Camilleri | König Zosimo | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 368 Seiten

Reihe: E-Book-Edition ITALIEN

Camilleri König Zosimo


1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-8031-4171-2
Verlag: Verlag Klaus Wagenbach
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 368 Seiten

Reihe: E-Book-Edition ITALIEN

ISBN: 978-3-8031-4171-2
Verlag: Verlag Klaus Wagenbach
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Ein vergnüglicher Roman über den Bauern Zosimo, der im Jahre 1718 in Agrigent nach dem Willen des sizilianischen Volkes zum König gekrönt wird. Komisch, fantasievoll, verschroben, deftig, spannend wie nur Camilleri erzählen kann.

Alle schlitzohrigen Typen aus Montelusa, die wir aus Camilleris schönsten historischen Romanen 'Der unschickliche Antrag' oder 'Die Mühlen des Herrn' kennen, treten hier in prächtiger Gestalt auf: der korrupte Advokat und Priester, der Unannehmlichkeiten scheuende Polizeibeamte, der Diener, der die Wahrheit kennt, dem sie aber ausgeredet werden muss. Hinzu kommen ein spanischer Herzog - der Roman spielt im 18. Jahrhundert, Sizilien stand unter spanischer Krone - und natürlich das sizilianische Volk, das sich die soziale Gerechtigkeit, die ihm die Herrschenden verwehren, mit höchst eigenwilligen Mitteln erwirbt.

