Casanova | Aus meinem Leben | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 480 Seiten

Reihe: Fischer Klassik Plus

Casanova Aus meinem Leben

Fischer Klassik PLUS
1. Auflage 2011
ISBN: 978-3-10-401797-6
Verlag: S.Fischer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Fischer Klassik PLUS

E-Book, Deutsch, 480 Seiten

Reihe: Fischer Klassik Plus

ISBN: 978-3-10-401797-6
Verlag: S.Fischer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Was ist das für ein Typ, dieser Don Quixote, der mit seiner Lanze gegen Windmühlen kämpft? Ist er einer dieser Spinner, die vor lauter Ritterromanen Realität und Fiktion verwechseln? Oder ist er mit seinem herzzerreißenden Kampf für das Gute und Schöne vielleicht der viel größere Realist als sein nüchterner Gefährte Sancho Pansa? Oder ist am Ende gar Sancho Pansa der wahre Held der Geschichte? Dass es auf all diese Fragen keine Antworten gibt, dass es womöglich mehr auf die Fragen als auf die Antworten ankommt - darin liegt die tiefe Weisheit dieses wunderbaren Romans. Mit dem Werkbeitrag aus Kindlers Literatur Lexikon. Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITK.

Der am 2. April 1725 in Venedig geborene Casanova nannte sich als Schriftsteller »Chevalier de Seingalt«. In Padua studierte der Sohn eines Schauspieler-Ehepaares Theologie und Jura, im Jahr 1742 promovierte er. Casanova führte ein Nomadenleben, reiste durch ganz Europa. Aufgrund seines lockeren Lebenswandels wurde er 1755 in Venedig eingesperrt. Ein Jahr später konnte er aus den Bleikammern des Dogenpalastes fliehen. Als Lotteriedirektor in Paris kam er zu Geld, verkehrte an Königshöfen und fand 1785 eine Anstellung als Bibliothekar in Dux (Nordböhmen). Ab 1790 arbeitete Casanova an seinen Memoiren, in denen er auch die Flucht aus den Bleikammern beschreibt. Die »Histoire de ma vie« erregte vor allem Aufsehen durch die Erzählung der erotischen Abenteuer Casanovas. Am 4. Juni 1798 starb der berühmte Schwerenöter in Dux.
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Vorrede


Vor allen Dingen erkläre ich meinem Leser, dass ich überzeugt bin, bei allem, was ich im Laufe meines Lebens Gutes oder Böses getan habe, für den guten oder bösen Ausgang selber verantwortlich zu sein. Es folgt daraus, dass ich an die Freiheit des Willens glaube.

Die Lehre der Stoiker und aller anderen Sekten von der Macht des Schicksals ist ein Hirngespinst der Phantasie, das dem Atheismus nicht fernsteht. Ich bin nicht nur Monotheist, sondern Christ, gefestigt durch Philosophie, die niemals etwas verdorben hat.

Ich glaube an das Dasein eines immateriellen Gottes, der Schöpfer und Herr aller Lebensformen ist. Dass ich niemals an ihm gezweifelt habe, beweist mir die Tatsache, dass ich immer auf seine Fürsorge rechnete, indem ich in meinen Nöten mich betend an ihn wandte und mich stets erhört fand. Die Verzweiflung tötet; aber vor dem Gebet verschwindet die Verzweiflung, und wenn der Mensch gebetet hat, empfindet er Vertrauen, und er handelt. Welche Mittel der Herr aller Wesen anwendet, um von denen, die seine Hilfe erflehen, drohendes Unglück abzuwenden – dies zu wissen geht über das Verständnis des Menschen, der in demselben Augenblick, wo er über die Unbegreiflichkeit der göttlichen Vorsehung nachdenkt, sich genötigt sieht, sie anzubeten. Da finden wir Hilfe nur in unserer Unwissenheit, und wahrhaft glücklich sind nur die, die zu ihr ihre Zuflucht nehmen. Darum müssen wir zu Gott beten und müssen glauben, die erbetene Gnade erhalten zu haben, selbst wenn der Anschein dagegen ist. Die Stellung, die unser Körper einnehmen muss, wenn wir uns an den Schöpfer wenden, lehrt uns ein Vers Petrarcas:

Vor ihm die Knie deiner Seele beugend.

