Carmichael | DER KÖDER MIT HAKEN | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 175 Seiten

Carmichael DER KÖDER MIT HAKEN

Ein Krimi aus London
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-7554-2038-5
Verlag: BookRix
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Ein Krimi aus London

E-Book, Deutsch, 175 Seiten

ISBN: 978-3-7554-2038-5
Verlag: BookRix
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Mrs. Chandler ist verschwunden. Und Quinn, Reporter bei der Morning Post in London, hat sich bereiterklärt, seinem Freund Chandler bei der Suche zu helfen. Zu dieser Zeit konnte Quinn noch nicht ahnen, dass es schon bald so aussieht, als hätte Chandler selbst seine Frau umgebracht...   Harry Carmichael (eigtl. Hartley Howard/Leopold Horace Ognall - * 20. Juni 1908 in Montreal, Québec; ? Großbritannien) war ein britischer Schriftsteller.  Der Roman  Der Köder mit Haken  um den Londoner Privatdetektiv John Piper erschien erstmals im Jahr 1971; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1972.  Der Signum-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur.

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  Erstes Kapitel
      Es war halb neun, als Leslie Chandler in die Avory Street einbog. Als er vor dem Bürogebäude anhielt, stellte er fest, dass seine Uhr im Wagen fünf Minuten nachging. Die Armbanduhr stand auf halb neun. Er wusste, dass sie richtig ging. Er hatte sie auf der Heimfahrt nach dem Radio gestellt. Aber die fünf Minuten spielten sowieso keine Rolle, und jeder weiß, dass Autouhren meistens nicht genau gehen. Eine halbe Stunde von Wembley Park bis zur Avory Street in London; nicht schlecht, sagte er sich. Um diese Zeit war natürlich weniger Verkehr als während des Tages. Für die Heimfahrt hatte er länger gebraucht – wesentlich länger. Clare hatte gemeint, er wäre unterwegs noch in eine Kneipe gegangen. Es hätte keinen Sinn gehabt, ihr zu widersprechen, sie überzeugen zu wollen, dass sie sich irrte. Diese Zeiten waren vorbei. Seine Gedanken kreisten um sie, als er aus dem Wagen stieg. Wie dumm, so viele kostbare Jahre vergeudet zu haben. Die Ehe mit Clare war von Anfang an ein Fehler gewesen; eine Vernunftehe, die niemals glücklich werden konnte. Jetzt winkte die Freiheit. Die Jahre der Tyrannei würden bald vorüber sein. Dieser Gedanke erregte ihn. So vieles, was noch auf ihn wartete! Er verstand nicht, warum er sich noch immer fürchtete, warum die Angst ihn so bedrückte. Nichts durfte dazwischenkommen – nichts konnte dazwischenkommen.   Als er über den Bürgersteig ging, bemerkte er, dass nur noch ein Auto in der Avory Street parkte. Es stand in einiger Entfernung unter einer Straßenlaterne. Seine Scheinwerfer waren abgeschaltet. Die Tür des Bürogebäudes war abgeschlossen. Während er mit dem Schlüssel hantierte, kreisten seine Gedanken um Clare. Es schien unmöglich, sich mit anderem zu beschäftigen. Nichts hatte in seinem Hirn Platz, er hörte nur ihre nörgelnde Stimme – die Stimme, die er im Lauf der Jahre zu hassen gelernt hatte. Sie redete unaufhörlich auf ihn ein, während er die Tür aufschloss und dann hinter sich verriegelte, durch den Korridor eilte, der nur vom Licht einer Straßenlaterne erhellt wurde. Alles war still. Kein Laut im Haus. Er stieg die Treppe hinauf. Auf jedem Stockwerk blieb er einen Moment stehen, um das Licht anzuknipsen. Er hörte nur den Widerhall seiner eigenen Schritte. Der Korridor im dritten Stock war so dunkel wie das ganze Gebäude. Er schaltete das Licht ein, horchte einen Augenblick lang