E-Book, Deutsch, 566 Seiten
Casanova Eduard und Elisabeth bei den Megamikren
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-8496-0754-8
Verlag: Jazzybee Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 566 Seiten
ISBN: 978-3-8496-0754-8
Verlag: Jazzybee Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein phantastischer Roman um eine Reise in die Mitte der Erdkugel.
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Icosameron
Dem Grafen von Waldstein
Herrn auf Dux und anderen Gutsherrschaften,
Kämmerer S. k. u. k. M.
Herr Graf!
Kein Mensch auf der Welt, nicht einmal jener, der dieses Wert erfunden haben könnte, vermag zu entscheiden, ob es eine wahre Geschichte oder ein Roman ist, denn es ist nicht ausgeschlossen, daß eine rechtschaffene Feder eine wahre Begebenheit niederschreibt, in der Meinung, sie zu erfinden, sowie sie Unwahres berichten kann, obgleich sie nur die Wahrheit zu sagen glaubt. Aus dieser Voraussetzung kann folgende Schlußfolgerung gezogen werden: Ohne genügende Beweise wird man weder etwas leugnen noch glauben können. Der Leser muß unbekümmert alles, was ihm wahrscheinlich erscheint, für Wahrheit halten, und als falsch alles bezeichnen, was seiner Vernunft anstößig ist. Wenn Sie also, Herr Graf, finden, daß der Inhalt dieses Buches nicht möglich ist, so glauben Sie es ganz ruhig, schaden wird es Ihnen nicht, umsoweniger, weil alles Gute darin mit der Weltgeschichte nichts zu tun hat. Da ist zum Beispiel ein englisches Buch »Robinson Crusoe«: man hält es nur darum für einen Roman, weil man keine Beweise für die geschichtliche Wahrheit hat, aber als Roman wird es um so höher geschätzt. Vor fünfunddreißig Jahren sagte mir der französische Geschichtsschreiber Herr Duclos, die von Abbé de S. Real geschriebene Geschichte der venezianischen Verschwörung könne nur als eine Fabel angesehen werden, woher er sie haben könne. Ich antwortete ihm: dieser Leitsatz könne richtig sein, nichtsdestoweniger aber sei diese Verschwörung eine geschichtliche Tatsache und, was mehr bedeute, der Bericht sei sehr genau.
Wenn der Icosameron, den ich Ihnen, Herr Graf, vorlege, eine wahre Geschichte ist, so werden Sie daraus entnehmen, daß die Welt im Innern der Erde das irdische Paradies jenes Garten Eden ist, dessen tatsächliches Vorhandensein wir nicht bezweifeln können, obwohl es uns unbekannt ist, wo er sich befindet. Einige Gelehrte haben schon behauptet, er könne wohl im Innern der Erde sein, doch ist niemand danach suchen gegangen; Juden sowohl wie Christen scheuten sich natürlich vor dem Versuch, ihn zu entdecken, weil sie wußten und wissen, daß Gott Cherubim mit Feuerschwertern aufstellte, um einem jeden den Eintritt zu verwehren (Genesis Kap. III. V. 24). Die Neugierde hätte wohl darauf kommen können, das Paradies in der Mitte des Erdballes zu suchen; vielleicht aber fürchtete man, anstatt des Paradieses die Hölle zu finden. Viele behaupten nämlich, daß dort ihr Platz sei: Tertullian zweifelt nicht daran, der heil. Augustin ist derselben Meinung und sagt: das Feuer in der Erdmitte entsteht durch ein Wunder Gottes. Dadurch fällt die Behauptung von Swinden, es sei unmöglich, daß im Innern der Erde die nötige Menge Salpeter sich befinde, um dieses Feuer ewig zu erhalten: mit tiefer Sachkenntnis meint er, daß die Hölle sich nur im großen Hohlgewölbe der Sonne befinden könne, obgleich König David das Gegenteil gesagt hat.
Wie dem auch sein mag, wir können an der Hand dieser Geschichte darüber disputieren und dürfen offen, ohne unsere Religion zu verletzen, sagen, was reine Vernunft und klarer Sinn uns eingeben. Die Scharfsichtigen werden uns nicht auslachen, dafür steh' ich Ihnen, und das Brummen jener, die Petrarca gente cui si fa notte avanti sera nennt, wird nicht imstande sein, unsern Disput zu unterbrechen. Wir werden nicht albern stolz behaupten, daß wir zur Gewißheit gelangen werden; wir werden aber zum Zweifeln gelangen; und Sie wissen wohl, daß die allergelehrtesten Menschen jene sind, die viel zweifeln. Wer zweifelt, weiß nicht, dafür irrt er aber sich nie: ein denkendes Wesen, das von der Materie umgeben ist, kann nie behaupten, etwas sicher zu wissen. Wir dürfen aber von unserer Vernunft Gebrauch machen. Glücklich, wem die Vernunft zur Unterhaltung dienen kann.