Der Mensch ist frei; aber er ist nicht mehr frei, wenn er nicht an seine Freiheit glaubt. Je mehr Macht er dem Schicksal beimisst, desto mehr beraubt er sich selber jener Macht, die Gott ihm verlieh, indem er ihn mit Vernunft begabte. Die Vernunft ist ein Bruchteilchen der Göttlichkeit des Schöpfers. Wenn wir uns ihrer bedienen, um demütig und gerecht zu sein, so werden wir unfehlbar Ihm, der sie uns geschenkt hat, wohlgefällig sein. Gott hört nur für die auf, Gott zu sein, die sich sein Nichtvorhandensein als möglich denken können. Diese Vorstellung muss für sie die größte Strafe sein, die sie erleiden könnten.

Aber wenn nun auch der Mensch frei ist, so dürfen wir doch nicht glauben, dass er das Recht habe, zu tun, was er will. Denn er wird Sklave, so oft er sich von einer Leidenschaft zum Handeln fortreißen lässt. . – Wenn sie nicht gehorcht, befiehlt sie. Wer stark genug ist, seine Handlungen so lange aufzuschieben, bis er wieder ruhig geworden ist, der ist wahrhaft weise. Aber solche Menschen sind selten.

Der denkende Leser wird aus diesen meinen Erinnerungen ersehen, dass ich niemals ein bestimmtes Ziel im Auge gehabt habe und dass das einzige System, das ich hatte – wenn es überhaupt eines ist –, darin bestand, mich von Wind und Wellen treiben zu lassen. Welche Wechselfälle entstehen aus dieser Unabhängigkeit von einer bestimmten Methode! Was mir an Erfolg und Misserfolg, was mir an Gutem und Bösem zuteilwurde: Alles hat mir gezeigt, dass in der physischen wie in der moralischen Welt das Gute stets aus dem Bösen und das Böse stets aus dem Guten entsteht. Meine Abwege zeigen den denkenden Lesern die rechten Wege; sie können auch aus meinen Verirrungen die große Kunst lernen, wie man sich über dem Abgrund in der Schwebe erhalt. Es kommt nur darauf an, Mut zu haben; denn Kraft oder Selbstvertrauen führt zu nichts. Sehr oft sah ich das Glück mir lächeln infolge eines unbesonnenen Schrittes, der mich in den Abgrund hätte stürzen müssen; dann dankte ich Gott, aber ich vergaß darüber nicht, mich selber zu tadeln. Im Gegenteil sah ich aber auch ein niederschmetterndes Unglück aus einem weisen und maßvollen Verhalten hervorgehen. Dies demütigte mich; aber ich tröstete mich leicht darüber, weil ich gewiss war, dass ich recht gehabt hatte.

Die göttlichen Grundsätze, die in meinem Herzen wurzelten, mussten notwendigerweise die Frucht einer ausgezeichneten Moral hervorbringen; trotzdem bin ich mein ganzes Leben lang das Opfer meiner Sinne gewesen. Ich gefiel mir darin, vom rechten Wege abzugehen, ich lebte beständig im Irrtum und hatte dabei nur den Trost, zu wissen, dass ich im Irrtum war. Darum hoffe ich, lieber Leser, du wirst meiner Geschichte nicht den Charakter unverschämter Überhebung beimessen, sondern im Gegenteil darin den Ton finden, der einer Generalbeichte geziemt. Du wirst in meinen Erzählungen weder eine Büßermiene finden noch die Verlegenheit eines Sünders, der errötend seine Verirrungen bekennt. Es sind Jugendtorheiten; du wirst sehen, dass ich darüber lache, und wenn du gut bist, so wirst du mit mir lachen.