bewegungslos – dann ging er entschlossen auf die Tür seines Büros zu. Auch dort war es finster. Er schloss die Tür auf und tastete nach dem Lichtschalter. Ehe seine Finger ihn berührten, hatte er plötzlich das Gefühl, er handele wie im Traum – in einem Traum, dessen Ablauf er genau kannte. Noch ehe das Licht anging, war er sich sicher, dass im Vorzimmer nichts Ungewöhnliches auf ihn wartete. Dianes Schreibtisch war ordentlich aufgeräumt wie immer: eine zugedeckte Schreibmaschine, links davon ein Stenoblock, rechts das Telefon. Unter der Tür zu seinem eigenen Zimmer schimmerte kein Licht. Als er den Türknauf drehte, spürte er für einen Augenblick Angst. Er fasste sich wieder. Lächerlich! Wieder tastete er nach dem Lichtschalter. Wieder ging das Licht an. Jetzt empfand er eher Ärger als Angst. Das ganze Theater war unnötig gewesen. Die abgeschlossene Haustür hätte jedem gesagt, dass das Gebäude leer war, dass alle längst nach Hause gegangen waren. Und wenn das nicht Beweis genug gewesen wäre, dann hätte das völlige Dunkel des Hauses keine Nachforschung herausgefordert. Doch vielleicht würde man ihn fragen, ob er nachgesehen hätte, um sich zu vergewissern. Wahrscheinlich erwartete man das sogar. Er ging auf und ab, zog eine Schublade an seinem Schreibtisch auf, schloss sie wieder, schob die Löschunterlage zur Seite und rückte sie wieder an ihren Platz. Nichts war anders als sonst. Aber das hatte er ja von Anfang an gewusst. Er hatte es gewusst, noch ehe er das Büro betreten hatte. Dies war nur eine lächerliche Pantomime. Trotzdem war es noch nicht vorüber. Er schloss wieder ab, eilte nach unten, schlug die Haustür hinter sich zu und drehte den Schlüssel im Schloss. In den prasselnden Regen mischten sich Schneeflocken. Zum Polizeirevier Bow Street waren es keine zwei Minuten. Er stellte seinen Wagen etwa fünfzig Meter vom Eingang entfernt ab. Die Hände in den Taschen vergraben, den Mantelkragen hochgeschlagen, klopfte er an die Tür. Der diensthabende Beamte hatte ein mageres, knochiges Gesicht und schütteres, in der Mitte gescheiteltes Haar. »Guten Abend, Sir«, sagte er. »Kann ich Ihnen behilflich sein?« »Ich hoffe«, versetzte Chandler. »Da scheint ein Versehen vorzuliegen, aber ich hielt es für angebracht, die Sache auf jeden Fall zu melden.« So hatte er es nicht sagen wollen. Es war Sache der Polizei, zu entscheiden, ob ein Versehen vorlag oder nicht. Der Sergeant blickte ihn starr an. »Ja, Sir«, erwiderte er. »Was für ein Versehen?« »Ja, also – ich erhielt heute zu Hause einen Anruf, mit dem mir mitgeteilt wurde, in meinem Büro wäre eingebrochen worden. Der Anrufer erklärte, er wäre Polizeibeamter, und bat mich, in die Stadt zu kommen. Ich sollte feststellen, was in meinem Büro fehlte. Daraufhin bin ich extra von Wembley Park hereingefahren, leider umsonst: falscher Alarm. In meinem Büro war überhaupt nicht eingebrochen worden. Das ganze Gebäude war stockfinster. Keine Menschenseele zu sehen.« Mit unverändert respektvoller Stimme fragte der Sergeant: »Erwähnte der Mann am Telefon, zu welcher Abteilung er gehörte?« »Nein, aber ich nahm an, er riefe von hier aus an. Mein Büro ist in der Avory Street, und die gehört ja wohl zu diesem Revier.« »Das stimmt, Sir. Vielleicht würden Sie mir jetzt Ihren Namen angeben...?« Er schrieb sich die Personalangaben auf, stellte einige Fragen und bat dann Chandler, auf einem Stuhl Platz zu nehmen. »Ich werde gleich mal nachprüfen, ob von hier jemand angerufen hat. Es dauert nicht lange.