E-Book, Deutsch, 207 Seiten
Carmichael GEFAHR FÜR MADELEINE
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-7554-3203-6
Verlag: BookRix
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Ein Krimi aus London
E-Book, Deutsch, 207 Seiten
ISBN: 978-3-7554-3203-6
Verlag: BookRix
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Eine so schöne und berühmte Frau wie Madeleine Grey muss doch auffallen, besonders in ihrem kostbaren Nerz. Dennoch ist es ihr gelungen, unbemerkt aus dem Hotel in London zu verschwinden. Ist sie freiwillig untergetaucht? Wo hält sie sich verborgen? Auf dem Koffer, den sie zurückließ, findet Scotland Yard Blutflecke... Harry Carmichael (eigtl. Hartley Howard/Leopold Horace Ognall - * 20. Juni 1908 in Montreal, Québec; ? Großbritannien) war ein britischer Schriftsteller. Der Roman Gefahr für Madeleine um den Londoner Privatdetektiv John Piper erschien erstmals im Jahr 1957; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1965. Der Signum-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur.
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Zweites Kapitel
Außer Piper befanden sich noch drei Personen im Lift – ein Mann in einem Kamelhaarmantel und zwei ältere Amerikanerinnen mit blaugetöntem Haar und näselnden Stimmen. Der Mann stieg in der zweiten Etage aus; die beiden Frauen wollten in die fünfte. Ihre lautstarke Unterhaltung war beim besten Willen nicht zu überhören, obwohl Piper mit seinen Gedanken ganz woanders war. Kurz bevor er sich zum Hotel aufmachte, hatte er noch einmal mit Jordan von der Cresset-Versicherungsgesellschaft gesprochen, und Jordan hatte dabei einige recht vielsagende Bemerkungen fallenlassen... »Miss Grey hat in letzter Zeit viele Ersatzansprüche geltend gemacht... Möchte zwar nicht behaupten, dass etwas faul daran ist, aber... meistens handelte es sich um Schmuck... Kam uns verdammt teuer zu stehen... Natürlich möchten wir sie als Kundin nicht verlieren... sie ist bei uns so ziemlich gegen alles versichert: Diebstahl, Unfall, Verlust ihres guten Aussehens, Verlust des Augenlichts, der Beine, der Arme und was Sie sonst noch wollen: alles in allem kommt ein ganz hübsches Sümmchen zusammen... Nein, für eine Lebensversicherung war sie nie zu haben. Die meisten Schauspieler und Filmleute sind in diesem Punkt abergläubisch. Na, egal. Fühlen Sie der Dame mal auf den Zahn und sagen Sie mir, was Sie von ihr halten – Sie wissen schon...« Piper wusste, was Jordan meinte. Es war nicht der erste Auftrag dieser Art. Warum glaubten so viele Leute, sie könnten eine Versicherungsgesellschaft betrügen, ohne erwischt zu werden? Reiche und Arme, Dumme und Intelligente erlagen gleichermaßen der Versuchung. Während er den Korridor entlangschritt, fragte er sich, was eine Frau wie Madeleine Grey dazu veranlasst haben konnte, um eines so geringen Vorteils halber so viel aufs Spiel zu setzen. Ihre Gage betrug meist 30.000 Pfund pro Film, und es war bekannt, dass sie nicht nur zur Verschwendung neigte. Auch wenn ihre laufenden Ausgaben ungewöhnlich hoch waren, musste sie eine Menge Geld angesammelt haben. Er machte vor der Tür des Appartements 15 halt. Der matt erleuchtete Korridor war leer. Vom Treppenhaus her ertönte das monotone Geräusch eines Staubsaugers. Zwei Etagen höher fielen die Lifttüren zu, und der Lift setzte sich surrend in Bewegung; als der Fahrstuhl die dritte Etage passiert haben musste, klopfte Piper an die Tür des Appartements. Nach kurzer Pause klopfte er noch einmal etwas stärker. Er