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ERSTES KAPITEL
Jetzt endlich erging es den Zosimos gut. Doch vor sechzehn Jahren, als sie frisch vermählet waren, mußten Gisuè und Filònia quälenden Hunger ertragen, Hunger von der Art, der einen gar noch den schwarzen Rauch aus der Öllampe einatmen und herunterschlucken läßt. Sie waren Kinder und Kindeskinder von Taglöhnern, und Taglöhner waren auch sie selber, Landarbeiter, die, je nach Jahreszeiten, zusammenkamen und von Lehen zu Lehen zogen, immer auf der Suche nach Arbeit, wie die Erntezeiten es erforderten, und hatten sie Arbeit gefunden, konnten sie sich des Glücks erfreuen, einige Wochen lang etwas zu beißen zu haben, zum Beispiel einen Kanten Brot mit was drauf, und das konnte ein Stück Käse sein oder eine Sardelle oder eine Caponata aus Auberginen. Des Sommers schliefen sie bei Nacht im Freien unterm gestirnten Himmel; winters schliefen sie zu viert oder fünft in einem Strohschober und wärmten sich mit ihrem Atem. Eines Morgens, als die Ernteschar aus an die dreißig Menschen, Männer und Frauen, Alte und Kinder, vom Lehnsgut Trasatta zum Lehnsgut Tumminello aufbrach, hatten Gisuè und Filònia von weitem eine Stimme vernommen, die näher kam und sich wieder entfernte, je nachdem wie der Wind sich drehte. Ihnen war, als wäre es die Stimme eine Sterbenden. Und sie rief: »Bei den heiligen Seelen im Fegfeuer, errettet mich! Hört doch! Zu Hilfe, ihr Leute! Im Namen Gottes, ziehet mich doch hier heraus!« Gisuè sagte zu Filònia, die sich angesichts dieser klagenden Stimme sehr erschreckt hatte, weil sie ihr von einem Geiste oder von einer verdammten Seele zu kommen schien, sie solle wieder zur Gruppe gehen, die weiter vorausgegangen war, ohne etwas gehört zu haben, doch sie dürfe niemandem etwas sagen. So eilte er zu der Stelle, von welcher der immer verzweifelter werdende Ruf gekommen war. Er erreichte den oberen Rand der Schlucht des Flusses Pirrera, der nur dann zum Flusse wurde, wenn’s ihm in den Kram paßte, das übrige Jahr aber blieb er nur ein Spalt, eine Narbe in der Erdkruste, und Gisuè sah auf halber Höhe, ungefähr fünfzehn Meter weiter unten, einen Mann, der seinen Sturz in die Tiefe abzuwenden gewußt, weil er sich an einem Strauch festhielt, einem wilden Salbeibusche, wohingegen sein Pferd sich die Knochen dreißig Meter weiter unten, auf dem Erzgestein und den spitzigen weißlichen Gesteinsbrocken, die das Bett des Flusses bildeten, zerschmettert hatte. Eilig band Gisuè die geschliffene Machete ab, die er um die Hüfte gebunden trug, mit kräftigen Schlägen schnitt er einen Olivenzweig herunter und machte daraus einen widerstandsfähigen Stab. Er steckte die Machete wieder in den Gürtel, zog das Wams aus, warf es zu Boden und begann den schwierigen und äußerst gefährlichen Abstieg. Hätte er auch nur einen Fuß ins Leere gesetzt, hätte nachher niemand mehr das Fleisch dieses Christenmenschen von dem des Pferdes zu unterscheiden vermocht. Er brauchte eine gute halbe Stunde, bis er auf gleicher Höhe mit dem Manne war, der sich an den Strauch geklammert und das gesamte Körpergewicht auf die linke Fußspitze verlagert hatte, welche in einer hervorspringenden Wurzel steckte. Der Unglückselige schien nach so viel Geschrei die Sprache verloren zu haben. Seinen Erretter blickte er mit den Augen eines verwaisten Lämmleins an. Er war ein sehr wohlhabender Herr, gekleidet in feines Tuch mit Goldstickereien, in Stiefeln aus Ziegenleder, die so viel gekostet haben mußten, wie Gisuè in seinem ganzen miserablen Leben nicht verdienen würde, er trug große goldene Ringe mit Edelsteinen an sämtlichen Fingern beider Hände, eine Kette aus purem Golde am Hals mit einem riesigen glitzernden Anhänger an der Brust. Heilige Jungfrau! Gisuè verschlug es die Sprache. Das war kein Mann aus Fleisch und Blut, sondern eine Schatzmine, ein richtiger Fund, der ihn all seine ihm noch verbleibenden Jahre aushalten und seiner Familie und allen noch zu zeugenden Kindern ein Auskommen sichern würde! Heiliger Strohsack, was für ein Schatz war ihm da zugefallen! Jetzt endlich würde er reich werden! »Rettet mich!