mir einen Parkettplatz. Da ich alles höchst mittelmäßig fand, stand ich nach dem ersten Ballet auf, um fortzugehen. Als ich dabei zufällig einen Blick auf die große Loge warf, sah ich zu meinem großen Erstaunen den Venetianer Manzoni mit der berühmten Giulietta, deren famosen Ball mit der Ohrfeige der Leser wohl noch in Erinnerung haben wird. Da ich sah, daß man mich nicht bemerkte, fragte ich meinen Nachbar, wer wohl die schöne Dame mit den vielen Diamanten sei. Er antwortete mir: »Das ist Signora Querini aus Venedig; der Eigentümer des Theaters, General Graf Spada, den Sie an ihrer Seite sehen, hat sie aus seiner Heimat Faenza hierher gebracht.« Es freute mich sehr, daß Herr Querini sie endlich geheiratet hatte, aber ich dachte nicht daran, mich ihr zu nähern – aus Gründen, die der Leser ebenso wenig vergessen haben wird wie die Vorfälle, als ich sie auf ihr Verlangen als Abbaten verkleiden mußte. Ich wollte also gehen; aber im selben Augenblick gewahrte sie mich und winkte mich heran. Ich kam; da ich aber nicht bekannt sein wollte, sagte ich ihr leise, ich nenne mich Farussi. Manzoni sagte mir, ich spräche mit Ihrer Excellenz Signora Querini. »Ich weiß es«, sagte ich zu ihm, »aus einem Brief, den ich aus Venedig erhielt, und ich wünsche der gnädigen Frau von Herzen Glück dazu.« Giulietta verstand mich, machte mich auf der Stelle zum Baron und stellte mich dem Grafen Spada vor. Sofort lud der Herr mich sehr liebenswürdig ein, in seine Loge zu kommen. Nachdem er mich gefragt hatte, wober ich käme, wohin ich ginge und so weiter, bat er mich, ihm die Ehre zu erweisen und bei ihm zu Nacht zu speisen. Vor zehn Jahren war er Giuliettas Freund in Wien gewesen, als Maria Theresia in Anbetracht des bösen Einflusses ihrer Reize sie ausweisen zu müssen glaubte. Sie hatte in Venedig die Bekanntschaft mit ihm erneuert und hatte ihn veranlaßt, sie zu einer Vergnügungspartie mit sich nach Bologna mitzunehmen; und ihr alter Anbeter, Herr Manzoni, der mir dies alles erzählte, begleitete sie, um Herrn Querini über ihre gute Aufführung berichten zu können. Er war allerdings kein sehr gut gewählter Tugendwächter. In Venedig wollte sie überall die Meinung verbreiten, daß Herr Querini sie im Geheimen geheiratet habe; aber in einer Entfernung von fünfzig Meilen hielt sie diese Formalität nicht für angebracht, und der General hatte sie bereits dem ganzen Adel von Cesena als Signora Querini Papozze vorgestellt. Ubrigens hätte Herr Querini unrecht gehabt, wenn er auf den General eifersüchtig gewesen wäre, denn dieser war ein so alter Bekannter, daß es nicht darauf ankommen konnte, wenn er der Schönen den Hof machte. Übrigens gilt es bei gewissen Frauen als ausgemacht, daß ein Mann, der als neuester Liebhaber sich auf einen alten Bekannten eifersüchtig zeigt, nur ein Dummkopf sein kann und als solcher zu behandeln ist. Giulietta hatte mich schnell gerufen, weil sie ohne Zweifel meine Indiskretion fürchtete; als sie aber sah, daß ich ebenfalls die ihrige zu fürchten hatte, da beruhigte sie sich; ich war so vernünftig, sie von Anfang an mit allen ihrem Stande schuldigen Rücksichten zu behandeln. Beim General fand ich zahlreiche Gesellschaft und ziemlich hübsche Frauen. Da ich Giulietta nicht sah, fragte ich Herrn Manzoni nach ihr, und er sagte mir, sie sitze am Pharaotische und verliere ihr Geld. Ich ging in den Spielsaal und sah sie zur Linken des Bankhalters sitzen, welcher bei meinem Anblick erbleichte. Er war der angebliche Graf Celi. Er bot mir ein Buch1 an, ich wies es höflich zurück, nahm aber Giuliettas Anerbieten an, Halbpart mit ihr zu spielen. Sie hatte etwa fünfzig Zechinen vor sich liegen; ich gab ihr ebenso viel und setzte mich neben sie. Nach Schluß der Taille fragte sie mich, ob ich den Bankhalter kenne, und ich bemerkte, daß er es gehört hatte. Ich sagte Nein. Die Dame, die zu meiner Linken saß, sagte mir, es sei der Graf Alfani. Eine halbe Stunde später hatte Frau Querini ein Sept et