Du wirst lachen, wenn du siehst, wie ich mir oftmals kein Gewissen daraus gemacht habe, Toren, Schelme und Dummköpfe zu hintergehen, wenn ich in Not war. Wenn ich Frauen betrogen habe, so war das Hintergangenwerden gegenseitig. So etwas zählt nicht; denn wenn die Liebe mit ins Spiel kommt, sind gewöhnlich beide Teile angeführt. Ganz etwas anderes ist es mit den Dummköpfen. Noch jetzt wünsche ich mir Glück, sooft ich mich erinnere, einen in meine Netze gelockt zu haben; denn sie sind so unverschämt und anmaßend, dass sie einen klugen Menschen unwillkürlich herausfordern. Man rächt die Klugheit, wenn man einen Dummkopf betrügt, und der Sieg lohnt sich der Mühe; denn der Dummkopf ist gepanzert, und man weiß oft nicht, an welcher Stelle man ihm beikommen soll. Mit einem Wort: Einen Dummkopf zu betrügen ist wohl eines klugen Mannes würdig. Seitdem ich auf der Welt bin, habe ich in meinem Blut einen unüberwindlichen Hass gegen dieses Gezüchte von Dummköpfen, weil ich mich selber dumm finde, sooft ich in ihrer Gesellschaft bin. Ich bin weit davon entfernt, sie mit den sogenannten dummen Menschen in einen Topf zu werfen; denn diese habe ich eigentlich recht gern, wenn sie nur aus Mangel an Erziehung dumm sind. Ich habe unter ihnen sehr ehrenwerte Menschen gefunden und in dem Charakter ihrer Dummheit zuweilen einen gewissen Geist entdeckt, einen hausbackenen Verstand, durch den sie sich sehr weit von den Dummköpfen unterscheiden. Sie gleichen Augen, die mit dem grauen Star behaftet sind, sonst aber sehr schön sein würden.

Wenn du, mein lieber Leser, den Geist dieser Vorrede prüfst, so wirst du leicht meinen Zweck erraten. Ich habe sie geschrieben, weil ich wünsche, dass du mich kennst, bevor du mich liest. Nur in Kaffeehäusern und an Wirtstafeln unterhält man sich mit Unbekannten.

Ich habe meine Geschichte geschrieben, und hiergegen kann niemand etwas einzuwenden haben. Aber tue ich recht daran, sie dem Publikum zu übergeben, das ich nur von einer sehr schlechten Seite kenne? Nein. Ich weiß, ich mache eine Dummheit. Aber da ich einmal das Bedürfnis empfinde, mich zu beschäftigen und zu lachen – warum sollte ich es mir versagen, dies zu tun.

.

Gallsucht trieb er hinaus mit Hilfe gereinigter Nieswurz.

Ein Alter sagt uns in weisem Schulmeisterton: Wenn du nichts getan hast, was wert ist, aufgeschrieben zu werden, so schreibe wenigstens etwas, was wert ist, gelesen zu werden. Diese Lehre ist so schön wie ein Diamant von reinstem Wasser, der in England zum Brillanten geschliffen worden ist. Aber auf mich ist sie nicht anwendbar; denn ich schreibe weder einen Roman noch die Geschichte einer berühmten Persönlichkeit. Mag es würdig sein, mag es unwürdig sein: Mein Leben ist mein Stoff, und mein Stoff ist mein Leben. Ich habe es durchlebt, ohne jemals zu glauben, ich könnte eines Tages auf den Gedanken kommen, es niederzuschreiben; aber gerade dadurch kann es vielleicht einen interessanten Charakter erhalten haben, den es gewiss nicht haben würde, wenn ich dabei die Absicht gehabt hätte, in meinen alten Tagen meine Lebensgeschichte niederzuschreiben oder gar zu veröffentlichen.

Jetzt, im Jahre 1797, da ich zweiundsiebzig Jahre alt bin, da ich sagen kann:  – obgleich ich noch lebe –, jetzt könnte ich mir schwerlich eine angenehmere Unterhaltung verschaffen, als mich mit meinen eigenen Angelegenheiten zu unterhalten und der guten Gesellschaft, die mich anhört, die mich stets freundschaftlich behandelt hat und in deren Mitte ich stets verkehrt habe, einen würdigen Anlass zum Lachen zu liefern. Um gut zu schreiben, brauche ich mir nur vorzustellen, dass diese gute Gesellschaft mich liest: . – Wenn das, was ich sage, gefällt, so hat es der Zuhörer eingegeben.

