E-Book, Deutsch, 264 Seiten
Carpenter / Schwarzfels / Byrnes Selbst nach dem Tod
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-96000-324-3
Verlag: Elysion Books
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 264 Seiten
ISBN: 978-3-96000-324-3
Verlag: Elysion Books
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
29 der besten, fiesesten und bizarrsten Kurzgeschichten rund um Liebe, die selbst nach dem Tod weiterbesteht. Folgt uns über den Tod hinaus - hinein in Liebesgeschichten, die wahnsinnig machen, wahnsinnig sind oder einfach nur eine Ewigkeit andauern. Einseitig, beidseitig - und ob man will oder nicht. Manchmal geht es um ruhelose Geister, die ihren Frieden finden wollen, manchmal um romantische Verehrer aus dem Jenseits. In anderen Geschichten ist von gruseligen Mystery-Begebenheiten über 'sanften' Horror und Hentai-Anklängen alles möglich: Höllendeals, Wesen jenseits der Zeit, Vampire, Grabräuber oder Friedhofsgärtner, Serienkiller mit Sammelleidenschaft oder Wiedergeburtsjunkies. Also schwelgt in lebhaften Erinnerungen, genießt die Romantik, zelebriert besondere Hochzeitstage und belebt eure Partner wieder. Es hilft alles nichts, die Liebe ist sowieso immer der Grund ... für alles.
Autoren/Hrsg.
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1. Poison Eve
Tanya Carpenter Als sie die Augen aufschlug, war das, was sie sah, nicht das, was sie erwartet hatte. Die Hölle hatte sich Eve definitiv anders vorgestellt. Wo waren die Flammenmeere? Oder alternativ eine endlose Finsternis. Wieso waberten hier keine Nebel und Schwefeldämpfe umher, war die Luft nicht erfüllt vom Heulen und Seufzen der gemarterten Seelen? Einsam war es hier. Nicht einmal abscheuliche dämonische Wesen kletterten hier an den Wänden entlang. Von sinnlichen Dämonen mit unwiderstehlichem Charme ganz zu schweigen. Nix mit ewiger Qual und nix mit Sünde und Wollust. Hoffentlich war ihre Seele nicht versehentlich falsch abgebogen oder hatte man ihr doch noch auf dem Totenweg die letzte Salbung zuteilwerden lassen, sodass ihr der Zutritt in Luzifers Reich nun verwehrt blieb. Dann würde ihr gesamter Plan zur Hölle fahren – nur sie eben nicht. Eve seufzte. Nicht so schnell den Mut verlieren, nicht vom ersten Eindruck täuschen lassen. Das hier war vielleicht bloß ... eine Art Ankunftszone. Wie ein Flur. Oder ein Vorhof. Immerhin, ein Ort des Lichts war es nicht. Lichtbringer hin oder her. Sollte dies Luzifers Reich sein, hielt er die Beleuchtung äußerst spärlich. Aber warm war es, was Eve sehr begrüßte. Sie hasste Kälte, davon bekam sie schnell schlechte Laune. Gefroren hatte sie weiß Gott genug. Warum musste das Gericht ihren Hinrichtungstermin auch unbedingt in den Winter legen? Schon die Giftkammer war nahezu ungeheizt gewesen. Von der anschließenden Kühlbox des Bestattungsunternehmens ganz zu schweigen. Aber egal, diese Unbequemlichkeiten lagen nun hinter ihr. Und angesichts ihrer weltlichen Taten musste sie in der Hölle sein, denn der Zugang zum Himmel blieb ihr bei derart vielen Sünden unzweifelhaft verwehrt. Aber darum ging es schließlich. Das Band zu ihrem sterblichen Leben streifte sie ab wie eine Schlange ihre alte Haut. Welch trefflicher Vergleich. Sie war sich ihres neuen Daseins voll und ganz bewusst. Von dem Früher noch geblieben war lediglich ihre alte, menschliche Hülle in der irdischen Welt, die nun vermutlich langsam vor sich hin moderte. Egal, damit hatte sie nichts mehr zu schaffen. Sie trauerte ihrem alten Körper nicht nach, denn das, was sie bisher von ihrem neuen sah, gefiel ihr außerordentlich gut. Die Details würde sie prüfen, sobald sich eine Gelegenheit ergab. Aber dazu musste sie nun erst mal aufstehen und in Wallung kommen. Erfolge erzielte man nicht, indem man auf der faulen Haut liegen blieb. Eve tat einen tiefen Atemzug und stemmte sich hoch. Ihr Körper fühlte sich steif an, während sie sich erhob. Die Gelenke knackten. »Ich werde doch nicht als Greisin wiedererwacht sein.