« sagte der Mann mit hauchdünner Stimme. »Darauf kannst du bauen«, dachte Gisuè. Doch sagte er nichts, er dachte nach, hier mußte das Für und das Wider abgewogen werden. Was war die sicherste Art? Ihn an Ort und Stelle umzubringen, wäre möglicherweise ein Fehler, es mangelte an Platz, um das zu tun; würde er ihn mit der Machete erschlagen, wäre der wohl imstande, den Halt zu verlieren, ohne daß er, Gisuè, Gelegenheit hätte, ihn im Fall noch zu packen, und der Mann würde hinabstürzen und neben dem Pferd aufschlagen, und dann wäre es auch noch möglich, daß er im Sturz die Goldkette verlor oder sich die Kleidung zerfetzte. Und dann gute Nacht, schöner Reichtum! Es blieb also nur, sich mit Kraft und Geduld zu wappnen, den Mann in Sicherheit zu bringen und ihn, alsobald man vom Abgrund entfernt war, mit einem Machetenschlage abzumurksen. Doch Gisuè wußte nicht, wo er eigentlich anfangen sollte, der Mann schien ja nicht mehr in der Lage zu sein, sich zu rühren oder auch nur, ihn zu hören. Und wenn der, zugerichtet wie er war, eine falsche Bewegung mit dem Fuße machte und sie beide abstürzten und dem Pferde Gesellschaft leisteten? Nein, nein: das einzige, was in Frage kam, war etwas an Ort und Stelle. Gisuè hielt sich an einem andern Strauche fest, ließ sich ein kleines Stückchen weiter hinab und grub, als er in Höhe der Stiefel des Mannes war, mit einer Hand ein Loch, damit der Mann einen Fuß da hineinstellen konnte, und zwar den rechten, welcher sich hinter dem anderen Bein verschränkt hatte. Der Mann mußte sich allerdings ganz auf der linken Fußspitze drehen und sein Gesicht zur Wand kehren. Aber es wollte nicht gelingen, der Mann war zur Marmorstatue erstarrt, er bewegte sich keinen Zentillimeter nicht. Da packte Gisuè den Fuß gewaltsam auf halber Höhe, um ihn in das Loch zu stecken. »Nein! Nein!« sagte der Mann verzweifelt, preßte die Schenkel aneinander und stieß einen Weiberschrei aus, der Gisuè vorkam wie der von Filònia, als er sie damals entjungferte. Endlich entschloß er sich, den verdammten Fuß in das Loch zu stecken, er bekam Halt und konnte das Körpergewicht besser ausgleichen. Jetzt mußte Gisuè nur die richtige Stellung finden, die es ihm erlaubte, sich allein mit den Füßen zu halten und die Hände frei zu haben. Er versuchte und versuchte es immer wieder, und schließlich, nach einer halben Stunde endloser Mühen, hatte er sie gefunden. Bevor er sich ans Werk machte, ging er seinen Plan noch einmal durch. Mit einer Hand mußte er den Mann zur Wand hin halten und mit der anderen ihm einen Schlag mit der Machete versetzen. Mit dem Rücken zu ihm gekehrt, würde der überhaupt nichts merken. So löste Gisuè vorsichtig die Machete aus seinem Gürtel. »Heh! Ihr da unten!« Gisuè erstarrte. Das war ganz gewiß die Stimme Gottes, die Stimme des Herrn Jesus, der ihm Vorhaltungen machte ob der Sünd, ob des Mords, den er im Begriffe stand zu begehen. Doch gleich darauf kam ihn ein weiterer Gedanke, und diesmal war er zornig: »Wie nur ist es möglich, daß der Herrgott bei allem, was er im weiten Himmelsall zu tun hat, ausgerechnet mich aussucht, um mir die Eier weichzutrampeln?« »Heh! Ihr da unten, blickt nach oben!« Unter Mühen hob Gisuè seinen Kopf. Da waren an die zwanzig Gesichter oben, am Rande des Abgrunds, und ein Anführergesicht, das sprach: »Haltet den Fürsten. Rühret euch nicht. Wir kommen hinunter.« Gisuè verfluchte das Unglück, das über ihn gekommen war in Gestalt eines zum Greifen nahen Schatzes, den er jetzt verlor, und er gehorchte. Seine Nase war auf gleicher Höhe mit dem Hintern des Fürsten, und er gewahrte, daß der sich vor lauter Angst in die Hosen geschissen. Eines konnte er nicht begreifen: alle Geschöpfe dieser Welt verrichteten ihre Notdurft, keine Frage, aber wie kam es, daß das Geschiß eines Mannes von Adel so viel gemeiner stank als das eines armen Hundes? Er war todmüde, als er nach oben gelangte, an den Rand der Schlucht. Keiner hatte ihm beim Hinaufklettern eine Hand entgegengestreckt, alle zwanzig dieser Christenmenschen hatten sich mit Stricken und Zügen dicht um den Fürsten geschart, ihn eingeseilt und ins Sichere gezogen. Bei ihm dagegen weder Oh noch Ah! Er tröstete sich mit dem Gedanken, daß, wenn alle verschwunden wären, er sich einfach wieder in die Schlucht hinablassen würde, um das Sattel- und Zaumzeug des zerschmetterten Pferdes zu bergen, das auch von weitem so aussah, als könne er davon noch viele Jahre glücklich und zufrieden leben. Der Fürst saß auf der Erde, einer hatte sich auf allen vieren hinter ihm niedergeknieet, damit der edle Herr sich bequem anlehnen könne. Ein anderer hatte sich vor ihm auf den Hintern gesetzet und ließ ihn bald an einem Fläschlein mit Essenzen...


Andrea Camilleri, geboren 1925 in Porto Empedocle in der sizilianischen Provinz Agrigento, lebt in Rom. Er ist Schriftsteller, Essayist, Drehbuchautor, Theaterregisseur, Erfinder des Commissario Montalbano und Verfasser mehrerer sehr erfolgreicher historischer Romane über sein Heimatland Sizilien.

Andrea Camilleri, geboren 1925 in Porto Empedocle in der sizilianischen Provinz Agrigento, lebt in Rom. Er ist Schriftsteller, Essayist, Drehbuchautor, Theaterregisseur, Erfinder des Commissario Montalbano und Verfasser mehrerer sehr erfolgreicher historischer Romane über sein Heimatland Sizilien.



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