« Leslie Chandler setzte sich. Sein Hirn war leer, unfähig, einen Gedanken zu fassen. Wie im Traum nahm er wahr, was um ihn herum vorging. Leute kamen und gingen. Irgendwo läutete ein Telefon. Menschen sprachen, doch die Worte, die er hörte, ergaben keinen Sinn. Der Regen klatschte an das Fenster. Er hörte Clares nörgelnde Stimme. Clare war es gewesen, die ihn gelehrt hatte, was Hass ist. Kein Mensch sollte dazu verdammt sein, sich unaufhörlich seihe Fehler und Schwächen vorhalten lassen zu müssen. Je näher ihre Beschuldigungen der Wahrheit kamen, desto mehr hasste er sie. Sie erniedrigten ihn vollends, machten ihn nackt und hilflos. Kein Mensch würde je verstehen, was es bedeutete, sich von ihr mit Worten schlagen und treten lassen zu müssen wie ein Hund. Er wollte vergessen, doch die Vergangenheit war zu tief in sein Gedächtnis eingedrungen. Vielleicht würde er niemals vergessen können. Vielleicht gab es für ihn keine Zukunft. Vielleicht würden die Erinnerungen an Clare ihn bis zum Ende seines Lebens bedrängen. Wo immer er auch hinging, was immer er tat: sie würde ihn nicht loslassen, weder bei Nacht noch bei Tag. Der Gedanke entsetzte ihn. Er glaubte zu ersticken, es war, als drückte ihm jemand ein Kissen auf das Gesicht. Das Schlimme war, dass ihm sein ganzer Mut genommen war. Die Jahre der Unterdrückung hatten ihren Tribut gefordert. Vielleicht war es zu spät, das Joch abzuschütteln. Die Freiheit ist nichts für einen Menschen, dessen Geist tot ist. Der Sergeant kehrte zurück. »Ich habe nachgefragt, Mr. Chandler«, berichtete er. »Von hier aus wurde nicht angerufen. Aber wenn Sie wollen, kann natürlich einer unserer Beamten mit Ihnen in die Avory Street...« »Das wäre völlig sinnlos«, unterbrach ihn Chandler. »Ich war bereits in meinem Büro. Dort ist alles in Ordnung. Der Bursche, der mir den Streich gespielt hat, verdient eine Tracht Prügel.« »Ja, unverschämt. Haben Sie eine Ahnung, wer diesen geschmacklosen Scherz gemacht haben könnte?« »Nicht die geringste. Wenn es jemand gewesen wäre, den ich kenne, dann hätte ich seine Stimme am Telefon erkannt. Der Anrufer war ein Fremder.« »Nun, der hat sich einen Spaß gemacht. Hoffen wir, dass die Sache damit erledigt ist. Aber wenn so was noch einmal passiert, dann setzen Sie sich am besten mit der Polizei in Wembley in Verbindung. Wahrscheinlich wohnt dort dieser Witzbold.« »Und wenn ich ihn erwische, dann landet er im Krankenhaus«, erklärte Chandler. »Gute Nacht, Sergeant.«   Schneeregen schlug ihm ins Gesicht, als er zu seinem Wagen ging. Er schloss die Tür auf, ließ sich auf den Sitz fallen, wischte sich Gesicht und Haar mit einem Taschentuch ab und dachte nach. Diese letzte Bemerkung war eine Dummheit gewesen. Er hatte sich hinreißen lassen, als er mit Gewalttätigkeit gedroht hatte. Das passte ganz und gar nicht zu ihm. Ein Mensch wie er darf nicht so reden. Entrüstung war verständlich, aber alles muss seine Grenzen haben. Er überlegte, was er jetzt tun sollte. Es war noch zu früh, um schon nach Hause zu fahren. Er hatte knapp eine halbe Stunde zur Stadt gebraucht. Es wäre ein Fehler, zu früh wieder in Wembley Park zurück zu sein. Das hatte Zeit – mehr Zeit als genug. Was ihm bevorstand, hatte keine Eile. Ein oder zwei Stunden Verzögerung würden auf lange Sicht kaum eine Rolle spielen. Jetzt brauchte er erst einmal einen kräftigen Schluck. So viele Dinge beschäftigten seine Gedanken. Er musste ruhiger werden, warten, bis die Spannung sich löste, damit er das Nebensächliche vom Wichtigen trennen konnte. Ein Glas...



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