Wenn Gott unsere Erde zu dem Zwecke erschaffen hat, damit sie bewohnt werde, ist es dann wahrscheinlich, daß er gewollt habe, nur ihre äußere Fläche solle bewohnt werden und nicht auch die innere Höhlung? Nein. Der Bienenkorb ist nicht dazu gemacht, damit die Bienen dessen Außenwand bewohnen; die Muschel birgt das Weichtier in ihrem Innern; und die Seele, der Geist, der Sitz der Leidenschaften und der Tugenden wurden durch den Schöpfer nicht am, sondern im Menschen untergebracht; ausgenommen sind nur die Sarmaten, deren Tugend nach Tacitus veluti extra ipsos war. Der berühmte Kern der Erde, über den so viele Philosophen tastende Vermutungen aufgestellt haben, ist eine Notwendigkeit und kann nur ihr bewohnbarer Teil sein, von Gott dazu erschaffen, damit wir ihn ewig bewohnen; er ist der Garten Eden, aus dem uns der Ungehorsam gegen den Allmächtigen vertrieben hat. Wenn es heißt, daß Er uns herausjagte, so waren wir eben drinnen, und das Äußere des Inneren können nur dessen Wände sein, die Rinde, der äußere Umkreis. Als wir nun uns unwürdig machten dort im Innern zu hausen, als wir verdächtig waren, vom Baume des Lebens gekostet zu haben, um unsterblich zu werden (Genesis Kap. III. V. 22), da wurde unser rebellisches Geschlecht von Gott dazu verdammt, außerhalb der Mauern des schönen Gartens sich niederzulassen. Und da sind wir nun. Dabei wundert mich besonders, daß wir uns stets Bewohner dieser Welt nannten, während in Wirklichkeit dieser Ausdruck uns gar nicht zukommt: er kann nicht auf Vertriebene passen, wir sind rechtmäßige und eigentliche Ansiedler nur auf der Oberfläche des Erdballs, auf der wir, da er selbstverständlich hohl ist, herumkriechen -- gestatten Sie den Ausdruck. Es ist wahr, mir haben uns vielfach ausgezeichnet, wir haben aus allem Nutzen zu ziehen gewußt, haben ziemlich schöne Dinge vollbracht auf dieser undankbaren Erde, die eher dazu geeignet erscheint, überschwemmt und von Fischen bewohnt zu werden, als Menschen zu beherbergen. Wir haben uns durch herrliche Werke hervorgetan: wir haben unfruchtbare Erdflächen beackert, einigen Flüssen ihre Grenzen angewiesen, Meeren Dämme entgegengebaut, Sümpfe getrocknet, Berge durchbohrt und abgetragen, Straßen und Städte gebaut, überhaupt die Baukunst zu Ehren und zu großer Würde gebracht, tief in der Erde gewühlt, um ihr Metalle zu entnehmen, wir haben ihr sozusagen den Bauch aufgeschlitzt. Wir haben die Chemie, die Künste und sogar die Wissenschaften erfunden, wir haben Gesetze gemacht, Verbrechen verabscheuen und die Tugend triumphiren lassen, ja, wir haben es soweit gebracht, uns von der Göttlichkeit des menschlichen Geistes zu überzeugen und dadurch auf den kürzesten und gradesten Weg zur Betrachtung der Allmacht und unbegreiflichen Größe des Schöpfers zu gelangen. Gott muß sich also sozusagen gefreut haben, als er sah, welch nützlichen Gebrauch wir von dem ungefügen Geschenk gemacht haben, das er uns zur Strafe gegeben hatte. Wenn wir unsere Erde ansehen und sie schön finden, -- müssen wir da nicht sofort bedenken, daß es nur durch das ist, was wir aus ihr gemacht haben. Ja, wir. Dieser Gedanke aber soll uns nicht stolz machen, sondern uns dazu anregen, Jenem zu danken, der uns die Gelegenheit gab, uns in all diesem Elend auszuzeichnen.
Und indem wir uns mit diesem Allem abfanden, gewöhnten wir uns an all den Jammer unseres Lebens in dieser Wohnstätte, die doch nur ein Verbannungsort ist; gewöhnten uns so sehr, daß die meisten von uns nichts mehr als störend betrachten, was unser Glück beeinträchtigt; wir ertragen die Krankheiten, denen wir unterworfen sind, ertragen Pest, Kriege, Hungersnot, Überschwemmungen, Erdbeben, wir ertragen den Gestank der Nebel, die Blitze des Himmels, das Toben der Winde, den verpestenden Einfluß des Hundssternes. Wir ertragen übermäßige Hitze, die starken Fröste, die wilden Tiere, die stets bereit sind, uns zu verschlingen, die Insekten, deren die Luft voll ist, und die (wenn es wahr ist, daß sie aus uns entstehen, wie die Flöhe, die Läuse, die Wanzen), nicht unrecht haben, uns zu stechen, um uns die Nahrung zu entnehmen, die wir ihnen schulden. Man muß zugeben, daß wir sehr gutmütige und leichtblütige Menschen sind, da fast alle ungern sterben und viele sich willig verpflichten würden, unter denselben Verhältnissen wieder auf die Welt zu kommen.
Alle diese Armseligkeiten, Herr Graf, sind bei den Megamikren nicht vorhanden. Nun werden Sie mich fragen: wie konnten, wenn dieses Land das irdische Paradies sei, Eduard und seine Schwester trotz der Wache haltenden Cherubim (Engel, die nach der Namensbezeichnung den Ochsen gleichen sollen) und dem göttlichen Bannspruch dorthin gelangen?
Ich kann Ihnen hierauf als philosophischer Theologe antworten. Erstens kann Gott kein unwiderrufliches Urteil aussprechen; und zweitens kann der Schöpfer zu seiner größten Ehre einem unserer sterblichen Menschenpaare erlaubt haben, dorthin zu gelangen und wiederzukehren, um uns davon zu berichten und dadurch unseren Glauben zu stärken, der nur gar zu schwach und wankelmütig ist. Bedenken Sie auch, daß das göttliche Erlösungswerk jeden bösen Einfluß der ersten Sünde vernichtet haben muß und daß die Ledigsprechung von einer Schuld mit der Aufhebung der für sie bestimmten Strafe verbunden sein muß. Eduard ließ dort fünf Millionen Kinder zurück, die er während der achtzig Jahre niemals krank werden noch altern sah. Vielleicht wollte Gott ihnen die...