sah der Begegnung mit Spannung entgegen. Was für ein Typ mochte Madeleine Grey sein? Sie war jung, schön, reich und vermutlich auch nicht ganz unbegabt, obwohl sie ihre Beliebtheit mehr ihren üppigen Formen als ihrem schauspielerischen Talent zu verdanken hatte. Aber ihr Leben war sicher keine reine Wonne: der ständige Kampf um die schwankende Gunst des Publikums und der Produzenten; die Angst um die Figur, bei der jedes Pfund zu viel oder zu wenig das Ende der Karriere bedeuten konnte. Was verbarg sich hinter der strotzenden Fassade, die ihr den Titel Miss Body Beautiful eingetragen hatte? Verachtete sie eine Welt, die solch albernen Kult mit ihr trieb, oder betrachtete sie den Tribut als ihr gutes Recht? Piper Sagte sich, dass Jordans Verdacht höchstwahrscheinlich unbegründet war, und klopfte zum dritten und gleich danach zum vierten Mal an die Tür. Auf der anderen Seite blieb es still. Auch aus den angrenzenden Zimmern drang kein Laut. Die Hotelgäste waren vermutlich beim Essen. Madeleine Grey hatte ja beim Empfang angerufen und veranlasst, dass man ihn sofort nach seiner Ankunft zu ihr hinaufschickte. Folglich konnte sie ihre vor einigen Wochen getroffene Verabredung nicht vergessen haben. Ebenso wenig konnte sie unbemerkt aus dem Hotel gehuscht sein. Eine so auffällige Erscheinung wie sie blieb nirgends unbeachtet. Quinn hätte sie bestimmt gesehen, falls sie in der Halle aufgekreuzt wäre. Piper trommelte gegen die Tür, lauschte und wandte sich dann verärgert ab. Zu ungeduldig, um auf den Lift zu warten, steuerte er auf die Treppe zu und rannte ins Erdgeschoss hinunter. Quinn lümmelte in einem Sessel und beobachtete das Kommen und Gehen der Gäste und die hübsche Kassiererin hinter ihrem Schalter. »Das ging aber schnell«, sagte er. »Ich dachte... Stimmt was nicht?« »In ihrem Appartement meldet sich niemand. Entweder ist sie ausgegangen, oder man hat mir die falsche Zimmernummer gegeben.« »Hier ist sie nicht vorbeigekommen. Fragen wir lieber mal...« Die Empfangsdame, eine Frau Ende Vierzig mit silberweißem Haar und gekonnt aufgelegtem Make-up, erklärte Piper leicht gereizt, von einem Irrtum könne keine Rede sein. Miss Grey habe das Appartement Nummer 15 in der dritten Etage bekommen. Da sie wenige Minuten zuvor wegen seines Besuchs angerufen habe, dürfte sie wohl auch kaum ausgegangen sein, im Übrigen habe sie ihren Zimmerschlüssel nicht abgegeben. Falls die Herren es wünschten, könne sie noch mal telefonieren... Aber Madeleine Grey meldete sich nicht. Die Empfangsdame legte den Hörer auf. »Das ist sonderbar«, gab sie widerwillig zu. »Sie müsste eigentlich da sein. Ich werde es erneut probieren...« Als auch diesmal niemand antwortete, fragte Quinn: »Hat das Appartement ein eigenes Bad?« »Ja. Alle unsere Appartements haben ein Bad.« Quinn warf Piper einen raschen Blick zu. In seinen zynischen Augen lag ein wachsamer Ausdruck. »Es ist ja immerhin möglich, dass sie plötzlich erkrankt ist. Was unternehmen Sie in einem solchen Fall?« »Man könnte das Zimmermädchen bitten, die Tür mit dem Hauptschlüssel zu öffnen. Aber« – die Empfangsdame sah auf ihre gepflegten Hände herab – »ich möchte jedes unnötige Aufsehen vermeiden. Sie werden verstehen, dass...« »Gewiss. Trotzdem erscheint mir eine solche Maßnahme in diesem Fall völlig gerechtfertigt«, erwiderte Piper. »Wenn es blinder Alarm sein sollte, braucht ja niemand davon etwas zu erfahren.« Sie überlegte. »Ich muss erst um Erlaubnis fragen... Einen Augenblick, bitte.