E-Book, Deutsch, 192 Seiten
Campana / Forrer Kasteel / Jacober Die Kunst der Resonanz (E-Book)
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-0355-2870-1
Verlag: hep verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Feuer und Flamme für guten Unterricht
E-Book, Deutsch, 192 Seiten
ISBN: 978-3-0355-2870-1
Verlag: hep verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Feuer und Flamme fürs Lehren – das sind die Zyklus-I-Lehrpersonen, die in diesem Buch aus ihrem Unterricht berichten. Zusammen mit PH-Dozierenden denken sie über gelingendes Lehren und Lernen nach. Sie messen Unterrichtsqualität über die üblichen Parameter hinaus an der Resonanz, die sich zwischen den Lehrpersonen, den Schüler:innen und den Lerninhalten ergibt. Die festgehaltenen Momente von wechselseitiger, sinnstiftender Beziehung zeigen, was den Schulalltag lebendig macht. Sie sind Inspiration für die Weiterentwicklung von Unterricht und Schule.
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Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Resonanz:
Kern der Unterrichtsqualität
Sabine Campana und Esther Forrer Kasteel
Unterrichtsqualität kann durch unterschiedliche Methoden und an verschiedenen Aspekten festgemacht werden. Man kann sich zum Beispiel anschauen, was beim Unterricht als Ergebnis herauskommt. Das wird als Outputorientierung bezeichnet. In diesem Fall bezieht man sich in der Regel auf die Leistung der Schülerinnen und Schüler. Glücklicherweise lässt sich Leistung (wenn die zu messenden Leistungsbereiche definiert sind) relativ einfach messen. In Studien versuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler herauszufinden, wie der Unterricht gestaltet werden muss, damit die Schülerinnen und Schüler möglichst hohe Leistungen erbringen. Guter Unterricht ist nach der outputorientierten Unterrichtsforschung also Unterricht, in dem die Lehrperson so unterrichtet, dass die Schülerinnen und Schüler möglichst effizient und effektiv lernen und ihren Lernerfolg durch Leistungstests sichtbar machen können.
Viele Erziehungswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler kritisieren diese Sichtweise (z. B. Brügelmann, 2015; Herzog, 2013; Herzog & Rahm, 2014). Sie argumentieren, dass sie der Schulrealität nicht gerecht wird und viele Gefahren birgt. Eine davon sei, dass die schulische Leistung ein sehr hohes Gewicht erhält und andere schulische Ziele wie Persönlichkeitsbildung, Verantwortlichkeit, Kooperativität oder Kreativität mangels Messbarkeit in den Hintergrund treten. Eine weitere Gefahr bestehe darin, dass das Modell ein technokratisches Verständnis von Unterricht impliziere. Es suggeriere, dass ein optimierter Input der Lehrperson direkt zu besseren Leistungen führt. Wir alle wissen, dass dies nicht der Fall ist. Unterrichten, Lehren und Lernen sind viel komplexer, und Unterricht ist ein wechselseitiger Prozess. Auch wenn die Lehrperson ihren Unterricht sehr gut plant und durchführt, resultieren daraus nicht immer gute Leistungen von Schülerinnen und Schülern. Unter der Formel «Ökonomisierung der Bildung» (Buck, 2024; Höhne, 2015) wird kritisiert, dass Bildung heute nach einer ökonomischen Logik funktioniert und die Kinder als Investitionsgut betrachtet werden, deren Bildung Kapital abwerfen soll. Lehrpersonen haben dieses Humankapital nach festgesetzten Standards zu produzieren.
Es besteht die Tendenz, alles steuerbar, messbar und verfügbar zu machen, und außerdem die Gefahr einer Zweckrationalität. Darauf weist ein Soziologe hin: Hartmut Rosa. Er sagt, eine solche Haltung führe dazu, dass man sich von Erlebnissen, Menschen oder Gegenständen gar nicht mehr berühren lasse, sondern eher aggressiv werde, wenn diese eben nicht einträten oder sich nicht so verhielten, wie man es sich wünsche. Er plädiert für einen Unterricht, in dem die Kinder in ihrer Ganzheit berührt werden. Das kann in einem unterstützenden Gespräch der Lehrperson mit einer Schülerin geschehen oder auch zwischen mehreren Kindern, die sich in einer Gruppenarbeit voranbringen. Oder es passiert, wenn die Kinder von einem Unterrichtsgegenstand so gefesselt sind, dass sie alles um sich herum vergessen. Rosa (2019a) nennt solche Formen der Beziehung resonant. Er wehrt sich dezidiert dagegen, dass resonante Beziehungen nur zur Effizienzsteigerung angestrebt werden sollen. Er sagt, Resonanz könne weder willentlich herbeigeführt noch gemessen werden.
Als Lehrpersonen des Zyklus 1 finden wir uns in beiden Sichtweisen wieder. Natürlich möchten wir, dass die Kinder möglichst gut lernen. Wir sind dem Lehrplan verpflichtet und müssen die Kinder unter anderem nach ihren Leistungen in bestimmten Fächern beurteilen. Gleichzeitig erleben wir täglich, dass es im Unterricht mit jungen Kindern um viel mehr geht als nur um den leistungsbezogenen Output. Es geht auch darum, wie wir miteinander umgehen, wie sich die Kinder auf das Lernen einlassen können, wie wir miteinander sprechen oder uns gegenseitig helfen. Es geht um Leistungen und um resonante Beziehungen. Wir machen uns also auf die Suche nach einer resonanten Unterrichtsqualität – ungeachtet dessen, ob sich diese vermessen lässt. Wir glauben, dass Bildung mehr ist als ein hoher Leistungsoutput. Wir glauben aber auch, dass man in resonanten Beziehungen lieber und damit auch besser lernt. Wir glauben, dass resonante Unterrichtsqualität nicht immer willentlich herbeigeführt werden kann. Wir glauben aber auch, dass sie nicht einfach zufällig entsteht, sondern dass Lehrpersonen ihr einen fruchtbaren Boden bereiten können.