le va von achtzig Zechinen auf einer Karte stehen2, und der Abzug war entscheidend; ich stand auf und heftete meine Blicke auf die Hände des Bankhalters. Trotzdem schlug er die Volte und die Signora verlor. Im selben Augenblick kam der General und holte Sie zu Tisch; sie ließ den Rest ihres Goldes liegen und stand auf; nach dem Dessert kehrte sie an den Spieltisch zurück und verlor alles. Ich belebte das Mahl durch eine Menge kleiner Geschichten und feiner Scherze und gewann mir dadurch die Freundschaft der ganzen Gesellschaft, ganz besonders die des Generals. Als er von mir gehört hatte, ich ginge nur um einer verliebten Laune willen nach Neapel, beschwor er mich, einen Monat bei ihm zu verbringen und ihm zuliebe meine Laune zu opfern. Sein Bitten war jedoch vergeblich; denn da mein Herz leer war, so drängte es mich, Lucrezia und Teresa wiederzusehen, von deren Reizen ich nach fünf Jahren nur noch eine verworrene Erinnerung hatte. Doch erklärte ich mich bereit, die vier Tage in Cesena zu bleiben, die er noch dort verbringen wollte. Als ich mich am anderen Morgen anzog, sah ich den Feigling Alfani-Celi erscheinen. Ich empfing ihn mit einem spöttischen Lächeln, indem ich ihm sagte, ich hätte ihn erwartet. Da mein Friseur anwesend war, antwortete er nichts; sobald wir aber allein waren, fragte er mich: »Welche Gründe können Sie haben, mich zu erwarten?« »Meine Gründe sind Wahrscheinlichkeiten, die Sie im einzelnen hören werden, sobald Sie mir hundert Zechinen aufgezählt haben, was Sie sofort tun werden.« »Hier sind fünfzig, die ich Ihnen überbringen wollte; mehr können Sie nicht verlangen.« »Ich nehme fie als Abzahlung an; aber ich warne Sie im Guten, sich heute abend nicht beim Grafen einzufinden, denn Sie werden dort nicht empfangen werden; und das wird man mir zu verdanken haben.« »Ich hoffe, Sie werden es sich überlegen, ehe Sie eine solch schlechte Handlung begehen.« »Ich habe es mir bereits genügend überlegt. Aber schnell, machen Sie, daß Sie fortkommen!« Es klopfte an meiner Tür, und der angebliche Alfani verschwand, ohne daß ich nötig hatte, ihm meine Aufforderung zu wiederholen. Der neue Besucher war der neue Kastrat, der mich im Auftrag der Narici zum Essen einladen sollte. Ich fand die Einladung spaßhaft und nahm sie lachend an. Dieser Kastrat und Komiker hieß Niccola Peretti und behauptete, der Enkel eines natürlichen Sohnes von Sixtus dem Fünften zu fein, was sehr leicht möglich sein kann. Fünfzehn Jahre später werde ich von ihm sprechen. Beim Eintreten sah ich den Grafen Alfani, der mich ganz gewiß nicht erwartete; mir kam die Idee, er müsse mich für seinen bösen Geist halten. Er begrüßte mich mit großer Höflichkeit und bat mich, zwei Worte unter vier Augen mit mir sprechen zu dürfen. »Ich gebe Ihnen noch fünfzig Zechinen«, sagte er zu mir; »aber als Ehrenmann können Sie diese nur annehmen, um sie Frau Querini wiederzugeben: wie aber wollen Sie sie ihr auszahlen, ohne ihr zu sagen, daß Sie mich zu dieser Rückerstattung genötigt haben? Sie werden fühlen, welche Folgen dies haben könnte.« »Ich werde sie ihr übergeben, wenn Sie nicht mehr hier sind; unterdessen werde ich verschwiegen sein; aber hüten Sie sich, in meiner Gegenwart das Glück zu verbessern, denn ich würde Ihnen einen bösen Streich spielen.« »Verdoppeln Sie meine Bank, und Sie bekommen Halbpart.« »Ihr Vorschlag ist eine Beleidigung.« Ich erhielt die fünfzig Zechinen und versprach ihm, das Geheimnis zu bewahren. Bei der Schauspielerin war zahlreiche Gesellschaft, besonders junge Leute, die nach dem Essen sämtlich ihr Geld verloren. Ich spielte nicht, und dadurch fühlte die Schöne sich enttäuscht; denn sie hatte mich nur eingeladen, weil sie dachte, ich müßte auch einer von derselben Sorte sein, wie die anderen. Als einfacher Zuschauer hatte ich die Gelegenheit, zu beobachten, wie sehr Mohammed recht hatte, daß er alle Glücksspiele verbot. Am Abend nach der Oper legte der Graf eine Bank auf; ich spielte...