« In diesem Falle würde sie ihre Meinung revidieren und ihren alten Körper doch vermissen. Schmerzlichst! Denn sie brauchte etwas Vorzeigbares für ihre Pläne. Aber nein, ihre Arme und Beine waren, soweit sie sehen konnte, nicht faltig oder fahl, sondern straff, knackig und von gesunder Farbe. Auch ihr Gesicht fühlte sich symmetrisch und jugendlich an. Ein Blick auf die Umgebung enthüllte schwarze, schroffe Schemen, die sie nicht eindeutig zuordnen konnte, dennoch war sie sich sicher, das Ziel war nah. Sie konnte es spüren. Lange hatte sie gewartet, sich darauf vorbereitet und jetzt war es endlich soweit. »Satan, ich komme!«, flötete sie und machte schon einen ersten, entschlossenen Schritt nach vorn, da fiel ihr ein, dass sie ja noch etwas mitnehmen musste. »Hoffentlich hat es mein kleines Gastgeschenk auch auf die andere Seite geschafft.« Sie tastete suchend die nähere Umgebung ab, runzelte kurz die Stirn, ermahnte sich dann aber, dass das Falten machte. »Hach, da ist es doch.« Zufrieden hob sie ihre im Testament geforderte Grabbeigabe in die Höhe und prüfte das Etikett. Ganz wie bestellt. Der Wein war sorgsam von ihr ausgewählt. Wenn sie jemandem gesagt hätte, wofür sie ihn verwenden wollte, wäre sie vermutlich für geisteskrank erklärt worden und statt in der Todeszelle in der Psychiatrie gelandet. So jedoch war es nichts weiter als eine letzte exzentrische Sonderheit gewesen. Wenn die wüssten ... Die Vorstellungskraft der Menschen über das Jenseits und die einem dort gegebenen Möglichkeiten waren ausgesprochen begrenzt. Sie verdankte es ihrem Erbe und jahrelanger Studien, dass sie über recht konkretes Wissen verfügte und doch blieb ein kleiner Teil Hoffnung, Glück und Gottvertrauen. Eve musste lachen. Wenn sie sonst wem vertraute, aber Gott gewiss nicht. Ihre Wege hatten sich schon vor langer Zeit getrennt. Sie besann sich wieder ins Hier und Jetzt und wog die Flasche in der Hand. Luzifer würde einem guten Tropfen nicht abgeneigt sein. Eve hatte schon so manches Bewerbungsgespräch positiv gelenkt, indem sie das ein oder andere Mittel gezielt einsetzte. Wein, Weib und ... Geld. Gesang gehörte weder zu ihrem Repertoire noch zu den begehrten Dingen, mit denen man sich Wege ebnete. Aber Rauschmittel besaßen die Eigenschaft, die Sinne zu vernebeln und empfänglicher zu machen für geheuchelte oder vorgetäuschte Zuneigung, auf die beinah jeder Mann ansprang, ohne deren Schein vom Sein unterscheiden zu können. Warum sollte es ihr hier nicht auch gelingen, damit ihren Willen durchzusetzen? Aber erst mal galt es, den Herrn der Hölle zu finden, ehe sie ihm den Kopf verdrehen konnte. Nur leider veränderte sich ihre Umgebung auch nach gefühlten Stunden nicht nennenswert. Verflucht noch mal, wohin sollte man laufen, wenn man nicht einmal wusste, wo genau man sich befand? Einen Lageplan der Hölle hatte sie leider vor ihrem Ableben nicht mehr auftreiben können. Von hier kam eben keiner zurück, der geografische Skizzen für die Nachwelt – oder besser: für künftige Höllenanwärter – anfertigen konnte. Nach dem Weg fragen. Bloß wen, wenn keiner Zuhause war? »Hallo?«, rief sie in den leeren Raum und spitzte die Ohren. »Ist hier jemand?