« Sie verschwand im Büro und machte die Tür hinter sich zu. Als sie wieder auftauchte, fragte sie: »Sind Sie Freunde von Miss Grey?« »Ich hatte eine wichtige geschäftliche Verabredung mit ihr und ich kann nicht annehmen, dass sie mich versetzt hat. Sie wissen ja selbst, dass sie mich erwartete.« »Ganz recht. Dann werde ich jetzt dem Zimmermädchen Bescheid sagen.« Als Piper und Quinn aus dem Lift stiegen, erwartete sie das Zimmermädchen bereits. Es trug einen schwarzen Rock, eine weiße Bluse und eine schmale schwarze Schleife um den Hals. Am Kragen steckte ein Schildchen aus blaurotem Email mit dem Namen des Hotels. Mit einem höflichen Lächeln, das beiden Männern galt,, fragte es: »Sind Sie die zwei Herren, die...?« Als Piper zustimmend nickte, machte das Mädchen kehrt und schritt vor ihnen den Korridor hinunter. Vor der Tür mit der Nummer 15 blieb sie stehen und schwenkte den Schlüssel an seiner Kette hin und her, bevor sie sich endlich zum Anklopfen aufraffte. Ihr schmales, sanftes Gesicht verriet nicht die leiseste Beunruhigung. Sie lauschte mit seitlich gesenktem Kopf und starrte dabei ins Leere. Eine halbe Minute verstrich, ohne dass sich hinter der Tür etwas rührte. »Sie scheint tatsächlich nicht da zu sein...«, murmelte das Mädchen zerstreut, steckte den Schlüssel ins Schloss und stieß die Tür auf. Der Salon war leer. Die Tür zum Schlafzimmer stand offen, und eine Tür daneben war einen Spalt breit geöffnet. »Ich schlage vor, wir warten hier, bis Sie sich umgesehen haben«, sagte Quinn. »Man kann nie wissen...« Das Mädchen verschwand im Schlafzimmer, kam zurück und schüttelte den Kopf. »Niemand anwesend.« Als sie die zweite Tür aufmachte, konnten die beiden Männer ein Stück gekachelte Wand und das Fußende der in den Boden eingelassenen Badewanne erkennen. »Nichts«, sagte sie. »Miss Grey muss doch ausgegangen sein.« »Haben Sie was dagegen, wenn ich mich hier mal ein bisschen umsehe?«, fragte Piper. »Nein, Sir. Solange Miss Grey nicht zurückkommt und Sie hier erwischt.« Ihre kleinen, hellen Augen beobachteten gespannt, wie er die Hand in die Tasche versenkte und wieder herauszog. Einige Münzen wechselten ihren Besitzer. »Danke, Sir. Ich glaube nicht, dass sonst jemand was dagegen hat. Aber machen Sie bitte nicht zu lange.« »Es dauert nur ein paar Minuten.« Er durchsuchte hastig das Schlafzimmer, wobei er nicht vergaß, einen Blick unter das Bett zu werfen. Der Raum wirkte gänzlich unbewohnt. Das Bettzeug war glatt und unberührt, der Schrank leer, die Glasplatte des Toilettentisches blitzte vor Sauberkeit. Außer den vier Koffern deutete nichts darauf hin, dass Madeleine Grey jemals hier gewesen war. Im Bad entdeckte Piper die ersten Spuren. Die Seife war benutzt worden, und eines der Handtücher auf dem Halter war zerknittert und feucht. Quinn war Piper gefolgt. Er brach als erster das Schweigen. »Die Koffer hat sie nicht ausgepackt, aber gewaschen hat sie sich wenigstens. Die große Frage ist, was sie danach gemacht hat.« »Sie hat sich nur die Hände gewaschen. Wenn sie ihr Make-up erneuert hätte...«, Piper faltete das Handtuch auseinander und hielt es gegen das Licht, »dann würden wir Lippenstiftspuren auf dem Tuch finden. Es sind aber keine zu sehen. Und es riecht auch nicht nach Puder oder Gesichtswasser. Oder riechst du was?« »Nein. Mir scheint, du hast recht. Aber was ist damit eigentlich bewiesen?« Piper zuckte mit den Schultern. »Bewiesen? Nichts. Trotzdem ist es sonderbar...« »Wenn du ihre Aufmachung vorhin auf dem Flugplatz gesehen hättest, würdest du’s...