Im Folgenden werden die beiden Sichtweisen zunächst einzeln dargestellt und anschließend gemeinsam gedacht.
Unterrichtsqualität
Die Frage nach gutem Unterricht beschäftigt Forschende und Lehrpersonen schon seit geraumer Zeit. In der outputorientierten Unterrichtsforschung hat sich seit den 2010er-Jahren das Modell der drei Basisdimensionen etabliert. Es fasst alle bisherigen Erkenntnisse empirischer Studien übersichtlich in drei zentralen und fächerübergreifenden Dimensionen zusammen. Demnach sind effiziente Klassenführung, ein unterstützendes Unterrichtsklima und kognitive Aktivierung die ausschlaggebenden Unterrichtselemente, wenn Schülerinnen und Schüler gut lernen sollen (Klieme, 2019; Lipowsky et al. 2019).
Effektive Klassenführung ermöglicht es, die zur Verfügung stehende Unterrichtszeit optimal für das Lernen zu nutzen und möglichst wenig Lernzeit für Unnötiges zu verschwenden. Das bedeutet, dass die Lehrperson eine lernförderliche Umgebung schafft, indem sie Störungen minimiert, klare Regeln und Routinen etabliert, flüssige Übergänge zwischen den Unterrichtsphasen gestaltet und die Aufmerksamkeit der Schülerinnen und Schüler auf die Lerninhalte lenkt.
Konstruktive Unterstützung bezieht sich auf zwei Ebenen: die pädagogisch didaktische Unterstützung mit dem Ziel des Erwerbs von Fachkompetenzen und die emotional-motivationale Unterstützung mit dem Ziel der sozioemotionalen Entwicklung. Angemessenes Feedback, Hilfestellungen, Anregungen zum selbstständigen Lernen, die Schaffung einer positiven Lernatmosphäre, die Wertschätzung der individuellen Bedürfnisse und Interessen der Schülerinnen und Schüler fördern ihre Motivation, ihr Selbstvertrauen und damit auch ihre Leistung.
Kognitive Aktivierung basiert auf einem konstruktivistischen Lernverständnis. Die Lehrperson regt die Schülerinnen und Schüler durch herausfordernde Aufgaben dazu an, zu analysieren, zu vergleichen, zu begründen, Probleme zu lösen oder ihr Wissen auf andere Kontexte zu transferieren. Wichtig ist auch, dass sich die Kinder über ihre Erkenntnisse und ihre Lösungswege austauschen. Kognitive Aktivierung fördert Lernen, das auf aktiver Wissenskonstruktion basiert, statt auf passiver Wissensreproduktion.
Das Modell der Basisdimensionen zeigt, dass die Tiefenstrukturen des Unterrichts für den Lernerfolg besonders wichtig sind. Sie sind, im Gegensatz zu den Oberflächenstrukturen wie Klassengröße, eingesetzte Methoden oder Sozialformen, nicht auf den ersten Blick erkennbar, haben aber den deutlich stärkeren Einfluss (Decristan et al., 2020; Lotz & Lipowsky, 2015).
Auch wenn das Modell in erster Linie auf outputorientierten Forschungsergebnissen aufbaut, liegen ihm lerntheoretische und psychologische Denkmodelle zugrunde. Es orientiert sich unter anderem an der Selbstbestimmungstheorie von Ryan und Deci (2017). Diese geht davon aus, dass Menschen durch drei Grundbedürfnisse motiviert werden: Sie wollen Kompetenz erfahren, sozial eingebunden sein und selbst bestimmen können. Erst wenn diese Grundbedürfnisse erfüllt sind, können sich Schülerinnen und Schüler auf das Lernen einlassen. Es geht also darum, ein Lernen zu fördern, das Schülerinnen und Schüler als autonome Persönlichkeiten wahrnimmt, auf Selbststeuerungsprozesse angelegt ist und sich durch wertschätzende Sozialbeziehungen auszeichnet.
Unbestritten sind die drei Basisdimensionen dem Lernen zuträglich. Das Modell besticht durch seine Einfachheit und Klarheit. Es erlaubt uns, das Unterrichten nach theoretisch und empirisch fundierten Kriterien zu beobachten und zu beurteilen. Es hat aber auch seine Schwächen. Versucht man beispielsweise in Studien die Leistung oder die Motivation der Schülerinnen und Schüler anhand der drei Basisdimensionen vorherzusagen, sind die Ergebnisse eher ernüchternd: Nur etwa der Hälfte der Studien gelingt dies und manchmal sind die Effekte sogar umgekehrt (Praetorius et al., 2018). So gibt es Studien, die zeigen, dass eine hocheffiziente Klassenführung das Selbstkonzept von Schulanfängerinnen und Schulanfängern sogar negativ beeinflussen kann oder dass offene Aufgabenstellungen zwar leistungsstarke Schülerinnen und Schüler anregen, leistungsschwache Kinder aber häufig überfordern (Gabriel, 2013; Grünke, 2007). Offensichtlich spielen noch weitere Faktoren eine wichtige Rolle – beispielsweise wie die Schülerinnen und Schüler das Unterrichtsangebot nutzen. Diese Einflüsse stellt Helmke (2017) in seinem Angebots-Nutzungs-Modell vor. Neben der Qualität des Unterrichtsangebots bestimmen auch andere Größen mit, wie gut die...