« Keine Antwort. »Das kann doch nicht wahr sein«, schimpfte Eve leise. »Da will man in die Hölle und keinen interessiert es. Wie kann man einen Neuankömmling nur so ignorieren?« Vom Rumstehen und Lamentieren kam sie auch nicht weiter. Als Frau der Tat machte sie sich also auf die Suche nach einem anderen Weg. Vielleicht gab es hier Abzweigungen, die nur jemand sah, der ... »Ah, da haben wir dich ja.« Tatsächlich fand sie bei näherem Hinsehen Spalten im Gestein, durch die sie sich hindurchquetschen konnte. Dabei achtete sie peinlichst darauf, keinen Kratzer auf ihrem neuen Körper zu hinterlassen. Ihre Mühe wurde jedenfalls belohnt, denn kaum hatte sie den engen Schlitz passiert, tat sich vor ihr ein ganzes Labyrinth von Gängen auf, die ebenso unheilvoll wie verlockend auf sie wirkten. Wunderbar. »Eene, meene, muh ... welchen von euch nehm ich nur?« Kurzerhand folgte sie einfach ihrem Bauchgefühl. Irgendwo würde sie schon ankommen. Die Hölle konnte schließlich nicht nur aus verlassener Einöde bestehen. Vielleicht fand sich doch noch ein gutaussehender Beelzebub, der ihr auf den rechten Weg half. Und den sie sich für später vormerken konnte, falls es galt, sich ein paar einsame Stunden zu vertreiben. Nachdem sie eine Weile durch das Labyrinth von Gängen gewandert war, tauchte der erste höllentypische Schimmer von entfernt lodernden Fegefeuern an den Wänden auf. Dieser wurde rasch stärker, bis ihr nur wenig später meterhohe Feuersäulen entgegenschlugen und den Schweiß auf die Stirn trieben. Im Schein der Flammen konnte Eve – über einen Höllensee aus schwarzem Pech und Teer gebeugt – zum ersten Mal einen ausführlichen Blick auf ihren neuen Körper werfen, um abschließend zu klären, ob sie ihrem alten Körper nachtrauern musste oder nicht. Der Tausch hätte nicht besser sein können. Zufrieden stellte sie fest, dass ihr Leib jung und straff war. Mit kleinen, aber festen Brüsten, schlank und leicht gebräunt. Die weiße Bluse zog sie kurzerhand aus. Diese Farbe passte nicht in die Unterwelt. Außerdem reichte ihre darunterliegende enge schwarze Korsage bei den hiesigen Temperaturen aus und brachte ihre Weiblichkeit gut zur Geltung. Sie beugte sich ein weiteres Mal über das dunkel schimmernde Gewässer, um ihr Gesicht eingehend zu betrachten. Die rote Mähne, auf die sie einst so stolz gewesen war, hatte sich in glänzend schwarze Locken gewandelt, was sie keineswegs bedauerte. Es schadete nicht, sich seinem jeweiligen Status anzupassen. Hauptsache, kein süßer blonder Unschuldsengel, das wäre so gar nicht ihr Stil gewesen. Das diabolische Lächeln, das sie ihrem Spiegelbild zuwarf, unterstrich die Makellosigkeit ihres neuen Ichs. Dunkle Augen blickten ihr entgegen, spiegelten mal Unterwürfigkeit, mal List wider. Ganz wie ihr beliebte. Gut zu wissen, dass sie das Maskenspiel noch immer beherrschte. Das herzförmige Antlitz mit sinnlich-vollen Lippen würde hoffentlich ein Übriges tun. Wäre sie ein Mann, sie hätte sich kaum selbst widerstehen können. Mochte es dem Hausherrn hoffentlich ebenso gehen – sofern sie ihn denn fand. *** Der Fürst der Hölle saß gelangweilt auf seinem Thron hinter einem großen Tisch aus Vulkangestein, als Eve endlich auf ihn traf, und blätterte in den Bewerbungsmappen derer, die in der Zwischenwelt auf Einlass in die Hölle warteten. Diese Station hatte sie den Höllen sei Dank direkt übersprungen. Das war aber auch das Mindeste gewesen, bei ihrer Qualifikation. Die Unzufriedenheit ob fehlender Referenzen seiner künftigen Mitarbeiter ließ den Höllenfürsten noch dämonischer wirken, als es die gewundenen Hörner, die schwarzen Augen und der feuerrote Ziegenbart ohnehin schon taten. Kein Wunder, dass sie auf ihrem Weg...