Zwar gibt es auch Unberufene, die ich nicht werde hindern können, mich zu lesen; aber da genügt mir mein Bewusstsein, dass ich für sie nicht schreibe.

Indem ich mir die genossenen Freuden ins Gedächtnis zurückrufe, erneuere ich sie und genieße ihrer zum zweiten Mal; der Leiden aber, die ich ausgestanden habe und jetzt nicht mehr fühle – ihrer lache ich. Ich bin ein Glied des großen Alls; und so spreche ich in die Luft hinein und bilde mir ein, von meinem Tun und Lassen Rechenschaft abzulegen, wie ein Haushofmeister seinem Herrn Rechnung gibt, bevor er abgeht. Über meine Zukunft habe ich als Philosoph mich niemals beunruhigt; denn ich weiß nichts von ihr; der gläubige Christ aber muss glauben, ohne Beweise zu suchen; gerade der reinste Glaube verharrt in tiefstem Schweigen. Ich weiß,...


Casanova, Giacomo
Der am 2. April 1725 in Venedig geborene Casanova nannte sich als Schriftsteller 'Chevalier de Seingalt'. In Padua studierte der Sohn eines Schauspieler-Ehepaares Theologie und Jura, im Jahr 1742 promovierte er. Casanova führte ein Nomadenleben, reiste durch ganz Europa. Aufgrund seines lockeren Lebenswandels wurde er 1755 in Venedig eingesperrt. Ein Jahr später konnte er aus den Bleikammern des Dogenpalastes fliehen. Als Lotteriedirektor in Paris kam er zu Geld, verkehrte an Königshöfen und fand 1785 eine Anstellung als Bibliothekar in Dux (Nordböhmen). Ab 1790 arbeitete Casanova an seinen Memoiren, in denen er auch die Flucht aus den Bleikammern beschreibt. Die 'Histoire de ma vie' erregte vor allem Aufsehen durch die Erzählung der erotischen Abenteuer Casanovas. Am 4. Juni 1798 starb der berühmte Schwerenöter in Dux.

Giacomo CasanovaDer am 2. April 1725 in Venedig geborene Casanova nannte sich als Schriftsteller 'Chevalier de Seingalt'. In Padua studierte der Sohn eines Schauspieler-Ehepaares Theologie und Jura, im Jahr 1742 promovierte er. Casanova führte ein Nomadenleben, reiste durch ganz Europa. Aufgrund seines lockeren Lebenswandels wurde er 1755 in Venedig eingesperrt. Ein Jahr später konnte er aus den Bleikammern des Dogenpalastes fliehen. Als Lotteriedirektor in Paris kam er zu Geld, verkehrte an Königshöfen und fand 1785 eine Anstellung als Bibliothekar in Dux (Nordböhmen). Ab 1790 arbeitete Casanova an seinen Memoiren, in denen er auch die Flucht aus den Bleikammern beschreibt. Die 'Histoire de ma vie' erregte vor allem Aufsehen durch die Erzählung der erotischen Abenteuer Casanovas. Am 4. Juni 1798 starb der berühmte Schwerenöter in Dux.

Der am 2. April 1725 in Venedig geborene Casanova nannte sich als Schriftsteller »Chevalier de Seingalt«. In Padua studierte der Sohn eines Schauspieler-Ehepaares Theologie und Jura, im Jahr 1742 promovierte er. Casanova führte ein Nomadenleben, reiste durch ganz Europa. Aufgrund seines lockeren Lebenswandels wurde er 1755 in Venedig eingesperrt. Ein Jahr später konnte er aus den Bleikammern des Dogenpalastes fliehen. Als Lotteriedirektor in Paris kam er zu Geld, verkehrte an Königshöfen und fand 1785 eine Anstellung als Bibliothekar in Dux (Nordböhmen). Ab 1790 arbeitete Casanova an seinen Memoiren, in denen er auch die Flucht aus den Bleikammern beschreibt. Die »Histoire de ma vie« erregte vor allem Aufsehen durch die Erzählung der erotischen Abenteuer Casanovas. Am 4. Juni 1798 starb der berühmte Schwerenöter in Dux.



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